Montag, 14. Oktober 2013

(3) Streifzüge durch die Kirchengeschichte - Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen


    1. Konstantins Jugend – Machtergreifung
Geboren wurde Konstantin wahrscheinlich um 280. „Die Zeitangaben sind sehr unsicher.“ (1) Mutter Helena stammte angeblich aus einfachen Verhältnissen inmitten des Balkangebietes.

Sein Vater war der römische Offizier Constantius (Chlorus), der ebenfalls nicht auf eine große Herkunft verweisen konnte. 

Sie lebte mit dem als gutmütig, tapfer und intelligent bekannten Soldaten mit seiner riesigen Hakennase anscheinend unverheiratet zusammen.


Constantin Chlorus (ca. 250-306) seit Konstantins 13. Lebensjahr Mitkaiser der römischen Tetrarchie unter Diokletian

Allmählich erklomm er höchste militärische Ränge. Der Schock sollte sie treffen, als sie erfuhr ihr Geliebter könnte sogar als Unterkaiser berufen werden, er müsste sie dann allerdings verstoßen und Theodora die Tochter des 2. Mitkaisers der Tetrarchie, Maximian, unter Diokletan heiraten.



Flavia, Maximiana Theodora, rechts die Göttin der Frömmigkeit

Der Gutmütige verzichtete nicht auf den Machtzuwachs und auch nicht auf Theodora, entgegen Helenas Erwartung.
Es wird nicht zu unrecht gesagt, eine Frau ertrüge es, ihren Mann sterben zu sehen, nicht aber, dass er sie einer anderen wegen verlässt.

Die beider Damen werden irgendwann aufeinander prallen.

Mitkaiser Maximian (240-310). Siebzehn Jahre nachdem Maximian Konstantin großmütig in seine Familie hineingezogen hatte, wurde er von diesem, seinem machtsüchtigen Schwiegersohn genötigt, sich zu erhängen, zwei Jahre später, 312, zieht Konstantin in die Schlacht gegen seinen Schwager, Maxentius von Rom. 12 Jahre nach diesem Skandal besiegt er einen anderen Schwager, Licinius, “ließ ihn erwürgen, dessen Sohn degradierte er zum Sklaven und ließ ihn tot schlagen; Crispus, seinen Sohn aus erster Ehe, und Fausta, seine Frau, ließ er 326 ermorden...” (2)

Konstantin war allem Anschein nach erst 12 oder 13jährig als sein Vater, Theodoras wegen, die Mutter verließ.

Helena (250-329) auf einer Münze
Konstantin durfte 293 seinem Vater nicht folgen, der Herr über Britanien, Gallien (weite Teile Frankreichs) und Hispanien (iberische Halbinsel) werden sollte. Kaiser Diokletan bestand darauf ein Faustpfand in seiner Hand zu halten, damit Contantin Chlorus nicht, wie sein Vorgänger Carausius, auf den Gedanken kommt, sich mehr Macht anzueignen, als ihm zusteht.

Sohn Konstantin wird besonders in Nikomedien am Kaiserhof gelernt haben, wie regiert wird, römisch zu denken und zu glauben.

Für Konstantin war es selbstverständlich, dass jeder Kaiser Roms gottgleich ist. Das hörte er unentwegt und er sah wie sie ihm opferten, so wie er selbst Kaiseropfer dabrachte.
Entweder durfte Konstantin in Nikomedien mit seiner Mutter zusammenwohnen, oder sie hat ihn dort besuchen dürfen.
Sie war klug, prägte ihn. Er verehrte sie lebenslänglich. Helena muss schon früh erahnt und erfühlt haben, welche Kraft im Christentum steckte.

Vermutlich kamen bereits Jahre vor Konstantins Geburt in Helenas Pferdewechselstation - Missionare einer bereits uneinigen Kirche.
Möglicherweise haben sie Helena belehrt, sie sei eine Tochter Gottes, der im Himmel, hoch über den Sternen wohne und unvergleichlich herrsche. Sie sei zur Erde geschickt worden mit einem wichtigen Auftrag, denn darin, und in der Botschaft vom Auferstandenen, lag das Besondere der intensiv missionierenden christlich-gnostischen Gruppen. Es ging ihnen darum, gerade diese Erkenntnis von der Präexistenz aller Menschen, (die nach Adam geboren wurden), zu vermitteln. Vornean stand die Bedeutung der Erkenntnis durch persönliche Offenbarung. Immer wieder hieß es:
Daher ist derjenige, der (Gnosis) Erkenntnis durch Offenbarung hat, einer, der von „oben“ stammt. Wenn man ihn ruft, hört er, antwortet er und wendet sich zu dem, der ihn ruft, steigt zu ihm empor und erkennt, wie man ihn ruft. Da er Gnosis (Erkenntnis) hat, vollbringt er den Willen dessen, der ihn gerufen hat... Wer so zur Erkenntnis gelangen wird, erkennt, woher er gekommen ist und wohin er geht. Er erkennt wie einer, der trunken war und von seiner Trunkenheit abließ; er brachte das Seine (wieder) in Ordnung, nachdem er zu sich selbst zurückgekehrt war... Die wahre Gotteserkenntnis beginnt mit der Erkenntnis des Menschen als eines gottverwandten Wesens...” (3)
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts gab es noch keine Blut- und Kreuztheologie, - zu dieser Entwicklung sollte Helena später einen entscheidenden Beitrag leisten, der erheblich anzufragen ist. Um das Jahr 300  war es seitens der meisten Missionare wichtiger, zu erklären, dass der mit Gott verwandte Mensch tugendhaft leben muss.

Nicht auszuschließen ist, dass sowohl Helena wie Konstantin Kenntnis vom Inhalt des syrischen Perlenliedes hatten.
Zu dieser Zeit stand der Inhalt des syrischen Perlenliedes, das um 180 verfasst wurde, allen aus dem Osten stammenden Christen in die Seele geschrieben, denn männlich oder weiblich geboren, sie bezogen es buchstäblich auf sich.   

Konstantin könnten Aussagen wie die folgenden (4) bestätigt haben, dass zumindest Menschen wie er auf himmlische Ahnen verweisen dürfen.

Als ich ein kleines Kind war
und im Hause meines Vaters wohnte
und am Reichtum und der Pracht
meiner Erzieher mich ergötzte,
sandten mich meine Eltern aus dem Osten, unserer Heimat,
mit einer Wegzehrung fort.
Für seine Reise wird der Königssohn bestens ausgestattet... zurücklassen muss er allerdings sein Strahlenkleid. Dann wird ihm sein Auftrag erteilt.
Wenn du nach Ägypten hinabsteigst
und die Perle bringst
die im Meer ist
das der schnaubende Drache umringt,
sollst dein Strahlenkleid wieder anziehen
und deine Toga, die darüber liegt,
und mit deinem Bruder, unserem Zweiten
Erbe in unserem Reiche werden.
In Ägypten angekommen, vergißt der Königssohn seine Herkunft und seinen Auftrag und dient dem fremden König. Davon erhalten die Eltern des Königssohnes Kunde.
Und sie faßten den Beschluß über mich
dass ich nicht in Ägypten gelassen werde
und sie schrieben mir einen Brief,
und jeder Große des Reiches setzte seinen Namen darauf:
Von deinem Vater, dem König des Ostens
und deiner Mutter, der Herrscherin des Ostens.
Und von deinem Bruder, unserem Zweiten,
Dir, unserem Sohn in Ägypten, Gruß!
Erwach und steh auf von deinem Schlaf
und vernimm die Worte unseres Briefes, .
Sieh die Knechtschaft: wem du dienst.
erinnere dich, dass Du ein Königssohn bist
Gedenke der Perle,
derentwegen Du nach Ägypten gegangen bist.
Erinnere Dich Deines Strahlenkleides,
gedenke Deiner herrlichen Toga.“
Der Brief erreicht den Königssohn in Gestalt eines Adlers.
Er flog und ließ sich nieder neben mir
und wurde ganz Rede.
Bei seiner Stimme und der Stimme seines Rauschens
erwachte ich und stand auf von meinem Schlaf,
nahm ihn und küßte ihn,
und ich löste sein Siegel und las.
Und ganz wie es in meinem Herzen stand
waren die Worte meines Briefes geschrieben
Ich gedachte, dass ich ein Königssohn sei
und meine Freiheit nach ihrer Natur verlange.
Ich gedachte der Perle,
derentwegen ich nach Ägypten gesandt ward,
und ich begann zu bezaubern den schrecklichen und schnaubenden Drachen.
Ich brachte ihn in Schlummer und Schlaf,
indem ich den Namen meines Vaters über ihm nannte
und den Namen unseres Zweiten
und den meiner Mutter, der Königin des Ostens
und ich erhaschte die Perle
und kehrte um, um mich nach meinem Vaterhaus zu wenden.“

Als der Königssohn sein Strahlenkleid zurückerhält, kommt es zu einem eigentümlichen Erkenntnisprozess.
Wohl erinnerte ich mich nicht mehr seiner Würde,
weil ich es in meiner Kindheit in meinem Vaterhaus gelassen hatte,
doch plötzlich, als ich es mir gegenüber sah,
wurde das Strahlenkleid ähnlich meinem Spiegelbild mir gleich,
ich sah es ganz in mir,
und in ihm sah ich mich auch mir ganz gegenüber
so, dass wir zwei waren in Geschiedenheit
und wieder eins in Gestalt...
Ich neigte mein Haupt und betete an
den Glanz des Vaters, der mir das Kleid gesandt hatte.“

Ob Helena sich von der neuen Religion trösten lassen wollte?


Wahrscheinlich kannte sie darüber hinaus auch anders geartetes christliches Ideengut aus ihrer frühen Jugendzeit, wenn auch nur bruchstückhaft. Sie wird Konstantin von dem gekreuzigten Gott Jesus Christus erzählt haben. Was für ein Bild: ein gekreuzigter Gott als Sieger. Das bot für sie und ihn Anlass zum Nachdenken: ein Sieg noch im Tod, ein Sieg sogar über den Tod! Das vermag nur eine absolute geistige Gottheit.
Der Knabe und junge Mann Konstantin hörte davon auch aus autorisiertem Mund, während  er am Hof Diokletians heranwuchs.
Fast ein Jahrzehntlang sah er wie frei die Christen mit den paganen Priestern und Gläubigen umgingen.

Bildunterschrift hinzufügen

Mutter und Sohn haben dort, in Nikomedien, mehrere Christen, wie den Gelehrten Laktanz kennen und schätzen gelernt. 
Laktanz wurde im Jahr 300, etwa fünfzigjährig und obwohl Christ, vom Oberkaiser Diokletian als Lehrer der Redekunst an den Hof berufen.
Viele bewunderten seine klaren Worte und Bilder, seinen Glauben an  das Fortleben der Seele (des Geistes) indem er sagte:

Konstantin, gleichgültig was geschah, hat den großen Gelehrten und Idealisten nie vergessen
Um 312 wird er ihn als Lehrer seines Sohnes Crispus an den Hof in Trier rufen.


Selbstverständlich besuchte der Elitechrist Laktanz  die  Gemeinde, der Jesusgläubigen Nikomediens, die bereits über ein in unmittelbarer Hofnähe liegendes, ansehnliches Gemeindehaus verfügten und zwar zu einer Zeit,  als sich die Christen Roms noch in Bretterbuden versammelten.  (5)

Konstantin gefiel es, dass Laktanz forderte:

 "Der Lehrer muss die von ihm gelehrten Tugenden auch selbst vorleben." (6)
Die Selbstdisziplin jedermanns ist es, die den Staat zusammenhält. Gott muss von jedem einen gerechten Lebenswandel fordern.

Diese Kerngedanken durchzogen die christlichen, aber auch die paganen Gottesdienste. (7)

Kritisch nachdenklich betrachtete Konstantin die Lehre der nikomedischen Gemeinde von Jesus als dem 2. Gott.

Er selbst neigte zum Henotheismus. Irgendwie war es wohl zutreffend, dass sie alle zu einem Gott zusammenflossen. Allerdings beunruhigten ihn die Unstimmigkeiten und Denkschwierigkeiten die aus solcher Annahme bervorkamen.
Wie sich zeigt, hatte Konstantin sich nie zu einem klaren Gottesbild durchringen können.

Sicher ist, dass Helena eigene Ideen hegte. Ihren Sohn dagegen beschäftigte die Grundüberzeugung an eine "absolute geistige Gottheit" bis an sein Lebensende. Denn auf eben diese Formulierung kommt es ihm viele Jahre später in Nicäa an. (8)


Sehr aufmerksam verfolgte er die Texte der Gottesdienste die zu Ehren des Kaisers gehalten wurden.

 Diokletian

Diokletian war der dominus et deus. Ein Lobredner schwärmte: 
der Du denen gleichst die Dich zeugten, durch sie regierst Du die Welt unvergleichlich, Du der diis geniti et deorum creatores, der von den Göttern gezeugte und Erzeuger von Göttern...in Dir leben die numina von Jupiter und Hercules - wir rufen Dich an, wir rufen Dir zu, jeden Sieg zu erringen ist uns heilig und mit uns bist Du der praesens deus - weshalb wir uns nicht fürchten, weshalb es uns eine Ehre ist, Dir unser Leben zu Füßen zu legen – Heil dir! Deine Herrschaft ist nicht nur durch die Erdgegenden begrenzt sondern sie reicht darüber hinaus in die Regionen ewiger Himmel. Wie wir auf Erden durch Dich glücklich werden, so als gelangten wir in Deine Gegenwart, stehen wir heute im Adyton - dem Allerheiligsten und spenden Dir unsere Treue. Wie der Weihrauch Deiner heiligen Priester umweben wir Dich...

Deshalb gleiche der Kaiser dem Gebieter desWeltalls.“ (9)

Kaiser Diokletian war während vieler Rede gar nicht anwesend, aber
"in solchem Fall hielt ein Jupiterpriester das Bild des Imperators in die Höhe, denn es wurde spätestens seit dieser Zeit geglaubt, dass der Kaiser und sein Bild eins seien." (10)
Dass der Kaiser und sein Gemälde eins seien, dass Diokletian eins war mit Gott, war eine Vorstellung die ihm einerseits nicht logisch erschien, andererseits bot sie ihm ein Denkmodell, das Zukunft haben sollte, wenn auch eine unglückliche, die unter Christen Hass stiften sollte. 

Zunächst galten  Kaiser Diokletian die Christen, obwohl sie für ihn beteten ihn aber nicht als ihren Gott anerkannten als geachtete Persönlichkeiten. Doch da sie an Zahl und wegen ihrer Grundsatztreue an natürlicher Macht zunahmen, riefen sie zunehmend die Eifersucht der Paganen herauf. Diese Wirkkraft der Christen einerseits und andererseits der geifernde Neid einiger pagananen Priester bildeten einen scharfen Kontrast, was zu einem schweren Konflikt führen musste.

Man hätte es voraussehen können, obwohl sich die Christen mäßig zurückhaltend verhielten. Es gärte. Immer mehr Leute glaubten den noch ehrenamtlich wirkenden christlichen Priestern. Sie seien wahre Idealisten. 

Obwohl noch weit davon entfernt liturische Kleidung zu tragen  (11)
gingen sie bis zu jenem verhängnisvollen 23. Februar  303 am Kaiserhof, selbstbewusst wie die Nobilissimi.

Das konnte den Berufspaganen nicht gefallen. Ihre Gelegenheit kam als Diokletian, dieser auch in Konstantins Augen, abergläubische alte Mann, vor einer Schlacht eine Eingeweideschau anbefohlen hatte:


„Die Schau der Haruspices vor Diokletian misslang. Der Priester sagte, die Götter zürnten ihm wegen der Anwesenheit unheiliger Personen. Damit waren die Christen gemeint. Daraufhin mussten alle Beamten des kaiserliche Palastes den römischen Göttern opfern, oder sie wurden ausgepeitscht... Auch bei einer Befragung des Apollo-Orakels in Milet antwortete der Gott seinen Priestern, dass die Christen die Beziehung zu den Göttern störten. Daraufhin ließ der Kaiser in Nikomedia eine christliche Kirche niederreißen und deren heilige Bücher verbrennen. In einem Dekret, von 303, ordnete er an, in der ganzen Provinz sollte die Gebetshäuser und Bücher der Christen zerstört werden, die Christen sollten aus allen Ämtern entlassen werden und ihre Privilegien verlieren. Als nun noch im Palast ein Brand ausbrach, wurden die Christen dafür verantwortlich gemacht.“ (12)

Die Welle der Verfolgung lichtete die Reihen der Treuen. Laktanz und viele andere bedeutende Christen mussten vor dem plötzlich wieder religiös aktiven Diokletian in den Westen flüchten. Konstantin sah die Trümmer der Christengemeinde und ihre zerstörte Kapelle. Es berührte ihn. 
Mehr Änderungen standen vor der Tür. Kurz vor dem Ableben seines schwer herzkranken Vaters, Constantin Chlorus, gelang ihm die Flucht. Er traf seinen Vater noch lebend an.

Stattlich in seiner Erscheinung und von großer Ausstrahlung empfing die Westarmee Konstantin erwartungsvoll.
Umgehend erhob die Generäle Sohn Konstantin zum Cäsar, in jene Position die sein Vater 13 lange Jahre, in der von Diokletian geschaffenen Tetrarchie eingenommen hatte.

Er begründete „seinen Herrschaftsanspruch mit seiner Abstammung vom Staatsgott Constantius Chlorus, den er divinisieren und konsekrieren ließ... Konstantins Vater war Herrscher auf Erden und ist Gott im Himmel." (13)


Quellen:

1.)  Prof. Wolmeringer „Konstantin-Artikel“ vom 05.03.07 im Internet
2.)  Ökumenisches Heiligenlexikon
3)   K. Rudolph, “Die Gnosis”, Koehler & Amelang, Leipzig, 1977, S. 139, 111 

4.) Text: Walter Rebell, „Neustestamentliche Apokryphen und Apostolische Väter“, 1992 K. Beyer ein großkirchlicher Exeget kommentiert geradezu "mormonisch":

Die Botschaft des Liedes lautet: Die unsterbliche menschliche Seele göttlicher Herkunft darf sich erst dann endgültig vereinen mit ihrem unvergänglichen geistigen Leib der gleichfalls von Gott abstammt, aber immer bei ihm bleibt, wenn sie zuvor auf der Erde in einem vergänglichen fleischlichen Leib und in feindlicher Umgebung mit göttlicher Hilfe Selbsterkenntnis erlangt und mutig die ihr von Gott gestellte Aufgabe erfüllt hat...

Das ist eine synkretistische Religion in der Nachfolge Platons, die sich auch leicht mit der christlichen Ethik verbinden lässt. Ihre Bilder teilt sie mit der Gnosis und den anderen antiken Erlösungsreligionen, ohne dass man sicher sagen kann, wer sie von wem übernommen hat. Das führt schließlich zu der Frage, ob der gnostische Anteil am spätantiken Synkretismus wirklich so hoch ist, wie meist angenommen wird. Denn, dass der Mensch die Erde als Fremde empfindet, ist ein weit verbreitetes Lebensgefühl…”

5.) Christoph Müller, Inaugural Dissertation Albert-Ludwig-Universität in Freiburg „Kurialen und Bischof...“ 2003, S. 13

„Selbst in Rom ... mit dem absolut größten Anteil von Christen an der Bevölkerung lässt sich bis heute kein einziger christlicher Versammlungsort für die Zeit vor der konstantinischen Wende (um 325) nachweisen .... " 



Auch Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts ...nach seiner Kirchenordnung"
 „Während sich früher die Christen, als ihre Gemeinden noch klein waren, in Privathäusern zum Gottesdienst zusammenfanden, war dies im Anfang des III. Jahrhunderts anders geworden. Jetzt hatte fast jede größere christliche Gemeinde ihr eigenes Gotteshaus... Wir werden uns zu Hippolyts Zeit diese Kirchen noch aus Holz gefertigt oder als große Räume ohne Seitenschiffe, Säulenreihen u. dgl. zu denken haben. Achelis geht entschieden zu weit, wenn er sich die gottesdienstlichen Gebäude schon im zweiten Jahrhundert als Basiliken vorstellt. Wie primitiv noch die Gotteshäuser im Anfang des III. Jahrhunderts waren, können wir am besten aus dem Bericht des Lampridius, vita Alex. 49, g entnehmen. Danach bewarben sich unter Alexander Severus (im Jahr 230) die Christen um einen öffentlichen Raum, auf den nur noch die Garköche Anspruch erhoben.“

Peter Grossmann „Christliche Architektur in Ägypten“ Brill, 2002 S. 16 Fußnote: „ Nach einer unverdächtigen Notiz bei Abu l-Makarim wurde hier (in Alexandria) von dem späteren Bischof Theonas um 275 die erste selbstständige Kirche gegründet. Vorher hatte man sich zu den Versammlungen nur in Privathäusern getroffen.“

6.) Jochen Walter "Pagane Wertvorstellungen bei Laktanz" Vandenhoeck & Ruprecht S.159

7.)  Luther übersetzte 1. Petrus 2, 9-12 noch mit den Worten:

Ihr aber seid die auserwählte Generation, das königliche Priestertum, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Die ihr weiland nicht ein Volk waret, nun aber Gottes Volk seid und weiland nicht in Gnaden waret, nun aber in Gnaden seid. Liebe Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilger: Enthaltet euch von allen fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch nachreden als von Übeltätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird."

Die Einheitsübersetzung, obwohl sonst vorzüglich sagt: "... damit ihr die großen Taten dessen verkündet..." Das ist entschieden zweierlei.

"Mormonischerseits" heißt es, - auch hier mit direktem Bezug zum königlichen "Priestertum" - :

"Lass Tugend immerfort  deine Gedanken zieren, dann wird dein Vertrauen stark warden in der Gegenwart Gottes, und die Lehre des Priestertums wird dir auf die Seele träufeln wie Tau vom Himmel..." Lehre u Bündnisse 121: 45
8.)  Adolf von Harnack, Dogmengeschichte S. 232

9.)   Alexander Demandt „Diokletian und die Tetrarchie“ – „Aspekte einer Zeitenwende“ Walter de Gruyter, 2004, S. 31
10. ebenda
11) Hertling, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ Morus-Verlag, Berlin S. 45, 46 :„...Manche Bischofsstädte (um das Jahr 400 G.Sk.) hatten nur eine einzige Kirche, und diese besaß die Maße einer bescheidenen Dorfkirche... erst ab 589 gibt es liturgische Kleidungsstücke... Noch im Jahr 4o3 wurde es dem Patriarchen von Konstantinopel als Eitelkeit ausgelegt, dass er sich beim Gottesdienst ein eigenes Festgewand anlegen ließ...“ 
12.) Anton Grabner, Haider, Johann Maier, „Kulturgeschichte des frühen Christentums“ Vandenhoek & Ruprecht 2008. S. 113 
13.)  Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, - Herrscherkult im römischen Reich - KGSaur, 2001, S 196










Donnerstag, 10. Oktober 2013

(2) Streifzüge durch die Kirchengeschichte - aus dem Blickwinkel eines Mormonen


    1. Konstantin (etwa 280-337)
    Die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet den Auftraggeber zur Ermordung seines Sohnes Crispus als einen Heiligen. Auch die europäischen Großkirchen widmen ihm Gedenktage: katholisch und evangelisch 21. Mai. Sie nennen ihn “den Großen”, während andere bezweifeln, dass dieser Machtmensch auch nur das geringste Gute zugunsten der vornicänischen Kirche getan hat.
Kopf der Kolossalstatue Konstantins, Kapitolinische Museen, Rom
Gefangene Offiziere und der Unfreiheit widerstrebende Germanenfürsten, ließ er im Amphitheater von wilden Tieren zerreißen, etwa in einer Arena in Trier.“
Alle wussten es:
... auch mit der Zivilbevölkerung kannte er keine Gnade und hinterließ in den unterworfenen Gebieten Tod und verbrannte Erde.“ (1)
Was sich ihm in den Weg stellte wurde zermalmt, denn er trachtete ohne jegliche Rücksichtnahme nach dem höchsten Glück. Am Kaiserhof Diokletians hat er sein Hochziel bereits in seiner Jugend vernommen:
Der Kaiser gleiche dem Gebieter des Weltalls.“ (Demandt)
Konstantin hat es auf seine Weise verstanden.
Solche Sätze haben Langzeitwirkung. Auch er wollte Gott werden. Das könnte er bereits gedacht haben als er noch an Kaiser Diokletians Hof als Geisel für die Loyalität seines Vaters Constantin Chlorus leben musste.

Constantin Chlorus (ca. 250-306) seit Konstantins 9. Lebensjahr Mitkaiser der römischen Tetrarchie unter Diokletian
Gegen Ende seines Lebens hatte Konstantin sein Ziel fast erreicht. Sie beteten ihn an:

Es wird berichtet, dass die Kolossalstatue Constantins auf der Porphyrsäule
die sich in Byzanz befand) von Heiden und wie Christen verehrt wurde und letztere versuchten das Bild Konstantins ... mit Opfern gnädig zu stimmen und mit Lampenfesten und Räucherwerk zu ehren, (sie) beteten ihn wie einen Gott an und leisteten Fürbitten die vor schrecklichen Dingen Abwehr schaffen sollten... Constantin als Apollo-Helios entsprach der Darstellung Christi als Sonnengott...“ (2)

Zunächst wollte er nur Christi Stellvertreter sein, dann gelangte er zur Überzeugung er sei auch Jesus Christus. Die Forschung stellt nur sachlich fest:
Konstantin wollte sich erst spät, gegen Ende seines Lebens taufen lassen... im Jordan... wo schließlich auch der getauft worden war, der er sein wollte: Christus. Ob Konstantin je getauft wurde wissen wir nicht.“ (3)
Wenn wir die Ebene der theoretischen Erörterungen verlassen und uns den Glauben der ‚kleinen Leute’ anschauen, dann verwischen sich die Unterschiede zwischen paganaer und christlicher Frömmigkeit rasch, dann erfährt Konstantin göttliche Verehrung von Anhängern der alten heidnischen, wie der neuen christlichen Kulte.“ (4) 
Alle Umstände sogar die über seinen Tod hinausreichenden bestätigen, dass er der ewige Gott der Christen sein wollte.
Er selbst hat … den Platz (seiner letzten Ruhestätte) ausersehen... Die eigentliche Beisetzung wird dann durch (Sohn) Constantius vollzogen. Er und seine Heeresabordnungen geleiten den Sarg in die Apostelkirche... Konstantin hatte vorgesehen, dass der Wert der Gebete die hier zu Ehren der Apostel gesprochen würden, auch ihm zugute kommen. Deshalb ordnete er an, hier Kirche zu halten, und er stellte einen Altar mitten hinein... so, wie sonst Christus in der Mitte der Apostel steht… Zwölf Grabmäler wie heilige Säulen richtete er dort auf zu Ehren und zum Gedächtnis des Apostelchors; in die Mitte aber stellte er seinen eigenen Sarg, auf dessen beiden Seiten je sechs der Apostel sich befanden.“ (5)
Dörries fügt die folgende Bemerkung Otto Weinreich’s aus „Konstantin der Große“ an:
„Wie die Apostel an die Stelle der zwölf Götter getreten sind, so Konstantin an die ihres Führers, des dreizehnten Gottes...“ der Ehrenplatz seines Sarkophages stellte ihn in die Mitte zwischen den zwei Apostelgruppen, ... so wie sonst, Christus in der Mitte der Apostel steht.“
Weinreich versichert,
 „darüber kann kein Zweifel sein“ dass Konstantin zusammen mit den Aposteln verehrt werden wollte und dass an dem Altar für ihn und die Apostel Gottesdienst abgehalten werden sollte."
 Schon, dass Konstantin angeordnet hatte einen Altar in die Kirche zu bringen verrät  seine über die Jahrhunderte hinausreichenden Absichten.

Altäre sind ohnehin Teil des Tempels, dessen Sinn auf die Ewigkeit gerichtet ist. Altäre haben keinen Platz in einer üblichen Versammlungsstätte von Christen, für sie ging es seit Beginn:
... um das Sitzen um den Tisch... in einer christlichen Kirche kann es eigentlich keinen Altar geben, sondern nur einen Abendmahlstisch.“ (6)
All dies bestätigend verweist Dörries auch  auf die Arbeit von A. Heisenberg „Grabeskirche und Apostelkirche, zwei Basiliken“ Konstantin I., Leipzig 1908, mit dem Zitat:
"An der Spitze der Apostel wollte er ruhen, der divus imperator, der den christlichen Staat gegründet, wollte begraben und nach seinem Tode verehrt sein nicht anders als der Sohn Gottes, der die christliche Religion gegründet hatte."
Dörries zitiert sodann H.P. l‘ Orange, Sol invictus Imperator, 1935, S. 86-114:
Auch in der Epoche seines offiziellen Christentums bleibt Konstantin der Astralreligion zugeneigt; ... in der von ihm gebauten alten Sophien-Kirche fanden sich Statuen der zwölf Zodiakalzeichen, der Sonne, der Venus und Arcturus.“ die letzten Fußnoten sind interessant. Sie verweisen auf einen "Fortbestand des Sonnenglaubens Konstantins... Heliosstatue und der 13. Gott sind die beiden Daten, mit denen die Forschung nicht fertig geworden ist und angesichts derer sie sich genötigt fand, Konstantin die ‚Verschmelzung der beiden feindlichen Götter in sich vollziehen zu lassen.“
Ursprünglich gewollt oder nicht, Konstantin stiftete gegen Jesus nicht nur eine neue ‚Gottesdienstordnung’ die teilweise bis heute Bestand hat, aber aus vielen Gründen keinen Bestandsschutz verdient, sondern er schuf eine völlig neue Religion, der er lediglich den christlichen Mantel umhängte.
Kaiser Konstantin ist der Täter, Christus das Opfer.
Quellen:

1.)  Bettina von Engel „Konstantin und seine Familie in Trier“ Vortrag bei der Ascoli Piceno-Trier Gesellschaft, 2007
ebenso Wikipedia:
"... so wurden die gefangenen Frankenkönige Ascarius und Merogaisus 307 zur Feier eines Sieges in der Arena lebendig wilden Tieren vorgeworfen."
2.)      Frank Kolb „Herrscherideologie in der Spätantike“ Akademieverlag, Berlin, 2001 S 83-84
3) Prof. Dr. Dr. Dr. Manfred Clauss „Kaiser und Gott“, Herrscherkult im römischen Reich KGSaur, 2001, S 459
(4) ebenda, S 205  
(5) Hermann Dörries „Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins", 1954, Göttingen, S. 416 ff.  siehe auch: Anton Grabner-Haider-Maier „Kulturgeschichte des frühen Christentums“ Vandenhoeck& Ruprecht S. 91 „Ab dem 4. Jahrhundert finden wir feste Altäre und Opfertische
(6) K-P. Hertzsch „Theologisches Lexikon", Union –Verlag, Berlin, 1977. S.13 Bei Kirchenneubauten im protestantischen Bereich wird das neuerdings auch berücksichtigt!











Dienstag, 8. Oktober 2013

(1) Streifzüge durch die Kirchengeschichte - aus dem Blickwinkel eines Mormonen

Der vielleicht größte Deutsche bekannte:

"Ich halte die Evangelien alle vier für durchaus echt, denn es ist in ihnen ein Abglanz einer Hoheit wirksam, die von der Person Christi ausging, und die von so göttlicher Art ist, wie nur je das Göttliche erschienen ist. Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, ihm anbetende Ehrfurcht zu erweisen, so sage ich: Durchaus. Ich beuge mich vor ihm als der göttlichen Offenbarung als des höchsten Prinzips der Sittlichkeit und zwar die mächtigste, die uns Erdenkindern wahrzunehmen vergönnt ist. Ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes, wodurch allein wir leben, weben und sind, und alle Pflanzen und Tiere mit uns. Fragt man mich aber, ob ich geneigt sei, mich vor einem Daumenknochen des Apostels Petri oder Pauli zu bücken, so sage ich: Verschont mich und bleibt mir mit euren Absurditäten vom Leibe!" Johann, Wolfgang von Goethe
Zu den Top-Absurditäten aller Zeiten gehört, wegen seines inneren Widerspruchs, das trinitarische (athanasianische) Bekenntnis.
Wer gerettet werden will muss vor allem den katholischen Glauben halten. Denn wer seinen Glauben nicht treu und ganz bewahrt, wird ohne Zweifel für immer verloren sein. Dies ist der katholische Glaube; wir beten einen Gott in der Trinität an, und die Trinität in Einheit...dann mündet es in die Aussage: „wie uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich als Gott und als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der katholische Glaube, von drei Göttern oder Herren zu sprechen...“
Das Thema dieses Buches lautet aus diesem und anderen Gründen:
                „Nichts steht über der christlichen Wahrheit!"

Vorwort

Notwendigerweise wird jedes Gebäude von seinem Fundament getragen. Welcherart das tragende Element der "Reichskirche" war, - jener Organisation, die in Nicäa 325 aus der Taufe gehoben wurde - ergibt sich aus den Resultaten nicht nur moderner Geschichtsforschung.

Mehr als 5600 Dokumente, Dissertationen, Habilitationsschriften, Fachartikel u.a. ermöglichten mir eine aktualisierte Zusammenfassung, des Standes der Erkenntnis zu diesem Komplex. (Eine beträchtliche Anzahl der Quellen sind per Internetanfrage überprüfbar)

Diese gewissenhaften Darstellungen, die überwiegend an deutschen Universitäten von Rang erarbeitet wurden, werfen einen deutlicheren Blick auf den Prozess der Entstehung der verschiedenen katholischen Denominationen, ihrer Ableger, der reformatorischen Bewegungen und der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft.

Ausgenommen die Mormonen, - sowie einige arianisch ausgerichteten Splittergruppen wie die unitarische Kirche - entstammen sie allesamt der "Reichskirche".

Dieses Schema aus katholischer Hand unterstreicht diese Tatsache auf einfache Weise.




Immer klarer wird, dass die dramatisch klingenden Formulierungen und Schlüsse zeitgenössischer Historiker, wie die des protestantischen Theologen Heinz Kraft, mehr Beachtung verlangen. Sie fordern Konsequenzen ein, einschließlich die einer Korrektur der Bewertung der Theologie der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage durch die Großkirchen. 
Mormonischerseits wird im Klartext vom großen und schrecklichen Abfall gesprochen, der bald nach dem Ableben der ersten Apostel einsetzte, der nach den Worten des Buches Mormon zu gravierenden Änderungen führte, nämlich zur Herausbildung einer
"abscheulichen Kirche, die nach Gold und Silber trachtet und schließlich die Heiligen vernichtet und sie in Gefangenschaft bringt". (1)

Krafts Erkenntnisse münden in den seelenerschütternden Satz: dass die 325 in Nicäa etablierte Kirche „nicht auf Christus bezogen war“(2)

Zahllose Katastrophen der letzten 1700 Jahre wären in der Tat unerklärlich, hätten sie ihre eigentliche Ursache im Tun und Trachten der Kirche Christi.
Meine Position ist die eines vernunftgemäß denkenden Laien, der der Umstände wegen kein Wissenschaftler werden konnte, dafür jedoch ein schreibender Nachdenklicher.

Dankbar anerkenne ich, dass qualifizierte Menschen unterschiedlichster Gesinnung und Glaubens ehrlich und mit höchstem Bemühen und Können dringend gesuchtes Wissen erwarben und es veröffentlichten.

Unabweisbar erhob sich für viele die Frage, was in Rom und Byzanz rund um das 1. ökumenische Konzil zu Nicäa, 325, und danach tatsächlich entstand.

War das neue Gebäude Christi, oder Konstantins Eigentum?

An der jeweils persönlichen Stellung zu dieser Frage entscheidet sich, ob man dem Strom der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage folgt oder dem anderen, der Entschuldigungen für unchristliches Verhalten der konstantinschen Kirche(n) findet.

Nicht nur für Mormonen liegt auf der Hand, dass jede Art Gewaltanwendung und Vormachtstreben den Idealen Christi widerspricht. (3) Andererseits war solches Treiben cäsaren- oder piratentypisch, obwohl es unter der Flagge des „Christentums“ segelte.

Der Kirchenhistoriker und Jesuit Ludwig Hertling ging diesem Problem nicht aus dem Weg, indem er formulierte:
(Konstantin) wurde der Schöpfer jenes eigentümlichen Verhältnisses, das man als Caesaropapismus bezeichnet, und das unter Konstantins Nachfolgern der Kirche fast mehr schaden sollte, als es die rohesten Verfolgungen der früheren Kaiser getan hatten“ (4)

Ana Maria C.M. Jorge from the Center for the Study of Religious History, Portuguese Catholic University spricht denn auch unumwunden von der „Konstantinisierung“ der originalen Kirche (primitive church) durch die Antiarianer. (5)

Wenn diese Spuren sich vertiefen, dann muss irgendwann an die Stelle des Begriffes „Christianisierung“ der von der „Konstantinisierung“ der Welt treten. Das würde das Geschichtsbild auf den Kopf stellen, aber der Wahrheit die Ehre geben.

Dass es zumindest weitgehend Konstantinismus war, - der in der römischen Kirche bis nahezu gegenwärtig vorherrschte - bestätigte ebenfalls, wenn auch eher indirekt der damalige Konzilsberater Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.).

Er sagte am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) in einem Statement gegenüber Journalisten:

Die Erklärung über die Religionsfreiheit seitens des Zweiten Vatikanums bedeutet kirchlicherseits


"das Ende des Mittelalters, ja das Ende der konstantinischen Ära... Ab jetzt könne niemand mehr sagen, für die katholische Kirche sei Religionsfreiheit kein Grundrecht, das in der Würde der Person begründet ist."  (6)

Für „Mormonen“ ist selbstverständlich, dass wegen des Liebesgebotes, Intoleranz und Christentum einander ausschließen. (7) 

Niemand kann übersehen, dass das Nicänum, (der Kern des Athanasianums) als Grundelement einer neuen Kirche , mit staatlicher Gewalt mittels des Gesetzes zum Glaubenszwang „Cunctos populos“ vom 27. Februar 380, im gesamten römischen Reich durchgesetzt wurde.
Nicht nur für diese zur Großinstitution heranwachsenden, neuen Kirche, wurde die Bezogenheit zum Nicaenum eine unabdingbare.

Alle Andersglaubenden hatten es zu akzeptieren oder zu leiden.

Allein diese schaurige Tatsache müsste Anlass genug sein, über den vermeintlichen Siegeszug des trinitarischen Glaubens kritisch nachzudenken und „Mormonismus“ näher unter die Lupe zu nehmen, wie es beispielsweise die evangelischen Theologen Heikki Räisänen, Finnland (8) oder Ernst Benz, Deutschland (9) taten.

Nicht allen Mormonen ist bewusst, wie stark die Position ihrer Kirche wegen ihrer mit dem Urchristentum übereinstimmenden Lehren ist.

Mir stach schon vor drei Jahrzehnten ins Auge, dass Origenes (185-254) und Arius (256-336) in allen wesentlichen Lehren, den großkirchlichen Theologien vehement widersprechen, nicht aber denen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Ein einziger Blick ins Theologische Handwörterbuch genügt für eine erste Beweisführung: (10)
Nur die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und Origenes lehren übereinstimmend,
  • dass alle Menschen (der Familie Adams) ein vorirdisches Dasein führten
  • dass wir unerschaffbare vorirdische Intelligenzen waren, denen Gott eine Form und Freiheit gab (wobei "Intelligenzen" ein Terminus war, auf den Origenes höchsten Wert legte und der insbesondere von Kaiser Justinian unterdrückt wurde)
  • dass Jesus der Logos war, wir die Logika die ihm in unserer Präexistenz bereits, wenn auch in unterschiedlicher Intensität anhingen,
  • dass Jesus dem Vater nachgeordnet ist (der Mittler)
  • dass der Fall, ein Fall der unsterblichen Geistkinder Gottes in die Umstände der Sterblichkeit war, um hier durch eigene Erfahrung zu lernen
  • dass die Umstände in die wir hineingeboren werden, im Zusammenhang mit unserem Fleiß und Gehorsam während der Perioden unseres präexistenten Seins im Zusammenhang stehen
  • dass der Mensch wie Gott werden kann
  • dass „zum Erwerb der Gottähnlichkeit die Entscheidungsfreiheit unentbehrlich ist“
  • dass Gott alle Dinge zuvor geistig erschuf
  • dass die sieben Schöpfungstage Sinnbild für die Äonen der Entwicklungszeit sind
  • dass wir bei der Schöpfung mithalfen
  • dass Erlösung synergistischen Charakter hat, „gute Taten werden gerecht vergolten, aber die Gnade Gottes überwiegt bei Weitem!“
  • dass fortlaufende Offenbarungen (persönliche Inspiration) unentbehrlich für das Wohlergehen der Kirche sind
  • dass Gott, was uns betrifft, nichts vorherbestimmt, sondern nur vorherweiß („die Dinge geschehen nicht weil Gott sie vorherwusste“)
Durch Arius (256-336) der ein prinzipienfester Christ war und bemüht nicht im Widerspruch zu Origenes und zur Bibellehre zu stehen, wissen wir, dass es beste christliche Tradition war zu glauben, Gott Vater und sein Sohn Jesus Christus hätten menschliche Gestalt und jeder sein eigenes Gesicht.

Brutal wurde die leisteste Vorstellung daran verketzert. In vielen Fällen führte es zum Tod durch Verbrennen, zu sagen: Gott hat ein Antlitz. (Noch Reformator J. Calvin (1509-1564) ließ bekanntlich den Arzt Michael Servet verbrennen, weil dieser lehrte: "Gott hat ein Antlitz!")

Weiter vertrat Arius, wie die Mormonen, dass ständige Inspiration, Gehorsam zu den Geboten Christi, wie sie in der Bibel festgelegt wurden, sowie  Toleranz die eigentlichen Elemente des wahren Christentums sind und bleiben werden.

Feierliche Gottesdienste sind nichts.
Es ist meine und unsere Pflicht das lauter zu sagen.

Es ist wichtig, bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass die von den vorherrschenden Kirchen erhobene Behauptung dreist und inkorrekt ist, der ursprüngliche Antitrinitarismus bzw. der Arianismus hätten die Gottheit Christi geleugnet, weshalb bis zur Stunde mit großer Selbstverständlichkeit von der arianischen Häresie gesprochen wird, "welche die antike Welt erschütterte" (Hertling).

Jeder kann im Internet die Fragen nach der arianischen Häresie stellen und er erhält mehr als 80 000 Antworten, die  mehr als fragwürdig sind. Ebenso lässt sich leicht finden, dass die gegensätzlichen Stimmen da sind.

Arianer der Hauptströmung haben nie die ewige bereits in der Präexistenz bestehende Göttlichkeit Christi in Frage gestellt.
Auch das Testament des arianischen Gotenbischofs (Wulfila 311-383) bestätigt:

Jesus ist der „filius unigenitus, Dominus et noster... (M Pl. Suppl. I. 707) ... er (Wulfila) glaubt an Gott den Vater und an seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn und Gott, Werkmeister und Bildner der gesamten Kreatur, der seinesgleichen nicht hat.“
Die wiederholt anzutreffende Aussage, Gotenbischof Wulfila hätte in seiner Christologie eben nicht mit den Arianern übereingestimmt, ist eine Spekulation zugunsten der theologischen Balance.
Immer klarer schält es sich heraus:

"der Erzketzer Arius ist Traditionalist. Er steht fest auf dem Boden der kirchlichen Lehrtradition." (11)

Nichts anders wird unter www. dogmatic. „Die vornizänische Theologie“, 2009, Uni-Bonn, S. 145 formuliert:

Irenäus stellt das Gottsein von Sohn und Geist klar heraus, „beiden kommt ein personales Sein zu, da sie gemeinsam mit dem Vater handeln.“

Unmissverständlich, wenn hier auch lapidar gesagt, wird zunehmend bestätigt, dass die Position des Gegenspielers des Arius, Athanasius, keineswegs der christlichen Tradition entsprach und dass nunmehr von einer athanasianischen Häresie gesprochen werden muss.

Für viele Mormonen ist diese Tatsache (bis jetzt) praktisch leider zweitrangig, in Wirklichkeit hat sie absolute Bedeutung, denn auch in anderen Belangen entspricht der Lehrkomplex der Kirche Jesu Christi der HLT wie gesagt dem des Arianismus-Origenismus.

Wer hat es schon bewusst wahrgenommen, dass Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enyklika 2006, den herkömmlichen Standpunkt seiner Kirche aufgab?

Dantes „Göttliche Komödie“ habe ihn ... inspiriert, ... wo ein „kosmischer Ausflug“ im inneren des Paradieses zum innersten Licht der Liebe führe, „die Sonne und Sterne zugleich bewege“. – Das tiefste Innere dieses unzugänglichen Lichtes sei jedoch nicht etwa ein noch gleißenderes Leuchten oder noch helleres Scheinen, sondern das zarte Gesicht eines Menschen, das dem Seher da endlich auf seiner Suche entgegentrete. Dies sei „etwas vollkommen Neues“. Das menschliche Antlitz Jesu Christi, das Dante im Inneren des innersten Geheimnisses Gottes erkenne, sei „noch viel bewegender als die Offenbarung Gottes in der Form des Dreifaltigen Kreises von Erkenntnis und Liebe. Gott, das unendliche Licht, ... besitzt ein menschliches Gesicht.
  Diese Aussage, hat die Funktion einer Brücke. nutzen wir sie!

Es bleibt hinzuzufügen, dass diese Brücke, zwischen herkömmlicher und "mormonischer" Denkweise, mit dem Werk  des evangelischen Pfarrers mit Lehrberechtigung Felix Gietenbruch: “Höllenfahrt Christi und Auferstehung der Toten”,  2010 veröffentlicht, in fast unglaublicher Weise gefestigt wurde.

Auf nahezu jeder Seite seines 200seitigen Buches wird "Mormonismus" ungewollt  bestätigt.
Sätze wie diese, schon zwei Jahre zuvor formuliert, belegen bereits auf den ersten Blick die großem Gemeinsamkeiten:

Präexistenz meint, dass wir als handlungsfähige geistige Wesen schon vor unserer Geburt existierten... in dieser Vorexistenz haben wir uns alle eigenverantwortlich von Gott entfremdet...

Ich denke, heute wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch das christliche Abendland neu darüber nachdenken muss...

Nach der Lehre Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre des Paradieses gefallen..." (12)

Das ist "mormonischer"  Tempeltext!

Quellen:

1.)  1. Nephi 13: 6-8
2.) Heinz Kraft, Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg - Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff „Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, ist die Kirche auf Christus bezogen...“
3.) Lehre und Bündnisse 121: 35-40 
4.)  „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ mit Imprimatur , Morusverlag Berlin, 1948, S. 76
5.)  “The Lusitanian Episcopate in the 4th Century. - Priscilian of Ávila and the Tensions Between Bishops” 
6.)   Konrad Hilpert, „Die Anerkennung der Religionsfreiheit“
7.) 11. Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der HLT
8.)  „Joseph Smih und die Bibel“ „Theologische Literaturzeitschrift“ 109. Jahrgang Februar 1984: „Joseph Smith und die Bibel“ (ISSN 0040-5671)  
9.)   "Imago Dei: Man in the Image of God," in Truman G. Madsen (editor), Reflections on Mormonism: Judaeo-Christian parallels : papers delivered at the Religious Studies Center symposium, Brigham Young University, March 10-11, 1978 (Provo, Utah: Religious Studies Center , Brigham Young University and Bookcraft, 1978), 215–216. ISBN 0884943585. Reprinted in Ernst Benz, "Imago dei: Man as the Image of God," FARMS Review 17/1 (2005): 223–254. off-site PDF link Note: Benz misunderstands some aspects of LDS doctrine, but his sketch of the relevance of theosis for Christianity in general, and Joseph Smith's implementation of it, is worthwhile.
10) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearbeitete Auflage  vierter Band Kop-O,  J.C.B. Mohr(Paul Siebeck) Tübingen, 1960, S. 1695-1702
11)  Thomas Hägg, "Kirchen und Ketzer" 2004 und 2006, mit Unterstützung des norwegischen Forschungsbeirates für Klassische Philologie und Religionswissenschaft der Universität Bergen   
12)  „Der Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote lokal, 2008