Mittwoch, 14. April 2010

"Martin Luther und die Mormonen" by Gerd Skibbe





Wikipedia Lucas Cranach: Dr. Martin Luther
Wie er dasteht nach durchwachter Nacht, an jenem 18. Apriltag des Jahres 1521, in Worms, vor den Fürsten Deutschlands unter Beobachtung tausender Zeugen und vor dem lässig sitzenden, noch jungen, doch sehr besonnenen Kaiser Karl V. der kein Deutsch versteht, bewegte Freund und Feind. Es ging um Tod und Leben - und zwar nicht nur um das des Dr. Martin Luther.
Er solle seine Bücher und Ansichten widerrufen, denn diese rüttelten, nach Kardinal Cajetanus Urteil, an jenen Pfosten auf denen die Macht des Papsttums ruhte. Mit dem Bekanntwerden seiner berühmten 95 Thesen, die sich gegen die Geld- und Geltungssucht des Papsttums richteten erregte er in ganz Deutschland Aufsehen und fand fast ausnahmslos Zustimmung. Nun drohte dem Vatikan nicht nur offene Ablehnung seiner Aktivitäten sondern auch eine Minderung der Autorität des höchsten Klerus und obendrein das Versiegen des Geldflusses aus dem Ablasshandel.
 

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/95Thesen2390.JPG
Bild Wikipedia: Die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg  an die Dr. Martin Luther am 31. Okt. 1517 seine 95 Thesen geheftet haben soll



Bild Wikipedia Schlosskirche zu Wittenberg


Das war aus Roms Sicht sträflicher Abfall von Gott. Vor allem würde ein Wegfall dieser Einnahmen den Weiterbau des Petersdoms zumindest beeinträchtigen.


Bild Wikipedia Petersdom, Baubeginn 1506

Es war nämlich kirchliche Sitte geworden, eine eigensinnige Interpretation von Matthäus 16: 19 (4) gemäß Ambrosius von Mailand aus dem Jahr 380 buchstäblich auszubeuten:


„Es kann keine noch so verruchte Schandtat begangen oder gedacht werden, welche die heilige Kirche nicht nachlassen könnte. Aufgrund der von Gott verliehenen Gewalt wird die von Gott geliebte Kirche einmal gleichsam in einem Atemzug, mit Gott genannt.“ (5)


Der Basissatz aus dem Matthäusevangelium, auf den Ambrosius sich hier beruft, verlieh Petrus zwar direkte Vollmachten doch die standen unter Bedingungen. Zu verallgemeinern die Kirche hätte unbeschadet ihrer für Christen verbotenen Ausübung ihrer Machtsucht petrinische Legitimationen geerbt rechtfertigt die Bibel nicht. Sie fordert die andauernde  innere Umkehr des Menschen. Ambrosius brachte mit seiner Festlegung unbegründet zum Ausdruck, dass nicht die öffentliche Rechtsprechung über ein Vergehen urteilt sondern irgendwo in der Welt darf jeder Priester der römischen Kirche, die Sünden des Beichtenden vergeben.
Noch im 21. Jahrhundert führte solche Vorgehensweise weltweit dazu, dass Missbrauchsopfer zur Kenntnis nehmen mussten, ihrem Täter kann kein Haar gekrümmt werden, nachdem dieser ordnungsgemäß gebeichtet hat. Seine Sünden seien ihm nach ambrosianischen Recht vergeben. In Melbourne Australien klagten soeben Polizeidezernate Sexualstraftäter würden unrechtsmäßig durch die katholische Kirche gedeckt. Priester würden nicht bestraft sondern versetzt.
Ambrosius Behauptungen müssen wegen ihrer ungeheuren Tragweite wieder und wieder unter die Lupe genommen werden.
Sie öffneten dem Scheinchristentum Türen. Schrecken des Mittelalters wurden bagatellisiert.Diesen Satz in seiner Ungeheuerlichkeit muss man wieder und wieder unter die Lupe nehmen.
Er öffnete dem Scheinchristentum und damit den Schrecken des Mittelalters eine breite Tür.

Das Buch Mormon sagt ausdrücklich, im Buch Mosia 13: 14


"Betraut niemanden damit, euer Lehrer oder geistlicher Diener zu sein, außer er sei ein Mann Gottes, der auf seinen Pfaden wandelt und seine Gebots hält."
Hier scheiden sich die Geister.
Hier zeigt sich der wahre Grund für die Ablehnung des sogenannten Mormonismus durch die gesamte Berufsgeistlichkeit.

Ein Priester kann seine Ehre verlieren. Er gewinnt sie nicht dadurch wieder, dass er versetzt wird, oder indem er einen Ablass (Sündenvergebung) mit Geld erkauft.
So schief kann nur denken, wer annimmt Gott wäre bestechlich.
Sofortige Exkommunikation ist die einzige Antwort auf sexuellen Missbrauch.., denn hier liegt Bündnisbruch vor.

See in Ebglish: http://gerd-skibbe.blogspot.com.au/2015/12/now-in-english-outstanding.html

Allerdings kann man umkehren, auch der Priester, der übertreten hat, indem er in echter Reue jahrelang beweist, dass er unter keinen Umständen rückfällig werden will.
Dann kann er erneut in die Kirche Christi aufgenommen werden und es erneut versuchen
Nach einer 2. Exkommunikation gibt es keine Chance mehr, erneut auf die Menschheit losgelassen zu werden.

Ambrosius von Mailand hat hier nicht einfach geirrt, sondern er ist dem in den Arm gefallen, dem die Kirche gehört.
Aus dieser entweder missverstandenen oder bewusst gewagten Behauptung eines der berühmtesten Männer aller Zeiten, entstand eine Denkweise, die heute wahrscheinlich kein Mensch mehr unterschreiben würde.
Die Ambrosius- Zeilen wurden tatsächlich als Freibrief für Christen vom Typ Epiphanius (um 390) oder eines Cyrill von Alexandria (um 432) verstanden, die (wie später gezeigt wird) rücksichtslos im Kampf um die eigene Macht agierten.
Ambrosius Aussage wurde immer wieder genutzt, um alles zu entschuldigen was an Kapitalverbrechen geschah, solange es letztlich der Festigung der Position des ‚heiligen Stuhls’ diente. Nicht nur der Dominikaner Tetzel auch andere Ablasshändler waren zu Luthers Zeiten durch die Lande gezogen und hatten jedem Sündenvergebung versprochen.
Jedem!
Es wurde seitens der Gläubigen nicht nur als eine in der Ewigkeit gültige Freisprechung vor Gott als Weltenrichter verstanden, es war auch so gemeint: nämlich, die Kirche kann dich von allen Sünden freisprechen, wenn du deine Vergehen bekennst.
Da ist der Fall des Mordes des Statthalters der Lombardei, Azzo Visconti an seinem Oheim Marcus im 14. Jahrhundert. Papst Johannes XXII. nahm von diesem Mörder Geld und erklärte, Gott gedenke seiner Sünden nicht mehr. Visconti sei nun mit dem Reich Gottes ausgesöhnt. (6) Dass Geld, auch schmutziges, jedes Tor im Reich Gottes öffnen könne, wollte Luther weder verstehen, noch unwidersprochen hinnehmen.
Mit einer riesigen Kreuzesfahne, militärisch geschützt, war Tetzel quer durch Deutschland bis in Luther Nähe gereist. Er kam bis Jüterbog. Nach Wittenberg wo Bruder Martin lehrte, durfte er nicht gehen, denn Kurfürst Friedrich der Weise hatte Tetzel untersagt Kursachsen zu betreten. Friedrich wollte nicht, dass sein Geld und das seiner Untertanen irgendwohin abwandert. Deshalb liefen die Wittenberger, abergläubisch, wie sie durch ihre Geistlichen erzogen worden waren, nach Jüterbog.
Wikipedia Ablasshandel in Deutschland um 1517



Bild Wikipedia der Ablasshändler Johann Tezel(1465-1519)


 Bald spürte Beichtvater Luther die Auswirkungen direkt. Er zeigte sich nicht gewillt, alle Männer und Frauen von ihren Sünden zu absolvieren, solange sie nicht aufrichtig Umkehr geübt hatten. Deshalb lautete seine 1. und vielleicht wichtigste These: 
„So unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße, will er, dass das Leben der Gläubigen eine stete und unaufhörliche Buße sei.“
Mit solcher Sinnänderung stellte er die Alte Ordnung in Frage. Bis dahin verstand man Buße als Strafe, die mit barer Münze oder durch Kasteiung beglichen werden konnte.
In Bruder Martins Kopf und Herz stand an dieser Stelle das griechische Wort: metanoia, und das meinte innere Umkehr.
 Recht hat er, sagen die Mormonen, denn es geht dem allmächtigen Gott, dessen buchstäbliche Geistkinder wir sind, um unser geistiges Wachstum. Er will uns entfalten. Das kann nur geschehen, wenn wir das Gute, das in uns ist, stärken.
Wie Luther glaubte, müsste seine  Denkweise doch jedem einleuchten.
Nur, wie sagte er das seinem Kaiser?
Er hätte es leicht erklären können: Was hat eine Ehefrau davon, dass ihr Mann bekennt, ich habe dich betrogen, solange sie nicht sieht, wie sehr es ihm im Innersten weh tut, und solange sie nicht fühlt, er würde es niemals wieder tun. Erst echte Reue (Buße, wie Luther sie verstand) konnte alles bessern. Der Bußkatalog nannte statt Umkehr eine Geldsumme und das brachte Luther in Wut. Außerdem hieß es, Papst LeoX. hätte 1515 den Ablass ausgeschrieben um seine Schulden beim Bankhaus der Fugger zu begleichen. Denn er liebte die große Kunst „von Raffael z.B. ließ er sich die Wände seines Badezimmers mit der Göttin Venus und ihrem Sohn, dem Liebesgott Cupido, bemalen und… laut seinen Zeitgenossen ... sei ein Teil des eingenommenen Geldes für die Aussteuer seiner Nichte Maddalena Cibò bestimmt gewesen...“ (7) Luther war auch nur ein normaler Sterblicher, er durchlief einen Prozess. Das ganze Jahr 1516 hindurch glaubte er noch gutwillig, dass der Papst Christi Stellvertreter auf Erden ist. Selbst im Jahr 1517 sagt er noch: „Die freche Ablasspredigt macht, dass es auch gelehrten Männern schwer wird, des Papstes Ehre rein zu halten von Verleumdungen oder wenigstens vor scharfen Fragen der Gläubigen“ (8). Den Papst stellte man sich zugleich als Christi Stellvertreter und als Kaufmann vor. Er sammelte die guten Werke seiner Frommen ein, darunter die vielen Gebete die vor allem die Nonnen und die Bruderschaften, über das notwendige Maß zur eigenen Erlösung, gesprochen hatten. Über dieses Plus konnte der heilige Vater verfügen, er konnte es verkaufen oder sogar als Gnade Christi verschenken. Supererogation nannte man das. Seit dem 13. Jahrhundert galt: 
Es ist tatsächlich ein ungeheurer Schatz an Verdiensten vorhanden, der sich aus den frommen Taten ... zusammensetzt, welche die Heiligen über das hinaus vollbracht hatten, was zu ihrer Seligkeit notwendig ist... dass den Treuhänder dieses kostbaren Schatzes den römischen Pontifex ermächtigt, denen die er für geeignet hält, einen Teil dieser unerschöpflichen Quelle des Verdienstes zuzuerkennen... so ausreichend, dass die Übeltäter von der für ihre Missetaten vorgesehen Strafe befreit werden.“ (9)
Die Statistiken ‚guter Werke’ wurden gewissenhaft geführt. Das „Vaterunser“ - das zwar nur wenige Worte umfasst - wurde in manchen Klöstern rund um die Uhr gebetet: Sieben Millionen Ave Maria hatte „die Bruderschaft der 11 000 Jungfrauen auf Vorrat gebetet, dazu 200 000 Rosenkränze und 200000 TeDeum laudamus, sowie 3500 ganze Psalter“ (10)
Luther war in der durchgekämpften Nacht vor diesem Verhör während des Reichstages zu Worms mancherlei durch den Kopf gegangen. Er fühlte sich elend und verlassen. Doch seit seinem Turmerlebnis - einer Erfahrung, nachdem er wieder einmal mit sich gerungen und doch im Kampf gegen die Lust unterlag - weiß er, dass Tetzels Lehre und damit des Papstes Auffassung nicht richtig sind. Denn niemand, der voll Selbstgerechtigkeit ist, kann mit der Gerechtigkeit Gottes erfüllt werden. Dass jedermann sogar seine sündigen Vorfahren, die im Purgatorium große Qualen erleiden, freikaufen könne, hält er noch nur für eine Übertreibung und das Tetzelwort: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt, ist in seinem Augen einfach eine dreiste Werbung. Doch eigentlich hatte sich sein Bruch mit dem Papsttum bereits einige Jahre zuvor vollzogen. 1510 war er nach Rom gewandert. Mit hochgespannten Erwartungen fiel er angesichts der am Horizont auftauchenden Türme der ewigen Stadt auf die Knie und dankte Gott: „Heiliges Rom!“ Unheiligeres sollte er nie wieder sehen, nie wieder so lästerliche Reden wie die seiner römischen Brüder hören, die die Messe mit unbeschreiblich obszönen Redensarten verlachten und die sich den Gedanken der Vorfreude hingaben, gleich danach Vergnügen in den Armen ihrer Geliebten zu finden.


Bild Wikipedie 1521 Luther in Worms vor Kaiser, Fürsten und seinen Feinden


Bild Wilipedia: der junge Kaiser Karl V. (1500-1558) Er ist der Vater des späteren spanischen Königs Philipp II. der ein Reich beherrschte über dem die Sonne nie unterging, weil er weite Teile Amerikas als spanisches Eigentum betrachtete


Gespannt starrte der bleiche Kaiser auf den Mund dieses Aufrührers, der wie er hörte so schlau gegen den Papst von der Gnade und dem Glauben an den Erlöser Jesus Christus sprach und der sich damit um Kopf und Kragen redete. Er starrte auf den Mund des Mönches, der seine Überzeugungen gerade mit den Worten zusammenfasste: 
„Ich kann meinen Schriften nicht anders beistehen, als wie mein Herr Christus selbst seiner Lehre beistand, indem er dem Diener... der ihn ohrfeigte, antwortete: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse sei.“ (11)
Martin stand nun im 36. Jahr seines Lebens, er ist Doktor der Heiligen Schrift, die er, wie sonst keiner, in diesem Raum, kannte und verstand. Er hatte sich nicht leicht durchgerungen, mit klaren Worten abzulehnen was von ihm gefordert wurde, denn er hatte zu viel erfahren und gesehen. Die den Kaiser beratenden schwarz-weißgekleideten Dominikaner forderten angesichts der übergroßen Geduld ihres Herrn und der trotzig-zögernden Haltung des Augustinermönches Luther, seine sofortige Bestrafung: „Er ist ein Ketzer, ... ins Feuer mit ihm!“ Das hörten nicht nur die ihnen Nächststehenden. Martin ist sich darüber im Klaren, ein kleiner Wink des mächtigsten Mannes der Welt genügte, um es auszuführen. Es ist wahr, er ist ein Ketzer! Keck hatte er in seinen Schriften behauptet, die Maximen des römischen Klerus seien Pfründe und Vormacht. Er ist ein Ketzer mit dem stark begründeten Anspruch die Wahrheit auf seiner Seite zu verteidigen. Er ist ein sonderbarer Ketzer, einer der intensiv um Toleranz warb, um wenig später selbst unbeugsam intolerant zu handeln. Bald wird er knapp und ungnädig sagen:  

„Mit Ketzern braucht man kein langes Federlesen zu machen, man kann sie ungehört verdammen!“ (12)
Der spanische Kaiser der Deutschen, vor dem Luther zu Kreuze kriechen soll, ist zwar jung, aber Karl V. hat sich nie darum geschert, was ihm Fachleute rieten. Er wird sich, wie stets sein eigenes Urteil bilden. Er, als Imperator, hatte die heilige Pflicht vor Gott das Evangelium Roms zu bewahren und dem Papst zu Dienste zu stehen. Doch auch er ahnt nicht, dass er, wie sein hagerer Gegenüber, sehr bald ins Gegenteil fallen wird. Er wird sechs Jahre später Truppen gegen Papst Clemens VII. schicken, der so unklug war, sich mit den Franzosen gegen ihn zu verbünden. Es sind die einmaligen Umstände die beide jeweils dahin bringen die eigentlich ‚andere’ Rolle zu spielen.


Bild Wikipedia: 1527 plündern katholische und evangelische Truppen gemeinsam Rom: Sacco di Roma



Mangelnde Besoldung der Söldnertruppen, schlechte Führungsarbeit und der allgemeine antipäpstliche Hass, zerbrachen während dieses kuriosen Feldzuges bald jede Disziplin. Ungestraft zogen die katholischen wie auch die lutherischen Soldaten Karl V. monatelang plündernd durch die Straßen der heiligen Stadt, begleitet von üblen Spaßmachern. Darunter war einer, der mit einer Tiara gekrönt und im Chormantel wie der Papst auftrat. Als „Sacco di Roma“ ging dieses Zwischenspiel, im römischen Drama, in die Geschichtsbücher ein.
Luther, ehe er an diesem 18. April 1521 erneut zu Wort kam, betrachtete den nachdenklichen Kaiser mit seinen rotblonden Haaren nicht furchtlos. Er schaute nur kurz in die gewaltigen Augen seines Herrn, die aus einem ungesund blassen Gesicht herausquollen. Ihm wurde bedeutet, er möge es nun in Deutsch wiederholen, damit auch bei den deutschsprachigen Hörern kein Missverständnis sei. Luther sprach lange. In seinem Kopf sind all diese Bilder seiner meist unguten Erfahrungen und der Geschichte, die ihn beunruhigen. Er muss diese Vergangenheit für sich und andere überwinden. So konnte es nicht weiter gehen. Die christliche Welt war am bisher tiefsten Punkt ihrer Verkommenheit angelangt. Es war die Zeit des spanischen Großinquisitors Torquemada, der die Juden und Mauren erbeben machte, indem er sie massenweise verbrennen ließ. (13) Es war die hohe Zeit des religiösen Betrugs, der hysterischen Frömmigkeit, der Massenwallfahrten und einer weit verbreiteten Unwissenheit. Nicht wenige Klöster waren zu Herbergen von Gesindel geworden, andere zu Bordellen verkommen. Mancherorts war jeder dritte Mann ein Mönch oder Geistlicher der auf Kosten der geschundenen Bauern lebte. Luther ist zuversichtlich. Er vertritt doch die Sache Jesu Christi. Andererseits weiß er von Jan Hus. Dem hatten sie zwar ebenfalls freies Geleit und sichere Rückfahrt nach Prag zugesagt und dennoch waren 1415 Krone und Kurie darin überein gekommen: Hus muss brennen. Ja, er hatte von dieser Prophezeiung des Hus gehört: „Sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans) aber über hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören, den sollen sie leiden." (14) Er war dieser Schwan.


Bild Wikipedia, Gemälde von Hans Stiegler, unten der Schwan neben Luther

Und auch das, trotz vieler Unterschiede, die zwischen Luthers Ansichten und denen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bestehen, ist von positiver Bedeutung: Mormonen anerkennen und  glauben, dass Dr. Martin Luther im Plan Gottes eine große Rolle spielte.
Er sollte, soweit das damals möglich war, den weiteren Verfall der Kirche stoppen, denn unter der Verkommenheit eines Klüngels von raffgierigen Geistlichen, die sich selbst für christliche Priester hielten, litten alle anderen, denen an Stelle wahrer und gerechter Grundsätze, Aberglaube und teilweise religiöser Wahnsinn gepredigt wurde.

Noch jedoch war die Zeit zur Wiederherstellung der Urkirche nicht herangereift, denn noch herrschte die Gewalt vor. Menschen hatten im Namen Christi das Recht auf Glaubensfreiheit von Grund auf zerstört, Menschen mussten erst zur Einsicht kommen, dass es ohne Freiheit kein Glück gibt.
Deshalb wurde Joseph Smith, der Prophet der Wiederherstellung, der ebenfalls im Plan Gottes seine Rolle zu spielen hatte, unmittelbar nach der Restaurierung der Religionsfreiheit, im Jahr 1805, geboren. 



Bild Wikipedia Joseph Smith (1805-1844)

Zuvor wurde 1776, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit der Unabhängigkeitserklärung diese Basis für die völlige Wiederherstellung der Urkirche gelegt.

Vieles trug dazu bei, in Martin Luther, die Gewissheit zu schaffen, dass die Religion Roms, nicht die Religion Christi sein konnte. Das Ungeheuer Angst beherrschte die Menschen.
Zitternd war er einmal, in der Zeit seiner größten Romgläubigkeit, in einer Prozession hinter einer Monstranz hergelaufen.
Bild Wikipedia moderne Fronleichnamsprozession, 2007, Meckenbeuren

 Dr. Usingen, Lehrer seines Ordens, der das bemerkte hatte ihn angestoßen und besorgt nachgefragt ob Martin sich unwohl fühle. Da bekannte Luther, den Blick auf das Türlein der kristallenen Monstranz gerichtet, hinter der sich angeblich Jesu Fleisch in Form der geweihten Oblate, der Hostie, befand, wie sehr er sich fürchte dermal einst diesem Weltenrichter gegenüber zu stehen und verurteilt zu werden... Dr. Usingen meinte es gut, doch Menschenworte, so gut sie auch gemeint waren, konnten ihn nicht trösten. Erst der Römerbrief vermochte es, später.
Er wollte durch Hungern, Frieren und Kasteiungen einen gnädigen Gott bekommen und stellte entsetzt fest, dass er sein starkes Naturell - sein Verlangen nach sexueller Befriedigung - trotz der Schikanen die er sich antat, nicht kontrollieren konnte. Er fühlte sich schuldig und von Gott verdammt. Bis eines Tages, sein Blick auf den Schlüsselvers im Römerbrief 1: 17 fiel: „Der aus Glauben Gerechte wird leben.“ Wie ein Blitz traf ihn damals die Erkenntnis: Nicht durch gute Taten, sondern durch Glauben wird der Mensch gerettet. Das war das eigentliche Turmerlebnis. Der Kerngedanke seines neuen Glaubens und Denkens war geboren. Er fühlte es sofort freudig erregt, dies würde seinem Leben eine völlige Wende bringen. Er wollte nun „tapfer sündigen, aber tapferer glauben!“
Sich selbst zu fragen, ob die Wahrheit, - wie so oft, - vielleicht auch diesmal in der Mitte liegen könnte, fiel ihm nicht ein. Und so sollte und wollte Luther aus einer Religion des übertriebenen Tuns, eine der Kontemplation bilden.
Während seiner 2. Rede vor dem Kaiser warb Martin erneut um Verständnis. Dann schloß er mit dem leuchtenden Bekenntnis: „Da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ Nicht nur das ganze Worms, halb Deutschland bejubelte Martins Mut, denn diejenigen, die freiheitlich denken konnten, hatten schon lange nach einem Mann wie ihn Ausschau gehalten. Mindestens einer seiner Zeitgenossen, Friedrich Mecum, sah Luther in einem tröstlichen Traum, nachdem ihn (Friedrich) die Mönche, als er noch sehr jung war, überredet hatten ins Kloster zu gehen, was er bald sehr bereute. (15) 
Martin Luthers Theologie ist weit gespannt, sie ist auch für ‚Mormonen’ großartig, oft missverstanden allerdings, aber auch offensichtlich nicht mehr schlüssig, wenn er sie auf sein „Sola gratia“ verkürzt. Wer jemals den Geist Christi bewusst wahrnahm, der weiß, dass er reine Liebe und Freiheit ist.
Sie kommt auch in den Kunstwerken der Großen, wie ein Echo, zum Ausdruck. Ohne diese Liebe, die Gott für uns empfindet, wären wir nichts. Insofern hat Luther nach dem Verständnis derer recht, die ihre Religion im Sinne des berühmten alten Kirchenlehrers Origenes (185-254) begriffen. Ein idealer irdischer Vater liebt seine Kinder ebenfalls und würde sein Leben für sie hingeben, doch er fordert von ihnen tapfer zu sein und gute Leistungen zu zeigen. Bruder Martin, allerdings predigte nach seinem Auftritt in Worms, - den er trotz mancher Gefahren gut überstand - wo er konnte, passiven Glauben.
Ganz anders als Joseph Smith, der die Fähigkeit des Menschen zu eigenem freien Willen  lobte,  pfiff Martin Luther geradezu auf diese Gabe jedermanns kraft des eigenen freien Willens richtige und notwendige Entscheidungen zu treffen.
Der Mensch werde, wie ein Esel, entweder von Gott oder vom Teufel geritten. Sein Denken blieb dem Augustinischen Glauben von der allein seligmachenden Gnade Gottes verhaftet. Während Jesus das Tun des Guten am Nächsten verlangte; wie auch das Buch Mormon stark herausstellt, zogen fortan Luthers Jünger die Paulusaussagen - Menschen würden allein aus Glauben und Gnade selig - den Bestimmungen Jesu Christi vor.

Das machte viele bedenklich, was dann zu Absplitterungen führte. Bereits zu Lebzeiten des großen Heidenapostels (Paulus), wurde diese Sichtweise von einem Ranghöheren, nämlich von Jakobus, dem leiblichen Bruder Jesu attackiert: „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?“ (16) Hunderte Millionen sollten das ‚Sola fide’ später, wie Martin, daher beten. Seine Gegenspieler, wie der spanische Konzilstheologe Bartolomae Carranza, (17) sagten: Luther hätte es besser wissen müssen. Dieses Pauluszitat auf das sich seine Religionsphilosophie gründet: „Der aus Glauben Gerechte wird leben“ sei lediglich ein verstümmelter Satz aus dem Alten Testament, dem Buch Habakuk entnommen. Im Original lautet der Text: „Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben!“ (18) Das ist zweierlei. Das Recht da zu schaffen, wo es fehlt, führt zur Erlösung, sagte der Prophet Habakuk.
In unseren Tagen formulierte der Protestant Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) einleuchtender als Luther, worauf es ankommt:  


Bild Wikipedia : D. Bonhoeffer
„Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen. Öffne deinen Mund, richte gerecht, verschaffe dem Bedürftigen und Armen Recht.“ (19)
Weil er lebte, was er glaubte wurde Bonhoeffer im 3. Reich Hitlers hingerichtet und wir "Mormonen" bewundern ihn, denn das ist die Grundlehre der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage: Gehe hin und unternimm etwas zugunsten deiner Mitmenschen.
 Mit eben dieser Forderung, Recht zu schaffen hat der interessierte Leser die Moraltheologie des sogenannten „Mormonismus“ auf einen Blick vor sich. In seinem Zentrum steht der Begriff „Rechtschaffenheit“, das große Wort des Buches Mormon (65 Zitate). (20) 
Das ist eine andere Theologie, die jeder politisch rechtlich denkende Mensch nicht verurteilen kann.
Gewiss wäre es besser um die Geschichte Europas bestellt gewesen, wenn Luther, statt energisch auf seine drei engen Kernsätze ‚sola gratia’, ‚sola scriptura’ und ‚solus Christus’, zu pochen, Habakuks und anderer, offensichtlich inspirierter Propheten Forderung nach Rechtschaffenheit zum Zentralbegriff aufgerufen hätte. Wenn er sowohl die Bauern, wie die Ritter dringlicher gemahnt hätte, bei ihrer Seele Seligkeit gerecht zu richten und Recht zu schaffen, vielleicht wäre es dann nicht zu den nahezu deutschlandweiten Bauernkriegen gekommen, vielleicht wären der 30jährige Krieg und andere Verbrechen ähnlichen Ausmaßes vermieden worden. Es sind in der Christengeschichte immer wieder nur einzelne Begriffe, die von christlichen Fanatikern beider Seiten wie Schlachtrufe missbraucht wurden.
Vor und zu Luthers Zeiten wollten die Christen durch ‚besonders gute Taten’ Erlösung finden, nämlich in Pilgerreisen, im Reliquienerwerb (die ohnehin überwiegend Falsifikate darstellten), in der Teilnahme an endlosen Kreuz- und Kriegszügen gegen Islam, Heiden-, Ketzer- und Judentum. Das Gutsein bestand aus Kasteiungen, langanhaltenden Wiederholungen gewisser Floskeln und im geradezu blinden Gehorsam gegenüber jeweiligen kirchlichen Vorgesetzten. Das wirklich Gute bestand zu Luthers Zeiten nicht im Bilden einer glücklichen Familie, sondern in monastischem Leben - obwohl Gott geboten hatte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei!“ (21) Bis weit in die Neuzeit hinein, forderte die römisch-katholische Kirche von nicht wenigen Ehepaaren, die Josephsehe zu leben, als wäre das der Ausdruck von Frömmigkeit die Jesus gelehrt hatte. Dabei handelt es sich eher um eine schlecht begründete Annahme manichäisch-augustinisch glaubender Katholiken, Maria sei so heilig gewesen, dass jede normale eheliche Beziehung unvorstellbar wurde. Man war fromm, wenn man Sexualität in jeder Form mied, oder wenigstens so tat als ob. Jesus hat dagegen ‚nur’ gefordert, dass die Ehepartner zu keiner Zeit Verlangen nach anderen zulassen - und das ist, wie jeder weiß, kein Selbstläufer. In Spanien galt es in den Tagen der Reformation noch ausgesprochen verdienstlich und gut vor Gott, bei Ketzerverbrennungen anwesend zu sein, das Brennmaterial heranzuschaffen, sowie den Maurisken, Juden und selbst einander das Leben zur Hölle zu machen.
In seiner Summe war solches ‚Guttun’, natürlich exakt das Gegenteil der Lehre und der Erwartungen Jesu, denn seine Frage lautete: „Ist dir bewusst... Was du einem meiner geringsten Brüder (Schwester) angetan hast, das hast du mir angetan?“ (22) Ihr kümmert euch um alles, ihr seid bis zur Kleinlichkeit genau, „... aber das Schwerste im Gesetz, ... die Barmherzigkeit ...setzt ihr hintenan.“ (23) Sie fühlten sich anscheinend erst dann gut, wenn sie einander bestraften. Nonnen, die das Gelübde der Keuschheit gebrochen hatten, - manchmal mit dem Beichtvater in seiner selbstgewählten Funktion als Verführer, - wurden unmenschlich hart bestraft, gelegentlich eingemauert.




Doch Werke der Bigotterie und der Askese können Gott nicht dienen, behauptet das Buch Mormon, in dem es sagt: “wir stehen nur dann im Dienste Gottes wenn wir unserer Mitmenschen dienen.“ (24) Damit befindet es sich im Kontext der Bergpredigt: erfreue deine Mitmenschen, - redet nicht nur vom Guten, tut es. Dieses Wort: „Tue es!“, erscheint allein im Matthäus-Evangelium 23 mal. Dagegen war das, auch von Luther als unsinnig betrachtete Sammeln von Reliquien, vor dem 4. Jahrhundert so gut wie unbekannt. Zu den ersten Reliquienverehrern und - sammlern („toter Ding“, Luther) gehörte die Mutter Kaiser Konstantins, Helena, die sicherlich in guter Absicht, eine große Förderin jenes Scheinchristentums wurde, dem die Symbole des Glaubens bald wichtiger erschienen, als der von den ersten Christen vertretene Glaube daran, das man seine Religion zu leben hat. Es ist ohnehin an der Zeit Helenas Schilderungen von der Auffindung des Kreuzes Jesu, 300 Jahre nach seinem Tod, entschiedener zu hinterfragen. Nachzufragen ist auch, warum die Christen der ersten drei Jahrhunderte gar nicht daran dachten das Kreuz zum Gegenstand ihrer Verehrung zu erheben und warum sie sich, selbst nach Konstantins angeblicher Kreuzesvision, noch weitere 100 Jahre weigerten, das Kreuzessymbol in ihre Kirche zu tragen. Erst nach dem Konzil zu Ephesus, 431, sollte das geschehen. (25) Zu bedenken ist, dass der Veranlasser dieser gravierenden Änderung, der schließlich siegreiche Kopf dieses Konzils, Cyrill von Alexandria, immer noch unter der Anklage schwerster Menschenrechtsverletzungen steht. Da liegt der dringende Verdacht der Anstiftung zum Mord in mindestens einem Fall vor, der Volksverhetzung, der aktiven Bestechung, der Hehlerei u.a. schwerer Vergehen. Die Verteidiger Cyrills von Alexandria sehen sich der Frage gegenüber, warum gerade er das Symbol der Todfeindschaft gegen Jesus zum zentralen christlichen Zeichen bestimmte. So weit wie zu blicken ist, vergrößerte das Kreuz bestehendes Elend. Selbst der berühmte Christoph Kolumbus benutzte es, u.a. um illegal „Besitz“ von der Neuen Welt zu ergreifen.





Dieses Kreuz ging den größten Verbrechen voraus. Es führte zur „Christianisierung“ der Indianer, mit dem Resultat von Millionen Toten. Die im 5. Jahrhundert erfolgte ‚Verchristlichung’ des Marterinstrumentes Kreuz ist aus mehreren Gründen abzulehnen.
Obwohl wahr ist, dass Jesus gekreuzigt wurde, um uns den Ausweg aus dem Dilemma unserer nicht wieder gut zu machenden Übertretungen und der Sterblichkeit zu zeigen, indem wir ihm gehorchen, bewirkte die Kreuzesverehrung kaum mehr als Aberglauben.
Auch das ist ein Grund warum Mormonen in ihren Tempeln und Gemeindehäusern keine Kreuze aufstellten.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind Kreuze antichristlich, sie sind Erbe der römischen Legionen, denen seit Jahrhunderten mit ihren Feldstandarten Kreuze X vorangetragen wurden.
Mit Helenas Erfindung der Geburtsstätte Jesu verhält es sich sehr wahrscheinlich so, dass sie zwar moderndes Holz in Palästina fand, aber alles andere als das Originalkreuz.
 Es handelt sich um einen Betrug.  So verhält es sich möglicherweise mit dem Platz der Geburt Christi. Als sei der Ort von Bedeutung!  ließ Helena über der angeblichen Geburtsstätte eine Memorialkirche errichten.
Den guten Geist der Brüderlichkeit, der den Mormonen heilig ist, konnte sie mit dem Errichten von Steinen nicht fördern. Sie haben sich immer gezankt die angeblichen Jesusverehrer, ob dieses oder jenes Skelett eines Heiligen echt war oder nicht, als ob es darauf angekommen wäre, wessen Knochen das sind.
Mormonen haben keine heiligen Stätten, außer ihrem Zuhause in dem der Geist des gegenseitigen Verstehens und des ständigen Bemühens um eine gute Ehe zu führen und eine glückliche Familie zu bilden, von Bedeutung ist.
Bis heute streiten christliche Priester, manchmal sogar handfest um den Vorrang in fragwürdiger Verehrung. Leider handelt es sich bei dem folgenden Pressebericht nicht nur um eine reißerische Geschichte sondern um eine Darstellung von sich wiederholenden Realitäten unserer Tage: „Bizarre Szenen spielten sich am Donnerstag in der Geburtskirche in Betlehem ab: Rund 50 Geistliche in schwarzen Roben gingen mit Besen und Eisenstangen aufeinander los. Der Streit zwischen armenischen und griechisch-orthodoxen Priestern hatte sich aufgrund von Reinigungs-arbeiten in der Basilika entfacht - die Armenier fühlten sich von Leitern der Griechisch-Orthodoxen gestört. Erst palästinensische Polizisten konnten die Schlägerei beenden. Zwei Polizisten und fünf Priester wurden im Krankenhaus behandelt. Die Geburtskirche zählt zu den heiligsten Orten des Christentums…” (26) Nicht nur ‚Mormonen’ meinen, Helena und Konstantin hätten, mit ihrem anders gearteten Verständnis von Religion, Jesus Christus das Konzept verdorben. Bevor Luther in Worms 1521, sein berühmtes Schlusswort sprach, mit dem er den Kaiser stark beeindruckte, stellte er diese große Aussage in den Raum: „Die Autorität von Papst und Konzilien allein überzeugt mich nicht, da sie offenkundig oft geirrt und gegen Schrift und Vernunft gestanden haben.”

Martin hätte diese Behauptung gut begründen können, denn er kannte die Geschichte der Konzilien, aber, er konnte nicht wissen, was erst die moderne Forschung herausfand, nämlich dass die Kirche nach dem 1. ökumenischen Konzil zu Nicäa, 325, nicht von Christen, sondern im Wortsinn von Kaiser Konstantin ins Leben gerufen wurde, auf Kosten der Kirche Christi: „In Nicäa … befolgte die Kirche die Wünsche Konstantins, obwohl sie sie nicht billigte... Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, ist die Kirche auf Christus bezogen... (27) Deshalb nahm sie mehr und mehr diesen unappetitlichen Ausdruck an, den niemand übersehen kann, der hinschaut. In Nicäa wurde der Rest an Klarheit zerstört, - nicht umgekehrt: „Namhafte Persönlichkeiten, wie Bischof Basilius, Teilnehmer des 1. ökumenischen Konzils 325, zu Nicäa, ... verglichen die nachkonziliare Situation sogar mit einer Seeschlacht in der Nacht, in der sich alle gegen alle schlagen, und er meinte, infolge der konziliaren Dispute herrsche in der Kirche eine „entsetzliche Unordnung und Verwirrung“ und ein „unaufhörliches Geschwätz.“ (28) Wären Luther die Details, wie uns, bekannt gewesen, er hätte den ersten 4 Konzilien der ‚ökumenischen’ Christenheit nicht den Rang einer Heiligen Schrift verliehen.
Im Grunde wissen alle, wer Konstantin war.



Bild Wikipedia: Kaiser Konstantin (285-337)

Er „... machte sich (in Nicäa) zum Herrn der Kirche. In ihre Streitigkeiten griff er entscheidend ein und verteilte mit geschickten Fingern Recht und Unrecht. ... im Handumdrehen füllte sich der Hof des Kaisers mit einer Menge von Persönlichkeiten, die mit ihrem Christentum Geschäfte machen wollten. Edlere Naturen konnten neben ihnen kaum noch hervorkommen. (Sie) zogen sich angewidert zurück. Die siegreiche Kirche“ (kam hervor.) (29) „...Konstantin hatte eine neue Idee von der Kirche, die er verwirklichen wollte: ... nach dem ihm vorschwebenden Bild formt er… sein Reich, seine Kirche…. Die Diener Gottes, die Kleriker unterstützen den Kaiser, den Knecht Gottes dabei, das gottgewollte Friedensreich herbeizuführen. Das Konzil ist ein repräsentativer Staatsakt, aber der Staat, der sich ihm darstellt, ist die von Konstantin geführte Kirche (!), das Reich der Zukunft.“ (30) 

Dieses Reich der Zukunft, dass dem damals einflussreichsten Mann der europäischen Welt vorschwebte, diese Mixtur aus der Soldatenreligion des Mithraismus, plus einiger aus dem Christlichen entlehnter Elemente konnte nicht überleben, weil es auf Eidbruch, Gewalt und Täuschung gegründet worden war. Also zerfiel es, allmählich. Allerdings gab es am Rande noch jahrhundertlang christliche Gemeinden die sich einigermaßen vor dem zerstörerischen Hauptstrom schützen konnten.
Ludwig Hertling beschreibt - mit Imprimatur des Vatikans - in seiner „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740 - die Gesamtsituation um und nach 400, nachdem das Konstantinische sich innerhalb der Kirche mehr und mehr breit machte: „Auf die Zeit der großen Kirchenväter (Athanasius, Hieronymus, Ambrosius, Chrysostomus, Augustinus, Gregor von Nazians, Epiphanius usw. G. Sk.) folgten Jahrhunderte ohne Glanz. Die Kirche, und mit ihr die europäische Geschichte tritt, nachdem sie noch soeben durch leuchtende Landschaften gereist ist, in einen dunklen Tunnel ein, der nicht enden zu wollen scheint...Viele Umstände haben zusammen gewirkt, um die antike Welt in diesen Zustand der Ohnmacht oder Erstarrung zu bringen, der zeitweise einem wirklichen Sterben ähnlich sieht...“ ‚Die Kirche’ starb tatsächlich, und mit ihr die Stadt und das Reich Rom. Auf den Trümmern enstand eine ganz andere Welt. Verwegene, lieblose Männer nannten sich Päpste und hielten ein gerettetes Fell hoch, hängten es sich um und behaupteten, sie wären jetzt das Lamm.

Martin Luther und Jan Hus lebten in dieser anderen, tatsächlich unchristlichen Welt, Mormonen sagen: sie lebten in der Zeit des Abfalls.
Das ist ja die Ursache warum Gott, der Vater Jesu Christi, einschritt. Er und sein Sohn erschienen Joseph Smith, nicht um seine Neugierde zu befriedigen, sondern um den Grund für die Wiederherstellung der Urkirche zu legen.
Das wäre zu Zeiten Jan Hus und Luthers noch nicht möglich gewesen. Die Umstände waren damals verheerend:
. „...Wenn die Kirche dem armen Laien wenig bot, so hatte sie dafür einen zureichenden Grund: die Mehrzahl der Geistlichen besaß auch nicht viel mehr von Lehre und ...Inhalt des Glaubens. Das Amt des Bischofs war völlig verweltlicht. Ihre Weiber, Gelage, die Jagd... waren ihre Tagesinteressen. Es gab Kirchenfürsten und Äbte die kein Latein verstanden und nicht lesen und schreiben konnten. Nicht viel besser erging es der Mehrzahl der Mönche und der Plebanen, den Pfarrgeistlichen, denen vorzugsweise die Seelsorge für die Laien oblag. Wenn sie beim Gottesdienst Gebete und Reden lateinisch lesen mussten, so buchstabierten sie mürrisch, ohne Verständnis des Sinnes und der Worte, ihnen selbst war barbarisch, was sie beteten, und das galt für natürlich, weil jeder Müßiggänger und faule Bauch sich in den Priesterstand drängte." (Bezug: Nic. De Clamengis De praesulibus simoniacis, ed J.M. Lydius, 1613, p. 165). Der Franziskaner Bernhard Baptisè klagte in einer Predigt, die er auf dem Konzil in Costnitz vor den Kirchenfürsten und der versammelten Geistlichkeit Europas hielt: „So schlecht sind unsere Geistlichen geworden, dass schon fast die ganze Geistlichkeit dem Teufel verfallen ist.“ (Bezug: v.d. Hardt, Con.Const. T.I.P. XVIII. P.880 sq)... die hussitische Bewegung begann mit dem Zorn und Ärger über unredliche Gewaltakte der kirchlichen Partei... im Jahr 1392 wurde das Jubeljahr auf dem Vissegrad verkündet, von Latäre bis zu Kreuzerhöhung wallfahrtete zahlloses Volk zu den heiligen Stellen durch die Städte von Prag, spendete und beichtete und erhielt dafür reichlichen Ablass. Großes Geld nahm die vornehme Geistlichkeit ein, die Beutel der Armen wurden leer. Die Einnahmen musste der Erzbischof mit dem König Wenzel teilen... auch Magister Johannes (Hus) gab seine letzten vier Groschen dem Beichtvater, so dass er zuhause nur trockenes Brot zu essen hatte... (31)

Entschieden hatten Kaiser Konstantin und seine christlichen Kollaborateure die breite Schneise durch die Kulturlandschaft geschlagen. Es war so, dieser Imperator hatte die Parole ausgegeben: Macht weiter so! Die ebenfalls weit von Jesu hinweg-gekehrten Haupterben des konstantinischen Reiches, Konstantin II., Konstanz und Konstantius, legten nur wenige Monate nach dem Tod ihres Vaters zutage, von wem sie gelernt hatten. Beim ersten Anlass stürzten sie sich, wie verhungernde Löwen aufeinander. Der katholische Constanz, vernichtete seinen 24jährigen Bruder Bruder Konstantin II., 340, nur weil dieser in Italien Truppenbewegungen angeordnet hatte. Es gab fortan in den Metropolen Roms kaum Unterschiede zwischen weltlicher und kirchlicher Politik. Die Ziele, wie die Handlungsweisen, waren grundsätzlich dieselben. ‚Papst’ Damasus bewies schon im Jahr 366, dass er strikt konstantinisch dachte, als er - der Athanasianer (der Nicäner) - seine Streitmacht mit Brechstangen und Streitäxten gegen den nichtnicänischen, arianisch glaubenden Nachbarbischof Ursinus aussandte. Was zählte, war für den neuen Christentyp der momentane Erfolg. Jesus hingegen wollte, dass die Menschen in die ferne Zukunft blickten: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?“ (32)

Jesus wies wiederholt daraufhin, was geschehen würde, wenn materielle Werte, wie Macht und Geld in seiner Kirche höchster geistiger Werte zu wichtig werden, - und Kaiser Konstantin hatte viele Privilegien und Geld zu bieten: „Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist, und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht.“ (33) Diese Aussage steht unübersehbar im Gegensatz zu den Aktionen der von Konstantin geführten „ecclesia militans“, deren führende Kleriker er unter Gewährung steuerlicher Vorteile und anderer Privilegien direkt und indirekt in seinen Dienst gestellt hatte. (34)

Im Dienste des Gottes Jesus Christus zu stehen verlangte schon immer eine gewisse Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit, es verlangt von denen die dienen wollen, dass sie Gedankenzucht üben und unentwegt nach mehr Verständnis vom Evangelium und damit Mitgefühl für die Nöte anderer trachten.
Zank in Glaubenssachen kann es unter Christen nicht geben, Meinungsverschiedenheiten sehr wohl.
Wir sind Martin Luther dankbar, doch einiges verstehen wir anders.




P.S.

Übrigens, viele Theologen weisen äußerst kritisch auf das Joseph-Smith-Zitat hin:

Gott war einst ein Mensch und der Mensch kann wie Gott werden“

Das sei geradezu der Beweis für Gotteslästerung seitens der Mormonen.
Es ist schon peinlich!
Sie haben anscheinend keine Ahnung, dass Dr. Martin Luther und sogar Papst Benedikt XVI. dasselbe lehrten:

...der Kern der Inkarnationslehre des Athanasius lautet: „Christus, das Göttliche Wort, „wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden...“ (35)



Nikolai Krokoch zitiert Tuomo Mannermaa der darauf verweist, dass das Wort der Theosis (deificatio) öfters bei Luther vorkommt als der Hauptbegriff seiner während der berühmten Heidelberger Disputation (1518) formulierten Heilslehre nämlich die theologia crucis. „Wenn in Luthers Epistelkommentaren und Weihnachtspredigten die inkarnatorische Wahrheit auf besondere Weise zum Ausdruck kommt, dann meint er ähnlich wie die orthodoxe Heilslehre die reale Teilhabe an der Gottheit Jesu: ,,Wie das Wort Gottes Fleisch geworden ist, so ist es gewiß notwendig, daß auch das Fleisch Wort werde. Dann eben darum wird das Wort Fleisch, damit das Fleisch Wort werde. Mit anderen Worten: Gott wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde. Also wird Macht machtlos, damit die Schwachheit mächtig werde. Der Logos zieht unsere Form und Gestalt, unser Bild und Gleichnis an, damit er uns mit seinem Bilde, mit seiner Gestalt und seinem Gleichnis bekleide. Also wird die Weisheit töricht, damit die Torheit Weisheit werde, und so in allen anderen Dingen, die in Gott und in uns sind, sofern er in all dem das Unsere annimmt, um uns das Seine zu vermitteln.“ Luther nimmt hier den Vergöttlichungsgedanken des Hl. Kirchenvaters Athanasius auf… (36)



Quellen:

(3) 86. These
(4) „Ich (Jesus) werde dir (Petrus) die Schlüssel des Himmelreiches geben, was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“
(5) Gerhard J. Bellinger „Der Catechismus Romanus und die Reformation“ Georg Ohm Verlag, Paderborn, 1970, S.15
(6) Schlosser, Weltgeschichte Bd VI. S. 390-391
 (7) Maike Vogt- Lüerssen „Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance“
(8) 82. These
(9) James Talmage, „Jesus der Christus“ zitiert Mosheim, Geschichte der Kirche, XII. Jahrhundert II. 3:4
(10) Gustav Freytag Deutsche Bilder 2, Leipzig, 1927, S. 337 
 (11) Wachsmann, „Die Dokumentenplattform: Luthers Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms.“
(12) Tischreden, Bd.III. S. 175
(13) Dieter Wyss, „Kain: Phänomenlogie und Psychopathologie des Bösen“, Königshausen & Neumann,1997: „Llorentes, Sekretär der spanischen Inquisition berichtet, gestützt auf Archivmaterial, Torquemada habe 10 220 Menschen lebend verbrannt, sowie mit Unterstützung Ferdinands und Isabellas 114 300 Familien für immer ruiniert.“ 
(14) Die evangelische Kirche zu Ebersgöns: (2009): „Hus war auf dem Konstanzer Konzil zum Ketzer erklärt und zum Tode verurteilt und am 6. Juli 1415 verbrannt worden. 1531 schrieb Martin Luther: "S. Johannes Hus hat von mir geweissagt, als er aus dem Gefängnis im Böhmerland schreibt: Sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans) aber über hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören, den sollen sie leiden."
(15) Gustav Freytag Deutsche Bilder 2, Leipzig, 1927, S. 339 „Sieben Jahre, bevor Luther die Reformation begann, war ihm das Bild des großen Mannes im Traum erschienen und hatte die Zweifel seines aufgeregten Herzens beruhigt.“
(16) Jakobusbrief 2: 14 
 (17) Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Verlag Traugott Bautz:
„1559 wurde Carranza von der Inquisition, dessen Mitglied er selbst lange gewesen war, in Torrelaguna bei Madrid verhaftet und in der folgenden Nacht nach Valladolid gebracht... Obwohl er an den Papst appellierte, blieb Carranza 8 Jahre in spanischer Haft, bis er auf Befehl Pius' V. nach Rom gebracht wurde, wo er noch 9 Jahre in der Engelsburg in Untersuchungshaft saß. Die Inquisition und Philipp II. verzögerten den Fortgang des Prozesses, der endlich nach 17 Jahren durch Gregor XIII. zum Abschluss kam. Die Ketzereien, deren Carranza angeklagt war, konnten nicht bewiesen werden.“
Carranza hatte gewagt Kaiser Karl V. auf dem Totenbett, mit Worten zu trösten die den Lauschern lutherisch geklungen hatten.
(18) Habakuk 2: 4
(19) Sprichwörter 31: 8-9
(20) z.B. 2. Nephi 9: 14 wir werden in der Auferstehung „eine vollkommene Kenntnis all unserer Schuld und unserer Unreinheit und Nacktheit haben, und die Rechtschaffenen werden eine vollkommene Kenntnis ihrer Freude und ihrer Rechtschaffenheit haben, denn sie sind mit Reinheit bekleidet, ja mit dem Mantel der Rechtschaffenheit.“
 (21) Genesis 2: 18 „Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt, ich will ihm eine Hilfe geben“... Eva.
(22) Matth. 25: 40
(23) Matth. 23: 23
(24) Mosia 2: 17(25) Jan, Thomas Otte, „Evangelischer Kirchenbote seit 1848“ für die Pfalz, Nr. 13, 2007 „Das Christentum hat im Jahr 431 das Kreuz als zentrales christliches Symbol beim Konzil von Ephesus eingeführt.“
(26) „Kurier“ Wien vom 17. Januar 2008 
(27) Heinz Kraft Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg - Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff
(28) Bischof Koch (katholische) Pfarrblätter, vom Oktober 2008.
(29) Pfarrer E. F. Klein „Zeitbilder aus der Kirchengeschichte“, Berlin, Ackerverlag, 1930, S. 144
(30) Heinz Kraft, „Konstantins religiöse Entwicklung“, 1954, Heidelberg - Uni Greifswald, S. 89 u 99
(31) Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ Zweiter Band. Leipzig, S. 218-219, 223
(32) Markus 8:36
(33) Joh. 10: 12
(34) Ch. Müller Albert-Ludwig-Univ., Freiburg i Breisgau „Kurialen und Bischof, Bürger und Gemeinde in der gallischen Stadt des 4. bis 6. Jahrhunderts“ 2003, S. 15
Ebenso:
Sabine Hübner, „Der Klerus in der Gesellschaft des spätantiken Kleinasiens“ Fr. Schiller Universität, Jena, 1976
(35) Vatikan, Generalaudienz, 20. Juni 2007
(36)  Tuomo Mannermaa “Luther und Theosis”, Band 1 Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 11: “Theosis als Thema der finnischen Lutherforschung

Bildquelle: Wikipedia

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