Samstag, 3. November 2012

(1) Die Verstaatlichung der Kirche und die „apostolische Sukzession“


Pilatus wog den großen Schädel. Von ihm wurde, im Fall eines angeblichen Hochstaplers, ein Urteilsspruch erwartet, obwohl seitens seiner Offziere keine Klage vorlag. Der römische Prokurator stand ein wenig ratlos auf der Empore, betrachtete die aufgebrachte Menge und fragte hinunter:

Was hat er denn verbrochen?“

Die Antwort war von Hass diktiert und ziemlich unbestimmt:

Wenn er kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.“

Pilatus ging wieder ins Prätorium hinein, fragte einen seiner Kommandeure, und hörte noch einmal das Gerücht, der Angeklagte solle behauptet haben, er will ein Königreich gründen.
Pilatus ließ Jesus rufen, schaute ihn eine Weile prüfend an.

Sehr unwahrscheinlich, dass der ziemlich unheldisch wirkende Mann mittleren Alters,   König der Juden werden wollte. 
Hat kein eigenes Haus, keine Ländereien, keinen Titel, kein Geld, möglicherweise ging er an manchem Abend hungrig zu Bett.

Gewiss, einige Wichtigtuer sagten: "er gibt vor der königliche Messias zu sein".
Doch soviel wie er, Pilatus, von dieser Sache gehört hatte, würde der Messias auftreten als großer Herr, mit überlegener Streitmacht, dem niemand widerstehen kann.

Die paar elenden Gestalten jedoch, die ihn begleiten sollen, haben wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben noch keinen Dolch angefasst, geschweige denn als Soldaten gedient. Fünf Prätorianer hätten genügt ihn zu verhaften.
Pilatus wandte sich fragend an Jesus: Du bist doch kein Fall für mich, nicht wahr? Warum sagen die da draussen, du willst ihr König werden?

Jesus nickte wahrscheinlich, und zwar zustimmend. Er sagte dann auf seine eindrucksvolle Weise, fast entschuldigend:

ABER!... mein Königreich ist nicht von hier!“

Pilatus ahnte vage was das Wort: „nicht von hier“ bedeuten sollte. Es handelte sich da um ein Traumreich, eine Illusion oder Ähnliches.
Pilatus machte eine Geste gewisser Hilflosigkeit.
Jesus bemerkte das, denn er bestätigte des Prokurators Annahme: unmissverständlich: 
Mein Reich ist nicht von dieser Welt, wäre mein Reich von dieser Welt, würden meine Diener kämpfen...“ (1)
Pilatus hob die Stirn: eigentlich verstand er weder den jungen Mann noch die Welt die sich gegen ihn stellte. Träume sind immer frei.
Allerdings, da war etwas, das ihn tief beeindruckte:
Dieser Habenichts wollte immerhin ein König der Wahrheit sein. Das stand ihm gut an, und wem schadete er damit?

Deswegen schleppen die dich zu mir?

Pilatus musste wiederholt an die Worte seiner Frau denken:
Seinetwegen hatte ich heute nacht einen schrecklichen Traum, lass die Hände von ihm, er ist unschuldig.“

Der Prokurator fühlte, dass seine Frau  recht hatte. Ein gegen Rom gerichteter Streber nach Macht war er definitiv nicht, - verwunderlicher noch, - ihm bedeuteten Geld und Besitz an Feldern und Häusern gar nichts, und nochmals unverständlich war, dieser hochbeschworene Verzicht auf Kampf und Sieg, klang glaubwürdig.
Pilatus hörte die im Hof wartende Menge murren. Er ging wieder hinaus, schaute die Menschen an und fragte sich was die eigentliche Ursache der Aufregung sein mochte die zur erzwungenen Verhaftung geführt hatte. Jeder da unten musste doch wie er denken.
Denn unter einem König stellte man sich einen Mann vor, desssen Herrschaftsanspruch auch aus seinen Mienen sprechen würde.
Aber da war nichts dergleichen zu finden.
Wäre der geringste Zug zur Staatsmacht bei dem Zimmermannssohn erkennbar gewesen, dann hätte er, der gnadenlose Verwalter römischer Interessen abschließend anderes gesagt, als die Worte:

                         „Ich finde keinen Grund ihn zu verurteilen!“ 

Für ihn war klar: Jesus von Nazareth verabscheute lediglich was Rom liebte: nämlich die Macht, die Vollkraft mit allen Mitteln das durchzusetzen, was dem Imperium diente. Der da, den selbst er nicht vor dem Kreuzestod wird retten können, wollte ein Reich ohne jede Art Gewaltanwendung und ohne jegliche Lüge.

Wäre da nicht die schreiende Menge mit ihrem bitteren Ernst, er könnte darüber lachen:
"Ein Reich muss seine Feinde zerschmettern können oder untergehen."  Dass der einsame Angeklagte das ganz anders sah, würde ihn das Leben kosten.


Völlig entgegengesetzter Meinung, als Christus, müssen fast alle Männer gewesen sein, die behaupteten in der Nachfolge Christi zu stehen, und die zugleich das Papsttum formten.

In Sachen Feindschaft dachten sie fast ausnahmslos, wie alle Diktatoren.


Etwa in der Mitte der Papstliste steht der Name des ehemaligen Mönches Hildebrandt von Soana (1020-1085), der von seinem Zeitgenossen, Kirchenhistoriker Petrus Damiani, „Heiliger Satan“ genannt wurde. Er gehörte noch zu den Besten seiner Zeit, und war doch ein Stifter größtdenkbaren Elends. Dass er die Priester ehelos und die Ehefrauen und Kinder der Priesterfamilien ins Verderben stürzte weiß jeder, weniger bekannt doch ebenso wahr ist, dass

Historiker fünfundsiebzig blutige Schlachten direkt auf Papst Gregors Fehde mit dem Kaiser (Heinrich IV.) zurückgeführt haben.“ (2)

Oder, da ist Stefan III.. Er wurde 752 Papst. 753 reiste er nach Norden mit einem dringenden Anliegen, er bedurfte der Militärmacht Pippin des Kleinen, (Vater Karls des Großen), gegen einen schier unüberwindlichen Germanenstamm, der das Erbe der Ostgoten fortsetzte, auch in Sachen Religion, und die war eben nicht römisch-katholisch.

Ob er laut sagte, was er dachte ist nicht klar, aber die germanischen Langobarden die ihm in Italien den kirchlichen Herrschaftsanspruch strittig machen könnten und die sich seinen kirchlichen Weisungen widersetzten, waren Arianer.

Seit Nicäa, 325, galten die Arianer allen Katholiken als Antichristen.

Das begründeten sie mit einer Lüge die bis heute kursiert - Arianer würden Christus den Gottstatus absprechen - deshalb seien sie Gottesfeinde die keine Duldung geschweige denn mehr verdienten.

Ausrotten!

In Papst Stefans Reisegepäck befanden sich Trauergewänder, die er als Bittsteller anlegen wollte, wenn er sich vor Pippin als bescheidener Diener Gottes in den Staub wirft, das Haupt mit Asche bestreut.  Und er trug, ebenfalls um Eindruck zu machen, ein scheinbar uraltes Dokument mit sich. Auf ihm stand das erdichtete Datum 30. März 315 geschrieben.

Es handelte sich dabei um einen ungeheuren Schenkungstext. Danach waren die Päpste die rechtmäßigen Besitzer des gesamten römischen Reiches geworden.

Die märchenhafte Formulierung stammte allerdings sehr wahrscheinlich von Stefan selbst. Er könnte den Inhalt erdacht und diktiert haben (der seine Wirkung für die nächsten eintausend Jahre nicht verfehlen sollte. Obwohl er bereits 1433 durch den deutschen Philosophen Nikolaus von Kues und sieben Jahre später durch den Sprachwissenschafter Lorenzo Valla als schamlose Fälschung erkannt wurde).

In dem angeblich antiken Schriftstück wurde behauptet Kaiser Konstantin habe dem Papst Silvester, aus Dankbarkeit für seine Heilung von Lepra, die halbe Welt geschenkt:



Bild Wikipedia Lorenzo Valla (1407-1457)

Alles was Stefan, sowie viele Päpste vor ihm und die nach ihm kommenden, wirklich wünschen konnten, fand in der angeblichen Schenkung klaren Ausdruck:


Wie Uns eine irdische Kaisermacht zusteht, so haben Wir bestimmt, dass ihre hochheilige römische Kirche achtungsvoll geehrt und dass mehr als Unsere Kaisergewalt und Unser irdischer Thron der hochheilige Stuhl Petri glorreich verherrlicht werde, indem wir ihm die Macht, den Ehrenrang, die Kraft und die Ehrenbezeugungen verleihen, die einem Kaiser zukommen. Und Wir beschließen und setzen fest, dass er die Vorherrschaft sowohl über die Hauptbischofssitze von Antiochien, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem als auch über alle Kirchen Gottes auf dem ganzen Erdkreis innehabe, und der jeweilige Papst dieser hochheiligen Kirche soll erhabener und ein Fürst für alle Bischöfe der ganzen Welt sein. Und durch seinen Urteilsspruch soll geordnet sein, was in bezug auf den Gottesdienst und für den festen Bestand des Christentums (der Kategorie „Konstantinismus“ G.Sk.) zu versorgen ist.

Damit wurde für mindestens zehn Jahrhunderte festgelegt, dass Christi Lehren hinter den Lehren des Vatikans, allenfalls Platz 2 einzunehmen haben. (Was zu beweisen sein wird)

Der Text der Konstantinischen „Schenkung“ fährt fort:

... Wir übertragen den Päpsten von nun an Unseren kaiserlichen Lateranpalast (der 315 noch Fausta, der sehr jungen Frau Konstantins als Alleinbesitz gehörte und folglich nicht durch einen Nichtbesitzer verschenkt werden konnte G.Sk.)

sodann das Diadem, nämlich die Krone Unseres Hauptes, und zugleich die Mitra und den Schulterschmuck... sowie alle Provinzen, Städte und Orte des Abendlandes... "
Quellen :
1.) Joh 18: 36-38
2.) Peter de Roa„Gottes erste Diener“ Knaur, 1988, S. 83

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