1.5
Unnötige Kontroversen zwischen
Paulus und Petrus
1.5.1 Die „Gemeinsame Erklärung der Evangelischen und
Katholischen Kirche von 1999
Einige Bemerkungen im Vorab:
Wegen der Frage ob getaufte Juden Tischgemeinschaft
mit getauften Nichtjuden haben dürften, entstanden in den 60er Jahren Differenzen,
die seitens des „Heidenapostels“ Paulus noch vergrößert wurden, indem er die
Botschaft von Christus scheinbar auf „die alleinseligmachende Gnade Gottes“
reduzierte. Das konnte Petrus nicht unkommentiert stehen lassen. Im Gegensatz
zu Paulus der grob werden konnte, verlor Petrus nie den Geduldsfaden. Er tadelt
Paulus sehr behutsam, wie im Folgenden gezeigt wird.
Die Behauptung einiger
Theologen, Petrus könne nicht der Verfasser der nach ihm benannten beiden Briefe sein, ist
unhaltbar. Die folgende Schlussfolgerung ist keineswegs
überzeugend.
„In 1. Petr 1,1 stellt sich Petrus zwar als Verfasser vor, ganz ähnlich wie im 2.
Petrusbrief, wo er sich als Simon Petrus einführt (2. Petr 1,1). Aber der Brief ist in einem vorzüglichen Griechisch
geschrieben. Hier ist sicher die Frage erlaubt, ob man so etwas vom
historischen Petrus wirklich erwarten darf.
Auch zitiert der Verfasser durchgängig die Septuaginta, also die
griechische Bibelübersetzung. Petrus hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit die
hebräische Bibel gelesen. Er hätte Bibelzitate dann doch wohl auch vermutlich
in einer eigenen und deshalb freieren griechischen Übersetzung gebracht.
Und dann stellt sich der Verfasser in 1 Petr 5,1 überraschenderweise als Presbyter vor.“ (46) Dr.Joerg Sieger – Einleitung in das Neue Testament.
Erstens: Petrus hielt sich als Haupt der Kirche, in Antiochia (Antioch) auf, - der orthodoxen Überlieferung nach seit 42 - also im griechischsprachigen Raum. Dort amtierte er mindestens noch in den 50er Jahren. Petrus leitete die Kirche vom Zentrum des Geschehens der missionierenden, sich rasch ausdehnenden Großgemeinde. Ein Leiter solcher Kirche empfängt täglich Informationen. Er muss letztlich im Fall wichtiger Lehrdifferenzen eingreifen und Entscheidungen bei strittigen Amtsbesetzungen treffen, ungerechtfertigte Exkommunikationen korrigieren, fragliche Bischofsordinationen in Betracht ziehen. Die Transportwege für Nachrichten und Weisungen vom östlichen Rand der Kirche zur Peripherie im Westen hätten sich ums Doppelte verlängert.
Notwendigerweise verfügte er über mindestens einen sprachkundigen
Sekretär. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er den Mitgliedern Hinweise und
Belehrungen in Hebräisch gegeben hätte, zumal alle gebildeten Juden auch
Griechisch verstanden.
Er kann auch nicht in den 40er Jahren oder irgendwann später Bischof
von Rom gewesen sein, wie die auf jeden Fall geschönte römisch-kath. Papstliste
behauptet.
„…Bücher anerkannter
römisch-katholischer Gelehrter „Saints and Sinners“ von Dr. Eamon Duffy von der Cambridge
Universität und „The Catholic Church“ von Dr. Hans Küng von der
Universität Tübingen liefern uns gleichlautende Berichte über das Aufkommen der
Vorstellung von einer päpstlichen Vorherrschaft und über das Dogma der
apostolischen Sukzession seit Petrus. Beide erkennen an, dass nichts im
Neuen Testament Petrus mit Rom in Verbindung bringt. Die Bibel offenbart, dass
der Apostel
Paulus den Römerbrief geschrieben hat, und Paulus erwähnt
Petrus noch nicht einmal bei all den Grüßen, die er über 20 Geschwistern in Rom
sendet (Römer 16). Als Paulus ca. 60 n.Chr. nach Rom kam, erfuhr er, dass die
Obersten der Juden dort noch nicht einmal vom Evangelium Jesu Christi und dem
Reich Gottes gehört hatten (Apostelgeschichte 28, 17-24). Wäre Petrus zu jener
Zeit bereits seit Jahrzehnten der Bischof von Rom gewesen, wäre ihnen dann
wirklich die Botschaft Christi unbekannt gewesen? Die Idee, dass Petrus in
Rom war, ist eine aus dem zweiten Jahrhundert stammende Vorstellung, die im vierten Jahrhundert populär
wurde, nachdem Konstantin das Christentum zur offiziellen Staatsreligion des
Römischen Reichs erklärt hatte. Die Gelehrten Duffy und Küng zeigen auf, wie
die Bischöfe von Rom eine gemeinsame Anstrengung unternommen haben, um
die Vorherrschaft über
andere Kirchen zu erringen, indem sie eine Reihe von Behauptungen aufstellten. Irenäus von Lyon stellte eine Liste
zusammen, die angeblich die Leiter der römischen Kirche bis zurück zu Petrus
und Paulus zurückverfolgte.
Dr. Küng erklärt: "Bischöfe der Katholischen Kirche sind (wie die
der Anglikanischen und der Orthodoxen Kirchen) daran interessiert, sich selbst als ‚Nachfolger
der Apostel' zu bezeichnen… [doch]… es kann nicht bestätigt werden, dass
die Bischöfe im direkten und ausschließlichen Sinn ‚Nachfolger der Apostel'
sind… die früheste Liste von Bischöfen
[von Irenäus zusammengestellt]… ist eine Fälschung aus dem zweiten Jahrhundert" (47) (Küng, Seiten 30-31). Douglas S. Winnail „Päpstliche Vorherrschsft“, 2009
Indirekt
bestätigen andere katholische
Quellen den Trend dieser Feststellungen:
„Das Fest der Kathedra Petri, also des Bischofsstuhls des Papstes
als Stellvertreter Christi auf Erden, dient dem Gedenken des besonderen
Hirtenamtes des Papstes, das Christus dem Petrus übertragen hat. Es ist in Rom
schon Mitte des 4. Jahrhunderts bezeugt.
Seit dieser Zeit wurde nachweislich ein aus Antiochia stammender Stuhl gezeigt,
auf dem Petrus sein Hirtenamt ausgeübt haben soll.“ (48) Martyrologium Sancrucense
1
|
Petrus hl.
|
33(?)–67(?)
|
|||||
2
|
Linus hl.
|
Römisches Reich
|
67(?)–79(?)
|
Historizität ist nicht gesichert.
|
|||
3
|
Anaklet hl.
|
Römisches Reich, Rom
|
79(?)–88(?)
|
Historizität ist nicht gesichert.
|
Die
Syrisch-orthodoxe Kirche führt Petrus in ihrer Liste der Patriarchen Antiochias
obenan. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass Petrus fernab der kirchlichen
Zentren Jerusalem und Antiochia zusätzlich zu seinen Leitungspflichten über
sämtliche Gemeinden bis Indien, die Last der Leitung einer Gemeinde – als
Bischof von Rom - tragen wollte oder sollte,
zumal in Babylon (ἐν Βαβυλῶνι).
Petrus könnte sich
besuchsweise in Rom aufgehalten haben.
Überhaupt sind alle
Daten bis Hippolyt (etwa 220) nicht belegt, wie die offizielle Papstliste
bestätigt.
Zweitens: nutzten die Christen des
Gebietes in dem Petrus wohnte und amtierte die Septuaginta.
Drittens: alle würdigen Männer
trugen das höhere Priestertum und waren damit Älteste. (vom griechischen πρεσβύτερος, presbýteros, „Ältester“)
Auch die Mitglieder der Ersten
Präsidentschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind Älteste. Joseph Smith, der damalige
Präsident wurde bekanntlich „der erste Älteste“ genannt.
Hier ist ein weiterer Einschub
unerlässlich:
Nachdem Konstantin die
Kirche in den Rang einer staatlichen Institution „erhob“ erschwerte er den
Zugang zum Priestertum durch jedermann (schon wegen der Steuerbefreiung die
christlichen Priestern zugesprochen wurde)
Allem Anschein nach trugen, wegen des urchristlichen
Gleichheitsgrundsatzes, bis 325, alle als würdig betrachteten Männer über 13 das
Priestertum, wenn auch unterschiedliche Grade:
„Der Bischof bestimmt den in der
Gemeinde zum Presbyter, (Ältesten oder Priester G.Sk.) der sich nach seiner
Ansicht für dies Amt eignete, und der ihm gefiel oder dem sein Märtyrertum von
vornherein diese Würde verlieh... Bei der Ordination von Diakonen durch den
Bischof verspricht dieser, wenn der Diakon tadellos gedient hat, kann er später
„das erhöhte Priestertum" empfangen...
Noch „waren die Bischöfe einfach die
Vorsteher im Kreis der Ältesten und hatten keine besonderen Rechte...“ (49) Jungklaus, „Die Gemeinde
Hippolyts dargestellt nach seiner Kirchenordnung“
Der westliche Wirkungsbereich der ersten Apostel um 70 n. Chr.
Der Tenor der "Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre vom 31. Oktober 1999" lautet: Du musst dich nicht anstrengen
deine Religion zu leben. Du hast vor Gott nur die Pflicht auf ihn zu
vertrauen. Da, im erwähnten Papier, heißt es:
"Wir werden umsonst erlöst... Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade... sola gratia." Das hat Christus nie gelehrt. Er setzte die Kriterien der Erlösung. Sie finden in der Erklärung keine Erwähnung.
Angesichts der wachsenden Bedrohung
unserer angeblich christlich orientierten Welt durch rabiate Islamisten
stehen wir allesamt in der Pflicht, mit den uns von Gott verliehenen Talenten
zu "wuchern", "unser Licht leuchten zu lassen"... wir
haben "das Salz der Erde" zu sein. Wir haben zu verinnerlichen,
dass wir "alles was wir einem Geringen getan haben, ihm antun"...
Wir haben die Gefangenen zu besuchen und sie herauszuholen aus ihrem Elend.
Das wir dies tun müssen, um letztlich
vor Gott gerechtfertigt dazustehen kommt in der sogenannten
Rechtfertigungslehre nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil.
Bewusst oder nicht wird dort verdrängt, dass Luther noch klar
betonte, dass wir einmal vor Gott zu verantworten haben, was wir
angerichtet haben.
In den vielen Sätzen dieser "Erklärung" kommt
Jesus nicht zu Wort - außer in einem völlig aus dem Zusammenhang
gerissenen Zitat, das Petrus und seinen rechtmäßigen Nachfolgern die
Vollmacht verleiht, Sünden zu vergeben -.
Die "Gemeinsame Erklärung" beruft sich wieder und
wieder auf Paulusbekenntnisse.
Aber es ist nicht einmal lupenreiner Paulinismus der da
verkündet wird. Denn diesen Paulussatz: "Irret
euch nicht, was der Mensch sät, das wird er ernten!" (50) Galater 6:
17 unterschlägt die Erklärung.
Dieser Satz jedoch relativiert sämtliches Schrifttum Pauli!
Weil das der Fall ist, wurde er ausgeklammert. Doch die
Aussage, dass der Mensch ernten wird was er sät, ist auch logisch
unanfechtbar.
Man muss, manchmal sehr mühsam, Gutes säen.
Die Konsequenz der "Erklärung" lädt dagegen geradezu
zur Faulheit ein, zum Nichtstun, während die Gebote Christi generell lauten:
Bemüht euch! z.B. um eure Vervollkommnung. Wörtlich und im Zentrum der
Bergpredigt steht darum jene große Aufgabe festgeschrieben, die ganz und gar
nicht ins Konzept des Protestantismus passt:
"Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im
Himmel, vollkommen ist!"
Hier handelt es sich jedoch nicht um ein rhetorisches Element
einer Predigt, sondern um ein Gebot Christi!
Fest steht: ein um Perfektion bemühter Artist muss täglich sechs
bis zehn Stunden harte Arbeit leisten.
Der Heidenapostel Paulus wurde allerdings ohne sich darum
bemüht zu haben Christ, Gott selbst rief ihn an. Er hat ausnahmsweise
auf diesem Weg erfahren, dass er in die falsche Richtung gelaufen war.
Dieser Fall kann und darf aber nicht verallgemeinert werden.
Das hätte Paulus sich sagen müssen. Er stellt stellenweise die damalige Kirchenlehre in Frage: "bemühe dich Licht zu erlangen", indem er wiederholt verkündet: er selbst sei aus reiner Gnade von Gott aus dem Irrtum und Dunkel der Ablehnung herausgerissen worden... und so überhöht er den Begriff Gnade.
Gnade, Gnade, Gnade. Sola gratia!
Petrus der Präsident der noch jungen Kirche ist
empört, dass Paulus - "unser geliebter Bruder Paulus" mit
bedeutenden Begriffen, wie diesem, recht missverständlich umgeht. Weitsichtig
ist er verärgert darüber, dass Paulus nicht ganz unschuldig daran ist, wenn
Spätere folgenden Widersinn zu Papier bringen:
"Der Mensch soll gerecht leben und ... ist (aber) unfähig,
sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden ... Wenn der
Mensch an Christus im Glauben teilhat, rechnet ihm Gott seine Sünde nicht
an...“
Petrus Gnadenverständnis unterscheidet sich von dem seines
Juniorpartners erheblich. Das muss er korrigierend aussprechen. Er,
Petrus ist die, von Jesus eingesetzte "Säule" der Kirche, nicht
Paulus. Petrus hat in Sachen Theologie das letzte Wort.
Er weist den übereifrigen Mann, wenn auch sehr behutsam, zurecht.
Um zu definieren was die Kirche unter dem Begriff "Gnade" verstehen
soll erläutert Petrus:
"...
wenn ihr um guter Taten willen leidet und es ertragt,
Denn
dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch
ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen
Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein
Betrug fand;..." (51) 1. Petrusbrief 2:
2-25
In Christi Fußtapfen gehen ist Gnade...
Petrus wird sich sehr zusammen genommen haben, nicht aus der
Haut zu fahren, eben weil Paulus verallgemeinert, was nicht verallgemeinert
werden darf. Denn wie der Trend des Judentums, war seines Herrn
Lehre, die des Tuns des Guten. Allerdings bestand das jüdische
Verstehen vom Tun des Guten, nicht wie bei den Christen darin Ketzer zu
köpfen, wie an Bischof Priscillian im Jahr 385 geschehen, oder etwa darin
eine ganze Gemeinde auszurotten weil sie urchristlich glaubte, wie 366, unter
aktiver Teilnahme des Papstes Damasus zu Rom geschehen.
Jahrelang begleitete Petrus seinen Christus. Er hatte jedes Wort
und seinen Geist in sich aufgesogen. Kaum jemand kannte, wie er, die ewig
gültigen Prinzipien des Erlösers. Er schreibt entschieden und zugleich
sehr um Versöhnung bemüht:
“Seid überzeugt, dass
die Geduld (griech. ypomoni) unseres Herrn
Petrus kennt den Begriff Gnade sehr wohl, verwendet ihn hier aus
guten Gründen nicht. Petrus geht sehr weit. Er warnt. Paulus Trugschluss
führe unweigerlich ins Verderben. Wegweisend fand er für den ersten
Satz einen Begriff der die Erwartungshaltung Gottes einschließt: wir
könnten mehr tun. Der Herr warte auf dieses unser Guttun mit schier
unglaublicher "Geduld".
Jakobus, dagegen, des "Herren Bruder" konnte Paulus
ständige Überbetonung einer durchaus wichtigen Lehre - wenn
sie im Licht der Bergpredigt betrachtet wird - nicht mehr hören. Verärgert
fragt er zurück: Soll daraus folgen, gute Taten wären zur Erlösung nicht
nötig? Jakobus schreit die Antwort: "NEIN!" , geradezu heraus:
"Willst du
aber erkennen, du eitler Mensch, dass der
In seinem Brief an die Galater reagiert Paulus, sei es auf
schriftliche oder mündliche Hinweise schließlich. Er korrigiert sich, sieht
sich plötzlich in der Pflicht Missverständnissen vorzubeugen und
schreibt - nun unmissverständlich - :
„Irret euch nicht, was der Mensch sät, das wird er ernten.
Das Nichttun, - die Kontemplation,
das Nichtsdazutun - sowie jede Art von Lehre der Idee vom
"Nichtsdazubeitragenkönnen" betrachtet Petrus als eine ins
Verderben führende Lebenseinstellung.
Wie Paulus geht es ihm um die Frage der persönlichen Erlösung.
Für Petrus allerdings ist es eine massive Irrlehre etwas zu verkünden, dass
zur Annahme führen könnte, der bloße Glaube an Christus genüge um den
schuldig gewordenen Menschen freizusprechen.
Eben diese von Petrus verworfene Geisteshaltung und Philosophie
wird fast anderthalbtausend Jahre später Martin Luther aus seinen
persönlichen, durchaus nachvollziehbaren Gründen zur Basislehre
seiner Theologie erklären.
Sie wird zwar den Protestantismus hervorbringen aber ihn
zugleich in die offensichtliche Bedeutungslosigkeit treiben.
Natürlich kann man Martin Luther verstehen: er hatte vom Tun her
geleistet was er konnte... und fühlte sich dennoch verdammt. In den vielen
Jahren seiner Zeit als Augustinermönch war er überstreng mit sich selbst
umgegangen und war bemüht alles zu halten was die Ordensregeln - aber nicht
Christus - von ihm verlangten:
"Wahr
ist's, ein frommer Mönch bin ich gewesen und habe so gestrenge meinen Orden
gehalten, dass ich's sagen darf: Ist je ein Mönch gen Himmel kommen durch
Möncherei, so wollt' ich auch hinein kommen sein. Das werden mir bezeugen
alle meine Klostergesellen, die mich gekannt haben. Denn ich hätte mich, wo
es länger gewähret hätte, zu Tode gemartert mit Wachen, Beten, Lesen und
anderer Arbeit."
Da fühlen wir alle in liebevoller Weise mit ihm und stehen an seiner Seite, denn vor und zu seinen Zeiten wollten die Christen durch ‚besonders gute Taten’ Erlösung finden, nämlich in Pilgerreisen, im Reliquienerwerb (die ohnehin überwiegend Falsifikate darstellten), in der Teilnahme an endlosen Kreuz- und Kriegszügen gegen Islam, Heiden-, Ketzer- und Judentum. Das Gutsein bestand aus Kasteiungen, langanhaltenden Wiederholungen gewisser Floskeln, im fast pausenlosen "Vater-unser" Geplapper und im geradezu blinden Gehorsam gegenüber jeweiligen kirchlichen Vorgesetzten. Das waren weder Guttaten noch waren sie wünschenswert.
Aber dann fiel Bruder Martin ins andere Extrem mit Verneinung
der Fähigkeit des Menschen zu seiner Erlösung beizutragen. Was dabei
praktisch an Gleichgültigkeit vieler Gläubigen herauskam ist unübersehbar
negativ.
Ganz anders Joseph Smith: Er sagte er habe zuvor Gott um Erkenntnis gebeten und dann seien ihm diese Worte offenbart worden:
"Wahrlich (der allmächtige Gott, Schöpfers Himmel und der Erde) sagt:
Die Menschen sollen sich voll Eifer einer guten Sache widmen und vieles aus
ihrem eigenen, freien Willen tun und viel Rechtschaffenheit zustande
bringen;
Auch
"
für Erasmus (von Rotterdam) war es schon aus pädagogischen
Gründen nicht anders
denkbar,
als dass der Mensch durch seinen freien Willen an seinem Heil mitwirkt. Luther
dagegen
war im Hinblick auf die sittlichen Möglichkeiten des Menschen äußerst
pessimistisch.
Für
ihn hing alles allein von der freien Gnade des allmächtigen Gottes ab, die
für ein auch noch
Diese Einstellung ist die Linie der offiziellen evangelischen
Kirche Deutschlands. Auch weil "Mormonismus" dem entgegensteht,
verurteilen gewisse Exponenten des Protestantismus die Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage.
Origenes (185-265) beteuerte ebenfalls wie Joseph Smith und
damit völlig anders als Luther, der immer von der eigenen Erfahrung ausgeht,
aber eben nicht berücksichtigt, dass die Forderungen seines Ordens
andere waren, als die des Christus die er in der Bergpredigt
formuliert hatte. Der große Alexandriner (Origenes) verkannte keineswegs die
Rolle der Gnade Christi, doch er lehnte jede Übertreibung konsequent zurück:
„Zwar
sind alle Geschöpfe ganz auf Gott angewiesen, eigene
Anstrengungen werden durch seine Gnade weit überwogen. Aber die Vorsehung hat alle Regungen des freien Willens von Ewigkeit vorausgesehen und eingeplant, und sie werden gerecht vergolten.“ (56) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft ... Mohr - Siebeck, 3. Auflage
Das ist ausgewogener, verständlicher Klartext. Er erregt keinen
Widerspruch.
Wären die Großkirchen bei Origenes geblieben dann hätten sie
sich nicht dermaßen arrogant gegen Christus verhalten, indem sie, gleich nach
der staatlichen Anerkennung des Katholizismus, im 4. Jahrhundert, alles
Menschenmögliche unternahmen - und zwar jahrhundertelang -, die Freiheit der
Kinder Gottes zu vernichten!
Weil sie es taten rief der allmächtige Gott die Kirche Jesu
Christi der Heiligen der Letzten Tage, 1830, erneut ins Leben.
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