Mittwoch, 26. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen - (5) 1.5 Unnötige Kontroversen zwischen Paulus und Petrus (5) G. Skibbe


          1.5   Unnötige Kontroversen zwischen Paulus und Petrus

1.5.1 Die „Gemeinsame Erklärung der Evangelischen und Katholischen Kirche von 1999
    
Einige Bemerkungen im Vorab:
Wegen der Frage ob getaufte Juden Tischgemeinschaft mit getauften Nichtjuden haben dürften, entstanden in den 60er Jahren Differenzen, die seitens des „Heidenapostels“ Paulus noch vergrößert wurden, indem er die Botschaft von Christus scheinbar auf „die alleinseligmachende Gnade Gottes“ reduzierte. Das konnte Petrus nicht unkommentiert stehen lassen. Im Gegensatz zu Paulus der grob werden konnte, verlor Petrus nie den Geduldsfaden. Er tadelt Paulus sehr behutsam, wie im Folgenden gezeigt wird.
Die Behauptung einiger Theologen, Petrus könne nicht der Verfasser  der nach ihm benannten beiden Briefe sein, ist unhaltbar.  Die folgende Schlussfolgerung ist keineswegs überzeugend.
„In 1. Petr 1,1 stellt sich Petrus zwar als Verfasser vor, ganz ähnlich wie im 2. Petrusbrief, wo er sich als Simon Petrus einführt (2. Petr 1,1). Aber der Brief ist in einem vorzüglichen Griechisch geschrieben. Hier ist sicher die Frage erlaubt, ob man so etwas vom historischen Petrus wirklich erwarten darf.
Auch zitiert der Verfasser durchgängig die Septuaginta, also die griechische Bibelübersetzung. Petrus hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit die hebräische Bibel gelesen. Er hätte Bibelzitate dann doch wohl auch vermutlich in einer eigenen und deshalb freieren griechischen Übersetzung gebracht.

Und dann stellt sich der Verfasser in 1 Petr 5,1 überraschenderweise als Presbyter vor.“ (46)  Dr.Joerg Sieger – Einleitung in das Neue Testament.


Erstens: Petrus hielt sich als  Haupt der Kirche, in Antiochia (Antioch) auf, - der orthodoxen Überlieferung nach seit 42 - also im griechischsprachigen Raum.  Dort amtierte er mindestens noch in den 50er Jahren. Petrus leitete die Kirche vom Zentrum des Geschehens der missionierenden, sich rasch ausdehnenden Großgemeinde. Ein Leiter solcher Kirche empfängt täglich Informationen. Er muss letztlich im Fall wichtiger Lehrdifferenzen eingreifen und Entscheidungen bei strittigen Amtsbesetzungen treffen, ungerechtfertigte Exkommunikationen korrigieren, fragliche Bischofsordinationen in Betracht ziehen. Die Transportwege für Nachrichten und Weisungen vom östlichen Rand der Kirche zur Peripherie im Westen hätten sich ums Doppelte verlängert.
Notwendigerweise verfügte er über mindestens einen sprachkundigen Sekretär. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er den Mitgliedern Hinweise und Belehrungen in Hebräisch gegeben hätte, zumal alle gebildeten Juden auch Griechisch verstanden.  
Er kann auch nicht in den 40er Jahren oder irgendwann später Bischof von Rom gewesen sein, wie die auf jeden Fall geschönte römisch-kath. Papstliste behauptet.
„…Bücher anerkannter römisch-katholischer Gelehrter „Saints and Sinners“ von Dr. Eamon Duffy von der Cambridge Universität und „The Catholic Church“  von Dr. Hans Küng von der Universität Tübingen liefern uns gleichlautende Berichte über das Aufkommen der Vorstellung von einer päpstlichen Vorherrschaft und über das Dogma der apostolischen Sukzession seit Petrus. Beide erkennen an, dass nichts im Neuen Testament Petrus mit Rom in Verbindung bringt. Die Bibel offenbart, dass der Apostel Paulus den Römerbrief geschrieben hat, und Paulus erwähnt Petrus noch nicht einmal bei all den Grüßen, die er über 20 Geschwistern in Rom sendet (Römer 16). Als Paulus ca. 60 n.Chr. nach Rom kam, erfuhr er, dass die Obersten der Juden dort noch nicht einmal vom Evangelium Jesu Christi und dem Reich Gottes gehört hatten (Apostelgeschichte 28, 17-24). Wäre Petrus zu jener Zeit bereits seit Jahrzehnten der Bischof von Rom gewesen, wäre ihnen dann wirklich die Botschaft Christi unbekannt gewesen? Die Idee, dass Petrus in Rom war, ist eine aus dem zweiten Jahrhundert stammende Vorstellung, die im vierten Jahrhundert populär wurde, nachdem Konstantin das Christentum zur offiziellen Staatsreligion des Römischen Reichs erklärt hatte. Die Gelehrten Duffy und Küng zeigen auf, wie die Bischöfe von Rom eine gemeinsame Anstrengung unternommen haben, um die Vorherrschaft über andere Kirchen zu erringen, indem sie eine Reihe von Behauptungen aufstellten. Irenäus von Lyon stellte eine Liste zusammen, die angeblich die Leiter der römischen Kirche bis zurück zu Petrus und Paulus zurückverfolgte.
Dr. Küng erklärt: "Bischöfe der Katholischen Kirche sind (wie die der Anglikanischen und der Orthodoxen Kirchen) daran interessiert, sich selbst als ‚Nachfolger der Apostel' zu bezeichnen… [doch]… es kann nicht bestätigt werden, dass die Bischöfe im direkten und ausschließlichen Sinn ‚Nachfolger der Apostel' sind… die früheste Liste von Bischöfen [von Irenäus zusammengestellt]… ist eine Fälschung aus dem zweiten Jahrhundert" (47) (Küng, Seiten 30-31). Douglas S. Winnail „Päpstliche Vorherrschsft“, 2009
Indirekt bestätigen andere katholische Quellen den Trend dieser Feststellungen:
„Das Fest der Kathedra Petri, also des Bischofsstuhls des Papstes als Stellvertreter Christi auf Erden, dient dem Gedenken des besonderen Hirtenamtes des Papstes, das Christus dem Petrus übertragen hat. Es ist in Rom schon Mitte des 4. Jahrhunderts bezeugt. Seit dieser Zeit wurde nachweislich ein aus Antiochia stammender Stuhl gezeigt, auf dem Petrus sein Hirtenamt ausgeübt haben soll.“  (48) Martyrologium Sancrucense

1
Petrus hl.
33(?)–67(?)
2
Linus hl.
Römisches Reich
67(?)–79(?)
Historizität ist nicht gesichert.
3
Anaklet hl.
Römisches Reich, Rom
79(?)–88(?)
Historizität ist nicht gesichert.





















Die Syrisch-orthodoxe Kirche führt Petrus in ihrer Liste der Patriarchen Antiochias obenan. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass Petrus fernab der kirchlichen Zentren Jerusalem und Antiochia zusätzlich zu seinen Leitungspflichten über sämtliche Gemeinden bis Indien, die Last der Leitung einer Gemeinde – als Bischof von Rom -  tragen wollte oder sollte, zumal in Babylon (ἐν Βαβυλῶνι).
Petrus könnte sich besuchsweise in Rom aufgehalten haben.
Überhaupt sind alle Daten bis Hippolyt (etwa 220) nicht belegt, wie die offizielle Papstliste bestätigt.

Zweitens: nutzten die Christen des Gebietes in dem Petrus wohnte und amtierte die Septuaginta.
Drittens: alle würdigen Männer trugen das höhere Priestertum und waren damit Älteste. (vom griechischen πρεσβύτερος, presbýteros, „Ältester“)
Auch die Mitglieder der Ersten Präsidentschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage  sind Älteste. Joseph Smith, der damalige Präsident wurde bekanntlich „der erste Älteste“ genannt.
Hier ist ein weiterer Einschub unerlässlich:
Nachdem Konstantin die Kirche in den Rang einer staatlichen Institution „erhob“ erschwerte er den Zugang zum Priestertum durch jedermann (schon wegen der Steuerbefreiung die christlichen Priestern zugesprochen wurde)
Allem Anschein nach trugen, wegen des urchristlichen Gleichheitsgrundsatzes, bis 325, alle als würdig betrachteten Männer über 13 das Priestertum, wenn auch unterschiedliche Grade:
„Der Bischof bestimmt den in der Gemeinde zum Presbyter, (Ältesten oder Priester G.Sk.) der sich nach seiner Ansicht für dies Amt eignete, und der ihm gefiel oder dem sein Märtyrertum von vornherein diese Würde verlieh... Bei der Ordination von Diakonen durch den Bischof verspricht dieser, wenn der Diakon tadellos gedient hat, kann er später „das erhöhte Priestertum" empfangen... Noch „waren die Bischöfe einfach die Vorsteher im Kreis der Ältesten und hatten keine besonderen Rechte...“  (49) Jungklaus, „Die Gemeinde Hippolyts dargestellt nach seiner Kirchenordnung“
 
Der westliche Wirkungsbereich der ersten Apostel um 70 n. Chr.


Der Tenor der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre vom 31. Oktober 1999" lautet:  Du musst dich nicht anstrengen deine Religion zu leben. Du hast vor Gott nur die Pflicht auf ihn zu vertrauen. Da, im erwähnten Papier, heißt es: 


"Wir werden umsonst erlöst... Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade... sola gratia." 


Das hat Christus nie gelehrt. Er setzte die Kriterien der Erlösung. Sie finden in der Erklärung keine Erwähnung.

Angesichts der wachsenden Bedrohung unserer angeblich christlich orientierten Welt durch rabiate Islamisten stehen wir allesamt in der Pflicht, mit den uns von Gott verliehenen Talenten zu "wuchern", "unser Licht leuchten zu lassen"... wir haben "das Salz der Erde" zu sein. Wir haben zu verinnerlichen, dass wir "alles was wir einem Geringen getan haben, ihm antun"... Wir haben die Gefangenen zu besuchen und sie herauszuholen aus ihrem Elend.

Das wir dies tun müssen, um letztlich vor Gott gerechtfertigt dazustehen kommt in der sogenannten Rechtfertigungslehre nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil. 


Bewusst oder nicht wird dort verdrängt, dass Luther noch klar betonte, dass wir einmal vor Gott zu verantworten haben, was  wir angerichtet haben. 

 In den vielen Sätzen dieser "Erklärung" kommt Jesus nicht zu Wort - außer in einem völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat, das Petrus und seinen rechtmäßigen Nachfolgern die Vollmacht verleiht, Sünden zu vergeben -. 

Die "Gemeinsame Erklärung" beruft sich wieder und wieder auf Paulusbekenntnisse.

Aber es ist nicht einmal lupenreiner Paulinismus der da verkündet wird. Denn diesen Paulussatz: "Irret euch nicht, was der Mensch sät, das wird er ernten!" (50) Galater 6: 17 unterschlägt die Erklärung.

Dieser Satz jedoch relativiert sämtliches Schrifttum Pauli!


Weil das der Fall ist, wurde er ausgeklammert. Doch die Aussage, dass der Mensch ernten wird was er sät, ist auch logisch unanfechtbar.

Man muss, manchmal sehr mühsam, Gutes säen.

Die Konsequenz der "Erklärung" lädt dagegen geradezu zur Faulheit ein, zum Nichtstun, während die Gebote Christi generell lauten: Bemüht euch! z.B. um eure Vervollkommnung. Wörtlich und im Zentrum der Bergpredigt steht darum jene große Aufgabe festgeschrieben, die ganz und gar nicht ins Konzept des Protestantismus passt:


"Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel, vollkommen ist!"


Hier handelt es sich jedoch nicht um ein rhetorisches Element einer Predigt, sondern um ein Gebot Christi! 
Fest steht: ein um Perfektion bemühter Artist muss täglich sechs bis zehn Stunden harte Arbeit leisten.


Der Heidenapostel Paulus  wurde allerdings ohne sich darum bemüht zu haben Christ, Gott selbst rief ihn an. Er hat ausnahmsweise auf diesem Weg erfahren, dass er in die falsche Richtung gelaufen war.

Dieser Fall kann und darf aber nicht verallgemeinert werden.


Das hätte Paulus sich sagen müssen. Er stellt stellenweise die damalige Kirchenlehre in Frage: "bemühe dich Licht zu erlangen", indem er wiederholt verkündet: er selbst sei aus reiner Gnade von Gott aus dem Irrtum und Dunkel der Ablehnung herausgerissen worden... und so überhöht er den Begriff Gnade.  

Gnade, Gnade, Gnade. Sola gratia!  

Petrus der Präsident der noch jungen Kirche ist empört, dass Paulus - "unser geliebter Bruder Paulus" mit bedeutenden Begriffen, wie diesem, recht missverständlich umgeht. Weitsichtig ist er verärgert darüber, dass Paulus nicht ganz unschuldig daran ist, wenn Spätere folgenden Widersinn zu Papier bringen: 




Petrus Gnadenverständnis unterscheidet sich von dem seines Juniorpartners erheblich. Das muss er korrigierend aussprechen. Er, Petrus ist die, von Jesus eingesetzte "Säule" der Kirche, nicht Paulus. Petrus hat in Sachen Theologie das letzte Wort.

Er weist den übereifrigen Mann, wenn auch sehr behutsam, zurecht. Um zu definieren was die Kirche unter dem Begriff "Gnade" verstehen soll erläutert Petrus:


"... wenn ihr um guter Taten willen leidet und es ertragt,  das ist Gnade bei Gott.

Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand;..."  (51) 1. Petrusbrief 2: 2-25


In Christi Fußtapfen gehen ist Gnade... 

Petrus wird sich sehr zusammen genommen haben, nicht aus der Haut zu fahren, eben weil Paulus verallgemeinert, was nicht verallgemeinert werden darf.  Denn wie der Trend des Judentums, war seines Herrn Lehre, die des Tuns des Guten. Allerdings bestand das jüdische Verstehen vom Tun des Guten, nicht wie bei den Christen darin Ketzer zu köpfen, wie an Bischof Priscillian im Jahr 385 geschehen, oder etwa darin eine ganze Gemeinde auszurotten weil sie urchristlich glaubte, wie 366, unter aktiver Teilnahme des Papstes Damasus zu Rom geschehen. 


Jahrelang begleitete Petrus seinen Christus. Er hatte jedes Wort und seinen Geist in sich aufgesogen. Kaum jemand kannte, wie er, die ewig gültigen Prinzipien des Erlösers.  Er schreibt entschieden und zugleich sehr um Versöhnung bemüht:


Seid überzeugt, dass die Geduld (griech. ypomoni) unseres Herrn eure Rettung ist. Das hat euch auch unser geliebter Bruder Paulus mit der ihm geschenkten Weisheit geschrieben; es steht in allen seinen Briefen, in denen er davon spricht. In ihnen ist manches schwer zu verstehen und die Unwissenden, die noch nicht gefestigt sind, verdrehen diese Stellen ebenso wie die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben.” (52) 2. Petrus 3: 15-16


Petrus kennt den Begriff Gnade sehr wohl, verwendet ihn hier aus guten Gründen nicht. Petrus geht sehr weit. Er warnt. Paulus Trugschluss führe unweigerlich ins Verderben. Wegweisend fand er für den ersten Satz einen Begriff der die Erwartungshaltung Gottes einschließt: wir könnten mehr tun. Der Herr warte auf dieses unser Guttun mit schier unglaublicher "Geduld". 

Jakobus, dagegen, des "Herren Bruder" konnte Paulus ständige Überbetonung einer durchaus wichtigen Lehre - wenn sie im Licht der Bergpredigt betrachtet wird - nicht mehr hören. Verärgert fragt er zurück: Soll daraus folgen, gute Taten wären zur Erlösung nicht nötig? Jakobus schreit die Antwort: "NEIN!" , geradezu heraus:


 "Willst du aber erkennen, du eitler Mensch, dass der Glaube ohne Werke tot sei?" (53) Jakobus 2: 20


In seinem Brief an die Galater reagiert Paulus, sei es auf schriftliche oder mündliche Hinweise schließlich. Er korrigiert sich, sieht sich plötzlich in der Pflicht Missverständnissen vorzubeugen und schreibt - nun unmissverständlich - :

„Irret euch nicht, was der Mensch sät, das wird er ernten.

Das Nichttun, - die Kontemplation, das Nichtsdazutun - sowie jede Art von Lehre der Idee vom "Nichtsdazubeitragenkönnen" betrachtet Petrus  als eine ins Verderben führende Lebenseinstellung.

Wie Paulus geht es ihm um die Frage der persönlichen Erlösung. Für Petrus allerdings ist es eine massive Irrlehre etwas zu verkünden, dass zur Annahme führen könnte, der bloße Glaube an Christus genüge um den schuldig gewordenen Menschen freizusprechen. 

Eben diese von Petrus verworfene Geisteshaltung und Philosophie wird fast anderthalbtausend Jahre später Martin Luther aus seinen persönlichen, durchaus nachvollziehbaren Gründen zur Basislehre seiner Theologie erklären.

Sie wird zwar den Protestantismus hervorbringen aber ihn zugleich in die offensichtliche Bedeutungslosigkeit treiben.


Natürlich kann man Martin Luther verstehen: er hatte vom Tun her geleistet was er konnte... und fühlte sich dennoch verdammt. In den vielen Jahren seiner Zeit als Augustinermönch war er überstreng mit sich selbst umgegangen und war bemüht alles zu halten was die Ordensregeln - aber nicht Christus - von ihm verlangten:


"Wahr ist's, ein frommer Mönch bin ich gewesen und habe so gestrenge meinen Orden gehalten, dass ich's sagen darf: Ist je ein Mönch gen Himmel kommen durch Möncherei, so wollt' ich auch hinein kommen sein. Das werden mir bezeugen alle meine Klostergesellen, die mich gekannt haben. Denn ich hätte mich, wo es länger gewähret hätte, zu Tode gemartert mit Wachen, Beten, Lesen und anderer Arbeit."


Da fühlen wir alle in liebevoller Weise mit ihm und stehen an seiner Seite, denn vor und zu seinen Zeiten wollten die Christen durch ‚besonders gute Taten’ Erlösung finden, nämlich in Pilgerreisen, im Reliquienerwerb (die ohnehin überwiegend Falsifikate darstellten), in der Teilnahme an endlosen Kreuz- und Kriegszügen gegen Islam, Heiden-, Ketzer- und Judentum. Das Gutsein bestand aus Kasteiungen, langanhaltenden Wiederholungen gewisser Floskeln, im fast pausenlosen "Vater-unser" Geplapper und im geradezu blinden Gehorsam gegenüber jeweiligen kirchlichen Vorgesetzten. Das waren weder Guttaten noch waren sie wünschenswert.


Aber dann fiel Bruder Martin ins andere Extrem mit Verneinung der Fähigkeit des Menschen zu seiner Erlösung beizutragen. Was dabei praktisch an Gleichgültigkeit vieler Gläubigen herauskam ist unübersehbar negativ.


Ganz anders Joseph Smith:
Er sagte er habe zuvor Gott um Erkenntnis gebeten und dann seien ihm diese Worte offenbart worden:


"Wahrlich (der allmächtige Gott, Schöpfers Himmel und der Erde) sagt: Die Menschen sollen sich voll Eifer einer guten Sache widmen und vieles aus ihrem eigenen, freien Willen tun und viel Rechtschaffenheit zustande bringen; denn die Macht ist in ihnen, wodurch sie für sich selbst handeln können." (54) Lehre und Bündnisse 58:27


Auch 


" für Erasmus (von Rotterdam) war es schon aus pädagogischen Gründen nicht anders

denkbar, als dass der Mensch durch seinen freien Willen an seinem Heil mitwirkt. Luther

dagegen war im Hinblick auf die sittlichen Möglichkeiten des Menschen äußerst pessimistisch.

Für ihn hing alles allein von der freien Gnade des allmächtigen Gottes ab, die für ein auch noch so geringes Mitwirken des Menschen am Heil keinen Platz ließ."  (55)  Thomas Martin Schneider "Freiheit bei Martin Luther"



Diese Einstellung ist die Linie der offiziellen evangelischen Kirche Deutschlands. Auch weil "Mormonismus" dem entgegensteht, verurteilen gewisse Exponenten des Protestantismus die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Origenes (185-265) beteuerte ebenfalls wie Joseph Smith und damit völlig anders als Luther, der immer von der eigenen Erfahrung ausgeht, aber eben nicht berücksichtigt, dass die Forderungen seines Ordens andere waren, als die des Christus die er in der Bergpredigt formuliert hatte. Der große Alexandriner (Origenes) verkannte keineswegs die Rolle der Gnade Christi, doch er lehnte jede Übertreibung konsequent zurück: 


„Zwar sind alle Geschöpfe ganz auf Gott angewiesen, eigene
Anstrengungen werden durch seine Gnade weit überwogen. Aber die
Vorsehung hat alle Regungen des freien Willens von Ewigkeit vorausgesehen
und eingeplant, und sie werden gerecht vergolten.“
 (56) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft ... Mohr - Siebeck, 3. Auflage



Das ist ausgewogener, verständlicher Klartext. Er erregt keinen Widerspruch.

Wären die Großkirchen bei Origenes geblieben dann hätten sie sich nicht dermaßen arrogant gegen Christus verhalten, indem sie, gleich nach der staatlichen Anerkennung des Katholizismus, im 4. Jahrhundert, alles Menschenmögliche unternahmen - und zwar jahrhundertelang -, die Freiheit der Kinder Gottes zu vernichten!   

Weil sie es taten rief der allmächtige Gott die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, 1830, erneut ins Leben. ER restaurierte was Menschen verdarben. 

Sonntag, 23. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen - 1.4 Gebotene Polygamie (4) G. Skibbe

1.4 Gebotene Mehrehen

In der Frühzeit der restaurierten Kirche Christi, - um 1840 - trat unserer Überzeugung nach, die Ausnahmeregel in Kraft, weil es Sinn machte, dass alle aktiven Mitgliederfrauen Kinder zur Welt bringen, um der Gemeinschaft auf natürlichem Weg zu vermehrtem Wachstum zu verhelfen. Deshalb akzeptierten vor allem die starken Persönlichkeiten innerhalb dieser damals zahlenmäßig noch sehr kleinen Gemeinschaft, die Aussage ihres Propheten Joseph Smiths: Gott habe ihm den Grundsatz der „Patriarchialischen“ Ehe geboten. Das ist vor allem eine Glaubensfrage. Es ging auch um die soziale Sicherstellung verwitweter Mütter und Frauen. Es ging und geht um Kinder und um stabile Familienverhältnisse. Es ging und geht jedem überzeugten „Mormonen“ um den Aufbau Zions.  (34)      
Der Begriff „Zion“ wird in der Kirche Jesu Christi der HLT als Synonym für Kirche verstanden, oder besser gesagt: Zion steht für „Neue und immerwährende Ordnung“. In dieser Ordnung soll es keine Ungleichen geben, weder Arme noch Unreine. Alles zielt darauf ab eine Basis zu bilden auf der das Haus bzw. die Kirche (griech. kyriake oikia) Gottes gebaut werden kann, in dem die Neue Gesellschaftsordnung gilt, in der die „Rechtschaffenen“ leben. In „Köstliche Perle“, einer Zusatzschrift der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Moses 7: 18) heißt es in Bezug auf die Kirche des Enoch: „Und der Herr nannte sein Volk Zion weil sie eines Herzens waren und in Rechtschaffenheit lebten, weshalb es unter ihnen keine Armen gab.“
Zion und Kriege sind Gegensätze. Kriege sind das Ergebnis von Ungerechtigkeiten. Das sagte bereits der alttestamentliche Prophet Jesaja (35) „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein.“ Jesaja 32: 17
Menschenkinder müssen diesen Sinn verinnerlichen, und zwar vom ersten Lebensjahr an. Dieser Grundgedanke liegt dem Prinzip der puritanischen Polygamie zugrunde. Anders kann es nicht verstanden werden.
Wir „Menschen die zur Familie Adams gehören“ wie das Buch Mornon sagt) sind allesamt unsterbliche Geister (nobilitas ingenita, unerschaffene aber von Gott geformte Intelligenzen) die aus dem Himmel unseres vorirdischen Daseins in die Sterblichkeit und in die Natürlichkeit der Ichsucht fielen, um durch eigenes Erleben zu lernen. Aber wenn vermeidbar, sollten es nicht gerade die schlimmstdenkbaren Erfahrungen sein, die Menschen sammeln. Alle Geistkinder Gottes haben das Recht in möglichst perfekte Verhältnisse hineingeboren zu werden, nämlich in Umstände in denen die Eltern sich auf Zuwachs freuen, die ihre größte Freude darin empfinden ihre Kinder gut auszubilden. Es sollten Eltern sein, die sich mit großer Liebe ihren Kindern zuwenden um ihnen lebendigen Glauben zu vermitteln, um sie glücklich zu sehen. Aber Eltern, die ihren Kindern solche Ideale täglich neu vorleben wollen und können, müssen erst einmal vorhanden sein.
Kritiker bezweifeln natürlich, dass Leute wie Brigham Young solche beispielhafte Familie je hätten führen können. Viele US-amerikanische Politiker des 19. Jahrhunderts dachten, die „Mormonen“ wären Ausgeburten des Bösen, die man ausrotten muss. Die leitenden Männer dieser furchtbaren Sekte würden selbst nur nach einem Leben auf Kosten anderer, sowie unersättlich nach Beischlaf trachten. Deshalb würden sie Missionare ausschicken, junge Mädchen zu „bekehren“, um so, ihren „Bossen“ stetigen Nachschub zu sichern.
In Großbritannien gab es zwischen 1840 und 1930 regelrechte Pressekampagnen die das behaupteten. Unseren Missionaren wurde auf diese Weise das Arbeiten dort zur Hölle gemacht.
Aber gerade die nächsten Angehörigen mehrerer polygamer Familien bestätigten: die erwähnten leitenden Mormonen waren überwiegend wirkliche Vorbilder, die höchsten Ansprüchen gerecht wurden.  










Brigham Young ca. 50 Jahre alt


           Brigham`s Tochter Susa Young Gates, schrieb “The Life Story of Brigham Young” New York, neu verlegt 1951







Entsprechend dem Bild, das evangelikale Prediger und sich fromm aufspielende Journalisten, vom „Mormonentum“ zeichneten, kursierten im 19. Jahrhundert im Westen der USA zahlreiche Witze, die den allgemeinen Kinderreichtum der „Mormonen“ bespöttelten. Ein Reisender erfand eine typische Humoreske: 


„Da begegnet Brigham Young eines Tages einem in Lumpen gekleideten Bengel, den er fragt: Wessen Kind bist du, sonny?“
Ich bin Brigham Youngs kleiner Junge! Bitte mein Herr, können sie mir sagen wo ich ihn finden kann?“

Susa Young Gates verneint entschieden die Ansicht, ihr Vater Brigham hätte sich zu wenig um seine vielen Kinder gekümmert.
 „Er pflegte zu jedem einzelnen Mädchen und Jungen eine vertrauliche und liebevolle Beziehung.“ (36) Leonard Arrington „Williard Young, The Prophets Son At West Point“, Brigham Young Studies.

Auch um das zu untersetzen, schrieb  Susas Tochter, Leah D. Widtsoe, u.a. das Buch „Brigham Young – Der Mann der Stunde“, (37) deutsch 1936, herausg.von der Kirche Jesu Christi der HLT.
Liebevoll zitiert sie darin ihren Großvater Brigham im Stile ihrer glaubenstarken Mutter Susa, die lebenslängliche Treue zu ihrem Vater und zu „Mormonismus“ bewies, sowohl als Missionarin, wie auch als Schriftstellerin und Tempelarbeiterin: 
„Ich möchte ein wenig aus dem Leben meiner Familie plaudern. Ich besitze eine große Familie, habe viele Kinder. Viele von ihnen sind klein. Dennoch glaube ich nicht, dass sie jemals Kinder in einer Familie haben zusammenleben sehen, die sich so wenig zanken. Beobachten sie die Kinder. Sie werden feststellen, wie sie ein guter Geist beeinflusst. Ich weiß von keinem Fall, wo man einem Kind, dem man Leid zufügte, nicht auch mehr Liebe erzeigte, als den anderen zusammengenommen. Sie fragen, wie ich das alles zuwege bringe. Ich schelte nie ein Kind, ich streite selten mit einer meiner Frauen. Ich sage meinen Frauen, niemals einem Kind Ursache zu geben, an ihren Worten zu zweifeln.“ (38) Journal Disc. 8: 74


Leah Widtsoe beurteilt ihren Großvater mit den Worten: 

„Dieser fähige Pionier hatte klar die Notwendigkeit der sittlichen und religiösen Ausbildung erkannt. Er glaubte an die Trennung von Staat und Kirche. Er war dagegen, dass die religiöse Erziehung ein Teil des Unterrichtsplanes der Staatsschulen bildet... deshalb gründete er neben den öffentlichen Schulen, Kirchenschulen. 1875 wurde von ihm, (in dieser Absicht, G.Sk.) die Brigham-Young- Universität gegründet...“ (39) Leah E. Dumford Widtsoe „Brigham Young – Der Mann der Stunde“

Brighams Enkelin (Leah D. Widtsoe) betont wiederholt, wie viel Wert Brigham auf Bildung legte, etwas das wichtiger sei als Reichtum, weshalb er:

in seinen Ansprachen (die umfangreich aufgezeichnet wurden) wieder und immer wieder über die Würde der Arbeit sprach, und über den unsicheren Wert des Anhäufens persönlichen Reichtums und die drohende Gefahr für die menschliche Gesellschaft, wenn einzelne durch ihr Geld die Hilfsquellen des Gemeinwesens überwachen. Er kannte besser als irgendein Mann die Neigung des Menschen, für sich selbst, und nur für sich selbst alleine zu sorgen. Er wusste, dass Menschen nur wenn sie wahre Liebe zu Gott fühlten, ihren Mitmenschen aufrichtige Liebe geben und versuchen werden einander in Rechtschaffenheit zu helfen, so wie Gott willig ist, allen seinen Kindern beizustehen.“
Brigham Youngs Einstellung zu Frauen und ihrer Arbeit war gerecht und erhebend. In dieser Kirche ist für Frauen kein Minderwertigkeitsgefühl möglich, es sei denn, dass sie sich selbst als minderwertig erweisen. Ihr freier Wille, für sich selbst zu handeln wurde von der Zeit der Gründung der Kirche an beachtet, dass Brigham Young ihre Kraft erkannte, kann man aus vielen seiner Worte und Taten entnehmen.“ (40) ebenda




Das Abraham O. Smoot –Verwaltungsgebäude der Brigham-Young-Universität, Provo Utah


Brigham war ein Anwalt für das Wahlrecht der Frauen (Utah gab 1870 den Frauen das Wahlrecht) Dann zitiert ihn Enkelin Leah D. Widtsoe erneut: 
„Mütter, ihr seid das lebendige Werkzeug in den Händen der göttlichen Vorsehung, das Schicksal der Völker zu bestimmen. Lehrt eure Kinder keinen Krieg gegen irgendjemand zu führen, sondern beständig Frieden zu halten.“ (41) ebenda

Es ist inakzeptables Nasenrümpfen gewisser großkirchlicher Theologen, „Mormonen-Polygamie“ als eine Spielart sexueller Lustbarkeit verrückter Männer darzustellen. Wir leben jedoch nicht mehr im Zeitalter ungerügter Diffamie, die der vermeintlich Bessere und Stärkere gegenüber den Wehrlosen, ausüben darf.
Auch wenn sich die offizielle Kirche Jesu Christi der HLT nicht gegen Übel-darstellungen wehrt, ist dies doch kein Grund dafür, dass ihre Mitglieder schweigend zusehen, wenn Desinformationen verbreitet werden, denn es ist und bleibt unchristlich, „falsches Zeugnis“ zu geben. Überheblichkeit ist ohnehin nicht angebracht. Angesichts des tatsächlichen Zustandes der Familien, innerhalb vieler christlicher Gemeinden, denen nicht wenige unserer Verleumder vorstehen, ist Nachdenklichkeit angesagt.
Brigham Youngs Rechts- und Freiheitsverständnis mag vielen aufgesetzt erscheinen, aber es hat den Vorzug echt zu sein, wie die bewegende Geschichte der Verfolgung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bewies. Quer über den amerikanischen Kontinent wurden ihre Mitglieder getrieben – wegen ihrer  Einstellung zur Mehrehe - ohne sich zu wehren, obwohl sie wehrhaft waren. Da wirkte sich das Buch-Mormonwort aus: 

                        „Das Volk Jesu wurde geschlagen, aber es schlug nicht zurück“ (42) 4. Nephi 34

Im Sommer 1859, als die Spannungen von den in den Felsengebirgen Utahs lebenden Menschen, wegen des Einmarsches der Johnston-Armee, als fast unerträglich empfunden wurden, reiste der 48jährige Herausgeber der New Yorker „Daily Tribune“ Horac Greely, nach Salt Lake City, Utah. Er war schon, obwohl erst ein Mann in den Vierzigern, bereits berühmt. Er wollte unbedingt Brigham Young sehen, den Mann des Westens, den Nachfolger Joseph Smiths, Brigham Young den Polygamisten.
     

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d9/Horace-Greeley-Baker.jpeg
Horac Greely (1811-1872)

 Allein deshalb hatte er sich auf den weiten, nicht ungefährlichen Weg gemacht. Die Begegnung kam zustande. Ihm wurde mitgeteilt, er dürfte fragen was immer er wünschte. Da damals die Sklavenfrage in den USA viele Gemüter beschäftigte wollte Greely wissen, wie Brigham und seine Kirche dazu stünde: 

„Darf man schlussfolgern, dass Utah wenn es Mitglied der Föderation würde, den Status eines Sklavenhalterstaates erhielte?“
Nein!“ erwiderte Präsident Young, wir wären dann ein freier Staat... ich betrachte Sklaverei als einen großen Fluch.“
Wovon wollen dann ihre Priester leben?“
Durch die Arbeit ihrer eigenen Hände, gleich den ersten Aposteln... wir denken, dass ein Mann sein Leben nicht abseits vom Dienst an Christus (Dienst an den Mitmenschen) führen kann, das würde ihn unfähig zum Amt machen... Man sagt, ich sei reich. Gewiss, ich selber betrachte mich als einen Mann der seine viertel Million Dollar wert ist, aber von der Kirche erhielt ich bisher keinen Dollar.“
Greely schrieb in seinem Blatt, er sei überrascht gewesen in Brigham einen Mann zu sehen, der „freimütig und gut verlangt“ schien, „dem Scheinheiligkeit und Großspurigkeit völlig fremd war, der, getrieben von dem Wunsch nichts zu verbergen, offen antwortete.“ (43) „Zwei Stunden mit Brigham Young“ Greely, in Prof. Leonard Arrington „Brigham Young: American Moses“, New York, 1985, Verl. Knopf
Greely fragte Brigham natürlich auch nach der Anzahl seiner Frauen. Präsident Young bestätigte, was alle wussten. Greely fuhr mit der Hand über seinen kahlen Schädel und stellte dann die Frage nach den „Daniten“ jener Selbstschutztruppe die Dr. Avard, ein aus der Kirche ausgeschlossener Missourer ins Leben gerufen hatte, deren Konto eine Anzahl Morde zugerechnet wurden.

Brigham zuckte die Achseln: „Ich höre davon, allerdings nur in den Verleumdungen unserer Feinde.“
Was soll und kann man gegen Verleumdungen tun? Sie sind zählebig. Brigham erwiderte, wenn man ihn fragte, ob er sich nicht wegen seines Rufes sorge: „Es kümmert mich nicht, was die Leute über mich reden, mein Wunsch ist, in den Augen des himmlischen Vaters gut dazustehen.“ Niemand kann Brigham Young bestreiten, dass er intensiv bemüht war, die Freiheit und das dauernde Glück aller, die ihm anvertraut waren, zu sichern.
Sein Ziel war, Zion aufzubauen, eine Kirche, in der es möglichst keine Klassenunterschiede gibt, die dem Schutzbedürftigen ein Dach bietet. Er sah jedoch, wie schwierig es ist, allen Freiheit zuzugestehen und jedem dennoch vor Augen zu führen, dass es seine Menschenpflicht ist, sich um seinen Nächsten zu kümmern. Brigham war schließlich erfolgreich. Ständig hatte er danach getrachtet erleuchtet zu sein. Ohne jede Übertreibung betete er ernsthaft um Führung. Hunderte Ansiedlungen wurden in den Tälern der Felsengebirge nach seinen Weisungen und Ratschlägen errichtet. Geselligkeit und hochrangige Gemeinsamkeit standen für ihn obenan. Auf seinen Rat hin wurde vor dem Tempel in Salt Lake City das dortige Theater errichtet. Diejenigen die seine Geschichte kennen, - selbst Nichtmormonen - lieben ihn.

Tief beeindruckt vom Negativbericht im Buch Mormon, im 4. Buch Nephi, dass die Menschen die sich vom Standard der Kirche Christi entfernt hatten, wieder in Klassen teilten, strebte er danach das zu vermeiden, wenn er konnte. Das ideale Miteinander war sein Hauptziel. Brigham trachtete danach, die Mitglieder der einzelnen Gemeinden zu ermutigen in Genossenschaften zusammen zu arbeiten, - leider nicht sehr erfolgreich. Immerhin, es gab diese Gruppen, die jahrzehntelang, wie später die jüdischen Kibbuzim in Israel, in Gütergemeinschaft zusammen lebten. Die Juden waren konsequenter und deshalb erfolgreicher. Bemerkenswert ist, dass „Mormonen“ und die Kibbuzim-Juden denselben biblischen Idealen folgten. Korrekt ist und bleibt, zu sagen, dass die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht in Klassen geschieden sein sollten. Die jeweiligen Ausgangssituationen bringen es leider mit sich, dass jemand zum erfolgreichen Unternehmer wird und, dass der andere sein Arbeiter ist, der seines Bruders Reichtum mehrt. Es ist eben so. Nicht jeder ist vom Typ und Können her ein Unternehmer auf eigenes Risiko. Und doch: In der Kirche selbst sind sie unterschiedslos. Beide spenden, wenn sie wollen, 10 Prozent ihres Einkommens der Kirche. Das macht sie zu Gleichen. Soweit der Einfluss der Kirche reicht spielen die, außerhalb ihres Bereiches tatsächlich vorhandenen Klassen-unterschiede, keine Rolle. Allein der Wunsch zu dienen sowie die persönliche Würdigkeit einer Person entscheidet darüber wer eine Gemeinde leitet. Es kann ein schlichter Maurer sein, der diese Berufung erhält und sein Berater (Ratgeber) ein Multimillionär. Die Entscheidung, wer über eine Gemeinde präsidiert, trifft ein Gremium von drei ehrenamtlich arbeitenden Hohepriestern, dessen Präsident wiederum ein kleiner Angestellter sein kann, während seine beiden Ratgeber ihm im Alltag vorstehen könnten. (So ist die sogenannte „Pfahlpräsidentschaft“ aufgebaut, deren Aufgabe darin besteht  sechs bis zehn Gemeinden vorzustehen und ihre Aktiven zu unterstützen) Von Beginn dieser Kirche an richtete sich ihr Augenmerk darauf, an die Stelle von traditioneller Frömmigkeit, die Grundsätze der Rechtschaffenheit, also der Toleranz und der Bildung aller obenan zu stellen. Das belegen die Schicksale ihrer Mitglieder.

Obwohl wegen seines Lebens als „Polygamist“ von vielen verachtet, liebte Brigham Young Geradlinigkeit und Vernunft.
Brighams Religion lässt sich wie folgt beschreiben:
Gott, unser aller Vater will uns unendlich fördern. Es gibt keine Grenze für geistiges Wachstum. Wenn wir die von Gott gesetzten Bedingungen erfüllen und wünschen, das zu erreichen, was für uns vorgesehen wurde, dann können wir selbst, nach dem irdischen Tod! Götter (Schöpfer) werden. Kritiker wissen selten, dass die Ersten Christen nachweislich ebenfalls an die Möglichkeit ihrer „Vergottung“ glaubten. 

Sehr wohl waren wir bereits in der Präexistenz Wesen unterschiedlichen Geschlechtes, eben gleich Adam, Männer oder wie Eva, Frauen.
Sexualtität innerhalb der Ehe ist keine Sünde.
Die ewige Geschlechtlichkeit des unsterblichen Geistes gestattet ‚Mormonen’ zu glauben, dass es
im Bereich des Möglichen liegt, eine buchstäblich ewige Ehe zu führen, mit eigenen Geistkindern (womit ein neuer Ewigkeitskreis beginnen würde).
So macht die schon erwähnte ebenfalls urchristliche Vergottungslehre erst Sinn. Sogar Martin Luther sprach  von der Deifikation.
Schon in der Anfangszeit bevor gelebte Mehrehe zunehmend Lebensgefahr über die Betreffenden brachte, hassten die Gospelprediger diese ganz andere Kirche, in der man dienen sollte, ohne dafür entlohnt zu werden.
Wenn es wahr ist - und eben dies glauben die Mitglieder der Kirche - dass Gott wirklich für eine gewisse Dauer die Mehrehe wünschte und anordnete, dann wird er den Frauen, die das Opfer, den Ehemann mit einer anderen Frau zu teilen, auf sich nahmen oder nehmen sollten, aller natürlichen Neigung zum Trotz, von Zeit zu Zeit, den Verlust ausgleichende Glücksgefühle gegeben haben.
Anders ist nicht zu erklären, dass nach dem Einmarsch der Johnston-Armee, 1858, in Utah, keine Frau aus irgendeinem Großfamilienverband ausstieg und den angebotenen militärischen Schutz beanspruchte.

Zur Erklärung:
Die amerikanische Regierung unter Präsident Buchanan hatte 1857 beschlossen jede Form und Praxis von Polygamie zu beenden und den „zivilen Ungehorsam“ der, in den Felsengebirge siedelnden „Mormonen“ zu brechen. Der Senat stimmte seinem militärischen Plan zu.



US-Präsident Buchanan

Eine 3 000 Männer umfassende Truppe, die Johnston-Armee wurde in Marsch gesetzt.
Brigham Young stellte, als von dieser Aktion hörte, die Selbstschutzgruppe „Nauvoo-Legion“ wieder her. (44)

Nachdem die Mormonen,1839, aus Missouri vertrieben worden waren, empfahl ihnen die Regierung von Illinois eine Truppe zur Selbstverteidigung aufzustellen. Als allerdings die Zeit gekommen zu sein schien, sich gegen die Vertreibung aus ihrer (Haupt-) stadt zu stemmen, geschah nichts. Sie ließen sich jagen, und zwar mitten im Winter ins Niemandsland hinein.

Die Nauvoo- Legion  wurde nie zum Kampf eingesetzt, sondern sie trat in Erscheinung um zu bluffen. 
Demgemäß lautete Brighams Weisung: „Tötet keine Menschen“. Wiederholt wurden Truppenteile der als Feinde einmarschierenden Johnston-Armee inmitten der Bergregionen eingeschlossen. Doch niemand wurde verletzt, sondern die Armeeteile wurden, als äußerste Maßnahme, ununterbrochen durch Lärm und Scheingefechte beunruhigt.
Immerhin spielte die unbedingt auf Frieden und Wahrhaftigkeit ausgerichtete Religion der „Mormonen“ die entscheidende Rolle. Lieber wollten die Mitglieder der Kirche ihre eigenen Heime niederbrennen, als Blutschuld auf sich laden.
Als die Johnston-Armee ihre Übermacht unter Beweis stellte, blieb die erwartete „Massenflucht“ von angeblich erniedrigten und beleidigten Opfern polygamer Ehen aus. Danach setzte ein Kampf auf der Ebene von neuen Gesetzen ein. Die Kirche wurde praktisch entrechtet. Ihr Ziel im Westen Amerikas einen eigenen Staat - Deseret - aufzubauen konnte nur zum Teil verwirklicht werden.


Den hetzenden Geistlichen war durchaus nicht bewusst, dass es auch in der Urkirche Christi ungerügte Mehrehen gegeben hatte:
… „Tertullian hebt hervor, dass die Katholiken das Gesetz der Monogamie nicht auf alle Christen ausdehnten, sondern nach dem Wortlaut der Pastoralbriefe auf die Hierarchie beschränkten... dass man Bigamie in den Ämtern duldete, obwohl ... dies nach der Ordination an den Tag gekommen war.
Hippolyt (Bischof in Rom um 220) berichtet ausdrücklich, zu seiner Zeit, also wohl mit seiner Billigung seien zuerst Bischöfe, Priester und Diakonen, auch wenn sie mehre Male (polygam) geheiratet hätten, in ihre betreffenden Ämter eingesetzt worden waren.“ . (45) Dr. Langen “Die römische Kirche” 1881, im Internet vollständig abrufbar

In erster Linie sind es Missverständnisse, die zur brüsken Ablehnung der Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage führten. Außer Christus selbst ist Mormonen nichts so wichtig wie die heile Familie. Tatsächlich ehrt diese Kirche die Frauen, sie sorgt sich um das Glück ihrer Mitglieder.
   
Handwagenkarren, Skulptur auf dem Tempelplatz in Salt-Lake-City

     
Mitglieder der Familie Joseph F. Smith's sowie die Familien seiner Söhne und Töchter um 1900
Noch einmal gesagt, im alten Israel und in der originalen Kirche galt Polygamie nicht als grundsätzlich verboten. In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gilt Ehebruch als Kapitalverbrechen. 
Sei sie polygam gewesen oder monogam ausgerichtet, in der Ehe eines Mormonen steht die Frau im Zentrum und erhöht. Der Ehemann ist ihr Beschützer.
Bildhauer Avard Fairbanks, damals Präsident einer Mormonengemeinde, gab diesem Ideal Ausdruck, mit dieser künstlerischen Gestaltung.





Freitag, 21. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen - 1.3 Erlaubte Polygamie (3) G. Skibbe


1.3 Erlaubte Polygamie

Vereinfacht gesagt. In der Polygamie geht es vorrangig um Kinder, Vielweiberei bedeutet das Sex im Vordergrund steht. Vielweiberei (Vielmännerei) ohne Trauschein ist häufig. Es gab jüdische Polygamie, zumindest im aschkenasischen Judentum, bis ins Jahr 1000 n. Chr. Wurde eine jüdische Familie zum Christentum bekehrt, erwartete niemand, dass er eine seiner Frauen verstieß. Paulus, ohnehin kein großer Befürworter der Ehe überhaupt, forderte nur, dass ein Bischof – einer der einer Gemeinde vorstand – in monogamer Beziehung steht:
„Es soll aber ein Bischof unsträflich sein, eines Weibes Mann…“ (27) 1. Tim. 3: 2
Der katholische Lehrbeauftragte am Institut für Philosophie der Universität Dr. Ludwig Neidhardt verweist auf    
1. Kor 7,29 („die Zeit ist knapp bemessen, künf­tig sollen diejenigen, die Frauen haben, so sein wie diejenigen, die keine haben“) der Ausdruck „Frau­en haben“ (statt „eine Frau haben“) andeuten, dass damals Polygamie noch im Rahmen des Denk­ba­ren lag.“ (28)„Ehescheidung in der Schrift und in der katholischen Theologie“
In Sachen Politik und Theologie meint nahezu jeder an deren Themen Interessierte, er sei gescheiter als die meisten anderen. Die Normalforderung der Vernunft, niemand möge die Prinzipien der Logik, der Wahrhaftigkeit und des Humanen verletzen wird dabei zu oft ignoriert. Im Klartext oder umschrieben heißt es immer noch  Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hätten sich zu schämen, weil es in der Frühzeit der Geschichte ihrer Kirche polygame Ehen gab. Selbst höherrangige Journalisten prangern das Verständnis der damaligen Mormonen an und die angebliche „Schande“ ruhe immer noch auf den Schultern heutiger Mitglieder dieser Gemeinschaft.

Als der Mormone Mit Romney 2012 ins Rennen gegen Barack Obama konnte man auch in seriösen deutschen Presseartikeln lesen: „Gegen Romney spricht, dass sein Urgroßvater Vielweiberei praktizierte“  www. Welt.de schrieb damals:

 

„US - Wahlkampf „Vielweiberei könnte Romney gefährlich werden.“

Niemand außer aktiven Mormonen empfindet solche Schlagzeile als diskriminierend. Unter den zahlreichen Anklägern sind solche die es in stillen Kämmerchen ihrer Hirnwindungen für selbstverständlich halten oder hielten „gute Gelegenheiten“ für eine Affäre zu nutzen und die zugleich auf mormonische Polygamie herabzusehen. Dass bei Wahrnehmung „guter Gelegenheiten“ zu oft Versprechen gebrochen werden scheint nur eine Nebenrolle zu spielen, obwohl jeder das geradezu geflügelte Wort wenigstens sinngemäß kennt: Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen.
Es mag Ausnahmen geben, aber wenn eine polygame Beziehung geknüpft wird, sind es vorerst die Beteiligten die da mitzureden haben.  Sie sind mündig, auch wenn das gelegentlich übersehen wird.
„JA, aber…“  erwidern nicht wenige selbsternannte Richter, insbesondere evangelische Pfarrer: „Polygamie und Christentum schließen einander aus.“
Ist das so?  Man kann nur hoffen, dass es üble Nachrede sei: katholische und evangelische Pfarrer würden lediglich in eine andere Pfarre versetzt, nachdem sie das biblische Keuschheitsgebot gebrochen haben, dass sie auch nach Kindsmissbrauch der nicht öffentlich wurde, dem zuständigen Vorgesetzten jedoch bekannt ist, allenfalls versetzt werden, statt ihres Amtes enthoben. Sollte es auch nur annähernd wahr sein, wäre es angebracht zu bedenken, dass Jesus mahnte: Meidet die Heuchelei.
Eine evangelische Stimme sagt:
Historisch gesehen - so behaupteten die Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis ins frühe Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. Erst in der weiteren Kulturentwicklung monopolisierte sich die Einehe als Ideal und dann seit der Romantik auch als soziale Wirklichkeit heraus. Auch mit der "ehelichen Treue" ist es, zumindest historisch gesehen, nicht allzu weit her. Außereheliche Beziehungen galten bis weit in die Neuzeit hinein auch in der öffentlichen Meinung durchaus als normal und sie waren zumindest bis zum 17. Jahrhundert im Adel ein allgemeines Ideal; Mätressen waren teilweise hoch angesehen und einflussreich.“ (29)  „Eine kurze Kulturgeschichte der Ehe.“ Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik 2016  

Historisch gesehen - so behaupteten die Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis ins frühe Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. …
Sowenig wie Liebe und Sexualität gehörten für Luther weder Treue noch Monogamie zur Ehe. Was die Treue betrifft so finden wir bei Luther z. B. den Hinweis, dass wenn die ehelichen Pflichten durch “ein halsstarrig Weib” verweigert werden, der Seitensprung legitim sei. Gleiches gilt für die Frauen, die zu ihrem Mann sagen können: “Lieber Mann, du hast mich um meinen jungen Leib betrogen, vergönne mir, daß ich mit deinem Bruder oder besten Freund eine heimliche Ehe habe.”(Zit. nach Beuys, a.a.O., S. 227) Und hinsichtlich der Forderung nach absoluter Monogamie konstatierte Luther, dass es besser sei, eine Bigamie oder Polygamie einzugehen als sich scheiden zu lassen; hier beruft sich Luther auf das Alte Testament (Vgl. W. Molinski, Theologie der Ehe in der Geschichte, S. 150f)  (30) G. Lämmermann „Hochzeitsnacht und Traualtar - Die Ehe im Wandel ihrer Geschichte“ Uni Augsburg

Billy Graham wird eine Stellungnahme zugeschrieben die erstaunlich wäre:
"Das Christentum kann sich der Frage nach der Polygamie nicht entziehen. Wenn das heutige Christentum dies dennoch tut, so ist dies zu seinem eigenen Nachteil und Schaden. Der Islam hat die Mehrehe als Lösung sozialer Missstände erlaubt und der menschlichen Natur Raum zur Entfaltung zu gestanden, allerdings nur streng innerhalb der gesetzlich bestimmten Rahmenbedingungen. Christliche Länder sind mächtig stolz auf ihre Monogamie, aber praktisch sind sie Polygamisten. Niemand ist sich der Rolle bewusst, welche diese Abirrung in den westlichen Gesellschaften spielt. In dieser Beziehung ist der Islam eine grundehrliche Religion, und erlaubt einem Muslim eine zweite Frau zu heiraten, wenn er muss, doch verbietet strikt alle geheimen amourösen Liebesbeziehungen, um die moralische Verlässlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten."   (31) Abdul Rahman Doi, Woman in Shari'ah, London: Ta-Ha Publishers, 1994
Arthur Schopenhauer sagt:
„In Völkern, wo die Mehr-Ehe legal ist, wird es praktisch allen Frauen ermöglicht, zu einem Mann, Kindern und einem richtigen Familienleben zu kommen, was ihren seelischen Bedürfnissen entgegenkommt und ihre fraulichen Instinkte befriedigt. Unglücklicherweise haben die Kirchengesetze die Mehr-Ehe in Europa nicht gestattet und viele Frauen einem einsamen Altjungfernleben überlassen. Manche starben unbefriedigt; manche wurden von ihren heiligen Wünschen oder durch die Not, ihren Unterhalt zu verdienen, in die Unmoral getrieben; manche gingen mit schweren Skrupeln und gebrochenen Herzen zugrunde. Auch kann ich nicht verstehen, nachdem ich viel Nachdenken darauf verwendet habe, warum ein Mann, dessen Frau chronisch und unheilbar erkrankt ist, sich als unfruchtbar erweist oder kein lebendes Kind zur Welt bringen kann, nicht eine zweite Frau neben der ersten nehmen sollte. Die Antwort darauf liegt bei der Kirche. Leider hat sie keine. Gute Gesetze sind solche, die ein glückliches Leben gewährleisten, wenn man sie befolgt; nicht solche, die die Menschen unglücklich machen oder ihnen an Händen und Füßen Fesseln unnötiger Sklaverei anlegen oder die Menschen anstacheln, sie zu missachten und sich so in das entgegengesetzte Extrem der Verwahrlosung, Prostitution oder anderer Laster zu Stützen.“ (32) „Einige Worte über die Frauen

Solche Betrachtungsweise gibt Joseph Smith Recht. Bereits wo der Begriff „Mormone“ auftaucht, da ist das Gespenst „Vielweiberei“ nicht weit, dass jedoch ausgerechnet das Buch Mormon, Vielweiberei ein für alle Mal kategorisch verbietet, ist allgemein unbekannt.
Jakob, einer der Söhne Lehis und Bruder Nephis erklärt, warum er inspiriert wurde zu sagen: „David und Salomo hatten wahrhaftig viele Frauen und Nebenfrauen, und das war ein Greuel vor mir spricht der Herr. Darum, so spricht der Herr, habe ich dieses Volk aus dem Land Jerusalem weggeführt, durch die Macht meines Armes, dass ich mir aus der Frucht der Lenden Josephs einen rechtschaffenen Zweig erwecke. Darum werde ich, der Herr Gott, nicht zulassen, dass dieses Volk es denen in alter Zeit gleichtut... kein Mann unter euch, soll mehr als nur eine Frau haben, und Nebenfrauen soll er keine haben, denn ich der Herr erfreue mich an der Keuschheit der Frauen. Hurerei ist ein Gräuel vor mir...“ (33) Buch Mormon, Jakob 2: 24-28

Die naheliegende Frage lautet: und warum hielten sich die Mitglieder, insbesondere die leitenden Männer und Frauen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht an dieses Gebot? Wahrscheinlich lebten um 1858 mehr als 15 % der erwachsenen Mitglieder polygam, allen voran Brigham Young mit 26 Frauen.

Die überaus einleuchtende Erklärung für diese Paradoxie, ist dem folgenden, dem 30. Vers aus Jakob geschuldet: 
„Denn wenn ich, der Herr der Heerscharen, mir Nachkommen erwecken will, so werde ich es meinem Volk gebieten, sonst aber soll es auf diese Worte hören.“


Hören wir noch einmal hin: „Wenn der Herr der Heerscharen, sich Nachkommen erwecken will, so wird er es seinem Volk gebieten“ - und eben das geschah, sagen wir „Mormonen“. Doch von dieser Ausnahme abgesehen, lautet die Regel innerhalb der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzte Tage ungebrochen: „ein Mann eine Frau“.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen (2) G. Skibbe

1.2. Ist Jesus Christus der große ICH BIN?

Nicht immer identifizieren nachnicänische Christen Jesus als den Gott des Alten Testaments, Jehova, der von sich sagte: ICH BIN der ich bin! Obwohl das Nicänum diesen Schluss geradezu erzwingt.

 „… So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, der Heilige Geist Gott. Und doch sind es nicht drei Götter, sondern ein Gott… Denn wie uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich als Gott und als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der allgemeine Glaube, von drei Göttern oder Herren zu sprechen… Dies ist der katholische Glaube. Jeder, der ihn nicht aufrichtig und fest glaubt, kann nicht selig werden.“  (15) Das Athanasianische Bekenntnis (hier nur der auf den strittigen Kern reduzierte Text)
Kurz gesagt, das Nicänum – formuliert im Athanasianischen Glaubensbekenntnis - ist das Ergebnis des 1. Ökumenischen Konzils zu Nicäa, 325. (Siehe unter 4.) Ein junger Mann namens Athanasius (296-373), Diakon seines Bischofs Alexander von Alexandria vertrat schon seit längerem die Meinung! es sei falsch zu glauben, dass der Vater und Jesu Christi zwei voneinander getrennte Götter sind, - zwei Hypostasen -,   folglich kann der Sohn dem Vater nicht nachgeordnet sein, obwohl dies fast alle Christen so glaubten. 
Prof. Hans Küng bestätigt diesen Fakt:
„Konstantin selber lässt das nachher so sehr umstrittene unbiblische Wort wesensgleich griech. Homousios lat. ‚consubstatialis einfügen... Die Unterordnung des Sohnes unter den einen Gott und Vater (der Gott) , wie von Origenes und den Theologen der Vorzeit allgemein gelehrt, wird jetzt ersetzt durch eine wesenhafte, substantielle Gleichheit des Sohnes mit dem Vater“ (16)  „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“: 

Das war Abweichung, Häresie. Athanasius,  dieser kleine dunkelhäutige Wortgewaltige ist der Häretiker, nicht Arius, der bemüht war die Lehrtradition der Kirche zu bewahren, wenn auch vergeblich, denn Athanasius stand in der Gunst Kaiser Konstantins, der ohnehin zum  Monotheismus neigte (eigentlich dachte er henotheistisch, die Götter wohnten in ihm). Konstantin entsprach dem Mode-Trend des heidnischen Rom. Diese Betrachtungsweise korrespondierte in gewisser Weise mit dem 1. der 10 Gebote Mose:
„ICH BIN der Herr dein Gott, … du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ (17) Exodus 20: 2
Da gab es scheinbar keinen Raum für „ein personales Sein“ des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Moderne Forschung sieht das anders:
Irenäus stellt das Gottsein von Sohn und Geist klar heraus, „beiden kommt ein personales Sein zu, da sie gemeinsam mit dem Vater handeln.“  (18) „Die vornizänische Theologie“, 2009, Uni-Bonn

Einer ist der Gottvater aller, der auch der Gott unseres Gottes ist... Christus ist wohl Gott, aber er ist dem Vater unterordnet.“.... (19) Gert Haendler „Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200“ Vandenhoeck & Ruprecht, 1993

Der zuverlässigste Überlieferer urchristlicher Lehren, Origenes (185-254) verwies auf dieses Hauptelement des eigentlichen Christentums: 
„... Manche schätzen nicht, was wir sagten, indem wir den Vater als den einen wahren Gott hinstellten und zugaben, dass andere Wesen neben dem wahren Gott Götter werden konnten, indem sie an Gott teilhatten.“ (20) Origenes Kommentar zu Joh.: 2:3 bei Wikipedia unter Arianismus 
 
Sobald klar ist, dass Jesus dieser große ICH BIN ist (auch weil der Vater seinen Namen auf den Sohn gelegt hat,) heben sich die Widersprüche auf. Konstantin indessen bestand darauf, das Christentum habe monotheistisch zu sein. Er entschied.
Die Union der europäischen Konferenzen der höheren Ordensoberen/innen wagte es sich dieser Tatsache zu stellen und schrieb 2007 im Internet: 

„Als die Heiden nach einem Gedanken der Einzigartigkeit der Götter suchten, dachten sie nicht an Zeus, sondern an Apollo. Der einzige Gott der gebildeten und fast monotheistischen Heiden, gerade vor dem Aufkommen des Christentums, war Phebus Apollo oder Sol, der das Leben auf Erden spendende Gott. Aurelian führte einen Versuch eines solchen heidnischen Monotheismus ein (während Konstantin den christlichen Monotheismus einsetzen wird) mit Sol Invictus („die unbesiegte Sonne“) und Mithra bei den Soldaten, um spirituell dem Wedismus der Perser entgegenzuwirken. Aurelian wünschte, dass die Römer eine gleiche Religion hätten...“  (21)  www.ucesm.net/ucesm_de/italie _religions_de, 2008 im Internet nicht mehr auffindbar. 

James E. Talmage Mitglied des Rates der Zwölf der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verweist auf den Anspruch Christi er sei der vorirdische ICH BIN, des Alte Testaments

“Even more impressive and yet more truly conclusive are the personal testimonies of the Savior as to His own pre-existent life and the mission among men to which He had been appointed. No one who accepts Jesus as the Messiah can consistently reject these evidences of His eternal nature. When, on a certain occasion, the Jews in the synagogue disputed among themselves and murmured because of their failure to understand aright His doctrine concerning Himself, especially as touching His relationship with the Father, Jesus said unto them: "For I came down from heaven, not to do mine own will, but the will of him that sent me." And then, continuing the lesson based upon the contrast between the manna with which their fathers had been fed in the wilderness and the bread of life which He had to offer, He added: "I am the living bread which came down from heaven," and again declared "the living Father hath sent me." Not a few of the disciples failed to comprehend His teachings; and their complaints drew from Him these words: "Doth this offend you? What and if ye shall see the Son of man ascend up where he was before?"
To certain wicked Jews, wrapped in the mantle of racial pride, boastful of their descent through the lineage of Abraham, and seeking to excuse their sins through an unwarranted use of the great patriarch's name, our Lord thus proclaimed His own pre-eminence: "Verily, verily, I say unto you, Before Abraham was, I am."...Da hoben sie Steine auf um sie auf ihn zu werfen“ (22) "Jesus The Christ"
Du der Zimmermanns Sohn bist Gott? Das sei Gotteslästerung. Deshalb wurde er letztlich gekreuzigt, nicht weil er gegen Rom stand, nicht weil er ein Revolutionär üblicher Couleur war. Jesus hatte den Pharisäern, auf die Frage wer er sei, wiederholt geantwortet:
„... ICH BIN von keinem Dämon besessen, sondern ehre meinen Vater... ICH BIN nicht auf meine Ehre bedacht... (23)  Joh. 8:
Die Pharisäer, die Jesus in der Nacht verhafteten, fielen fast in Ohnmacht, als er erneut bekannte: ICH BIN es! 
  „Auch Judas, der Verräter stand bei ihnen. Als Jesus wiederholte: Ich bin es! wichen sie zurück und stürzten zu Boden und er fragte sie  abermals: Wen sucht ihr? Sie sagten: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ICH es BIN.“ (24) Joh. 18 
Joseph Smith wurde es offenbart:
„Jehova, der Gott des Alten Testaments, ist Jesus Christus, der große ICH BIN.“ (25) Lehre und Bündnisse 29:1 

Selbst Joh. Adam Moehler, ein röm. kath. Theologe von Rang der sonderbarerweise Athanasius verteidigt verstand es:

Der Sohn ist nach Justin weder bloßer Mensch, noch eine unpersönliche Kraft Gottes, sondern der Zahl nach ein anderer. Er ist Gottes Sohn im eigentlichen Sinne. Er hat zu Moses aus dem Dornenbusch gesprochen: ‚Ich bin, der ich bin, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“... Apol. J. C. 65... Er ist der Jehova des Alten Testaments, der Allmächtige.“ (26) Joh. Adam Moehler „Athanasius der Große und die Kirche in seiner Zeit“ Mainz, 1844

Eben diese Basislehre des Urchristentums, Christus  - „Gottes Sohn im eigentlichen Sinne“ - sei zwar Gott, aber dem wahren Gott nachgeordnet, missfiel dem Urvater der Orthodoxie, Konstantin.
Nachgeordnet wollte er nicht sein, er der Kaiser aller, der der Christus sein wollte - (Prof. Clauss).