Mittwoch, 24. September 2014

Eine versäumte Gelegenheit



Jeder von uns versäumte nicht wenige Gelegenheiten - zum Guttun -, aber auch vermeintliche zu unterschiedlichsten Abenteuern, wie ein Raubfisch der den lockenden Köder mit dem dreifach tödlichen Haken nur anschaut, aber nicht zubeißt.
Letzteres ist gemeint, wenn das Buch Mormon uns, in seinem überaus lesenswerten letzten Kapitel, dringend mahnt die "unreine Gabe nicht anzurühren". 
Manch zuschnappendem Hecht gelang es noch in letzter Sekunde, manchmal unter Verlust eines Teils seines Mauls, (seines Gesichtes) sich loszureissen.
 
Schlimmer ergeht es uns, wenn das Gewissen verletzt wurde weil wir nahmen was wir nicht rechtmäßig erworben hatten, insbesondere nachdem uns die wirklichen Folgen zu Bewusstsein kamen. Das kann unter Umständen bleibenden Schmerz verursachen.
Jesus formulierte deshalb eindringlich:

"Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nehme dennoch Schaden an seiner Seele." Matth. 16:26 


Also, mein Versäumnis war von der ersten Art. Ich verpasste im Herbst 1996 meine Gelegenheit, als der katholische Sektenbeauftragte Pfarrer Michael Sobania im Rathaus der Stadt Neubrandenburg einen Vortrag über Sekten in Mecklenburg-Vorpommern hielt, ihn sofort und angemessen zur Rede zu stellen, als er sich etwas anmaßte, was ihm nicht zustand.
Dieser Lapsus tut mir bis heute leid. Ich bekenne reuig, dass ich versagt habe.
Knapp zweihundert Bürger hörten dem für eben diesen Job scheinbar hochqualifizierten Mann erwartungsvoll zu. 

Immer mehr fragwürdige und fremdartig wirkende Sekten traten seit der Wende, 1989, auch ins öffentliche Leben Ostdeutschlands, wie die Hare-Krishna-Gruppen deren sonderbares Beten, wie ihre orangefarbenen Gewänder etwas wirklich Exotisches darstellten. Viele Male am Tag chanten ihre Anhänger:

„Hare Rāma, Hare Rāma Rāma Rāma Hare Hare
Hare K
ṛṣṇa Hare Kṛṣṇa Kṛṣṇa Kṛṣṇa Hare Hare“
„Hare Rama Hare Rama, Rama Rama Hare Hare
Hare Krishna Hare Krishna, Krishna Krishna Hare Hare“

Christen und anderen Europäern erscheint solche Glaubenspraxis fremdartig und unvernünftig.
Als fremdartig und unvernünftig sollten nun auch die "Mormonen" erscheinen. Von Scientologie war in dieser Darstellung Sobanias die Rede, sogar von Satanisten. Und dann, fünf mal, in exakt diesem Kontext, kurz hintereinander erwähnte Pfarrer Sobania gewollt Besorgnis erregend das Buch Mormon. 
Er erwähnte es nur, umrahmt von düstersten Farben.
Mich empörte die Heimtücke der Absicht, das großartige Werk zu diskreditieren, allerdings geschah das indirekt.
Herr Sobania wußte und weiß, wie Assoziationen funktionieren und, dass nur zehn Prozent einer Rede haften bleiben. 
Zum Assoziierten und diesen Prozenten gehört die Kurzfassung: "Mormonen" und Satanisten sind gefährlich.
Herr Sobania war gerissen genug nicht auf irgendwelche Details dieses Werkes zu verweisen.
Sobania wäre zu einem klaren Hinweis auf Ablehnendwertes im Buch Mormon, wie sich bald darauf erweisen sollte, auch gar nicht fähig gewesen, weil er es nicht gelesen hatte. Das gab er, Minuten später auf meine Anfrage unter vier Augen, auch unumwunden zu.
Er konnte nicht anders, denn das war ihm klar. Ich hätte augenblicklich nachgefragt, falls er Negatives erwähnt hätte, wo das geschrieben steht. Wo konkret?
Zuvor jedoch hatte der fromme Mann mit leichter Hand etwas zusammengewebt das nicht zusammen gehörte, nämlich Gutes und Böses. Es sollte, trotz gewisser Unterschiede, die auch er nicht leugnen wolle, homogen erscheinen, wie ein riesiges Fangnetz.
Er webte sein höchsteigenes Sektennetz und stellte es warnend dar. Man könne sich darin, wie ein ahnungslos-leichtsinniges Insekt,  verfangen.
Obwohl eben die Bibel, die er vorgeblich ehrte, genau das was dieser Pfarrer tat, ausdrücklich verbietet.

   "Wehe dem der Gutes böse und Böses gut nennt." Jesaja 5:20
Das tat der Priester Sobania und das war und ist Irreführung und Betrug, wie eben das was der Prager Erzbischof Zbynek im Juli 1410 wagte, als er die Schriften John Wyklifs öffentlich verbrennen ließ.
Tschechische Studenten und andere spotteten:
"Zbynek ein Bischof, der (gerade) lesen lernt, beschließt, dass man die Bücher verbrennen soll, denn er weiß selbst nicht, was sie enthalten!" (H. Ch. Lea Geschichte der Inquisition im Mittelalter Bd 1)
John Wyclif 1330 -1384

Wikipedia schreibt: Wyclif bestritt den politischen Machtanspruch des Papstes er unterstützte und organisierte Bibelübersetzungen ins Englische. Er vertrat die völlige Unterordnung der Kirche unter den Staat. Er unterstützte den Machtwillen der weltlichen Herrscher in mehreren Prozessen gegen den Papst und forderte für Kirchenmitarbeiter ein Leben in urchristlicher Bescheidenheit."

Prinzipell ist es ein Betrug, öffentlich zu urteilen, wenn keine Argumente das Urteil untersetzen. Ähnliches taten die Nazis, indem sie die Behauptung aufstellten, die Juden seien eine mindere Menschenrasse ohne dafür auch nur einen echten Beweis zu liefern.

Vier Jahre vor der Verbrennung des tschechischen Dissidenten Jan Hus, 1415, überantwortete Bischof Sbynek Wyclifs Schriften dem Feuer.
Die Folgen sind bekannt.

Schade! Und Schande auf mir!
Ich hätte Pfarrer Sobania damals sofort in die Parade fahren sollen.
Warum versäumte ich die Gelegenheit den Anwesenden klar zu machen, dass es Scharlatanerie ist, in einer öffentliche Wertung ein von Millionen bewundertes Werk zu beurteilen, das der Verurteilende überhaupt nicht kennt.

Seine Absicht hatte er indessen wegen meiner Feigheit verwirklicht.
Meiner Unterlassung wegen nahmen nun die Zweihundert den Eindruck mit, die "Mormonen", samt ihres Buches dieses Namens, sind mit Vorsicht zu genießen.
Eigentlich wollte Herr Sobania ausdrücken die beiden etablierten Großkirchen - seine Organisation, die katholische, und allenfalls die Protestanten mit all ihren Untergliederungen - hätten ein Existenzrecht.
Die Hörer sollten sich merken, man ist katholisch oder evangelisch, der Rest möge sich zur Hölle scheren.
Das war es, was er erreichen wollte. Ein treuer Diener seiner Kirche, aber keiner der Wahrheit.


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