Montag, 21. Juli 2025

"Der Friede ist die Frucht der Gerechtigkeit" Jesaja

 

 

“Der Krieg in der Ukraine und der christliche Glaube“

 

Kyrill, derzeitiger Patriarch der Russisch-orthodoxen Kirche und enger Freund V. Putins brachte es, mit einem Versuch einer Rechtfertigung des Überfalls auf ukrainische Menschen und ihre friedlichen Ortschaften, auf den Punkt: „…der westliche Liberalismus ist Teufelszeug…“ David Nauer. Korrespondent von Radio SRF in Russland.

Kyrill's Überzeugung nach stünden die moralisch höherstehenden Russen in der Pflicht den verdorbenen Ukrainern eine Lektion zu erteilen. Solche Überheblichkeit ist für den vorgeblich frommen Mann normal und für Präsident Putin eine wohltuende Bekräftigung, der Berechtigung seines Befehls   zu den Waffen zu greifen, um das Bruderland, wie er - in seinem Übermut meint, - zu „entnazifizieren“. Patriarch Kyrill betonte wiederholt, wie treu er in der Tradition seiner einzigartigen Kirche steht.

Weiß der Patriarch, wovon er redet?

Weder die Himmelsrichtung noch politische Strömungen ändern etwas, Liberalismus meint immer das Jedermannsrecht auf Entscheidungsfreiheit. Es ist das Recht, anderer Meinung oder anderen Glaubens zu sein, und das ungefährdet zum Ausdruck bringen zu dürfen. Es beinhaltet das Recht böse zu sein, - allerdings ist immer, früher oder später, gemäß dem Naturrecht und nicht infolge irgendeiner Art von Willkür - der Preis für die Bosheit zu entrichten.  Dieser Preis kann sehr hoch sein.

Gemäß Definition ist das Naturrecht unabhängig von der gesetzlich fixierten Rechtsauffassung eines bestimmten Staates. Es ist in der Vernunft des Menschen begründet. Christus und die Vernunft sagen: Sein Evangelium (seine Frohbotschaft) und Gewalt schließen einander aus: „Selig, die keine Gewalt anwenden.“ Matth 5,1-12

Die Wucht dieses Satzes wird im Umkehrschluss deutlich. In diesem Sinne lehrt die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), darüber hinaus, dass jede Person die im Besitz von Legitimationen ist, diese vor Gott verliert, wenn sie „auch nur  mit dem geringsten Maß von Unrecht irgendwelche Gewalt, Herrschaft oder Nötigung auf Menschenseelen ausübt…“ kanonisch Lehre und Bündnisse 121: 37

Des Patriarchen Kyrills Kirche entstand in ihrer Breite, mittels kaum vorstellbarer Gewaltanwendung. Für ihn, und wahrscheinlich ebenso für die große Mehrheit seiner Priester, ist der Diktator Großfürst Wladimir (956-1015), als Gründer der Russisch-Orthodoxen Kirche, ein Heiliger. Dieser Unhold, der nicht wenige Frauen ins Verderben stieß, ließ „988 die heidnischen Götzen in den Dnjepr werfen und befahl allen Stadtbewohnern sich in dem Fluss taufen zu lassen. Wer sich weigerte, wurde mit dem T O D bestraft... Die Druschina (das Kriegsgefolge des Fürsten) führte in allen Ecken des Reiches mit Gewalt Zwangstaufen durch.“ Fritz Pleitgen und Michael Schischkin 2019, in „Frieden oder Krieg...“

So „… entstand, 988, die für die Orthodoxie typische Symphonia von Staat und Kirche.“ Ökumenisches Heiligenlexikon

Diese Sinfonia klang jedoch nur in den Kirchengesängen ihrer goldenen Versammlungsräume gut. Vieles erwies sich, für das einfache Volk, als Dissonanzen. Die Geistlichkeit innerhalb und außerhalb der Klöster wollte und musste sehr verehrt und gut versorgt werden, ihre Kathedralen errichtet und unterhalten. Was die „Symphonia von Staat und Kirche“ den Menschen sonst noch gebracht hat, war gemäß Zeugnissen kompetenter Autoren, noch weniger als kümmerlich. Die aus dem Byzantinismus stammende Religion Kyrills bemühte sich jahrhundertelang wenig oder gar nicht um die Hebung des Bildungsniveaus ihrer Mitglieder, und nur unzureichend, soweit es ihre Priester betraf. Das aber wäre ihre Christenpflicht gewesen. Jesus mahnte seine Nachfolger: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben …. ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Matth. 25: 42-45

Das Schicksal der bodenlosen Landarbeiter interessierte die Geistlichkeit der ROK selten.  Persönlichkeiten wie der russische Schriftsteller Leo N. Tolstoi prangerten diese Missstände an. Deutlich bemängelte Tolstoi die seit Jahrhunderten fehlende Anstrengung von Kirche und Staat, Menschen aus ihrem Elend herauszuholen. Russlands Geistliche hatten das von Jesus gesetzte Ziel, Mitmenschen glücklicher zu machen, aus den Augen verloren oder nie erkannt. Sie stritten darum, ob man sich mit zwei oder drei Fingern bekreuzigen soll. Sie zankten, ob die Gottesdienstbesucher sich dreihundertmal bis zur Erde niederbeugen oder ob sie diese Geste nur dreihundertmal andeuten müssen.

Der aufmerksame Russlandreisende Charles F. Ph. Masson, ein Mann mit Augenmaß, konnte ebenfalls nur den Kopf schütteln. Um 1780 schildert er welche Früchte Wladimirs Religion noch acht Jahrhunderte nach der angeblichen „Christianisierung“ der Kiewer Rus, trug: "Der Russe hat an nichts Interesse, weil er nichts besitzt... er lebt ohne Vaterland, ohne Gesetze, ohne Religion... er hat gar keinen Grund, die Scholle, auf die er gefesselt ist, zu verlassen (er kann es sich nicht vorstellen…) Er hasst alle Arbeit, weil er niemals für sich gearbeitet hat; er hat daher auch keinen Begriff von Eigentum. Seine Felder, seine Habseligkeiten, sein Weib, seine Kinder, er selbst gehören einem Herrn, (- einem „christlichen“ Herrn, G. Sk.-) der in Willkür darüber schalten kann, und es auch wirklich tut...“ "Geheime Nachrichten über Russland unter der Regierung Katharinas..." Paris, 1800

Masson findet allerdings höchstes Lob für Geistliche dieser Kirche, wie den Moskauer Erzbischof Platon, Direktor der Akademie, der ein Mann voller Verstand und Beredsamkeit sei, der alles versuchte, was in seiner Macht stand um sein Volk zu erheben... allerdings fast vergeblich, weil vor allem die Popen auf dem Land mangels Bildung nicht ausführen konnten, was er wünschte...

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts klagte Tolstoi: „Wenn ich eine Schule betrete und diese Menge zerlumpter, schmutziger, ausgemergelter Kinder mit ihren leuchtenden Augen […] sehe, befällt mich Unruhe und Entsetzen, ähnlich wie ich es mehrmals beim Anblick Ertrinkender empfand. Großer Gott – wie kann ich sie nur herausziehen? Wen zuerst, wen später? […] Ich will Bildung für das Volk einzig und allein, um die dort ertrinkenden Literaten und Künstler zu retten. Und es wimmelt von ihnen an jeder Schule.“  Denis Scheck „Welt“ – „Wer Tolstoi liest, taucht in eine zweite Familie ein“

Augen- und Ohrenzeuge Charles F. Ph. Masson fuhr in seinem Bericht fort: „Außer einem geweihten Amulett, das jeder Russe von der Taufe an, wo er es bekommt, am Halse trägt und nie ablegt, hat er gewöhnlich noch ein Bild von Kupfer in der Tasche, das den Heiligen Nikolaus oder einen anderen Heiligen, der sein Patron ist, vorstellt. Er nimmt es mit auf Reisen. Nichts ist sonderbarer, als wenn man einem Bauern oder Soldaten zusieht, wie er seinen kleinen Gott aus der Tasche zieht, darauf spuckt, ihn mit der Hand reibt, und sich plötzlich vor ihm auf die Erde wirft, hundertmal das Zeichen des Kreuzes macht, die tiefsten Seufzer ausstößt und seine 40 "Gospodi pomiloi" (Gott sei mir gnädig) hersagt. Ist das Gebet zu Ende so tut er den Gott wieder in die Büchse und steckt sie in die Tasche…" Geheime Nachrichten über Russland unter der Regierung Katharinas..." Paris, 1800

Tolstoi trat entschieden für eine Trennung von Staat und Religion ein. Jesus sah es wohl voraus wozu es kommen würde: „Niemand kann zwei Herren dienen…“ Matth. 6: 24

Eben diese Trennung wollte Lenin, wollte schon Karl Marx, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Soweit so gut. Aber hatten sie einkalkuliert, dass dies unter dem roten Banner der „neuen“ Werteordnung sehr wahrscheinlich dazu führen würde, die unbestritten erforderliche Trennung mit den ungerechten Methoden des Diktator-Großfürsten Wladimir durchzusetzen?

Niemals kann Recht durch Unrecht in die Welt gesetzt werden?

 In seinem Brief an der Heiligen Synod, den Leo Tolstoi als Antwort seiner Exkommunikation schrieb, urteilt er scharf: „Die Lehre der Kirche ist eine theoretisch widersprüchliche und schädliche Lüge, fast alles ist eine Sammlung von grobem Aberglauben und Magien.“ Denis Scheck „Welt“ – „Wer Tolstoi liest, taucht in eine zweite Familie ein“

Tolstoi hielt die in der russisch-orthodoxen Kirche üblichen Feierlichkeiten für verfehlt. Den Geist Christi, der inneren Erleuchtung, der Ermutigung um Erkenntniszuwachs, und des Mitleids konnten die Lichter der zahlreichen Kerzen, in goldfarbenen Kirchenräumen nicht ersetzen. Der Apostel Paulus aber lehrte kanonisch: „Wer den Geist Christi nicht hat, gehört nicht zu ihm.“ Römer 8: 9

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