Sie
legten mich im Krankenhaus auf eine fahrbare Liege mit angenehm
kühler Unterlage und untersuchten mich augenblicklich. Drei Ärzte
standen herum und steckten ratlos ihre Köpfe zusammen. Da kann man
nichts machen, sagte der eine, der andere wunderte sich über die
Ruhe, die ich zeigte und von der ich allein wusste, woher sie kam.
Ich akzeptierte den Schlag als Strafe und eben das machte mich
glücklich. Wenn ich mich aufgelehnt und empört hätte, dass ich so
grob zusammengerüffelt worden war, oder wenn ich es anders gedeutet
hätte, ganz normal eben, wäre ich, vermute ich, von einem
Erregungszustand in den anderen gefallen. Und ob das gut gewesen
wäre?
Drei
Nächte schlief ich buchstäblich in Morpheus Armen, sanft und tief.
Ab der vierten verweigerten sie mir die seligmachende Arznei. Mein
Schädel wollte bersten. Wütende Hammerschläge hallten innen gegen
eine riesige Glocke. Immer traf es mich an derselben Stelle. Mich
machte der Stößel wahnsinnig. Ich wünschte und verlangte nur nach
meiner Spritze. Der Schmerz nahm mir jegliche anderen Gedanken.
Da
erschien gegen Mitternacht einer der Doktoren, der geschätzte
Chirurg Klösel. Ich versuchte, mich zu beherrschen, bettelte nicht
mehr. Er plauderte mit der Nachtschwester. Plötzlich konnte und
musste ich zuhören, wie er mit seiner monotonen Stimme hinschnurrte,
und sank in eine ungeheure Tiefe, aus der ich am anderen Morgen fast
schmerzfrei erwachte. Erst am Abend jenes Tages fragte ich Erika
danach wie ich aussehe. Sie war so freundlich abends jeweils eine
Stunde bei mir zu sitzen. Mein Auge befinde sich nun fast wieder in
seiner natürlichen Höhle. Selbst die alten Militärärzte hätten
noch nie gesehen, wie ein Augapfel infolge massiver innerer Blutung
sich auf das Doppelte seiner Größe auszudehnen vermag. Eigentlich
sollte man annehmen, dass der rote Ball eher zerplatzt. Blutrot hatte
mein Auge draußen gehangen, fast tomatengroß.
Da
musste ich auflachen, denn ich sah ihn wieder vor mir, den alten
Traktoristen im Dorf, wie er vor mir zusammenbrach und sich dann,
nachdem er sich vom Boden erhoben hatte, schleunigst, wie vor einem
Gespenst, aus dem Staube machte.
Ich
erinnerte mich aber auch daran, wie ich Erika kennen gelernt hatte.
1948. Das war ein sonderbares Gefühl gewesen, am Schluss jener Tage
des Kennenlernens. Wir feierten damals mit anderen gleichgesinnten
Jugendlichen in der Gemeinde Neubrandenburg Silvester. Diese
bescheidene Zusammenkunft war natürlich nicht zu vergleichen gewesen
mit dem tollen Tanz- und Spielfest der großen kompletten
Mormonengemeinde Cottbus, die ich aus gleichem Anlass 1946 in ihrer
unglaublichen Vielfalt an Ideen und Charakteren als erste große und
sehr harmonische Mitgliedergruppe überhaupt kennen lernte. Doch auch
unser kleines Fest war schön gewesen. Am späten Nachmittag des
Neuen Jahres begleiteten uns die Neubrandenburger Mädchen zum Zug,
der uns heim nach Wolgast bringen sollte. (Den Weg hierher,
fünfundsiebzig Kilometer weit, waren wir zu zweit gelaufen, Ulli
Chust, mein Freund, und ich.) Erika trug damals einen braun-beige
karierten Mantel und ich fühlte mich in ihrer Gegenwart sehr wohl.
Damals benötigte man noch Bahnsteigkarten. Vor dem Zugang zu den
Zügen gab es Holzboxen, in denen ein Schaffner mit einer silbern
blitzenden Zange stand, um die Billets zu lochen. Ihrer Größe wegen
gab ich ihr zwei.
So
lachten wir einander zum Abschied in die Augen und wussten wortlos,
dass wir uns mehr bedeuteten, als wir jemals aussprechen würden.
Nun
saß diese Erika neben meinem Bett im Krankenzimmer. Ich schaute sie
verstohlen an, denn ich musste auch wieder an die andere denken.
Wenn
Erika geahnt hätte was vor erst wenigen Tagen meine Absicht gewesen
war, hätte sie sich nicht so unbekümmert verhalten.
Aber
so war ich eben.
Ich
hatte eine Ehe und Familie vorsätzlich zerbrechen wollen. Und,
-nicht weniger schlimm-, ich hatte gegenüber dem für mich real
existierenden Gott mein ursprüngliches Versprechen brechen wollen,
mich nie und nimmer in dieser Weise zu vergehen.
Andererseits
wusste ich, dass ich Erika immer geliebt hatte. Nur weil sie soviel
größer war als ich, hatte ich nie ernsthaft daran gedacht, ihr das
zu sagen. Ihr langes schmales Gesicht war mir wegen des besonderen
Ausdrucks immer noch sehr angenehm, ihre Ausstrahlung empfand ich als
völlig rein. Eben deshalb war es mir unmöglich, sie zu begehren.
Ich bewunderte sie und schwieg. Dabei hatte es eine Zeit gegeben in
der ich mir gut vorstellen konnte, dass wir zusammen Kinder hätten.
Sonderbarerweise konnte ich in den zurückliegenden Jahren, wenn ich
mir diese Frage stellte, keine andere Mutter für meine künftigen
Kinder denken. Ich konnte manchmal deutlich sehen, dass wir, trotz
des erheblichen Größenunterschiedes, miteinander glücklich sein
würden. Manchmal hatte ich sogar gefunden, dass wir uns seit
Ewigkeiten kannten. Immer wenn ich, in den auf jene Silvesterfeier
folgenden Jahren, an sie dachte kam es wieder, dieses intuitive
Wissen: wir kennen uns schon lange.
So
zog es mich immer wieder sehr zu ihr hin.
Ich
lag vier volle Wochen in ihrem Krankenhaus und war voller negativer
Gedanken, was meine Vergangenheit und meine Zukunft betraf.
Vielleicht ahnte Erika etwas von der Intensität meiner Qual. Denn
die Frau, die in dem kleinen Dorf wohnte, gab es ja noch. Sie lebte
in mir weiter. Es gab ihre Zuneigung und Liebe und ihren Kummer um
mich, den sie nicht beherrschte, wie ich meine eigenen Gefühle noch
längst nicht steuern konnte.
Man
kann einen Menschen nicht aus seinem Herzen stoßen wie man Ballast
abwirft oder wie man dem Boden Erz entreißt und es in einem
gewaltsamen Prozess zu Stahl und Schlacke werden lässt.
Seltsam
ineinander verschlungen sind solche Beziehungen, auch wenn keine
Worte fallen.
Erika
und ich wagten mit keiner Silbe die Situation anzurühren, in der ich
mich befand und aus der ich nicht wie aus einem nur verlangsamt
fahrenden Zug aussteigen konnte.
Es
gab trotz alledem zwischen ihr und mir das tiefere Einverständnis
und eine stumme Übereinkunft, einander beizustehen. Ich wusste in
jener letzten Woche meines Krankenhausaufenthaltes mit
vorübergehender Klarheit, was ich mehr und mehr wünschte und
wollte, nämlich sie.
Es
hielt aber nicht an.
Denn
zwischen Wollen und Können klaffen Lücken. Manchmal in diesen
Nächten, da ich mich von dem Schlag erholte, lag ich mit wachen
Augen grübelnd auf dem Bett und verlangte von mir vergeblich, Herr
meiner mehr denn je verworrenen Gefühlswelt zu werden.
Bloß
das Eine war und blieb vom Kopf her klar. Ich wollte und musste neu
anfangen.
Ich
sah, dass ich eine sehr wichtige Lektion hinzugelernt hatte.
Niemals
würde ich mir noch einmal erlauben, gewisse Grenzen zu
überschreiten.
Ich
wünschte den Ratschlag, den David O. Mc Kay mir ins Herz gesenkt
hatte, von nun an nicht mehr nur formal, sondern von meinem Innern
her unbeirrbar zu befolgen
Vier
Monate später schrieb ich an Erika, ob sie einen Mann heiraten
würde, der kleiner ist als sie.
Sie
schrieb sehr schön zurück. Alles noch streng per “Sie”, wie das
damals üblich war, unter uns nicht selten stocksteifen Deutschen.
Nachdem
Erika und ich bekannt gaben, dass wir heiraten werden, erhielt sie
aus verschiedenen Ecken Warnungen, die auch bis zu mir drangen:
“Heirate bloß nicht diesen Windhund! Der ist doch unberechenbar.
Du würdest Dein blaues Wunder mit ihm erleben. Der kann Dich nur
unglücklich machen. Du kennst ja seine Vergangenheit.”
Sonderbarerweise
wissen die Leute wenig von sich, aber die Vergangenheit anderer ist
ihnen bestens bekannt.
Im
Sommer 1953, am Tage unserer Hochzeit, unmittelbar nach dem
Arbeiteraufstand in der DDR, bezogen wir in Neubrandenburg zwei
kleine ehemalige Dienstmädchen-zimmerchen. Erika und ich waren
glücklich, dass wir überhaupt zusammen wohnen durften. Denn es gab
sehr viele Wohnungssuchende in der weithin zerstörten Stadt. Wäre
Erika als Krankenschwester nicht so bekannt und beliebt gewesen, dann
hätten wir keinen Fürsprecher beim Wohnungsamt gefunden. Die
meisten Jungvermählten konnten erst nach Monaten zusammenziehen. Sie
mussten sich jahrelang gedulden.
Es
gab keine Planung für den Neubau von Eigenheimen und außerdem hätte
so gut wie niemand die zur Bauausführung erforderlichen Mittel
aufbringen können. Die Kommunisten dachten grundsätzlich daran
riesige Wohngebäude zu errichten, um dort die Menschen besser unter
ihre Kontrolle zu bringen. Ganz anders als gemäß dem
Evangeliumsplan ging es ihnen nie um das Lebensglück des Einzelnen,
sondern die Menschenmassen, die Kollektive, die sie dirigieren
konnten waren für sie aus ihren machtpolitischen Gründen wichtig.
Noch
im Juli 1953, etwa zehn Tage nachdem wir geheiratet hatten, vier
Wochen nach der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstandes der
Berliner Bauarbeiter und ihrer Sympathisanten in einigen ostdeutschen
Großstädten, wurde ich von dem Vorsitzenden der Hausgemeinschaft zu
einer Versammlung eingeladen, die mich schon wieder in neue
Schwierigkeiten stürzen sollte.
Wo
immer es möglich erschien, wurde von Parteifunktionären der
Arbeiteraufstand vom 17. Juni als der den westlichen Kriegstreibern
missratene Tag “X” besprochen. Das Ereignis lag den
Parteigenossen schwer im Magen. Sie hofften, das Doppelproblem
einfach zerreden zu können, zu lösen war es auf ihre Weise nicht.
Der
Vorsitzende des Rates des Kreises Neubrandenburg, der
Bezirksvorsitzende der NDPD, Herr Wolf und andere führende
Funktionäre wie der Kreissekretär der SED Herr Guter, und ich
selbst waren im Schulungsraum des Gebäudes der Kreisverwaltung
anwesend, als die heikle Problematik besprochen wurde.
Während
der ganzen Vortragsstunde taten die Redner und Diskussionsteilnehmer
voreinander und vor mir so, als sei die DDR des Jahres 1953 das
Beste, was Staatsbürger sich wünschen konnten, außer jenen Fehlern
und Mängeln natürlich, die der Westen durch seine Hetzkampagnen und
sein Teilembargo verursacht hatte. Weshalb im Osten noch nicht alles
so perfekt sei, wie es dem Plan nach hätte sein können.
Aber
die Teilnehmer jener Runde wussten mehrheitlich ebenso gut wie ich,
warum dieser Staat den meisten Menschen sehr missfiel. Alle, mit
denen ich darüber gesprochen hatte, klagten über die Härte und
Kälte, mit der die Partei sich allerseits durchsetzte. Dass sich die
Machthaber in den Zeitungen immer selbst lobten und sich gegenseitig
mit Orden und Auszeichnungen behängten, dass in der Presse
ausnahmslos die Menschen zu Wort kamen, die sich “staatsbewusst”
äußerten, ärgerte viele. Dass jede sachliche Kritik sogleich als
konterrevolutionäre Meinungsmache verstanden wurde, dass die
Agitatoren, wenn sie in der Argumentation nicht weiter wussten, mit
dem mehr oder weniger zutreffenden Hinweis auf die
“Machtverhältnisse” reagierten, hatte jeder erfahren.
Mich
ärgerte, dass sie in keiner Weise selbstkritisch eingestellt waren,
im Gegensatz zu jenen, die ich in den ersten FDJ-Versammlungen kennen
gelernt hatte. Sie rafften sich nicht auf, offen zu legen, warum
Arbeiter sich gegen die Arbeiterregierung erhoben hatten. Ihr
zaghafter Versuch einer Erklärung blieb im Ansatz stecken. Noch
während der Exoberst Herr Wolf sprach, kamen mir immer neue
Gedanken, die alle anwesenden Genossen und Staatsnahen, im Innersten
sicherlich nicht viel anders als mich beschäftigten.
Schon
bevor die DDR offiziell ausgerufen wurde, legten ihre Gründer, nach
den Eindrücken die ich gewann, größten Wert auf die
Militarisierung ihres Einflussbereiches SBZ (Sowjetische
Besatzungszone). Sie steckten fast jeden freien Pfennig lieber in die
Staatssicherheit statt in die Entwicklung der Wirtschaft. Das erste
bedeutende Gebäude, das sie in Neubrandenburg errichten ließen, war
das der Polizei gewesen. Es schien so, als liefe jeder zweite Mann,
zwischen zwanzig und dreißig, in Polizeiuniform herum. Überall
waren sie gegenwärtig.
Kein
Wort verloren die Teilnehmer der Schulungsrunde darüber, was die
Menschen am Sozialismus störte. Kein Mucks über die inneren
Ursachen der Misere. Niemand bekannte seinen persönlichen
Schuldanteil. Keiner in dieser Runde sagte reuig: Ich habe das falsch
eingeschätzt. Die Menschen wollen nicht bevormundet werden. Sie
sagten nicht: auch ich habe geschwiegen, als sie entmündigt wurden.
Statt zu bekennen, wir haben ihnen nicht zugetraut, sich bei einer
Wahl richtig entscheiden zu können, versuchten sie sich selbst zu
rechtfertigen.
Lediglich
die (Wahl-)Zettel haben sie uns falten lassen und uns so jegliche
Chance genommen mitzureden. Die überzeugten Genossen hätten sich
reuig an die Brust schlagen müssen. Denn sie hatten den Millionen
mit den Medien, in den Schulen, in den Betrieben, auf den Plakaten,
in den “Zeitungsschauen” und auf den Wandbrettern, morgens,
mittags und abends den nicht gerade sehr appetitlichen grauroten
Einheitsbrei vorgesetzt. Im Gegenteil, ich fürchtete, als ich sie so
reden hörte, dass sie weiterhin, nun erst recht, so unklug
fortfahren und wie bisher mitmachen würden. Denn im Hinterkopf
steckte bei ihnen das Wissen um die Existenz der Roten Armee.
Die
Russen werden nichts zulassen was ihrem Lieblingskind schadet.
Dabei
hatte die Idee des Sozialismus durchaus mehr zu bieten, als das was
seine unflexiblen Spitzenverwalter praktizierten.
Damals
fühlte ich meine Unterlegenheit, gegenüber diesem sonderbaren Geist
den die Partei verbreitete sehr intensiv. Es verbot sich von selbst,
frei zu reden. Das Gefühl ein Staubkorn zu sein war das
vorherrschende.
Die
rings um mich dasitzenden Staatsfunktionäre bekannten die Sünde der
Lüge nicht. Kurz, es war ärgerlich anzuhören, wie sie sich für
rein erklärten und glaubten, ihr Rechtfertigungspaket müsste jeder
andere mittragen. Schließlich meldete ich mich gegen mein warnendes
Gefühl zu Wort und behauptete: “Die hier Anwesenden würden anders
reden, wenn sie ihre Privilegien eingebüssten. Hätte man sie, wie
die Arbeiter, finanziell heruntergestuft, dann würden sie verstehen
warum die Arbeiter sich gegen den Staat erhoben haben.”
Das
zu sagen, war in der gegebenen Situation schon gewagt gewesen. Aber
mich ritt der Teufel. Nachdem ich soweit gegangen war, nahm ich mir
noch heraus, wörtlich zu formulieren: “Mit einer einzigen Ausnahme
halte ich Sie alle für Karrieristen.”
Das
anklagende Wort stand. Im Klartext hieß das: neun der zehn
anwesenden Staatsfunktionäre seien unehrlich. Das war nun doch
entschieden zuviel gesagt. Ich war zu weit gegangen. Das war eine
Frechheit.
Alle,
- und das waren, die Ehefrauen eingerechnet, ungefähr zwanzig Leute,
- schauten mich scharf missbilligend an. Ich selbst war entsetzt. Es
war mir herausgeplatzt. “Konjunkturritter, Karrieristen”
Unmöglich schien mir aber auch, das unbedachte Wort zurückzunehmen.
Sie
schwiegen zunächst. Wagten sie es nicht, so wenige Tage nach dem
möglicherweise wiederholbaren Ereignis, die grundsätzliche
Berechtigung meines Vorwurfes in Frage zu stellen? Jeder in diesem
Kreis wusste in seinem tiefsten Innern, dass die DDR wegen des
hausgemachten Karrieredenkens nicht hoch kam.
Jeder
in unserer Schulungsrunde wusste aus eigener Erfahrung, wie er in den
ersten Nachkriegsjahren sich Tag um Tag selbst fragen musste, ob er
sich mit diesem System, das sich so lieblos und unglaubwürdig
eingeführt hatte, überhaupt einlassen darf. Herr Wolf, der
Bezirksvorsitzende der NDPD, ehemals Oberst im Generalstab des
Generalfeldmarschalls von Paulus vor Stalingrad, rettete die
Situation und mich und sich, indem er feststellte, ich sei noch sehr
jung.
Er
ermutigte mich damit, nun den andern halben Schritt zu setzen.
Das
sah ich ein. So unbewiesen konnte ich meine harte Aussage nicht lange
im Raum stehen lassen. Ich überlegte krampfhaft, was ich zur
Entschärfung sagen könnte. Andererseits war meine Behauptung wahr.
Erika
hätte die Hände über den Kopf zusammen geschlagen, wenn sie mich
gehört und gesehen hätte: “Rede nicht so viel!” Das gab sie mir
jeden Tag mit auf den Weg.
Die
Stimmungslage die ich geschaffen hatte wirkte peinlich, und diese
Peinlichkeit wuchs. Andererseits blieb mir nur wenig Spielraum, wenn
ich mich nicht selbst verraten und verachten wollte, und ich sagte
schließlich: “Bei denen, auf die es nicht zutrifft, entschuldige
ich mich.”
Sie
waren vernünftig genug, mich nicht in die Enge zu treiben und ließen
es dabei stehen. Sie sahen ebenfalls ein, dass ich nicht weiter
zurückgehen konnte. Sie nahmen den knappen Satz als Entschuldigung
an.
Jedem
in diesem Kreis war natürlich klar, weshalb sie nicht wagten einen
freien Austausch ihrer eigenen (geheimen, ehrlichen) Analyse der
vergangenen Ereignisse vorzunehmen. Solches Recht gestand ihnen ihre
Partei nicht zu.
Dass
ich mich nach der Schulungsrunde dazu überreden ließ, mich als
Listengänger an einer Geldsammlung für die “Nationale Front” zu
beteiligen, will ich nicht unterschlagen, auch nicht, dass sie mich
verhafteten, weil ein Offizier der Bahnhofspolizei misstrauisch
wurde. Ich will auch nicht verschweigen, dass mich die Ehefrau des
späteren Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Frau Guter, da
herausholte und dass ich ihr daraufhin sagte: “So! Das war
unwiderruflich meine letzte politische Aktion”. (Was ich dann auch
konsequent bis zur Wende 1989 einhielt.)
Erika
erfuhr nur allmählich und in Bruchstücken, was sich zugetragen
hatte. Sie ängstigte sich zu Recht. Sie tadelte mich liebevoll: “Es
sind Leute eingesperrt worden, die viel weniger als Du gesagt haben.”
Ich musste ihr versprechen, mich vorsichtiger zu verhalten.
Nach
einigen Wochen hatte sie schon wieder Ursache mich zu bitten nicht so
leichtsinnig zu sein.
Sie
nahm meine Hände und schaute mich durchdringend an. Immerhin sei sie
schwanger. Ich erschrak. Die Anstrengung einer Geburt würde sie
nicht überleben, dafür war ihr Herz nach der letzten schweren
Erkrankung zu schwach. Ihre Ärzte hatten sie gewarnt. Wenn sie je
schwanger würde, müsste sofort ein Abbruch erfolgen. Deshalb hatte
sie zwei Monate vor der geplanten Hochzeit die Verlobung gelöst.
Aber auf meinen naiven Widerspruch hin heirateten wir dennoch. Und
nun das. Ich sagte nur: “Dann müssen wir den Ärzten gehorchen!”
Sie
schüttelte ihren Kopf ganz entschieden und ruhig setzte sie hinzu
“Ich werde mein Kind bekommen!”
Im
Frühling war es so weit. Stunde um Stunde kämpften dieselben Ärzte,
die sie vor einer Heirat und diesen Folgen gewarnt hatten, um ihr
Leben. Unser Sohn Hartmut war bereits da und schrie sich schon die
Luft aus den Lungen, da stürzte sie noch tiefer, immer tiefer.
Minütlich erwarteten die Ärzte den Herzstillstand. Ich saß vor
ihrem Zimmer, im Flur des Krankenhauses und verstand nicht viel,
außer, dass sie in höchster Lebensgefahr schwebte.
Aber
sie hatte doch einen Priestertumssegen bekommen!
Wie
benommen nahm ich die Menschen um mich herum wahr. Erst gegen
Mitternacht kam der Chefarzt, Dr. Prokop heraus und beruhigte mich,
schickte mich heim. Sie habe es geschafft. Sie war stark genug
gewesen über den schwindelnden Abgrund auf der schmalen Brücke
entlang zu balancieren. Hin zum Leben und zu mehr Freude.
Später
sagte sie, in Gedanken hätte sie sich nur noch an meinen Händen
festgehalten. Ich hätte ihr mit Liebe geholfen, über den tiefen
Abgrund zu gehen.
Wie
dankbar waren wir unserem Gott!
Weil
alles gut ausgegangen und überstanden war, reizte es mich allmählich
wieder, in hundert neuen Gesprächen mit fremden Leuten abzutasten,
wo meine Grenze lag. Mich interessierte viel zu sehr, was die einen
und die anderen über das Wie und Warum der politischen Entwicklung
in der DDR dachten. (Weniger als fünf Menschen habe ich im Verlaufe
der Jahrzehnte gefunden, die klug genug waren und trotzdem ganz und
gar hinter der Linie der Partei standen.)
Drei
Jahre lang arbeitete ich, bis Juni 1956, im ungeliebten Gärtnerberuf
in der Obstplantage Tollenseheim. Dort lernte ich H. Maque kennen,
den ehemaligen SED Kreissekretär von Neustrelitz. Er leitete die
bereits vor ihm ins Leben gerufene kleine Schule für LPG-Kader. Er
gehörte zu den fünf bedingungslos Überzeugten, die ich je gefunden
hatte. Aber er war ohnehin ein Sonderling.
Er
wünschte sich eine Riesenschule und er fand Gehör, denn er war ein
Macher. Sein derb geschnittenes Gesicht gefiel nicht nur den Frauen.
Wer ihn sah, respektierte ihn unwillkürlich als Persönlichkeit. Ihm
wurden erhebliche Geldsummen zweckgebunden für die Planungsphase
des Bauvorhabens zur Verfügung gestellt. Er konnte die Mittel gegen
Ende 1954 aber nicht mehr in vollem Umfang einsetzen. So kaufte er
statt dessen “Sportgeräte” ein. Darunter war ein Wellenbinder,
ein von einem Wartburgmotor angetriebenes, schnell fahrendes
Vorderkajütboot, die Verwirklichung des Traumes jeden sportlichen
Mannes. Es sollte fortan ausschließlich ihm zur Verfügung stehen.
Als die Revisionsfachleute später den Tatbestand dieser Fehlleitung
staatlicher Mittel aufspürten, drohten sie ihm. Aber weil er ein
mächtiger Mann war, wackelten sie bloß mit dem spitzen Zeigefinger:
“Genosse Maque! Genosse Maque!”
Das
war der ganze Preis, den der Mann der Tat für das zauberhafte
Kajütboot zahlte. Der Schulleiter Maque kümmerte sich nach
Anlieferung “seiner” Sportgeräte im Dezember vorrangig um seinen
Flitzer. Der Rest, die Paddelboote und ein Ruderrennboot, blieben auf
dem Vorgelände, unter einem mächtigen Apfelbaum, einige Zeit lang
ungeschützt liegen.
Zufälligerweise
hatten die Bauingenieure die zum Zweck der Geländevermessung
benötigten weißroten Messstäbe in der nahe liegenden Garage stehen
gelassen. Ich nahm damals einen dieser mit einer Eisenspitze
versehenen Stäbe in die Hand, wog ihn und warf ihn weit über den
Baum unter dem die Vierergig lag. Hausmeister Paul, ein Mann mit
Gardemaß, wollte es mir nachmachen. Ungeübt im Speerwurf, wog er
die kiloschwere Stange und schleuderte sie ungeschickt von sich. Sie
krachte mitten hinein in den nur zigarrenkästchendünnen Rumpf der
Gig. Sie zersplitterte. Der stark vibrierende Stab machte das sehr
teure Boot zu einem unreparierbaren Wrack.
Was
solange nicht möglich zu sein schien, veranlasste Hausmeister Paul
sofort. Sämtliche “Sportgeräte” wurden von ihm selber
wintersicher untergebracht. Das sollte für mich noch Konsequenzen
haben. Zuerst bugsierte er die Vierergig in die leerstehende Baracke
hinein. Alle anderen Boote baute er davor als Sichtschutz auf.
Für
seine “Umsicht” wurde er auch noch belobigt, ich dagegen
getadelt…
Herr
Maque hielt mich ohnehin für einen leibhaftigen Teufel, auch weil er
sich meine Verhaltensweise nicht erklären konnte. Alles Religiöse
erschien ihm und seiner Wirtschaftsleiterin, die ihm nie erlaubte
abends heim zu seiner Frau zu fahren, suspekt.
Wir
haben nur selten miteinander gesprochen. Er mochte mich nicht, weil
ein richtiger Mann, seiner Meinung nach, seine Standfestigkeit erst
nach dem zehnten Glas Kognak zu beweisen imstande war. Und überhaupt
in diesen modernen Tagen Mormone zu sein hielt er für eine
Unmöglichkeit.
Eine
junge Dame, die nach T. gekommen war, um Philosophievorlesungen zu
halten und die diese Differenz zwischen ihm und mir bemerkte, sprach
mich eines Tages unvermittelt an. Sie hätte gehört, dass ich jeden
Sonntag zur Kirche ginge. Vielleicht war sie neugierig auf meine
Ansichten, vielleicht wollte sie mich “hoffähig” machen. Sie
fing an, mit mir über das Thema Glauben zu reden. Sie gab vor, die
Paulusbriefe zu kennen. Das war aber nicht der Fall. Sie mochte das
eine und das andere Kapitel gelesen haben, mehr nicht.. “Erzähle
mir von Deiner Theologie”, sagte sie eines Tages seelenruhig und
schaute mir sekundenlang in die Augen. Ihre dunkle Stimme vibrierte.
Sie wollte, dass ich ihr auf ihre Stube folgte: “Oder hast du
Angst?”
Da
sie mein Zögern bemerkte, stellte sie mir eine interessante Frage.
Sie wartete aber nicht ab, ob und wie ich antworten würde, sondern
beklagte ihr Schicksal an der Seite ihres Mannes, der sie nie
verstanden hatte. Er hätte sie schließlich wegen einer anderen
verlassen und ihr Misstrauen gegen die Männer überhaupt sei
unüberwindlich. Während sie redete, verstärkte sich mein Eindruck,
dass sie keineswegs die Männerwelt hasste, nicht einmal einen
Bruchteil davon, geschweige denn die ganze. Ihre Blicke ruhten
wohlwollend auf mir. Sie schaute auf die Uhr und fragte: “Soll ich
uns einen Kaffee machen?” Das war die magische Formel, deren
expliziten Sinn jeder kennt. “Bitte keinen Kaffee!” erwiderte
ich, entschlossen mich korrekt zu verhalten.
Dabei
blieb es. Dann schwärmte ich ihr hinreichend von meiner Frau vor.
Einige
Tage danach überraschte sie mich im kleinen Essensaal bei einem
Gespräch mit einem Mann, der sich gerade über sie lustig gemacht
hatte. Sein polterndes Lachen hatte sich unverhohlen beleidigend
gegen sie gerichtet. Aber nicht ihn, mich schaute sie an, mit jenem
Ausdruck, der eine ewige Feindschaft beschwor.
Wenig
später, ich dachte kaum noch daran, sagte mir jemand mein
Gesprächspartner sei verhaftet worden. Unmittelbar darauf begegnete
ich ihr im Waschraum. Während wir aneinander vorbei gingen, fauchte
sie mich an, unmotiviert, wie ich im ersten Augenblick glaubte. “So
nicht!”
Kaum
hatte ich ihr den Rücken zugekehrt, lief es mir siedendheiß über
den Rücken. Mensch, Gerd Skibbe, sie haben euch abgehört!
Wie
konnte ich so naiv sein, so dumm? Ich hatte doch gewusst, dass Herr
Maque eine teure Gegensprechanlage in seinem Büro installieren ließ.
Wie konnte ich vergessen, dass diese Technik ihm und anderen
Mitgliedern der Hausleitung ermöglichte, nicht nur jederzeit in den
Unterrichtssaal hineinlauschen zu können. Direkt neben diesem Raum
lag der Speisesaal.
Sie
haben jedes Wort mitgehört.
Sofort
war mir alles gegenwärtig. Wie wir dagesessen und auf Ulbricht und
die DDR geschimpft hatten, auf das ganze verdammte System der
Seelenknechtung überhaupt. Mir fielen nach und nach sämtliche
Details des Gespräches ein. Die Angst stachelte es aus mir heraus.
Respektlos hatten wir auch die Philosophielektorin verhöhnt. Bis wir
auf Lenin zu sprechen kamen. Was der sich gegen seine Kronstädter
Matrosen herausgenommen, sei ein Skandal gewesen. Die wunderbaren
Jungs hatten den Mut gehabt, sich dreieinhalb Jahre nach der
Oktoberrevolution gegen die Unmenschlichkeit des System zu erheben.
Von ihren Schlachtschiffen “Sewastopol” und “Petropawlowsk”
aus haben sie laut protestiert, dass die Arbeiter in den Kronstädter
Staatsunternehmen “wie die Zuchthäusler zur Zarenzeit” behandelt
wurden. Trotzki habe sie deshalb, auf Lenins Befehl, zusammenschießen
lassen. Dafür allein hätte man ihn in Ketten legen sollen. Recht
plastisch hatte mir mein Gesprächspartner die Szene gemalt, wie die
Truppenteile der Roten Armee über das Eis des finnischen Meerbusens
vorrückten und dass sich die Artilleristen der eingefrorenen
Schlachtschiffe vergeblich gegen den Sturmlauf der in Weiß
gekleideten Angreifer verteidigten.
Nachdem
die Dame mich wie eine Giftschlange angezischt hatte, betrat ich den
Speiseraum mit einer einzigen großen Frage, schaute mich um, sah den
Lautsprecher gerade über meinem Stammplatz und wusste endgültig
Bescheid. In diesem Gerät befand sich, wie in den anderen auch, ein
Mikrofon.
Da
half alles Leugnen nichts. Ich hatte an jenem Tag noch eins drauf
gegeben. Man hätte Lenin nicht bloß in Ketten schlagen, sondern
auspeitschen sollen. Er habe nur schöngeredet und formuliert,
Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung, aber die böse
Realität des Sowjetstaates zeigte uns, dass Kommunismus nichts
anderes war als die absolute Herrschaft des bolschewistischen
Kommissars plus Hinrichtungen Unschuldiger.
Kaum
hatte ich diese Erinnerung Wort für Wort heraufbeschworen, erschien
Herr B.B. im Speiseraum. Er war einer der erst kürzlich
eingestellten Lehrer. Flegelhaft legte er seinen Arm auf die Schulter
der Philosophiedozentin und griente mich an, heimtückisch, wie mir
schien. Das Mittagessen schmeckte mir nicht.
Draußen
sah ich Herrn Maque auf mich zukommen. Ich bemühte mich, ihn nicht
merken zu lassen, wie aufgeregt ich war. Er kam mit
zusammengekniffenen Mundwinkeln auf mich zu, schwieg aber. So kam und
ging er immer. Nur diesmal deutete ich das für mich Schlimmste
hinein. Mir war zumute, als ballte er die Faust gegen mich. Was
sollte ich tun? Wenn die drei wirklich wussten, was der Mann G. und
ich geredet hatten, und wenn das stimmte dass sie G. deshalb schon
zum Zweck der Bestrafung verhaftet hatten, dann stand mir nichts
Gutes bevor.
Kurz
vor Feierabend trat Herr B.B. an mich heran. Ich war gerade im
Begriff, mein Fahrrad aus dem Keller zu holen. Er stellte sich
breitbeinig vor mich hin, verschränkte die Arme und sagte: “Was
subversive Tätigkeit ist, weißt Du.” Er verdrehte die Augen und
fuhr fort: “Wir werden Dich hopp nehmen lassen!” Sein langes
schmales Gesicht war blass. Statt ihn beherrscht zu fragen, weshalb
konkret er mir drohte, fiel ich in Panik. Er sagte nichts weiter,
sondern schaute mich nur an.
Herr
B.B. ging.
Ich
warf mir vor, so unklug gewesen zu sein, Lenin zu beschimpfen, dazu
in einer öffentlichen Einrichtung. Das war eine unverzeihliche
Sünde! Dafür wirst du bezahlen. Lenin darf alles. Im Namen der
Revolution darf er was er will und wenn sie daran alle verreckten.
Diese Ikone besudelte niemand ungestraft. Geschieht dir recht, dass
sie dich hoppnehmen. Ist es dir als Mormonen nicht ohnehin untersagt,
andere Menschen zu verurteilen? Hat Jesus nicht gelehrt “Richtet
nicht?” Gott und die Geschichte werden ihr Urteil sprechen, nicht
du. Was hast du dir da erlaubt?
Eiligst
fuhr ich heim. Panik hetzte mich vorwärts. Ich beichtete Erika alles
und sagte: “Packen wir unsere Sachen. Ich habe einen Fehler
gemacht. Gehen wir in den Westen! Stelle Dir vor, sie klopfen heute
Abend an unsere Tür.” Erika schaute mich ängstlich an. Meine
Hände zitterten. Es war genau das eingetreten, was sie so lange
schon befürchtete. Immer wieder hatte sie mir ans Herz gelegt, wenn
schon nicht an sie und mich selbst, wenigstens an Hartmut meinen
kleinen Sohn zu denken. Häufig genug waren Leute vom Arbeitsplatz
weg verhaftet worden. Manchmal nur wegen einer kleinen Denunziation.
Auf
der Stelle fuhr ich zu Otto Krakow, meinem Gemeindepräsidenten, um
ihn zu informieren, dass wir für immer weg in den Westen gehen
müssen.
“Gerd,
ich kann auf Dich nicht verzichten. Bleibe hier! Dir wird kein Haar
gekrümmt werden. Du hast nichts verbrochen. Du hast Deine Berufungen
als Lehrer. Subversiv, was heißt das? Hast Du was verbrochen?
Tollenseheim steht doch noch. Fürchte Dich nicht."
“Ja,
aber man muss bei den Kommunisten nichts verbrochen haben und wird
trotzdem eingesperrt.”
“Das
weiß ich!” erwiderte mein väterlicher Freund, der 1946 wider
Willen von der SPD in die SED übernommen worden war und wegen seiner
Treue gegenüber der Kirche gerade seinen Austritt aus der Partei
erklärt hatte. “Ich habe das sichere Gefühl, dass Dir nichts
geschieht!”
“Soll
ich mich auf Dein oder auf mein Gefühl verlassen?”
“Wie
in so vielen anderen Fällen, verlasse Dich auf Gott.”
Ich
dachte: Du hast gut reden. Was ich selbst tun kann und muss, wird
kein allmächtiger Gott für mich erledigen. Seine allerhöchste
Majestät im Weltall hat mehr zu tun…
Sonderbarerweise
wurde ich während der nächsten Minuten innerlich ruhig. Ich konnte
alles noch einmal in Gedanken durchspielen. Mit nicht wenigen
Lehrgangsteilnehmern hatte ich geredet. Einige waren kritischer als
ich gewesen. Es war nicht erwiesen, dass mein Gesprächspartner G.
eingelocht worden war. Er konnte in den Westen geflohen sein. Tag um
Tag liefen den SED Machthabern so viele Menschen sang- und klanglos
davon. Sie fuhren nach Westberlin und kehrten nie wieder zurück.
Ein
Gedanke war es der mich schließlich umstimmte: wenn sie ihn
verhaftet hätten, wären sie längst auch bei mir gewesen.
Dennoch
war denkbar, dass sie G. zur selber Zeit in einem geheimen Zimmer
verhörten. Alles war in diesem Staat möglich.
Aber
wenn es nicht meine Äußerungen über Lenin waren, was war es dann?
Nur aus seiner Laune heraus hatte B.B. mir gewiss nicht gedroht. Da
dachte ich plötzlich an die angekohlten und versengten
Omorikafichten und an den davor stehenden Holzschuppen. Mir fielen
sämtliche Sünden ein. Sie haben die zerstörte Vierergig entdeckt.
Die werden sie mir am Montag präsentieren. Ich sah mich schon im
Geist in Tollenseheim ankommen und B.B. dastehen, wie der mich mit
seinem höhnischen Grinsen heranwinkt. Das war es. Immer noch schlimm
genug.
Ich
hatte vor wenigen Tagen an einem trockenen Märztag die Wiese
abgebrannt und verlor dabei die Kontrolle über die Laufrichtung des
Feuers Lediglich unter Aufwendung meiner letzten Kraft konnte ich
verhüten, dass die Baracke in Brand geriet. Ich wusste, dass ich
dabei beobachtet wurde. Immer wieder hatte ich mich in die Flammen
geworfen und Brandstrecken gelöscht. Die lodernden, trockenen Ranken
der wilden Clematis am Fuß der Omorikafichten hätten allerdings um
Haaresbreite noch alles zunichte gemacht. Denn die Bäume befanden
sich in unmittelbarer Nähe des Holzschuppens, der dann natürlich
nicht zu retten gewesen wäre. Ich sehe heute noch die zerfetzte
Vierergig vor mir, aufgestapelt hinter den anderen Sportbooten in
diesem Holzhaus.
Dachten
Herr Maque und B.B. nun, dass ich das Feuer in der Absicht gelegt
hätte, diesen Schuppen “zufällig” abbrennen zu lassen?
Dann
hätte ich doch nicht wie ein Berserker gekämpft, um genau das
abzuwenden.
Die
Frage der Schulleitung könnte folgendermaßen lauten: Wer hat die
extrem teure Vierergig zerstört? Und in welchem Zusammenhang damit
stand das leichtsinnige und im Grunde überflüssige Abbrennen der
großen Liegewiese?
Wenn
sie sich das so fragen sollten, dann sah es für mich immer noch
trübe aus. Ihr Schluss könnte sein: der ideologische Wirrkopf
Skibbe richtet Schaden an, wo er kann. Ideell und materiell. Seine
Tätigkeit ist generell subversiver Art.
Wie
sollte ich je klar machen, dass ich an der Zertrümmerung der Gig
zwar direkt beteiligt, aber unschuldig war?
Niemand
hätte von dieser Bootszerstörung erfahren, wenn das Holzhaus
abgebrannt wäre. Die Schulleitung könnte nun annehmen, ich hätte
die Baracke auf dem Gewissen um die Spuren meines Verbrechens zu
verwischen, und zwar noch vor der Entdeckung des Schadens bei einer
zu erwartenden ersten Benutzung des Bootes. Dass sie sich das so
zusammenreimen könnten beschäftige mich enorm. Allerdings: wenn
dies der Grund für die an mich ergangene Drohung war, dann
allerdings musste Herr Maque es sich zweimal überlegen, ob er mich
dieses Verdachtes wegen vor den Kadi stellen durfte.
Denn
dann wäre dieser Fall auch seiner geworden. Seine Fehlleitung
staatlicher Mittel wäre an die große Glocke gekommen. Und das
wiederum wäre ihm wahrscheinlich schlecht bekommen. Sie wollten mir
bloß eine eindrucksvolle Lehre erteilen! War das des Pudels Kern?
Aus
der unverzeihlichen Sünde der Beschimpfung Lenins wäre
glücklicherweise die lässliche der Zerstörung eines Bootes
geworden. Ich konnte kaum den Montag erwarten. Erregt fuhr ich zur
Arbeit.
Doch
es geschah nichts. Ich ging in den Holzraum, in dem die Sportboote
nach wie vor fein hintereinander aufgestapelt dalagen. Und immer
noch, ganz verdeckt befand sich die zerfetzte Gig in tiefster
Verborgenheit.
Nun
wusste ich gar nichts mehr.
Hätte
ich zu Herrn Maque gehen sollen, um den Hausmeister Paul anzuzeigen?
Das schien mir ebenso unmöglich wie jeder andere Schritt.
Ich
wollte da weg von dieser Arbeitsstelle. Es musste doch eine Tätigkeit
geben, die mir gefiel und bei der ich nicht mit dem Staat und seinen
Getreuen ständig in Konflikte geriet.
So
kam das Jahr 1956.
Damals
wurde ich von Walter Krause zum Distriktmissionar berufen.
Zeitgleich
verteilte die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher
Kenntnisse eine Reihe atheistischer Aufsätze. Sie gaben uns eine
klar vorgefasste und deshalb negative Antwort auf die Frage vieler
Menschen, ob es ein Weiterleben nach dem Tode gibt.
Die
Argumentation der Verfasser lautete: wir haben die Personen befragt,
die bereits gestorben aber reanimiert wurden. Ihre Antwort lautete in
allen Fällen: Nein!
Das
mussten wir so zur Kenntnis nehmen und natürlich bedenken. Ich sehe
mich immer noch in unserer fünfköpfigen Priesterschaftsklasse
dasitzen und höre mich über dieses Thema positiv reden.
Was
wir nicht ahnen konnten: bald sollte es neue Aussagen geben. Nur
wenige Jahre später, nachdem die medizinische Wissenschaft
beträchtlichen Fortschritt gemacht hatte und zunehmend mehr
Todeskandidaten durch ärztliche Kunst gerettet werden konnten,
traten in der Öffentlichkeit immer mehr Menschen auf, die
Gegenteiliges berichteten .
Immer
noch glücklich verheiratet und darauf aus, doch noch etwas aus
meinem bis dahin verpfuschten Berufsleben zu machen, auch begierig
auf Erfolge und finanzielle Mittel, um aus dem Elend herauszukommen,
folgte ich meiner Intuition. In der Presse hatte ich nämlich die
Annonce gefunden: "Tollensefischerei sucht Saisonkräfte".
Sofort nahm ich diese Notiz als meine Chance an. Meine schöne Frau
warnte mich: “Überlege Dir gründlich, was Du tust. Selbst wenn
sie Dich nehmen, dann ist es nur für ein paar Wochen.”
“Ach
was, ein Abenteurer wie ich kann nicht bloß in einem Büro sitzen
und tote Zahlenkolonnen zusammenrechnen.” Darüber würde ich
einschlafen.
“Sie
behalten Dich nicht. Du bist nur Hilfskraft ohne Rechte, ein
Berufsfremder. Schlage die anderen Möglichkeiten, die sich Dir jetzt
bieten, nicht aus.” Ich hätte nämlich anfangen können als
Statistiker in einem Vertriebsgeschäft für medizinische Geräte zu
arbeiten.
Doch
ich war entschlossen, Fischer zu werden. Ich stellte es mir
angesichts des nahebei liegenden schönen Tollensesees ideal vor,
täglich auf dem plätschernden Wasser umherzufahren.
Sie
nahmen mich tatsächlich an, sagten jedoch, es sei nur für sechs
Wochen.
Ich
hoffte, ich könnte die sechs Wochen verdoppeln, verzehnfachen,
verhundertfachen. Meine Illusion war, ich könnte ein erfolgreicher
Fischfänger werden und sie beeindrucken. Ich brauchte diesen Erfolg.
Doch
schon am ersten Tag meines neuen Lebens stürzte es wieder über mich
herein. Der Altkommunist H. Göck, Chef der
Bezirksparteikontrollkommission der SED, hatte sich in den Kopf
gesetzt, alle Fischerleute zum Kommunismus zu bekehren. Da saßen wir
an jenem ersten Nachmittag, bevor es zum Nachtfischen hinausging, und
wurden von ihm bearbeitet. Was wir schon bis zum Verdruss im Radio
gehört und auf den allgegenwärtigen Propagandaplakaten gelesen
hatten, das trug er uns noch einmal vor: Aller Menschen Heil und
aller Segen der Gegenwart und Zukunft kann nur aus dem Moskauer Kreml
kommen!
Von
uns, der Klasse der Arbeiter und Bauern, erwarte er sozialistische
Parteilichkeit. “Den amerikanischen Kriegshetzern muss man die
geballte Arbeiterfaust unter die Nase halten.”
Für
diesen hochgewachsenen, nicht unsympathischen Mann, den ich da erst
kennen lernte, war es selbstverständlich, dass ihm “seine”
Fischer unbesehen zustimmten. Solange wie wir nun schon in seinem
geliebten Arbeiter- und Bauernstaat lebten, musste und konnte es gar
nicht anders sein. Es sei doch schließlich unser aller Staat, dieser
Staat der Arbeiter, Bauern und Fischer.
Wusste
H. Göck nicht, dass die Mehrheit der einfachen Menschen den
DDR-Staat eindeutig ablehnte? Elf Jahre nach dem Krieg mangelte es
oft am Nötigsten. Die SED mischte sich überall ein. Es liefen zu
viele Leute in Uniform umher. Es gab diese oft angsteinflößende
Schnüffelei. Und immer wieder diese nervende, seelentötende
Propaganda, diese elende verlogene Schwarz-Weiß-Malerei. Hunderte
von Plakaten, Brettertafeln und Aushänge aller Art umgaben uns. An
sämtlichen öffentlichen Gebäuden hingen diese Werbeträger mit den
Parolen vom Sieg des Sozialismus. Bei uns im Osten sei alles gut,
drüben, im Westen, sehe es trostlos aus. Aber jeder konnte
vergleichen. Bei uns ging es nur langsam vorwärts, aber im Westen,
gab es unübersehbaren wirtschaftlichen Aufschwung. Täglich
verkündete RIAS, wie die Wechselkurse Ostgeld zu Westmark standen.
Vier zu eins, vierkommafünf zu eins, das war die Regel damals.
Die
Realität sprach wirkungsvoller über die Themen Arbeitsproduktivität
und Effizienz der Volkswirtschaft als Kurt Hager in seinen Aufsätzen
im ND.
(
Noch Jahre später hieß es : Keine Butter, keine Sahne, auf dem Mond
die rote Fahne.)
Wohin
die Reise noch gehen sollte, stand in Stalins Schrift "Geschichte
der KPdSU, kurzer Lehrgang" geschrieben. Jede einzelne Etappe
lag fest. Aber jedermann sah es mit Betroffenheit voraus: die
Verstaatlichung aller Handwerksbereiche würde uns auf jeden Fall
nichts Gutes einbringen. Aber niemand konnte sich gegen den Lauf des
Sozialismus stemmen. Was die wenigen wirklich überzeugten
Kommunisten wollten, das setzten sie, vermittels ihres geheimen
Machtapparates, auch durch.
Letztlich
standen siebzig, in der DDR stationierte, sowjetrussische
Armeedivisionen vor und hinter ihnen.
Sozialismus
bedeutete: Staatliche Lenkung sämtlicher Initiativen,
Kollektivierung und die Vereinheitlichung des politischen Denkens.
Viele hatten vor dieser Entmündigung panische Angst. Lieber
verließen sie ihre Heimat, sogar die Bauern ließen ihre von den
Eltern überkommenen Wirtschaften im Stich als sich dem großen
Diktat zu beugen. Insbesondere fühlten sich die Mittelbauern
unerträglich bedrängt. In Ballwitz, in der Nähe von Burg Stargard
hatte ich gerade ein junges Bauernehepaar gesehen das mir sagte, ihre
Familien pflüge seit mehr als zweihundert Jahren dieselbe Scholle,
nun würden sie in den Westen flüchten. Die junge Mutter trug ein
einjähriges Kind auf dem Arm, das andere hielt sie an der Hand. Sie
schaute mich mit einem Ausdruck von Hilflosigkeit an, der mir
unvergesslich blieb. Es war die Summe der vielen kleinen geschickt
oder plump angewandten Schikanen von Leuten, die glaubten, jetzt sei
ihre Stunde gekommen. Wusste H. Göck das nicht?
Ich
schaute ihn von der Seite an.
War
ihm entgangen, dass gerade zu dieser Zeit in der Presse von dem
Wissenschaftsstreit berichtet wurde der um Professor Stubbe’s
Kritik entbrannt war.
Endlich
war da einmal von Meinungsverschiedenheiten die Rede gewesen.
Altgediente
Untadlige, wie Dr. Stubbe, sollten vertreten, was ihnen ihr Wissen
und Gewissen verbot. Sogar mir war klar, dass Herr Lyssenko und die
sowjetische Dame Lepischinskaja Falsches lehrten. Professor Stubbe
nahm sich heraus diesen beiden Sowjetexperten öffentlich zu
widersprechen. Er weigerte sich zu glauben, dass eine Roggenpflanze
zwischen der achten bis zehnten Tochtergeneration zu einer
Weizensorte mutieren kann wenn sie immer wieder zwischen
Weizenbestände gesät und im Weizenfeld aufwächst (unter
Spezialbehandlung des Saatgutes) .
Was
hier um jeden Preis bewiesen werden sollte, lag auf der Hand.
Es
ging um die These, dass die Umgebung den Menschen formt und dass die
“sozialistische Wissenschaft” und das sozialistische Sein einen
ganz neuen Menschentyp herausbringen wird.
Das
war ihre “Masche”, wie wir damals spotteten. Sie verbogen jede
Tatsache, wenn ihnen das sinnvoll oder ideologisch notwendig
erschien.
Selbst
Mendels Erbgesetze hatten hinter Mitschurins “Erfahrungen”
zurückzustehen. Stubbe kritisierte und bezweifelte das. Gesicherte
Erkenntnisse in Genetik wurden als Weißmannismus-Morganismus
diffamiert. (Morgan erhielt 1933 den Nobelpreis für seine
Genkartierung)
Nicht
die organisch heranwachsenden Erfordernisse bestimmten den
Entwicklungsverlauf, sondern das Parteiprogramm Suslows und Stalins.
Um eben diesen Punkt drehte sich auch diese für mich erste Schulung
im Fischerkreise. Sie fand in dem vier mal vier Meter “großen”
Kulturraum der Genossenschaft statt. Dreizehn Leute saßen trotzig
schweigend da. Jeder hatte seine eignen Gründe ablehnend zu sein.
Einer
der jüngeren Männer, Otto Görß, das Genie unter den Fischern,
konterte Göck aus. (Er hatte die einzige im ostdeutschen Raum
funktionierende Unterwasserschilfschneidemaschine konstruiert, selbst
gebaut und erfolgreich zum Einsatz gebracht.) Er habe während des
Krieges weite Teile des riesigen Imperiums Sowjetunion kennen
gelernt, sowohl die vielen strohgedeckten Hütten als auch die
Kulturpaläste und viele ihrer einfachen Menschen. Er warf H. Göck
vor: “Ihr macht alles mit Gewalt!” Die steinharte kommunistische
Machart verursache ihm persönlich Magendrücken. Die
Rücksichtslosigkeit, mit der die Welt befriedet, aber auch
reglementiert und unterworfen werden sollte, läge brutal offen.
Otto
sagte dem Werber Göck furchtlos, was er dachte.
So
hätte ich es nicht zu äußern gewagt. Aber er, der Vater von sechs
Kindern, sagte sich wahrscheinlich er habe nichts zu verlieren. Der
Altkommunist Göck schaute ausgerechnet mich beistandsuchend an.
Dermaßen ungeschminkt war ihm schon lange keiner gekommen.
Wenigstens von den Jungen hatte er volle Zustimmung erwartet.
Ich
gab den aufmunternd gemeinten Blick zwar freundlich zurück konnte
mich jedoch nicht bremsen, wenigstens zu sagen: “Nachdem ich
Chrustschows Enthüllungen auf dem XX. Parteitag der KPdSU gründlich
gelesen hatte, bin ich mit Otto einer Meinung.” Ziemlich schnell
setzte ich hinzu: “Ich habe mir die Zeitungsberichte des 'Neuen
Deutschland' vom Februar aufgehoben.” Göck verzog den Mund. Aber
ich gab noch eins oben drauf: “Da muss sich noch viel ändern.”
Göck verschluckte sich: “Enthüllungen. Was für Enthüllungen?”
Er
schaute mich durchdringend an. Er war völlig überrascht, dass da
noch jemand war der ihm widersprechen wollte, dazu noch ein Neuling
der als Nichts aus dem Nichts auftauchte und sich herausnahm, ihm dem
berühmten Göck, die Stirn zu bieten. “Ja und?” fragte er mit
knarrender Stimme zurück, wahrscheinlich hoffend, dass ich nichts
Konkretes sagen könnte. Aber da irrte er sich. Ich war in meinem
ureigensten Element. Zeilenweise hatte ich mir die wichtigsten Sätze
seines Generalsekretärs Walter Ulbrichts gemerkt. Nun war es endlich
heraus: Stalin hatte seine eigenen kommunistischen Genossen verfolgt
und getötet.
Wen
wollte Göck rügen? Mich?
Ulbricht
hatte sich allerdings, wie zwischen den Zeilen zu lesen war, nur
zähneknirschend von Stalin distanziert.
Er
war das große Ungeheuer von dem der Westen immer geredet und gewarnt
hatte.
In
alledem fand ich bestätigt was ich in den zurückliegenden vier
Jahren herausgefunden hatte, nämlich, dass
marxistisch-leninistisches Denken eine Entwicklung in die falsche
Richtung zulässt. Der Ansatz war falsch. Der Wunsch seitens der
Ideenträger war, die menschliche Seele umzubiegen, sie
zurechtzubiegen.
Ich
trug meine negative Analyse allerdings nur vorsichtig vor. Soviel
stand nun fest: der Kommunismus entwickelte zu wenig Motive gegen die
Lüge.
H.
Göck fragte mich direkt, wer ich bin und ich sagte ihm unumwunden:
“Ich bin ein aktiver Mormone.”
Innerlich
hat er sicherlich gestöhnt: auch das noch! Zugleich sah er ein, dass
ich mir über seine Ziele längst mein Urteil gebildet hatte. Das war
es was mich an meiner Kirche faszinierte. Es ging immer nur um die
Wahrheit. Ich hatte von meinem Vater gelernt, dass Unwahrheiten unter
gar keinen Umständen ein tragfähiges Fundament bilden.
Mit
Ausnahme der Tage meines Intermezzos mit der verheirateten Frau in K.
war für mich nichts anderes wichtiger gewesen als die
Wahrheitssuche.
Das
Letztere behielt ich natürlich für mich.
Jeder
sah dem hageren Gesicht Göcks an, wie stark es in ihm arbeitete und
wie sehr er sich ärgerte.
“So
nicht!” schrie er unbeherrscht los, weil ihm sein Auftritt dermaßen
misslungen war. “So lässt sich die Staatsmacht nicht auf der Nase
herumtanzen.” Er beteuerte seinen festen Willen, alles zu tun, um
diejenigen zu Verstand zu bringen, die damit noch ihre Probleme
hätten. Er ging offensichtlich bitter enttäuscht heim. Wir aber
fuhren zum nächtlichen Fischfang mit dem marodesten aller Kutter,
die ich je gesehen habe auf den 18 Quadratkilometer “großen”
Tollensesee, der sicherlich zu den schönsten Norddeutschlands
gehört.
Wir
standen noch Stunden später nachdenklich da, zogen die ausgelegten
Netze herein und tauschten in dieser langen, gewittrigen Nacht unsere
Gedanken aus. Mir gellte immer noch der Ausruf des galligen Genossen
H. Göck in den Ohren: “Entweder steht man links oder rechts! Wer
zwischen die Fronten gerät, wird zermalmt.” Wobei er mich ernst
angeschaut hatte.
Seine
Art zu werben war das. Vermutlich hielt er sich für einen großen
Menschenkenner. Sah er wirklich nicht, dass uns dieses kompromisslose
und überharte “Die oder Wir!” erschaudern ließ? Das war so
leicht gesagt, als handele es sich um Krankheitserreger, die man
bekämpfen muss, um zu überleben und nicht um Menschen und
Menschenschicksale.
Nicht
einer der dreizehn Männer hatte dem Mann Göck zugestimmt. Keiner
wollte sich seiner Partei anschließen. Dabei begehrte er so sehr,
aus jedem von uns einen Kommunisten zu machen oder wenigstens einen
sowjetparteilichen Sozialisten. Mit dem Gruß, er würde
wiederkommen, hatte er uns entlassen!
Auch
wenn ich seine Art nicht mochte, das Recht auf seine andere Gesinnung
gestand ich ihm innerlich zu, aber auch mir stand es zu sowie jedem
katholischen oder evangelischen Geistlichen, jedem Freidenker, jedem
wahren Muslimen.
Fast
alles, was ich je befürchtete hatte war in den Frühlingstagen des
Jahres 1956 durch die in der Parteipresse der DDR verbreiteten
Offenlegungen bestätigt worden. Es hatte in Russland den
landesweiten Terror der zwanziger und dreißiger und vierziger und
fünfziger Jahre gegeben. Das konnte niemand mehr leugnen.
Diese
Menschenjagden waren durch nichts weiter als den krankhaften Argwohn
des Diktators Stalin begründet (den allerdings Hitlers
Stellvertreter Heydrich geschickt forciert hatte, was dazu führte,
dass der in der Roten Armee beliebte Marschall Tuchatschewskij im
Handumdrehen von der Tscheka ermordet wurde.)
Im
Ersten Arbeiter- und Bauernstaat wurden wegen der Wahnvorstellungen
eines einzigen Mannes hunderttausende unschuldige Menschen
umgebracht, Millionen wurden von der nackten Angst gehetzt – und
die ganze große Partei konnte nichts ändern! Schlimmer als zu
römischen Sklavenhalterzeiten galt im kommunistischen Imperium der
Einzelne nichts. Keine Institution in der riesigen Sowjetunion konnte
ihm Schutz bieten. Monatelang, jahrelang, jahrzehntelang ging das so!
Selbst die bis an die Zähne bewaffnete Armee konnte nichts dagegen
tun und eben diese Handlungsunfähigkeit der mächtigsten
Institutionen des Landes zeigten mir, dass sie keine humanistische
Funktion erfüllten. Alle waren ratlos gewesen angesichts der sich
verselbständigenden mörderischen Maschinerie, deren Teil sie
zumeist ungewollt waren.
Seit
dem XX. Parteitag der KPdSU wussten wir es nun amtlich. Ich sah alles
bildhaft vor mir. Es hätte den Protestschrei der ganzen Menschheit
auslösen müssen.
Eben
deshalb war ich selber mehr denn je Mormone!
“Wir
hatten Angst”, antwortete sogar Nikita Chrustschow während der
Konferenztage auf anonyme Anfrage, warum Männer wie er den Mund
gehalten hätten. Angst. Ja, es sei wahr, er habe sogar den Krakowiak
auf Wunsch des unberechenbaren Diktators getanzt. Seine Genossen
lachten nicht wirklich, als er das berichtete. Sie stellten sich vor,
sie persönlich wären an Stelle dieses Pyknikers gewesen und sie
hätten, wie er auf dem tückisch blanken Kremlparkett die Beine um
ihr Leben werfen müssen. Wie er hätten sie die zitternden Knochen
herumschleudern müssen und wie er angstschwitzend noch gelächelt,
bloß weil der schnauzbärtige Isegrim es ankommandierte. Genau wie
der Genosse Nikita Sergejewitsch hätten sie gebangt, na, ist der
Satan Stalin zufrieden oder schickt er dich nach Workuta, ins
Jenseits des Polarkreises?
Chrustschow
hatte in seiner erst später bekannt gewordenen Geheimrede noch viel
mehr enthüllt. Das waren Worte wie Hammerschläge gewesen,
unüberhörbar, zutreffend, wie Luthers Thesen. Und wie seine Sätze
in wenigen Wochen jedes Deutschen Herz für Luther einnahmen, so
nahmen alle Hörer die Anklagen Chrustschows mit großer Hoffnung
auf. Fast hätte er dem alten System den Todesstoß versetzt. Aber er
war eben kein Luther.
Angst
kann nicht das Mittel einer gerechten Herrschaft sein. Im Buch
“Köstliche Perle”, im vierten Moseskapitel fand ich jedes Mal
die Bestätigung für die Existenz des eigentlichen Verursachers
dieser Angst, von dem auch Nephi und Jesaja unmissverständlich
gesprochen hatten…. der nach Lehis Worten danach trachtet alle
Wesen so unglücklich zu machen wie er selber ist.
Auch
deshalb beschloss ich noch eifriger in der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage mitzuarbeiten um Menschen zu finden die
sich ihr anschließen möchten, weil es, wie wir sahen, gar nicht
anders ging als das Gesetz der Nächstenliebe und der Furchtlosigkeit
zu leben, sowie den Grundsatz des Individualrechtes auf
Entscheidungsfreiheit in jedem Menschenherzen zu festigen.
Ich
wollte wenigstens so viel erreichen, dass meine Gesprächspartner den
Wahrheitsgehalt des Buches Mormon prüften. Was die meisten höflich
aber bestimmt, aus tausend verschiedenen Gründen, ablehnten. Fast
jeder war sonderbarerweise von vornherein überzeugt, dass solche
Prüfung nichts einbringen würde. Dennoch brachten Kurt Meyer und
ich vier Menschen zur Kirche.
Mir
gefiel die Arbeit in der Fischerei, weil sie interessant war. Jede
Minute änderte sich das Gesicht meiner Umgebung. Jeder Morgen zeigte
uns, wie es schien einen neuen See. Wie der Himmel sich färbte, so
widerspiegelte ihn das Wasser. Sturm oder Windstille, Abendstimmung
und Sonnenaufgang änderten den Ausdruck des Gewässers. Fangerfolge
und Niederlagen, steigender oder sinkender Verdienst je nach Glück,
je nach Bemühen, das Gefühl und die Tatsache, zugleich
Glücksspieler und Fleißarbeiter zu sein, bestimmten den Rhythmus
meiner Tage. Das war die Rolle meines Lebens. Ich liebte es und
durfte schließlich in der Fanggenossenschaft bleiben, weil die
Männer sahen, dass ich das Fischefangen mit ganzer Hingabe betrieb.
Sie stellten mich fest ein. Sie schmunzelten zuerst, diese
Naturkinder, lästerten aber nicht, weil ich mitunter, während der
Fahrt zu den Fangplätzen, im Boot in der Bibel las. Sie haben mich
nie wirklich belästigt und mich nie genötigt Alkohol zu trinken.
Mehrheitlich
mögen meine Fischerkollegen nicht sehr belesen gewesen sein, aber
das Handbuch für Toleranz und Ehrlichkeit beherrschten sie gut. Sie
hatten noch nie einen Fischer in ihren Reihen gehabt, der auf dem See
Gedichte schrieb. Aber da ich auch etwas zu Papier brachte, über das
sie lachen konnten, hatte ich bald ihre Herzen gewonnen.
Einmal
musste ich schnell einen Artikel über die Fischerei für die Zeitung
schreiben. Ich brachte die kleine Adler-Schreibmaschine mit in die
enge Kutterfahrerkabine. Die Männer schauten auf, keiner sagte
etwas. Unmittelbar vor und neben uns tuckerte der schwarze, uralte,
langsamlaufende Dieselmotor. Da er im Winter angenehme Wärme
verbreitete, hockten wir oft eng beieinander und nahmen die
dazugehörenden Unannehmlichkeiten gern auf uns. Einer der Männer
zog sich die Schreibmaschine auf den Schoß und hielt sie mir
arbeitsgerecht hin. So konnte ich die Arbeit während der üblichen
Fahrstunde zu Ende bringen. Sogar an den Entwurf zu einem Drama wagte
ich mich heran, schrieb ganze Teile von ihm in der schwarzen Kabine.
Es sollte “Philipp und seine Maurisken” heißen. Das Ergebnis gab
ich einem Dramaturgen des Friedrich Wolff Theaters in Neustrelitz.
Nachdem er es gelesen, bemerkte er, dass ich absolut keine Ahnung vom
Theaterspielen hätte. Ich solle Harald Hausers Stück “Der
himmlische Garten” studieren und mir besonders die Regieanweisungen
des Autoren ansehen. Dann würden sie mich einladen und mir zeigen,
was sich vom Standpunkt der Theaterleute aus rings um die Bühne
herum ereignet. “Sie haben ein paar sehr schöne Verse geschrieben,
aber so wie Sie das Stück angelegt haben, ist es unspielbar.”
Ich
wusste nicht, dass die Dramaturgen mich dem Leiter der damals gerade
gebildeten Gruppe “Junge Autoren”, Horst Blume, empfohlen hatten.
So erhielt ich überraschend eine Einladung zu einer Arbeitstagung.
Ich nahm sie an. Mir gegenüber saßen Alfred Wellm und Joachim
Wohlgemuth. sowie, zu meinem Erstaunen noch ein anderer
Binnenfischer, Gerhard Diekelmann aus Kummerow. Im Schulungsteil
meiner ersten “Junge-Autoren-Tagung” ging es um Inhalte der Rede
des Genossen Surkow auf dem XX.Parteitag. Surkow forderte, dass die
Literaten die Schwäche der äußerst unzulänglichen Behandlung der
theoretischen Probleme der marxistischen Ästhetik überwinden
müssten. Das Leben selbst beweise, dass ein Schriftsteller, der dem
Leser ein kluger und geschätzter Berater sein wolle, beim Aufbau des
Kommunismus selbst in vorderster Front stehen müsse. “Freunde und
Genossen,” sagte Horst Blume zusammenfassend, “wir haben keine
andere Aufgabe und kein größeres Anliegen als dem Aufbau des
Sozialismus von ganzem Herzen und mit unserer Kunst zu dienen.”
“Das
hast du doch gewusst!” sagte ich mir, “oder hast du etwas anderes
erwartet?” Mein Wunsch, lernen zu wollen, war jedoch größer als
meine Sorge, wieder einmal anzuecken. Schließlich konnte ich denken
und schreiben, was ich wollte. Das Handwerk des Schreibens zu
erlernen war mir wichtiger, als mich schon wieder in unfruchtbare
Grundsatzdiskussionen zu stürzen. Deshalb hielt ich mich, zunächst,
sehr zurück. Ich sagte mir auch, vielleicht wandelt sich das Gesicht
des Kommunismus doch noch zum besseren.
Joachim
Wohlgemuth las an diesem Tag aus seinem Entwurf zu “Egon und das
achte Weltwunder.” Die Kritik an der Person Egon, die er
beschrieben hatte, war recht scharf. …
In
der nächsten Zusammenkunft sollte ich vorlesen. Ich bereitete mich
gut vor. Nach höchstens drei Minuten wurde ich unterbrochen.
“Schreiben kannst Du ja, aber was soll das? Was gehen uns die
spanischen Granden und Herrschaften an? Wen willst Du damit
erleuchten, hilft das unserer Sache des Sozialismus? Bringe bitte
nächstes Mal eine brauchbare Geschichte mit.” Aus.
Dabei
hatte ich mir vorgestellt, dass ein historisches Drama alles hergeben
könnte. Es kann Kenntnisse über eine wichtige Epoche der Geschichte
vermitteln und lässt Schlussfolgerungen daraus zu. Meine Absicht
war, einen geschichtlichen Vergleich zwischen Damals und Heute zu
ziehen. Hier die untaugliche Diktatur der Kirchlichen, da die
gefährliche Diktatur des Kreml. Obwohl zwischen den Geschehnissen
Jahrhunderte lagen, erwiesen dieselben Fehler gleiche Folgen.
Mein
Stück sollte zeigen, wie bedeutend die spanischen Araber gegen Ende
des Mittelalters geworden waren, wie viel wir Abendländer von ihrem
Wissen und Können profitierten und wie wenig wir es ihnen gedankt
haben. Meine Absicht war darzustellen, dass Spanien trotz bester
Voraussetzungen, Europas führende Nation zu bleiben, als Staat an
seiner ideologischen Engstirnigkeit zugrunde gegangen war. Philipp
II. (und auch seinem unfähigen Sohn und Nachfolger Philipp III.)
halfen all diese Goldzufuhren aus der Neuen Welt nur wenig. So wenig,
wie den Sowjets das Gold der Kolyma wirklich weiterhalf.
Indem
die führenden christlichen Spanier ihre moslemischen Mauren, ihre
fleißigsten Ackerbauern und Landschaftsgärtner, verfolgten und
drangsalierten, legten sie den Grund zur Zerstörung ihres eigenen
Werkes. Sie waren der törichten Überzeugung gewesen, es sei
Christenpflicht, Andersglaubende mit der Peitsche zu Jüngern Jesu zu
machen. Die Folgen dieser Sünde sollte ihnen das Rückgrat brechen.
Umgekehrt gab es während der Jahrhunderte der ungebrochenen
Maurenherrschaft auf der iberischen Halbinsel tatsächlich
Glaubensfreiheit und die daraus erwachsenden Segnungen der
Zivilisation. Juden, Muslime und Christen durften verehren, wen und
wie sie wollten. Sie gingen in ihren spanischen Kalifaten wie
Menschen miteinander um. Aber als schließlich die Fahne des
siegreichen Kreuzes auf der Alhambra Granadas wehte und das Kreuz
über den Moscheen errichtet wurde, kam sofort auch die
Gewissensknechtung zum Vorschein. Und als Konsequenz die brennenden
Scheiterhaufen.
Aus
Mitbürgern moslemischen Glaubens wurden Ketzer. Die herrschende
spanische Klasse duldete kein Ketzertum. Es gab nur das diktatorische
Entweder-Oder. Das Leben nach ihren Regeln oder den Tod.
Keine
Nation zwischen 1500 und 1600 war so mächtig, so einflussreich wie
Spanien gewesen. Aber was haben die Regenten des Reiches aus ihren
Möglichkeiten gemacht? Ein Reich der Inquisition, der
Gedankenüberwachung durch gewisse Organe, die ich im
Staatssicherheitsdienst wieder erkannte! Überall traf ich diese
Parallelen an. Die Neustrelitzer Theaterleute sahen trotz der enormen
Schwächen, die mein Sujet zeigte, seine Aktualität. Die Erkenntnis
war, dass eine Armada an Kriegsgerät kein Garant für Fortschritt
und Bestand ist, dass keine noch so starke Armee Güte und
staatsmännische Weisheit ersetzen kann. So gut wie ich konnte, hatte
ich diese Aussage getroffen und sie zugleich durch Rückverlagerung
in längst vergangene Epochen ziemlich verpackt.
Meinem
Gefühl nach waren sie mit mir einverstanden, sie wollten mich
fördern.
Elisabeth
Elten-Krause eine Mitarbeiterin des Klubs “Junge Autoren”, fragte
mich im Pausengespräch: “Deine Religiosität ist unübersehbar,
aber wozu brauchen wir heute noch Religion?” Ich erwiderte: “Weißt
Du, dass meine Religion Rechtschaffenheit heißt? Ich bin Mormone.”
Möglicherweise habe ich sie zu ihrem kurz danach in der
Satirezeitschrift “Eulenspiegel”" veröffentlichten
Spottgedicht “Möchtelmann” inspiriert. Denn sie lachte, als ich
sagte, ich halte Mormonismus für ebenso bedeutend wie den
Kommunismus. “Es kommt nicht darauf an, etwas Großes zu wollen,
sondern es muss umgesetzt werden können”, erwiderte sie in
Anspielung auf das entsprechende Sonett Michelangelos, in dem er
zusammenfassend beklagt, dass er nicht immer das Gesollte habe wollen
und wünschen können. Sie wandte sich ab und ließ mich stehen.
In
der Folgezeit kämpfte ich mit meinem Stoff und konnte ihn doch nicht
beherrschen. Immer wieder stieß ich an die Grenzen meiner
Möglichkeiten. Mein Wille war größer als mein Können. Es gab auch
äußere Unstimmigkeiten. Zwar schien mir, dass der spanische
Kardinal Don Juan de Ribera, als einer der auf Vertreibung der
Maurisken drängenden Figuren, in einigen Führern der Sowjetunion
durchaus seine Entsprechung hatte. Da waren viele gewesen, die
Stalins seelenlose Innenpolitik einschließlich seiner rigorosen
Umsiedlungsanweisungen für ganze Völkerschaften aus
Parteifanatismus unterstützten. Es waren eisenharte Männer wie
Molotow, die den Tyrannen an Tyrannei noch zu übertreffen
versuchten. (Wo Stalin die Todesstrafe forderte, verlangte Molotow,
wie das ND zu berichten wusste, auf derselben manchmal seitenlangen
Exekutionsliste die Höchststrafe, nämlich die Mitbestrafung der
Ehefrau, die Einweisung der Kinder des zumeist völlig Unschuldigen
in ein staatliches Kinderheim, die Löschung des Familiennamens
dieser Kinder und die Konfiskation des Vermögens.) Auch der bigotte
Staatsminister Philipps des Dritten, Herzog von Sandoval und Lerma,
fand sich als Typ in nicht wenigen herzlosen Ämterjägern des
kommunistischen Systems wieder. Seine Gier nach immer mehr Besitz,
sein Sicherheitsdenken, seine Rücksichtslosigkeit gegenüber
Schwachen, war keineswegs einmalig. Aber es gab damals kein mir
bekanntes Beispiel für Lermas Gegenspieler Kardinal Xavierra, der
sich für das Verbleiberecht der bedauernswerten Maurisken einsetzte.
In
der Sowjetunion hatte es meines Wissens keine Fürsprecher für die
Kulaken gegeben. Aber so wie das jüngere, das kommunistische
Imperium unter der gegen ihre Bauern gerichteten Ausrottungspolitik
eine ganze Generation lang aufs schlimmste leiden sollte, so war
bereits das ältere Imperium, Spanien, daran wirtschaftlich zugrunde
gegangen.
Als
ich in Lenins Werken den Brief des Vaters der Sowjetunion las, der
die Überschrift trug “Tod den Kulaken!”, und über seine Folgen
nachdachte, da wusste ich, dass die Menschheit dazu verurteilt ist,
immer wieder aufs Neue dieselben bitteren Erfahrungen zu sammeln,
weil sie nur sehr widerwillig lernen will, aus Fehlern die richtigen
Schlüsse zu ziehen. Dass es Menschenpflicht ist, auch unter
Preisgabe des eigenen Lebens zu Gunsten der Kinder Diktaturen zu
verhüten.
Das
war es was Joseph Smith wiederholt gesagt hatte: “Wir müssen nicht
immer wieder die Fehler unserer Vorfahren begehen!”
Schließlich
konnten weder der Herzog von Lerma noch der Diktator Lenin ihre
Mittelbauern mit ihren eigenen Händen erwürgen. Doch mittels ihrer
Position legten beide den Grund zu den aus ihren unverantwortlichen
Meinungsäußerungen geborenen Mordtaten. Beide wären persönlich
vor solcher Verwirklichung gewiss zurückgeschreckt. Wenn man sie mit
den schlimmsten Ergebnissen ihrer Politik konfrontiert hätte, würden
sie sich bekreuzigen und laut schreien: das haben wir nicht gewollt.
Doch
ohne ihre Meinungsführerschaft wären diese schrecklichen
Menschenjagden nicht passiert.
Ich
bin überzeugt, dass der Tag kommt, an dem die Verteidiger der
Diktatur die Originalberichte sehen werden, ob sie wollen oder nicht.
(Die
im Buch Mormon agierenden Völker können ein Lied von solcher
Brutalität der Machtgierigen singen. Aber sie zeigen auch, dass man
nie aufgeben darf und dass das Recht auf individuelle
Entscheidungsfreiheit seine Grenze da hat, wo Aktivitäten ausgeübt
werden sollen, um es abzuschaffen.)
Jahrelang
beschäftigte mich die Frage, wie sich dieser Wladimir Iljitsch
Uljanow herausnehmen durfte, zwölf bis zwanzig Millionen Menschen,
zwei Millionen russische Großfamilien der physischen Vernichtung
preiszugeben, weil er sich - wenn auch vielleicht zu Recht - darüber
geärgert hatte, dass die Bauern sich zu wenig anstrengten, die
Städte mit Getreide und Fleisch zu versorgen. Das Problem, dass eine
Kuh keine Milch hergibt, lässt sich auch anders lösen, als sie und
ihre Kälber in den Abgrund zu stürzen. Schlimmer als in Spanien
wütete in Russland danach zwanzig Jahre lang der Hunger in den
Gedärmen derer, die sich zur Verteidigung des Menschenrechtes auf
Leben nicht aufraffen konnten. - Kannibalismus aus Hungerwahn war ein
Jahrzehnt lang im Wolgaraum keine Seltenheit. -
Im
Gegensatz zu den russischen Anhängern der Despotie hatte die
herrschende spanische Klasse ihre Ernährer nur vertreiben, nicht
töten wollen. Nicht wenige Sowjetkommissare dagegen hatten sehr wohl
den Aufruf ihres Hauptes mit der Pistole umgesetzt.
Wie
sollte ich etwas auf der Bühne geschehen lassen, das die ganze
Verruchtheit von gewaltsamer Menschenführung offen legte und
andererseits keinen Kurzschluss provozierte? Mit wem hätte ich mich
beraten können? Zwar half mir das Studium der handwerklichen Kunst
Harald Hausers weiter, doch ehe ich kein neues Konzept für mein
Theaterstück hatte, wollte ich mich in Neustrelitz nicht wieder
sehen lassen. Das war ein Fehler, der mir bis heute leid tut.
In
der Arbeitsgemeinschaft ließen sie mich, meiner momentanen Zahmheit
wegen, allerdings in Ruhe und da wir einander noch längst nicht
kannten, ging mein Anliegen unter. Nur Buchautor Alfred Wellm nahm
noch Anteil an mir und sagte: “Du solltest darüber schreiben, wie
Du Deinen Glauben überwunden hast. Das wäre doch durchaus
interessant.”
Natürlich
überprüfte ich unentwegt meine Glaubensansichten. Die Umstände und
meine Wesensart trieben mich immer wieder an, jeden Satz meiner
Grundüberzeugung ständig zu hinterfragen. Ich stellte mir auch die
Frage nach der Berechtigung meiner scharfen Kritik - und ob ich mir
nicht denken könnte dieselben geschichtlichen Ereignisse bewusst
positiv zu deuten.
Damals
während der Zeit der Missionspräsidentschaft von Elder Gregory gab
es einen Schreibewettbewerb der Kirche im Rahmen der GFV den ich mit
dem Dramenentwurf “Asoka” gewann.
Da
brach am 23. Oktober 1956 der Aufstand der ungarischen Studenten los.
Tausende
Arbeiter schlossen sich ihnen spontan an. Einmütig und diszipliniert
versammelten sie sich auf dem Budapester Stalinplatz. Sie verlangten
mehr Freiheit. Imre Nagy, der drei Jahre zuvor Ministerpräsident
geworden war, hatte inzwischen sämtliche Parteiämter verloren. Er
hatte Volkes Wünsche ernst genommen und ihnen all zu weit
entsprochen. Das kostete ihn die von Moskau nur geliehene Macht. Sie
wollten ihn wiederhaben.
Das
war mehr denn je Volkes Wille.
Die
folgenden Tage sollten das bestätigen.
Doch
des Volkes Wille galt den ganz großen Parteistrategen wieder einmal
nichts. Panzer mit roten Sternen walzten ihn platt.
Stundenlang
hockten wir vor den Radiogeräten und bangten mit den Schwachen gegen
die Übermächtigen. Wir vernahmen tagelang die Hilfeschreie und
konnten nur jammern. Die Augenzeugenberichte österreichischer
Reporter hatte nahezu jeder gehört mit dem ich sprechen konnte. Wir
ergänzten einander unseren Wissensstand und waren schließlich nach
dem Zusammenbruch der Revolution betroffener als je zuvor. Denn
allmählich waren so viele neue Erkenntnisse dazu gekommen, dass wir
über die unbezweifelbare Hinterhältigkeit und Verlogenheit der
Verhandlungsführung der Sowjets mit der ungarischen Staatsführung
mehr als empört waren.
Ich
schwor mir abermals, den Kremlführern kein Wort mehr zu glauben,
egal wie andere Menschen sich verhalten würden.
Im
Herbst kam Henry D. Moyle im Auftrag unseres Propheten David O. MCKay
nach Leipzig.
Wir
waren vielleicht fünfhundert Brüder, die er belehrte wie wir
vielleicht noch nie belehrt und unterrichtet wurden. Wir erlebten
eine ganze Stunde Heiterkeit in der Präsident Moyle uns schilderte
wie er um die Jahrhundertwende in Freiberg, wo er studiert hatte von
der königlich sächsischen Polizei verhaftet wurde.
Es
bedeutete mir viel als er mir, wie allen anderen, die Hand zum
Abschied reichte und dabei die Worte sagte: “Der Herr segne Sie,
lieber Bruder!” Denn es waren ja nicht allein die Worte die uns
beeindruckten, sondern die Kraft die von ihm ausging, der Wunsch dass
wir treu bleiben sollten.
Es
kam der Sommer 1957. Erika und ich wurden von meinen Eltern
eingeladen, sie in die Schweiz zu begleiten, nach Zollikofen, in den
Tempel, den zweiten europäischen, nach dem Londoner, den unsere
Kirche dort errichtet hatte. Ich bekam zehn Tage Urlaub und so fuhren
wir nach Zollikofen, zunächst allerdings nach Darmstadt. Dort hatten
wir einen weiteren Zwischenaufenthalt einzulegen. Wir mussten zum
Einwohnermeldeamt gehen, um die Staatsbürgerschaft der
Bundesrepublik Deutschland zu erwerben. Mit unserem DDR-Pas hätten
uns die Zöllner nicht in die eidgenössische Republik einreisen
lassen. All das lief zu meinem Erstaunen problemlos ab. Binnen einer
halben Stunde hatte ich meine zweite deutsche Staatsbürgerschaft
erworben. In diesen knapp dreißig Minuten Bearbeitungszeit schaute
ich mich auf dem Polizeirevier um. Da hingen flächendeckend
Steckbriefe von Mördern. Sie suchten achtzehn namentlich bekannte
Schwerstverbrecher. Ich dachte, du großer Himmel, was für eine
Welt! Es gibt mindestens zehnmal soviel Leute, von denen sie keine
Namen haben. Was soll uns bloß die Zukunft noch bringen? Die
zunehmende Verstädterung der Menschen, diese wachsende
Künstlichkeit, die ein massenweises Beieinanderwohnen mit sich
bringt, musste immer mehr Menschen aus dem seelischen und physischen
Gleichgewicht stoßen. Als wir uns im Gemeindeheim der Darmstädter
Mormonen zur Weiterfahrt versammelten, überreichte mir der
Hausmeister einen Brief Walter Roloffs, Erikas Jugendfreund (sie
waren im selben Haus in Neubrandenburg aufgewachsen. Durch Walter,
der später viele Jahre als Bischof in Bountiful dienen sollte kam
sie mit Mormonismus in Berührung und er war es der sie 1950 taufte.)
“Lieber Gerd, liebe Erika! Der Mann, der Euch diesen Brief
übergibt, übernimmt umgehend eine bessere Tätigkeit. Gerd kann
seine Nachfolge antreten. Damit hättet Ihr Wohnung und Brot. Aber,
wenn Ihr wollt, nur für ein Jahr. Wir bereiten inzwischen Eure
Einwanderung in die USA genau so vor, wie Gerhard Kupitz es vor zwei
Jahren mit uns gemacht hat...” Das hörte sich gut an und am
liebsten hätte ich augenblicklich Ja gesagt. Der Gedanke, USA Bürger
zu werden, erschien mir sehr verlockend. Doch ich hatte das dringende
Gefühl, wir Übriggebliebenen sollten die DDR nicht verlassen. Das
war auch, was Präsident Mc Kay uns angeraten hatte.
Erika
war noch stärker als ich motiviert, das Angebot abzulehnen. Sie
wollte ihre Mutter nicht im Stich lassen. So reisten wir weiter nach
Süden im Bewusstsein, DDR-Bürger wider Willen zu bleiben.
Wir
kamen mitten in der Nacht an. Scheinwerfer beleuchteten das blendend
weiße Bauwerk, das wir schon auf Bildern bewundern konnten. Schlicht
in der Form, beeindruckte es uns sehr. Zwei verschieden große Quader
waren als Körper übereinander gesetzt worden. Davor breitete sich
auf einer riesigen Rasenfläche eine Fülle von Blumen und Stauden
aller Art aus, die, wie wir bei Tageslicht feststellten, farblich
wunderbar miteinander harmonierten. Allerdings von den ragenden
Bergen sahen wir nichts, denn es regnete.
Ich
ging in den Tempel, fast wie ein Analphabet in die Schule. Das
Interieur des Empfangsraumes war dem eines Luxushotels vergleichbar.
Große
Blumenpracht, dicke großflächige, helle Teppiche. Am elegantesten
der celestiale Raum, sehr schön ausgestattet auch die
Siegelungsräume. Ich bemerkte das alles, auch die geduldige
Freundlichkeit der völlig in weiß gekleideten Tempelarbeiter.
Als
wir am frühen Nachmittag den Tempel verließen, leuchteten zur
Linken die Berner Alpen als bezauberndes Panorama.
Das
Tempelritual gab mir und uns viele Fragen auf. Da uns nicht gestattet
ist, über Einzelheiten zu reden, muss es jeder selbst verstehen
lernen, was hinter dieser ungeheuren Fülle der dort übermittelten
Symbole steckte. Ich begriff wieder einmal eindringlich, dass der
unsterbliche uns innewohnende Geist aus dem Vaterhause Gottes kommt,
und dorthin nur unter der Bedingung zurückkehren kann, dass er rein
wird, und dass deshalb jedermann, der sein Tempelendowment empfängt,
unter keinen Umständen das Gesetz der Reinheit brechen darf.
Für
den Outsider, der nicht tolerieren kann, dass Mitglieder nach dem
Tempelbesuch nur wenige Tatsachen erwähnen aber nicht über weitere
Einzelheiten des “Endowment” sprechen, ist das gelegentlich ein
Anlass mehr, die Mormonen in die Kategorie Sektierer einzuordnen und
zu diffamieren.
Vom
Zug aus sahen wir während der Heimfahrt noch einmal für ein paar
Sekunden den von Licht angestrahlten, weiß-gold wirkenden Tempel und
nahmen von ihm die angenehmsten Erinnerungen mit. Darunter die, dass
ich aus dem Begabungsraum des Tempels einen blinden Mann geführt
hatte, der plötzlich zu weinen anfing. Ich fragte ihn, ob er sich
nicht wohl fühle. Er antwortete: “Im Gegenteil!” Dass er seit
neunzehn Jahren nur in einen unendlich tiefen, schwarzen Sack
geblickt hat, doch während der Session habe er ein farbiges Bild
gesehen.
Zwanzig
Stunden später vereinnahmte uns wieder die DDR-Realität.
Als
Mitglied der Tollensefischereigenossenschaft fühlte ich mich, wie
meine Kollegen, in jenem Jahr 1957 vom Pech verfolgt. Es war ein
miserables Fischfangjahr. Hinzu kam das eigene Unvermögen. Um
wirtschaftlich überleben zu können, musste das Unternehmen von
dreizehn Fängern auf acht oder maximal neun reduziert werden. Im
Oktober standen wir nahezu mittellos da. Der Buchhalter wusste nicht,
woher er das Geld für weitere Lohnvorschüsse nehmen sollte. Zu
diesem Zeitpunkt mussten normalerweise bereits die finanziellen
Reserven für die lange Winterruhe auf dem Betriebskonto liegen. Die
Entscheidung, wen die Entlassung treffen würde, fällte der
Vorstand.
Vier
Altgediente traf es hart, die ältesten, die Unschuldigen. Sie hatten
protestiert, dass während der Arbeitszeit Alkohol getrunken wird.
Zähneknirschend hatten sie hinnehmen müssen, dass ganze Fangtage
versoffen wurden, und nun sollten sie die Zeche bezahlen. Die
Ungerechtigkeit bestand darauf und setzte sich durch. H.Göck,
mittlerweile Ehrenmitglied der Tollensefischereigenossenschaft wütete
vergeblich. Im Sozialismus dürfe es keine Entlassungen geben.
Ob
er denn einen praktikablen Ausweg wüsste. Die Dringlichkeit der
Rentabilität machte ihn verstummen.
Im
folgenden Wirtschaftsjahr, obwohl der neue Sommer sich von der
besseren Seite zeigte, war die Finanzlage der kaum nachlassenden
Trinkerei wegen ähnlich bedenklich. Und wieder lief unser Buchhalter
mit dunklen Stirnfalten umher. Da begannen wir aber, sozusagen in
letzter Minute, ab fünften Oktober, - wie ich nie vergessen werde-
unerwartet erfolgreich zu fischen. Wir fingen erhebliche Mengen
wertvoller Großbrassen. Erstmals brachten wir Hechte, Zander und
Karpfen in größeren Mengen von den Seen heim. Die eigentlich nicht
gewollte, jahrelange Schonung der Gewässer machte sich nun
bemerkbar. Plötzlich zeichnete sich ab, dass wir sogar mit einer
größeren Gewinnausschüttung rechnen durften. Diese Aussicht machte
uns kühn. Denn das Wirtschaftsjahr war noch nicht abgeschlossen. Ich
sah den Beginn der Lösung meiner finanzieller Probleme und freute
mich übermäßig und musste meine Euphorie durch Schreiben
abreagieren. Denn in der Fischerei sind Zufallstreffer immer möglich.
Es gab genügend Beispiele dafür, dass die ärmsten Schlucker durch
Massenfänge schlagartig unglaublich reich wurden. Natürlich
beflügeln drei hintereinander eintretende Glücksfälle die
Phantasie.
Ich
schrieb also ein Gedicht gegen meine sich unerwartet aufblasende
Gewinnsucht. H. Blume., der Leiter der Autorengruppe las es und
sagte, es erinnere ihn entfernt an Uhland. Es sei aber völlig
unzeitgemäß. Wir kamen vom Haus des Handwerks und langten gerade
vor dem Eingang des Vier -Tore -Hotels an, als ich ihm die Frage
stellte, ob er von der Wahrheit und Richtigkeit des sozialistischen
Kurses wirklich überzeugt sei. Wie aus der Pistole geschossen
antwortete er: “Absolut!” Ich wunderte mich, dass ein so kluger
Mann wie er so leichtfertig war. Solange wir Menschen sind, wissen
wir nichts absolut. Ich glaubte aus guten Gründen an Gott, aber ich
wäre unredlich gewesen, wenn ich gesagt hätte, meine Überzeugung
sei absolut. Das sagte ich ihm offen. Er schaute mich düster an. Er
muss aber die Berechtigung meiner Kritik eingesehen haben. Das
bereitete ihm sichtlich Unbehagen. Er hatte schon früher bemerkt,
dass ich nicht gewillt war, mich von seinem Strom treiben zu lassen.
Verärgert wird er sich gefragt haben, ob es nicht besser wäre,
mich aus der Arbeitsgemeinschaft hinauszuwerfen. Dass er bereits mit
diesen Gedanken umging, sollte ich bald zu spüren bekommen. Ich
hätte das Warnzeichen in seinen Augen sehen und beachten müssen.
Auf der nächsten Tagung der Arbeitsgruppe diskutierten wir Lenins
objektive Widerspiegelungstheorie.
Ich
mischte mich wieder einmal ein. In einem literarischen Werk könne
man jeden Helden hervorbringen, aber eben nur einen künstlichen
Helden. Wenn die Literatur jedoch nicht dazu beiträgt, im Schreiber
und Leser den Wunsch nach mehr Wahrhaftigkeit zu wecken, dann taugt
sie nicht. H. Blume missfiel meine Argumentationsweise längst.
Unglücklicherweise brachte er obendrein ein völlig untaugliches
Beispiel. Ein Kommunist leistet, gleich was er tut, solange er den
Sieg des Sozialismus im Auge hat, schließlich nur Gutes. Noch nie
hatte ich größeren Unsinn gehört. Ich weigerte mich das zu
akzeptieren.
Er
und andere widersprachen meiner Ansicht, dass es die erste Aufgabe
des Schreibenden ist, das eigene Gewissen und das Gewissen der Leser
zu schärfen. Sie, und vor allem H. Blume meinten, nicht das Gewissen
sei die bestimmende Größe, sondern die jeweilig herangereifte
Notwendigkeit zur Durchsetzung einer humanen Idee.
In
der darauf folgenden Beratung, welche diesmal im Neubrandenburger
Volkshaus stattfand, war Lilly Becher, Ehefrau des Dichters Johannes
R. Becher, anwesend. Die kleine freundliche Dame hielt einen Vortrag
über ihr jahrelanges Emigrantendasein in der Sowjetunion. Ihr Mann
habe immer gesagt, er sei ein Überwinder. Ich dachte mir meinen Teil
und verstand sie recht gut. All diese Repressalien, all diese
Verhaftungen von Kommunisten über Jahre hinweg konnte kein noch so
treuer Liniengänger Stalins und des Kommunismus unbeschadet
verkraften. Johannes R. Becher erlebte und überlebte alle vom
sowjetischen Geheimdienst ausgeführten Terroranschläge, weil es ihm
gelang, sich fortwährend in beredtes und zugleich tiefstes Schweigen
zu hüllen. Eine schwere Aufgabe für den sonst so Wortgewaltigen.
Solche Zeiten übersteht kein Durchschnittsmensch. Das kann nur ein
Überwinder im biblischen Sinne.
Wir
saßen über zwei Stunden lang mit Lilly Becher beisammen und mir
kamen viele Gedanken in den Sinn, darunter waren einige, die ich
sogar vor mir selbst versteckte.
Nachdem
Frau Becher davon gefahren war, erklärte H. Blume die
Arbeitsgemeinschaft Junge Autoren für aufgelöst.
Er
fuhr fort: “die ehemaligen Mitglieder sind vom Vorstand der
Arbeitsgemeinschaft in Fortgeschrittene und Anfänger aufgeteilt
worden.” Nachdem der jeweils letzte Name der Kandidaten verlesen
war, fand ich mich ausgeschlossen.
“Ja,
da wunderst Du Dich sicherlich, aber wir haben beschlossen, Dich
nicht wieder aufzunehmen. Wir haben weder die Lust noch die Zeit, uns
ständig mit Dir auseinanderzusetzen.” Die Dreistigkeit, mit der
sie mich behandelten, erschreckte mich, schließlich war ich durch
die Tür hereingekommen. Sie kniffen nicht nur, sie brandmarkten mich
als Unwürdigen. Das war etwas, das ich später von Seiten
evangelischer Geistlichen erfahren sollte. Mit einem Mormonen
wünschten sie nicht wieder zu sprechen. War das, was ich vertrat, zu
primitiv oder war was ich sagte minderwertige Quasselei gewesen? War
ich selbst es nicht wert? Die zukünftigen Literaten gaben mir an
jenem Tag des Hinausschmisses die Gelegenheit, mich zu äußern. Noch
nie war ich so verlegen, so überrascht gewesen, obwohl es sich doch
seit Wochen abzuzeichnen begann. Meine Sichtweise sowie die daraus
folgenden Fragen waren ihnen lästig. Ich hätte ihnen klipp und klar
sagen müssen, dass sie sich Toleranz gegen einen einzigen
Andersdenkenden nur deshalb nicht leisten konnten, weil ihre Position
zu schwach war, weil meine Diskussion es ihnen noch schwerer machte,
sich ihrer Selbsttäuschung hinzugeben...
Vergeblich
rang ich nach passenden Worten und fand mich zehn Minuten später auf
der Straße wieder .
Auf
dem Heimweg sah ich die roten Plakate: Der Sieg des Kommunismus ist
gewiss!
Zugleich
glaubte ich das Gegenteil.
Da
waren ähnliche Erkenntnisse und Ereignisse wie dieses kurze, sehr
aufschlussreiche Gespräch mit dem Altkommunisten Ernst Kay, im
Frühjahr 1959 gewesen. Ernst Kay gehörte dem Sicherheitspersonal
des Panzerreparaturwerkes Neubrandenburg an und war wegen seiner
Alt-KPD-Mitgliedschaft Teil der Betriebsleitung. Er verfügte
dementsprechend über Insiderwissen. Zu seinen Aufgaben gehörte es,
uns Fischer zu begleiten und bewachen, wenn wir im Sperrbereich
fischen wollten. An jenem Morgen hatte ich mir das ND (Neues
Deutschland”) mit auf den See hinausgenommen. Da stand in roten
Lettern auf der Titelseite die Schlagzeile: “Nikita Sergejewitsch
Chrustschow: FÜR EINE WELT OHNE WAFFEN”. Ich hielt Ernst Kay das
riesige Blatt hin. Aus seinem langen und müden Faltengesicht warf er
einen schrägen, kurzen Blick auf seine Parteipresse und sagte
beeindruckend kühl, aber mit jener ungeheuren
Selbstverständlichkeit, die gewisse Wahrheiten eben begleiten: “Hei
lücht!” (Er lügt!) Keiner der Kremlchefs samt ihren Beratern,
weder Lenin, noch Trotzki weder Stalin, noch Tuchatschewskij
geschweige denn Malenkow, hätten jemals dermaßen “brutal”, wie
eben Chrustschow auf militärische Rüstung gesetzt. Jedes Wort, das
der fast sechzigjährige Ernst Kay mit seiner heiseren, doch nicht
unsympathischen Stimme so gelassen aussprach, drang mir tief ins
Bewusstsein. Dann schnitt er alles, was er geäußert hatte, auch
meine weiteren Fragen mit der lapidaren Bemerkung weg, aus Frauen und
den Militärs mache er sich nichts mehr. Prost! Er trank etwas, das
wie Wasser aussah. Er betrachtete den Rest des Inhaltes traurig und
steckte die kleine Flasche zurück in eine Tasche seines weiten
Jacketts, wo er sie hergeholt hatte, wobei er mich mit einem
weltmännisch klugen Blick auf die letzte Schlussfolgerung seines
bewegten Arbeiterlebens hinwies: für ihn sei die pünktliche
Einnahme seiner Seelenmedizin immer noch das Wichtigste.
Ich
gab meine untauglichen Versuche auf, in verdeckter oder offener Form
zu schreiben, was ich aus Schmerz und Zorn über die Leiden so vieler
Millionen Menschen empfand. Ich suchte aber nach wie vor Gespräche
und wurde mehr denn je davon überzeugt, dass die durchaus
vorhandenen Ideale des Kommunismus nie Wirklichkeit werden könnten,
wie viel Energie seine treibenden Kräfte auch aufwandten. Denn sie
wirkten nahezu ausnahmslos in die falsche Richtung.
Ich
empfand es als Paradox, dass so wenige Menschen zu bewegen waren,
sich der Kirche Jesu Christi anzuschließen.
Trotzalledem
kamen in den Jahren zwischen 1960 bis 1980 und innerhalb der
Dresdener Mission jährlich etwa fünfzig Untersucher zur Taufe.
Mein
Freund Gerwin Baasch (Leipzig) und sein Mitarbeiter Herbert Heidler
galten als die erfolgreichsten D.- missionare, innerhalb unserer
Mission, mit mehr als fünfzehn Bekehrten.
Professor
Beier Red - ein Erzkommunist - zeichnete damals eine Karikatur, die
unbeabsichtigt ins Schwarze traf. Selbst die schärfsten Kritiker der
Sowjetpolitik hätten die wahren Absichten der Kreml-Machthaber nicht
zutreffender darstellen können. Die Zeichnung zeigte einen auf dem
Nordpol des Globus sicher sitzenden Rotarmisten. Er hält den in den
Bauch der Mutter Erde gerammten Schaft der mit Hammer und Sichel
bestückten rote Fahne. Ausschließlich er, der Kämpfer mit der
Budjonnyjmütze hat auf diese Erde Besitzerrecht im Wortsinn, Uncle
Sam dagegen nicht. Der hat Pech und kratzt sich sorgenvoll den Kopf.
Seine Position auf dem Erdball wird ihm von dem kess lächelnden
Sowjetjungen definitiv strittig gemacht. Frechheit siegt! Der Russe
macht, dass der Ami abrutschen und verschwinden muss. Denn dieser
Erdball, in den Proportionen Beier-Red’s dargestellt, bietet nur
eine einzige Sitz- und Bleibemöglichkeit. Die Amis sind dazu
verurteilt, die Erde zu verlassen.
Dazu
passte die spätere Äußerung und Antwort Chrustschows wem er denn
seine 20 Megatonnen Wasserstoffbombe zugedacht habe: “Amerika!”
Außer
meiner täglichen Arbeit wandte ich mich den Aufgaben zu, die meine
Kirche mir stellte. 1960 kam der sozialistische Frühling
buchstäblich mit Macht. In Massen zogen die Parteigänger Ulbrichts
aus, um Neu- und Altbauern durch maßlose Überredung und durch
zahllose Tricks zu nötigen, sich als Mitglieder landwirtschaftlicher
Produktionsgenossenschaften einschreiben zu lassen. Schon vor Beginn
dieser Aktion stand fest, dass sie ein Resultat von mehr als neunzig
Prozent Erfolg zuwege bringen würden. Ulbricht wollte den
Sozialismus auf dem Lande und er sollte ihn bekommen. Vor den
Schlafzimmerfenstern der widerspenstigen Bauern wurden Lautsprecher
aufgefahren, die unentwegt Friedensparolen röhrten. Dabei war den
Neubauern 1945 schriftlich, in Form von Urkunden, das Bodenreformland
vom Staat übereignet worden. Viele pochten auf diese verbrieften
Rechte. Die stereotype Antwort der Staatsfunktionäre lautete, es
gäbe neue Notwendigkeiten. Schade, dass ein so großes und gutes
Anliegen, die Menschen zu bewegen, miteinander statt gegeneinander zu
arbeiten, mit Brutalität erreicht werden sollte. Aber auch die
kühlsten Rechner wussten, dass schließlich jede Lust am Muss
zerbricht.
Aufsehen
erregend schnellte die Zahl der so genannten Republikflüchtigen nach
oben. An jedem Tag bis zum 13. August gingen tausende, zuletzt
neuntausend, zehn-, zwölf-, vierzehntausend Menschen, - nicht
seelenlose Roboter -, davon. Das tat der SED-Führung weh, auch aus
wirtschaftlichen Erwägungen, und weil dies ihrem, von ihr selbst
gezeichneten Bild als Partei des Volkes schadete.
Ulbricht
log aus taktischen Gründen als er in der Vorwoche des Mauerbaus
schwor: “Niemand will eine Mauer!”, denn sonst hätten sich
wahrscheinlich hunderttausende auf den Weg gemacht.
Schnellstens
mussten Sandsack, Betonblock und Stacheldraht her, um das gänzliche
Entleeren der Republik durch nicht mehr kontrollierbaren
Potentialabfluss zu verhindern.
Ich
selbst überlegte und zauderte noch einmal. Auch ich sehnte mich wie
so viele andere nach den Möglichkeiten, die der freie, goldene
Westen zumindest unserer Phantasie bot. Wenn da nicht die Pflicht
meiner Kirche gegenüber gewesen wäre, hätte ich meine Familie
genommen und wäre ebenfalls weggegangen.
Am
dreizehnten August verkündete der DDR-Rundfunk: Zur Flucht ist es zu
spät!
Nicht
nur mir war zumute, als hätte sich über mir eine massive Falltür
für immer geschlossen und ich schrie nach innen: Jetzt bist du
endgültig ihr Gefangener! Es dauerte lange Wochen, bis ich mein
seelisches Gleichgewicht wiedererlangt hatte.
Irgendwann
im Verlaufe des folgenden Herbstes sagte ich mir aber: Niemand hat
dir deine Familie geraubt. Lebe für sie, für deine Frau, deine
Kinder, deine Eltern. Sie sind das Beste, das du haben kannst. Pfeif'
auf die anderen Sorgen.
So
zogen wir uns, noch mehr als zuvor schon, auf unsere kleinen Kreise
zurück.
Erika
tröstete mich: “Wenigstens in Deinen Gedanken bist Du frei. Mach'
mehr aus den Möglichkeiten, die Dir geblieben sind.”
Ausgerechnet
in jenen beklemmenden Herbsttagen sollte ich einen Höhepunkt in
meinem Fischerleben erleben. Es war eine Situation, die mich daran
erinnerte, was Petrus auf Jesu Rat hin tat, noch einmal
hinauszufahren auf den See Gennesaret. Er antwortete zunächst:
“Meister wir haben die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen.”
“Fahrt
noch einmal hinaus und werft die Netze aus.”
“Wenn
Du es sagst, dann wollen wir es tun ..." und sie fingen eine so
große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten ... sie
füllten die beiden Boote bis zum Rand, so dass sie fast untergingen
...”
Mein
großer Tag begann ebenfalls außerordentlich trist. Wir
beabsichtigten, mit dem großen Garn Maränen zu fangen. Wir legten
das Zugnetz auf halbem Weg zwischen Neubrandenburg und Buchort aus,
vierhundert Meter vom Land entfernt. Maschinenwinden zogen das
riesige Umfassungsnetz, binnen einer Stunde auf Ufernähe heran. Dann
fuhren die beiden Kähne in die Mitte des Aufzuges. Wir erzielten
jedoch, trotz aller Anstrengung, lediglich einen der gar nicht so
seltenen Misserfolge: wir konnten nur vier Stück Kleine Maränen
fangen. Inzwischen rückten die Uhrzeiger auf die zweite
Nachmittagsstunde vor. Winterluft wehte uns an. Der Wetterhahn drehte
auf Nordwest. Der Wind legte sich aber so plötzlich, wie er gekommen
war. Dennoch, keiner der Fänger spürte Lust, noch einen weiteren
Zug anzulegen. Die Enttäuschung stand uns ins Gesicht geschrieben.
Einige dachten schon ans gemütliche Zuhause. Betrübt fuhren wir
heim. Da sahen wir gerade noch, schon hinter uns, das silberne
Blinken der aus dem Umgebungswasser herausschießenden Fischchen.
Drei Minuten später hätte es keiner mehr wahrnehmen können. Wir
wären dann im Flachwasserbereich gewesen und hätten bald darauf die
Fahrrinne zum Oberbach erreicht.
Es
wurden immer mehr. Übermut trieb diese auf Hochzeit gestimmten
Winterlaicher.
Zwei
Stunden später kamen die beiden Netzwände, wie ein silbern
genoppter Teppich heran. Allmählich, während des Zuladens des
fischgespickten Garns brachte die Fischmenge die beiden Kähne fast
zum Sinken. Wie Hirschgeweihe stießen die Vordersteven der Boote in
die Höhe, während die Heckteile nahezu mit der Wasseroberfläche
abschnitten. Massenweise suchten die wertvollen Speisefische im
Wadensack Platz und Durchkommen zu finden. Da schwammen sie noch,
waren aber wie die anderen gefangen. Anders wären wir der Mengen
nicht Herr geworden. Nahezu neun Tonnen konnten wir auswiegen und
verkaufen. Ich war wie Petrus und Andreas dankbar sowohl für das
verdiente Geld als auch dafür, dieses einmalige Schauspiel erlebt zu
haben.
In
den folgenden Jahren setzte sich der positive Trend in der
Genossenschaft fort. Ich erwarb berufliche Abschlüsse, ließ mich
jedoch nicht auf politische Zugeständnisse ein.
Mitunter,
vor allem in den Tagen der Leipziger Messe, wurden wir Mormonen in
die Messestadt zu Sonderversammlungen eingeladen. Durch dieses letzte
- aus wirtschaftlichen Erwägungen - weltoffene Tor kamen
gelegentlich Amerikaner zu uns, Generalautoritäten. Die
“Sicherheitsorgane” der DDR vermuteten anfänglich natürlich das
Schlimmste.
Ganz
sicher waren sie nie, ob unsere teilweise auch vertraulichen
Gespräche mit den US - Amerikanern sich ausschließlich um die
religiöse Achse drehten. Doch tatsächlich gab es nichts, was sie
hätte beunruhigen müssen, es sei denn, dass sie die Kombination von
Logik und Glauben für Furcht erregend hielten. Es gab aus unseren
Reihen stets zwei, drei Männer, die den “Sicherheitsorganen” von
den Reden und Äußerungen in den “Priesterschaftsklassen”
berichteten. Unter diesen Berichterstattern war einer meiner besten
Freunde. Durch ihn flossen einige Informationen zu mir zurück. Wir
sind heute noch Freunde. Es gab kein Misstrauen zwischen uns.
In
der Tat, wir waren nur damit befasst, unseren Gemeinden, unseren
Freunden und uns selbst zu dienen. So war es für uns harmlos, wenn
Wortprotokolle abgeliefert wurden. Sie zeigten nur, dass Mormonen
Mormonen waren. Das war immer der Fall. Ob Präsident Marion G.
Romney kam, dessen Bruder bekannter Gouverneur eines US-
Bundesstaates war oder andere. Sie gaben nie eine andere Absicht, als
die Übermittlung ihrer religiösen Überzeugungen zu erkennen. Da
saß einmal ein junges amerikanisches Ehepaar oben auf dem Podium.
Achthundert Kehlen stimmten an : “Ob du ja sprichst oder nein,
stimme stets dein Herz mit ein und was dann dein Mund verspricht,
halte treu und täusche nicht.” Es wurde hingebungsvoll nach dem
vierstimmigen Satz von Beesley gesungen, und wie mir vorkam, fast wie
von einem einstudierten Chor. Ich schaute zum Dirigenten und sah
dabei, wie stark es die junge Frau, die da oben saß, innerlich
bewegte, weil sie anscheinend seelentief spürte wie ernst es uns mit
dieser gesungenen Aufforderung war uns selbst treu zu bleiben. Wir
DDR-Mormonen haben unseren Staat nie geliebt, aber wir haben ihn auch
nicht betrogen. Für ehrliches Geld, auch wenn es nur wenig Wert
hatte, haben wir ehrliche Arbeit geleistet. Das war uns wichtig.