Samstag, 30. Juni 2012

    (3) Sorry, Eure Heiligkeit, keine Lorbeeren für Ganoven
Man muss diesen deutschen Papst, wegen seiner Geradlinigkeit gern haben, der wahrscheinlich nicht anders handeln und reden kann, falls er die riesige, ihm anvertraute Sache nicht völlig dem Verfall preisgeben will.

In seiner Haut wollte wohl kein anderer stecken.

Er kann tun was er will, und sich mühen, er verstrickt sich dabei immer mehr.
Zu seinen schwerwiegendsten Missgriffen gehört jedoch die Lobpreisung des Cyrill von Alexandria (375-444) während seiner Generalaudienz am 3. Oktober 2007.

Seine Gläubigen vertrauen ihm und dem Glaubengut ihrer Väter ohnehin immer weniger (soweit es die legendäre Überlieferung betrifft).

Schlimm ist, dass einige seiner Bibliothekare, die ihm das Material für seine Predigten vorbereiten, viel zuweit hinter der Zeit zurück liegen.

Hätte Benedikt XVI. sonst, am besagten Tag, unverzeihlich positiv, einem der Schlimmsten aller Zeiten, in einer Generalaudienz, einen Lorbeerkranz aufgesetzt?
Wusste der Papst nicht,
  • dass Cyrill für die Verfolgung der harmlosen christlichen Splittergruppe der Novatianer steht und ebenso für die Schließung und Plünderung ihrer Gemeindehäuser?
  • dass Cyrills Ehrgeiz zur Vertreibung der Juden aus Alexandria führte? (Es betraf mehr als 30 000 Menschen.
  • dass Cyrill zumindest Mitschuld an der Ermordung der ihm geistig überlegenen Nichtchristin Hypatia trägt? Übrigens:
    Kaplan Dr. Fendt gibt zu bedenken, die Juden hätten von einem ,,Brief der Philosophin Hypatia" an Cyrill gesprochen; erst „durch des Nestorius Zweinaturenlehre (1) sei sie bekehrt worden, darin bekennt sie, nie (zuvor) habe sie verstehen können, wie Gott gekreuzigt werden konnte.“ (2)
Nestorius vermochte etwas, wozu Cyrill unfähig war? Unerhört!
  • Er forcierte die bereits bestehende Feindschaft Alexandrias zu Konstantinopel.
  • Er intrigierte - wie im Folgenden belegt wird - auch sachlich zu Unrecht, gegen den neuen Patriarchen Konstantinoples, Nestorius.
  • Cyrill verwaltete ein Millionenerbe, von dem er wusste, dass es überwiegend aus Raubgut stammte.
Die frommen Rompilger, in Sachen alte Kirchengeschichte selten bewandert, nehmen ihrem Papst natürlich jedes Wort und Komma ab. Aber ob sie nicht lieber ehrlich nachdenklich sein sollten?
Korrekt ist, dass wir allesamt uns ein möglichst zutreffendes Bild von den geschichtlichen Ereignissen machen sollten, denn Wissen ist der Grund dafür, dass wir über die Erde gehen: um aus eigenen Erfahrungen und denen anderer Leute zu lernen.

Wir müssen zwischen Irrtum und Wahrheit unterscheiden, letztlich, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen uns fragen, wie es denn wirklich war, um unseren eigenen Standort bestimmen zu können.

Was hätte Fridjof Nansen, vor rund einhundert Jahren, im dritten Jahr seiner Nordpolreise und bei allem Marschieren auf dem gefrorenen Meer, darum gegeben zu wissen, wo er sich gerade in dieser Eiswüste befindet, denn er war eingeschlafen und hatte vergessen seine Uhr aufzuziehen.

Wie lange schon stand sein Chronometer still, eine Minute, oder eine Stunde, oder zwei? Das ganze Tafelwerk, das er mit sich führte konnte ihm nicht mehr helfen, wenn er nicht zu exakter Zeit die Sonnenhöhe sowie den Längengrad bestimmen konnte... Tod und Leben hing davon ab.
Wenn wir wissen wollen müssen wir suchen.

Noch in tausenden Jahren sollten unsere Kinder um die wichtigsten Lehren wissen, die wir im 20. Jahrhundert auf traurige Weise sammelten, nämlich, dass Kriege auf die Verursacher zurückschlagen, dass niemand einen anderen Menschen für geringer halten soll als sich selbst.
Viertausend Jahre sind es her, seit Abraham mit der Magd seiner Ehefrau - und auf deren Ansinnen hin - Ismael zeugte. Von ihm und Hagar stammen die Araber ab.

Fast solange ist es her, dass Jakob (Israel), versehentlich, weil er zumindest angetrunken war, mit Lea statt mit der ihm angeblich angetrauten Rahel geschlafen hatte, - wenn nicht, gäbe es die Juden nicht.

Ob die katholische und die koptische Kirche sich grundsätzlich auf dem richtigen Weg, oder im Abseits bewegen, mag für viele nicht relevant sein, sollte es aber.

Dass Cyrill meinte, er vertrete doch nur die rechte Sache Christi, macht es nur noch schlimmer.

Da sind ein paar Dokumente vor denen kein Mensch, und sei er noch so blauäugig, den Blick abwenden sollte. Es geht um den Kampf den vor allem Cyrill nicht immer fair gegen Nestorius führte, angeblich zugunsten einer Christologie, die Nestorius kurioserweise nicht klar ablehnte, die er nur nicht so fanatisch wie sein Gegenspieler guthieß.
Papst Benedikt XVI. sagte in der erwähnten Ansprache:
"...der alte Gegensatz (zwischen dem Machtstreben des alexandrinischen Bischofs) zum Sitz von Konstantinopel entzündete sich ... als 428 Nestorius gewählt wurde, ein angesehener und strenger Mönch antiochenischer Bildung.

Die Patriarchen Alexandrias haben sich seit Cyrill entschlossen, wenn sie selbst schon nicht das Sagen in der ökumenischen Christenheit haben, würden sie es lieber Rom zugestehen, auf keinen Fall aber Konstantinopel.

Diesen Aspekt hat Benedikt XVI. im Auge. Er muss für Cyrill einstehen, wie dieser für Rom – in der Machtfrage: wer wen?
Es ist dieser kleine Einschub, des Papstes:

"Der neue Bischof von Konstantinopel erregte in der Tat bald Widerstand, weil er in seinen Predigten für Maria den Titel »Mutter Christi« (Christotókos) anstelle des der Volksfrömmigkeit schon sehr lieb gewordenen Titels »Mutter Gottes« (Theotókos) vorzog."
der drei Nachfragen verlangt:

  1. War Nestorius jener heftige Gegner der Ehrung Marias als der »Mutter Gottes« (Theotókos), als den ihn Cyrill darzustellen versuchte?
    "Nein!" antwortet Dr. Fendt (der katholsche Kaplan in seiner Inauguraldissertation von 1909). Fendt sagt:
"Es ist unrichtig, dass Nestorius nie den Terminus (Gottesmutter anwendet; ..."
    Fendt bestätigt, dass von Cyrill der Zank ausging.
    Die Bekämpfung des Gegners ist (seitens Nestorius G.Sk.) immer energisch und nachdrücklich, aber nie eine solche mit vergifteten Waffen. Selbst Cyrillos gegenüber wird nicht zur Beschimpfung gegriffen, die noch so oft im dogmatischen Streit des Ostens erklingen sollte... Allein dort (bei den syrischen Blättern der Nestoriusschriften) handelt es sich zum großen Teil um Fragmente, die die Willkür der Gegner ausschnitt, um Kampfmaterial (zu haben)... Warum greift auch er (Cyrill G.Sk.) so oft zu gewalttätigen und ungerechtfertigten Ausdeutungen mancher nestorianischen Thesen?
Es ist unrichtig, dass Nestorius nie den Terminus (Gottesmutter) anwendet; unrichtig, dass er nur eine Verbindung durch Ehre und Würde lehre, und es liegt ihm unendlich fern, des Josue Gottesfreundschaft mit dem Mysterium Christi zu vergleichen. Dass er gar den Erlöser auf die Linie des persischen Königtums herabwürdige, ihn dem Cyrus und Moses zugeselle, das ist nichts als Erfindung. Wenn Nestorius behauptet, Maria habe nicht die Gottheit geboren, so lässt Cyrill ihn sagen: Maria hat nicht Gott geboren. ... Ferner weiß Cyrill ausdrücklich von der Statuierung einer Verbindung der Naturen unter ein einziges Prosopon : wieso kann er dies so nebenbei abtun und bei Nestorius nur eine Einigung des Willens und Wohlgefallens kennen wollen? Wo nimmt Cyrill die Berechtigung her, seinem Gegner die Ansicht zuzuschreiben, es sei der Mensch gestorben und auferstanden... Oder es sei Christi Fleisch und Blut eben nur Menschenfleisch und Menschenblut? und wenn Cyrill selbst solche kennt, „welche den aus Gott Vater gesprossten Logos verwandelt werden lassen in der Knochen und Sehnen und des Fleisches Natur", so sollte er den Nestorius nicht einen Heuchler oder verdeckten Ketzer schelten, sobald dieser seine Trennungslehre mit der Furcht vor Vermischung und Vernichtung der Naturen begründet. Überhaupt liebt es Cyrill, durch Andeutungen da und Klagen und Befürchtungen dort den Nestorius als Repristinator (Wiederhersteller) des samosatenischen „Abgesandten des Teufels" erscheinen zu lassen, ihn in die Nähe aller derer zu rücken, die in Christus nur irdische Beschränktheit sehen. Und Basilius, Thalassius, Proklus, Schenute, Akacius, Theodot haben den Schall dieser Anklage weidlich verstärkt, indem auch sie Stimme und Feder dem Verdachte liehen, Nestorius lehre eines bloßen Menschen Vergottung...“ (3)

Fendt verweist zudem darauf, dass sowohl:

Kleriker wie Laien aus Konstantinopel äußerten: der Bischof lehre nichts anderes, als was in der Apostel und Väter Lehre enthalten sei.“ (4)
2.Frage: Was soll das heissen, „Volksfrömmigkeit?
Zur Erinnerung Papst Benedikt XVI. sagte: „Der neue Bischof von Konstantinopel erregte in der Tat bald Widerstand, weil er in seinen Predigten für Maria den Titel »Mutter Christi« (Christotókos) anstelle des der Volksfrömmigkeit schon sehr lieb gewordenen Titels »Mutter Gottes« (Theotókos) vorzog.

Die angebliche Volksfrömmigkeit wurzelte tief im Heidentum. Da war weithin im Byzantinischen Raum die Diana, die hellenische Göttin der Jagd, die Theotókos, die »Mutter Gottes«, die von der Volksfrömmigkeit geliebte, immer noch zuhause und zwar in den Herzen jener, die zwar äußerlich Christen geworden waren, aber innerlich noch an Diana hingen. Dies galt besonder für Ephesus.

Diana war die Mutter Gottes, die Göttin der Geburt.

Ihr Tempel stand in Ephesus

3. Frage: Warum hielt Cyrill sein Konzil, 431, ausgerechnet in Ephesus ab? Sah er dort die größten Chancen mit Unterstützung jener Volksschichten die seit vielen Generationen den Titel "Mutter Gottes" liebten, Maria, Christi Mutter, zur Ersatzfigur zu machen? Dann muss aber auch der Begriff "Volksfrömmigkeit" durch den richtigeren "Volksaberglauben" ersetzt werden.


Wikipedia: Diana von Versailles. 1.-2. Jahrhundert Louvre, Paris

Wikipedia: Modell des Artemis )Diana)-tempels von Ephesos

Die Evangelische Kirche Deutschlands veröffentlichte im Internet diesen erläuternden Text:

Alles dreht sich um "Lady Diana"


In Ephesus stand eines der sieben Weltwunder der antiken Welt: Der Tempel der Diana bzw. der Artemis, wie sie die Griechen nannten. Sie war die jungfräuliche Göttin des Waldes und der Jagd. Speziell in Kleinasien verband sich ihr Kult mit der Verehrung der Erdmutter Kybele. In Ephesus war es kaum möglich, Diana nicht über den Weg zu laufen: Da gab es Amulette, kleine Nachbauten ihres Tempels, Briefbeschwerer, Büchsenöffner, Kaffeetassen, alles, was das Herz eines echten Dianafans begehrte. Die Epheser waren sehr stolz auf ihre Diana: Alle Welt kannte sie, alle Welt kam nach Ephesus, um Diana zu huldigen. Nur Paulus wusste in Ephesus mit Diana überhaupt nichts anzufangen...“


Erläuterung und Quellen:


(1) Der Begriff der Zweinaturen bedeutet, (auch nach mormonischem Verständnis) dass Jesu unerschaffene  Intelligenz in einen sterblichen Leib geboren wurde. Nach‚mormonischem’ Verständnis sind alle Menschen – die zur Familie Adams gehören - Doppelwesen. Sie sind eine Kombination aus fein- und grobstofflicher Materie und bilden vereint die Seele.
(2) Leonhard Fendt, „Die Christologie des Nestorius“ kath.theol. Fakultät der Kaiser-Wilhelm-Universität zu Straßburg, 1909, Kempten 

(3) ebenda
(4) ebenda

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