Donnerstag, 7. Februar 2013

Sex ist wie Feuer


man spielt nicht mit ihm.
Schillers Lied von der Glocke mahnt, vielleicht auch darauf zielend:

Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
...
                                                  Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
                                                        Wenn sie der Fessel sich entrafft,
                                                          Einhertritt auf der eignen Spur
Die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!

Ich war zwölf, als mein Vater von der 1942 noch friedlichen Kertschfront, zum Urlaub heimkam und mich beiseite nahm. Ohne lange Umschweife, nahm er mich beiseite, legte die Hand auf meine Schulter, nachdem er mich zu einem kurzen Spaziergang eingeladen hatte und gab er mir ein paar Ratschläge die mein ganzes Leben lang in meiner lebhaften Erinnerung blieben: "Fasse kein Mädchen an, es sei denn du hast sie geheiratet" und "vergiss es niemals: wirke immer zum Besten einer Ehe."
Natürlich wusste ich damals mit den beiden Aufforderungen absolut nichts anzufangen. Aber als  Vater dann in Gefangenschaft geriet und vier Jahre später als Kriegsgefangener in einem französischen Bergwerk festsaß, während sich in mir die Sehnsucht nach völliger Freiheit und dem ganzen Leben mehr und mehr entfaltete, sollten sie bedeutend für mich werden.
Bald beflügelten mich obendrein die Komplimente eines mir bekannten Abenteurers meiner Heimatstadt, am Peenestrom: "Du siehst doch gut aus, bist gut gebaut, kannst unterhalten, die Mädchen mögen das. Greif doch zu!" 
Wir hatten gerade auf Befehl der sowjetischen Militaradministration in Wolgast, unser kleines Geschäft zur Herstellung von Holzsohlen und -pantoffeln wiedereröffnet und stellten vier oder fünf Leute ein, darunter eine Dame aus Hinterpommern.
Gleich am zweiten Tag zeigte sie uns Bilder ihrer beiden Töchter.
Fazsiniert vom Aussehen der größeren rief ich spontan aus: "Die sieht aus wie eine Filmschauspielerin!"
Am nächsten Tag stand die blonde neunzehnjährige Schönheit strahlend vor mir. Sie lächelte mich überaus freundlich an, schließlich fragte sie: "Kommst du mich heute abend besuchen?"
Ich konnte kaum abwarten, und klopfte schon drei Stunden später an die Tür ihrer: "sturmfreien Bude", wie sie ihr Zuhause genannt hatte, das sie mit ihrer Freundin teilte.
Ich rauchte eine Zigarette, die sie, wer weiß von wem, erhalten haben musste. Obwohl mir das Schmoken eigentlich nicht erlaubt war, genoß ich es nun ein Gent zu sein, und redete und redete von Heinz Rühmann und seiner Rolle in einem Film, ich weiß nicht mehr von welchem.
Am dritten Abend, der ebenso harmlos begann wie die anderen beiden geendet hatten, überraschte sie mich mit der Frage, ob sie sich ausziehen soll.
Mir schien, es würde sich gleich die Wundertür zum buntesten Garten der Welt für mich öffnen, als aus meinem Gedächtnis Vaters Forderung hochkam. Schon angesetzt zu einem freudigen, lauten JA! formte mein Mund, fast ungewollt das Nein.
Ich ging nie wieder hin (und ersparte mir dadurch, wie ich später feststellen musste, eine Menge Unannehmlichkeiten).
"Denke daran", hatte mein Vater mir zu bedenken gegeben: "ein Mormone erlaubt sich nicht mit dem Feuer zu spielen!"
Mehr als 75 Jahre lang behielt diese Bemerkung seine bewahrte Gültigkeit.
Die Erwiderung auf meinen Beschluss niemals von der Linie abzuweichen, die ich vor einem dreiviertel Jahrhundert als die Richtige anerkannt hatte, lautete zwar - in fast jederm Fall - : "Du bist schön dumm!" Aber, diesen Tadel steckte ich stets reuelos weg, denn die von meinem Vater gezeichnete Linie führte mich durch ganz andere Landschaften, als die, die mich wiederholt zum Verweilen einluden und deren Lockungen nicht wenige meiner Freunde erlagen.
Glücklicher als ich waren sie nie. Eher umgekehrt.
Auf meinem und unserem Weg standen dafür alle Bäume  in ewiger Blüte. Sie trugen und tragen zugleich die süßen Früchte beständiger Treue und Verlässlichkeit.


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