Donnerstag, 16. Oktober 2025

Toleranz muss gelebt werden

 


Lieber Andreas Hallermeier,
Dies ist ein offener Brief, und eigentlich ein Freundschaftsangebot. Da ist meinerseits an deinem Bemühen um Wahrhaftigkeit kein Zweifel. Ich anerkenne deinen extrem hohen Intelligenzgrad und bewundere durchaus deinen Schreibstil.
In Sachen Philosophie bist du mir haushoch überlegen, in Geschichte nicht.
In deinem letzten Kommentar schreibst du mir „Ich sage dir in aller Klarheit: Wahrheit wiederholt sich nicht – sie erfüllt sich. Sie wächst nicht durch neue Bücher, sondern durch gelebte Heiligkeit.“
Genau, das ist so!
1970 erlebte ich im heutigen St. Petersburg einen Priester der Russisch-orthodoxen Kirche. Selten beeindruckte mich jemand mehr als er, in positiver Weise. Nie werde ich seinen wunderbaren Gesichtsausdruck vergessen. 1992 erlebte ich im Wiener Stephansdom eine Messe. Als ich, anschließend durch die Reihen der anbetenden Gläubigen schritt, fühlte ich Heiligkeit. Ich ging bewegt ins Freie. Das ist ebenso in mir lebhaft, wie der Geschichtsverlauf beider Großkirchen über viele Jahrhunderte.
Wir haben kein Recht Gutes Böse zu nennen und Gutes böse. Das sagt Jesaja eindringlich mahnend: Kap 5: 20
Ich bin weder berechtigt noch gewillt irgendjemand anzuklagen, aber es steht mir nicht zu, beide Augen zuzudrücken, und als historisch denkender Mensch kann ich nicht Vergangenheit leugnen, auch nicht die traurigen Seiten unserer Kirchengeschichte.
Tatsachen bleiben, was sie sind.
Das „Ökumenische Heiligenlexikon“ berichtet denn auch sachlich korrekt: „Mit seiner Taufe ... am 28. Juli 988, ... erhielt (Großfürst Wladimir) den Taufnamen Basil. Nun wurde das christlich-orthodoxe Bekenntnis zur Staatsreligion. Große Teile des Volkes wurden - gegen (ihren) Widerstand, der massiv unterdrückt wurde - noch im selben Jahr... - getauft, die Heidenbilder in den Fluss Dnjepr geworfen."
Jesus indessen hatte es gleich gesagt: "Ich bin gekommen, den Gefangenen die Freiheit zu bringen." Lukas 4
Er legte offen: Sein Ziel sei, die Menschen zu lehren, Friedensstifter zu sein, reinen Herzens zu leben und Gerechtigkeit zu bringen. Matth. 5
Jesus betonte, ER - der große ICH BIN - habe seit eh und je seine Juden wie eine Henne ihre Küken unter seine Fittiche schutzbietend versammeln wollen: "aber sie haben nicht gewollt." Matth. 23
ER lädt ein, wird niemals unseren Willen brechen.
Wer wagt es, das Tun des Diktators Großfürst Wladimir (956-1015), Gründer der Russisch-Orthodoxen Kirche, „gelebte Heiligkeit“ zu nennen?
Dieser Unhold, der nicht wenige seiner Frauen ins Verderben stieß, ... befahl, 988, allen Stadtbewohnern sich in dem Fluss taufen zu lassen. Wer sich weigerte, wurde mit dem T O D bestraft... Die Druschina (das Kriegsgefolge des Fürsten) führte in allen Ecken des Reiches mit Gewalt Zwangstaufen durch.“ Fritz Pleitgen und Michael Schischkin 2019, in „Frieden oder Krieg...“
So mittels Gewalt „… entstand, 988, die für die Orthodoxie typische Symphonia von Staat und Kirche.“ Ökumenisches Heiligenlexikon
Aber schon Tertullian sagte es um das Jahr 160: „Es läuft auf den Vorwurf der Gottlosigkeit hinaus, wenn man jemand die Freiheit der Religion nimmt und ihm die freie Wahl seiner Gottheit verbietet“.
Du, Andreas, bekennst dich zur römischen Kirche nach Vatikanum II (1962-63), keineswegs aber zur kath. Kirche des Mittelalters, wie ich annehmen muss. Das lässt sich aus vielen Anmerkungen in deinen Kommentaren erkennen. Ich zitiere hier den späteren Papst Benedikt XVI. - damals Konzilsberater - der nach Konzilsende formulierte:
"Die Erklärung über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanums bedeutet insofern kirchlicherseits das Ende des Mittelalters, ja das Ende der konstantinischen Ära… Und dass man ab jetzt nie mehr sagen könne, für die katholische Kirche sei die Religionsfreiheit kein Grundrecht, das in der Würde der Person begründet ist.“ Hörmann „Willensfreiheit“
Heute stimmen unsere beiden Kirchen völlig überein: Alle Menschen sind in Sachen des Glaubens frei.
Kein Mensch der Welt kann jedoch bestreiten, dass Cunctos populos, im Februar 380, zu Mailand, Religionszwang verkündete. C.p. führte bekanntlich zur bösartigen Vernichtung des Hellenentums und zur sofortigen andauernden Entmündigung und Enteignung aller christlichen Gruppen, die nicht in der Nachfolge des mörderischen Papstes Damasus standen, der 366 veranlasste, dass eine in seinen Augen ketzerische Nachbargemeinde physisch vernichtet wurde.
Siehe das Gutachten der Universität Oxford.
Die folgenden Inhaber des „Stuhles Petri“ setzten den Wortlaut des Knechtungsgesetzes durch, bis eben ins 19. Jahrhundert hinein. Man nennt C.p. auch das 3 - Kaiseredikt, aber die harten Fakten liegen auf dem Tisch: die Unterschrift Kaiser Valentinians II. ist gefälscht.
Ich stimme dir zu, lieber Andreas, „Heiligkeit will gelebt sein“. Rom und Moskau und Konstantinopel jedoch überboten einander an Unheiligkeit jahrhundertelang:
Hier nur ein Beispiel von zahllosen: Der von Papst Innozenz III. 1215 erklärte Krieg zur Ausrottung des sogenannten „Waldensertums“ sollte bis 1848 dauern. 600 Jahre Krieg! Zehntausende Familien wurden vernichtet. Ich sammelte alles mir zugängliche Material und schrieb die beiden Bücher „Ordenspriester Dr. José Carranza und sein Sohn“ frei im Internet zu lesen und im Handel erhältlich. Es beschreibt, was jeder ehrliche Christ wissen sollte.
Leider hat nicht Rom diesen Vernichtungskrieg gestoppt, sondern der von Großbritannien gedrängte König Sardiniens und Piemonts, Karl Albert. Er setzte dem Treiben des Vatikans, 1848, durch politische Dekrete ein Ende.
Nein! Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage reitet nicht auf diesen entsetzlichen Fakten der Gewaltausübung, herum.
Aber weil Gewaltanwendung priesterliche Rechte ebenso löscht wie eines Buchhalters Legitimationen bei Übertretung, berief Christus Joseph Smith. Diese Sache trennt uns, das lässt sich nicht unterdrücken, aber eben nur diese.
Meine Kirche war und ist, mehr denn je, auf Versöhnung ausgerichtet - und so bin ich.
Seit und durch Joseph Smith gilt unverbrüchlich: „Wir beanspruchen das Recht, den allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu, mögen sie verehren, wie oder wo oder was sie wollen.“
Mormonen“ akzeptieren nicht nur, sie lieben diesen, den 11. Glaubensartikel ihrer Kirche.
Selten oder nie förderte eine Gemeinschaft, die je den Absolutheitsanspruch erhob, eine ihr wesensfremde andere.
Unsere Kirche tat es, und sie tut es immer noch:
„Nach der Gründung der Stadt hat die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in freundschaftlicher Nachbarschaft der römisch-katholischen Kirche ein schönes Gartengrundstück geschenkt, damit diese dort ihre gotische Kathedrale bauen könne." Das schrieb ein Nichtmitglied, Walther Eidlitz „Reise nach den vier Winden"
Bild Wikipedia: Da steht sie, die römisch-katholische „Mary-Magdalena Kathedrale“, mitten in Salt Lake City.
Wäre es umgekehrt möglich gewesen?




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