Vor Jahren standen zwei Botschafterinnen der Zeugen Jehovas vor meiner Tür. Ich bat sie herein. Aber statt mir frei zu sagen worum es ging, begannen sie mir etwas vorzulesen.
Meine Bitte um ein Gespräch konnten oder wollten sie nicht erfüllen: "Dann müssen wir ihnen jemanden schicken, der das kann."
Damals wohnten wir in Neubrandenburg im Bienenweg. Anderntags kam Herr Coswig, ein kleinerer Mann meiner Größe, etwa vierzigjährig. In einem Zuchthaus der DDR war der ausgesprochene Stalingegner Zeuge Jehovas durch Taufe durch Untertauchung in einer Badewanne geworden.
Nach kurzem Gespräch vereinbarten wir regelmäßige Treffen in unserem Heim. Wir würden solange über Gott und die Welt miteinander nachdenken und reden bis ich bereit war mich seiner Organisation anzuschließen oder umgekehrt.
Innerhalb einer halben Stunde gab ich mich geschlagen. Mir war trotz vieler Zitate aus der Bibel die ich einbrachte nicht möglich, eindeutig zu belegen, dass Jesus Jehova ist.
Die nächsten dreizehn Runden innerhalb einiger Monate gingen alle an mich.
Partner Coswig war zudem außerstande zu erklären, dass sein Auftrag zu missionieren von Gott kam.
Wir waren einander nicht unsympathisch, ebenso gefielen Erika, meiner Frau und mir auch seine jeweiligen Begleiter.
Professor Dr. Manfred Taege, Biologe, Unterwasserfotograf und Buchautor der einer Gesprächsrunde beiwohnte, obwohl Atheist, sagte anschließend, dass er nun bereit sei sich eine Bibel zuzulegen. Er fand das unser Niveau hoch sei.
Kurios war Coswigs Auslegung der folgenden Bibelstelle aus dem Hebräerbrief:
"Melchisedek aber war ein König von Salem, ein Priester Gottes, ... ein König der Gerechtigkeit; ...ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens: er ist aber verglichen dem Sohn Gottes und bleibt Priester in Ewigkeit...."
Herr Coswig nickte bestätigend mit dem Kopf:
"Da steht es doch geschrieben: Melchizedek hatte weder einen Vater, noch eine Mutter..., das wäre buchstäblich so zu verstehen: Melchizedek war ein Mann der keinen Vater, noch eine Mutter hatte."
Ich erwiderte, dass Joseph Smiths Erklärung dagegen überzeugender sei, einleuchtender: nämlich, dass das Priestertum des Melchizedek weder einen Anfang der Tage noch ein Ende hat....
Es sei ein Priestertum nach der Ordnung, des Sohnes Gottes, das Melchizedek trug und dieses Priestertum hätte weder Vater noch Mutter.
Eigentlich sei Joseph Smiths Auslegung schon deshalb logisch, weil das ganze siebente Kapitel des Hebräerbriefes von der "Ordnung" des Priestertums spricht, deshalb heisse es dort:
"wenn das Priestertum sich ändert, dann ändert sich das Gesetz." (Vers 12)
Aus dem Kontext des erwähnten Kapitels geht hervor, dass es ausser dem Priestertum des Ranges den Melchizedek trug, ein niederes gibt, des levitischen bzw. des aaronischen Typs, vergleichbar den militärischen Rängen und Unterschieden zwischen Offizieren und Unteroffizieren.
Was dem Höheren gestattet ist, gilt nicht für die Niederen. (Vers 7)
In der Kirchenpraxis der Katholiken wird es immer noch deutlich. Immerhin ist zu bedenken, dass vor allem Rom gewisse Strukturen und einige Lehren aus den Zeiten der Urkirche bewahrt hat!
Gewisse Sakramente wie die Firmung darf und durfte da wie dort nur ein Bischof vollziehen (wegen der höheren Autorität). Falls ein katholischer Priester eine Firmung vollziehen will, bedarf er zuvor einer Sondervollmacht bzw. Beauftragung durch den Diözesanbischof.
Die katholische Kirche stellt die beiden Legitimationsstufen konsequenterweise im jeweiligen Papstwappen farblich verschieden dar. Es handelt sich um zwei Schlüssel die einander kreuzen. Der goldene Schlüssel repräsentiere das Priestertum nach der Ordnung des "Sohnes Gottes" wie es Melchizedek trug, während das niedere Priestertum mit der Farbe Silber ausgedrückt wird .
Ob allerdings damit zu Recht bestehende aus der Hand Gottes und Petri stammende Legitimationen beansprucht werden, ist eine ganz andere Frage.
("Mormonen" sind überzeugt, dass die Schlüsselvollmachten tatsächlich Petrus übertragen wurden, dass aber die Großkirchen nicht mehr im Besitz derselben Rechte sind, weil die Kirche als sie "Reichskirche" oder Kirche der Cäsaren wurde, ihren Charakter ganz and gar geändert hat, indem sie Jahrhunderte hindurch Gewalt anwandte und Fälschungen zuließ. In Lessings Ringparabel wird darauf hingewiesen. "Der echte Ring vermutlich ging verloren...")
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Bild: Wikipedia
Goldener Schlüssel bedeutet das höhere,
der silberne Schlüssel symbolisiert das niedere Priestertum |
All das lehnte mein glaubensstarker Gesprächspartner ab.
Im Verlaufe verschiedener Gesprächsrunden holte ich mir den ersten verlorenen Punkt zurück indem ich aus der Offenbarung des Johannes vorlas, dass es Jesus war der gesagt hatte:
"Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit. Ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt."
Das war es, was mein Gegenüber immer wieder betont hatte, der Titel "Der Erste und der Letzte" gebühre nur dem Vater Christi.
Doch nicht der Vater Christi, sondern sein Sohn konnte mit Blick auf seine Kreuzigung sagen "ich war tot".
Ärgerlich darüber, dass ich ihm nicht zustimmen konnte sagte Herr Coswig ich sei vom Teufel inspiriert..., ging er davon und kam nicht wieder.
Dass er damit unseren Vertrag brach, kümmerte ihn anscheinend wenig.
Dreißig Jahre später lud ich ihn erneut zu einem Gespräch ein. Sie kamen zu Dritt. Etwa zwei Stunden dauerte unser freundschaftliches Gespräch.
Die drei Herren waren absolut nicht dumm, dennoch beharrten sie darauf, zu sagen. Sie hätten die Legitimation mit der sie lehrten von Gott... Details wurden ausgeblendet.
Wir hatten dann noch ein hochaktuelles Thema offen. Die Berichte von Menschen mit Nahtoderfahrungen, der Art, die im Buch Mormon zweimal ihre bedeutende Rolle spielen , nämlich im Fall König Lamonis und des jüngeren Alma. (Alma 18: 42+43, sowie das ganze Kapitel 19, soweit es Lamoni betrifft. Für Alma den Jüngeren Mosia 27: 18 - 23)
Zeugen Jehovas lehren entgegengesetzt:
Wenn der Mensch stirbt, dann bleibt von ihm nichts übrig. Da ist keine unsterbliche Seele. Der Tod sei die Strafe für die Übertretung Adams.
Alles was uns betrifft sei im Kopf Gottes gespeichert. Wir würden einmal aus den "Gedächtnisgrüften" auferstehen und müssten beim Jüngsten Geicht Rechenschaft ablegen.
Ich erwiderte, dass gemeint sei, wir hätten als Geistkinder Gottes seit Ewigkeiten existiert und wären eigenverantwortlich aus der Gegenwart Gottes in die Gottesferne, in die Fleischlichkeit und Sterblichkeit gefallen. Die Gottesferne sei nach unserem Verständnis "derTod".
Wir wünschten eigene Erfahrungen zu sammeln. So wurden wir in irdische Körper geboren. Unser eigentliches Ich ist Geist. In diesem unserem Geist ist unser Lebenslauf gespeichert. Gott muss sich nicht damit plagen, all unsere Gedanken, Gefühle, Motive und Taten in seinem hohen ICH nieder zu schreiben. Unser Tun und Lassen, auch unser Warum steht fortan unauslöschlich auf unserer eigenen Festplatte eingraviert.
Unsere Übertretungen dürften wir bereuen. Vor Gottes Gericht würden sie dann kaum oder keine Rolle mehr spielen. Für unsere Schuld, wenn wir sie ehrlich bedauern, ist Jesus gestorben.
Doch aus alledem haben wir dann gelernt.
Dieses Leben sei gewissenmaßen eins zum ausprobieren.
Natürlich widersprachen sie mir, woraufhin ich zurückfragte, ob sie meinten ihr Todesverständnis liefe darauf hinaus, der Ganztod sei eine Strafe die wir erleiden müssten?
Klare Frage, klare Antwort: "Ja!"
Meinen Einwand mochten sie nicht:
"Wenn mein Bewusstsein stirbt, gibt es für mich keine Strafe die ich in der Zeit bis zu meiner "Auferstehung" zu ertragen hätte. Ob jemand sein Bewusstsein für eine Sekunde oder zehn Ewigkeiten verliert, spielt für ihn keine Rolle. Die Zeit gibt es nur für den der sie wahrnehmen kann.
Sie gingen, diesmal nicht wütend, sondern eher freundlich davon.
Die meisten von ihnen sind liebenswürdig, ihre Religion ist es nicht.