Dienstag, 8. Oktober 2013

(1) Streifzüge durch die Kirchengeschichte - aus dem Blickwinkel eines Mormonen

Der vielleicht größte Deutsche bekannte:

"Ich halte die Evangelien alle vier für durchaus echt, denn es ist in ihnen ein Abglanz einer Hoheit wirksam, die von der Person Christi ausging, und die von so göttlicher Art ist, wie nur je das Göttliche erschienen ist. Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, ihm anbetende Ehrfurcht zu erweisen, so sage ich: Durchaus. Ich beuge mich vor ihm als der göttlichen Offenbarung als des höchsten Prinzips der Sittlichkeit und zwar die mächtigste, die uns Erdenkindern wahrzunehmen vergönnt ist. Ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes, wodurch allein wir leben, weben und sind, und alle Pflanzen und Tiere mit uns. Fragt man mich aber, ob ich geneigt sei, mich vor einem Daumenknochen des Apostels Petri oder Pauli zu bücken, so sage ich: Verschont mich und bleibt mir mit euren Absurditäten vom Leibe!" Johann, Wolfgang von Goethe
Zu den Top-Absurditäten aller Zeiten gehört, wegen seines inneren Widerspruchs, das trinitarische (athanasianische) Bekenntnis.
Wer gerettet werden will muss vor allem den katholischen Glauben halten. Denn wer seinen Glauben nicht treu und ganz bewahrt, wird ohne Zweifel für immer verloren sein. Dies ist der katholische Glaube; wir beten einen Gott in der Trinität an, und die Trinität in Einheit...dann mündet es in die Aussage: „wie uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich als Gott und als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der katholische Glaube, von drei Göttern oder Herren zu sprechen...“
Das Thema dieses Buches lautet aus diesem und anderen Gründen:
                „Nichts steht über der christlichen Wahrheit!"

Vorwort

Notwendigerweise wird jedes Gebäude von seinem Fundament getragen. Welcherart das tragende Element der "Reichskirche" war, - jener Organisation, die in Nicäa 325 aus der Taufe gehoben wurde - ergibt sich aus den Resultaten nicht nur moderner Geschichtsforschung.

Mehr als 5600 Dokumente, Dissertationen, Habilitationsschriften, Fachartikel u.a. ermöglichten mir eine aktualisierte Zusammenfassung, des Standes der Erkenntnis zu diesem Komplex. (Eine beträchtliche Anzahl der Quellen sind per Internetanfrage überprüfbar)

Diese gewissenhaften Darstellungen, die überwiegend an deutschen Universitäten von Rang erarbeitet wurden, werfen einen deutlicheren Blick auf den Prozess der Entstehung der verschiedenen katholischen Denominationen, ihrer Ableger, der reformatorischen Bewegungen und der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft.

Ausgenommen die Mormonen, - sowie einige arianisch ausgerichteten Splittergruppen wie die unitarische Kirche - entstammen sie allesamt der "Reichskirche".

Dieses Schema aus katholischer Hand unterstreicht diese Tatsache auf einfache Weise.




Immer klarer wird, dass die dramatisch klingenden Formulierungen und Schlüsse zeitgenössischer Historiker, wie die des protestantischen Theologen Heinz Kraft, mehr Beachtung verlangen. Sie fordern Konsequenzen ein, einschließlich die einer Korrektur der Bewertung der Theologie der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage durch die Großkirchen. 
Mormonischerseits wird im Klartext vom großen und schrecklichen Abfall gesprochen, der bald nach dem Ableben der ersten Apostel einsetzte, der nach den Worten des Buches Mormon zu gravierenden Änderungen führte, nämlich zur Herausbildung einer
"abscheulichen Kirche, die nach Gold und Silber trachtet und schließlich die Heiligen vernichtet und sie in Gefangenschaft bringt". (1)

Krafts Erkenntnisse münden in den seelenerschütternden Satz: dass die 325 in Nicäa etablierte Kirche „nicht auf Christus bezogen war“(2)

Zahllose Katastrophen der letzten 1700 Jahre wären in der Tat unerklärlich, hätten sie ihre eigentliche Ursache im Tun und Trachten der Kirche Christi.
Meine Position ist die eines vernunftgemäß denkenden Laien, der der Umstände wegen kein Wissenschaftler werden konnte, dafür jedoch ein schreibender Nachdenklicher.

Dankbar anerkenne ich, dass qualifizierte Menschen unterschiedlichster Gesinnung und Glaubens ehrlich und mit höchstem Bemühen und Können dringend gesuchtes Wissen erwarben und es veröffentlichten.

Unabweisbar erhob sich für viele die Frage, was in Rom und Byzanz rund um das 1. ökumenische Konzil zu Nicäa, 325, und danach tatsächlich entstand.

War das neue Gebäude Christi, oder Konstantins Eigentum?

An der jeweils persönlichen Stellung zu dieser Frage entscheidet sich, ob man dem Strom der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage folgt oder dem anderen, der Entschuldigungen für unchristliches Verhalten der konstantinschen Kirche(n) findet.

Nicht nur für Mormonen liegt auf der Hand, dass jede Art Gewaltanwendung und Vormachtstreben den Idealen Christi widerspricht. (3) Andererseits war solches Treiben cäsaren- oder piratentypisch, obwohl es unter der Flagge des „Christentums“ segelte.

Der Kirchenhistoriker und Jesuit Ludwig Hertling ging diesem Problem nicht aus dem Weg, indem er formulierte:
(Konstantin) wurde der Schöpfer jenes eigentümlichen Verhältnisses, das man als Caesaropapismus bezeichnet, und das unter Konstantins Nachfolgern der Kirche fast mehr schaden sollte, als es die rohesten Verfolgungen der früheren Kaiser getan hatten“ (4)

Ana Maria C.M. Jorge from the Center for the Study of Religious History, Portuguese Catholic University spricht denn auch unumwunden von der „Konstantinisierung“ der originalen Kirche (primitive church) durch die Antiarianer. (5)

Wenn diese Spuren sich vertiefen, dann muss irgendwann an die Stelle des Begriffes „Christianisierung“ der von der „Konstantinisierung“ der Welt treten. Das würde das Geschichtsbild auf den Kopf stellen, aber der Wahrheit die Ehre geben.

Dass es zumindest weitgehend Konstantinismus war, - der in der römischen Kirche bis nahezu gegenwärtig vorherrschte - bestätigte ebenfalls, wenn auch eher indirekt der damalige Konzilsberater Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.).

Er sagte am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) in einem Statement gegenüber Journalisten:

Die Erklärung über die Religionsfreiheit seitens des Zweiten Vatikanums bedeutet kirchlicherseits


"das Ende des Mittelalters, ja das Ende der konstantinischen Ära... Ab jetzt könne niemand mehr sagen, für die katholische Kirche sei Religionsfreiheit kein Grundrecht, das in der Würde der Person begründet ist."  (6)

Für „Mormonen“ ist selbstverständlich, dass wegen des Liebesgebotes, Intoleranz und Christentum einander ausschließen. (7) 

Niemand kann übersehen, dass das Nicänum, (der Kern des Athanasianums) als Grundelement einer neuen Kirche , mit staatlicher Gewalt mittels des Gesetzes zum Glaubenszwang „Cunctos populos“ vom 27. Februar 380, im gesamten römischen Reich durchgesetzt wurde.
Nicht nur für diese zur Großinstitution heranwachsenden, neuen Kirche, wurde die Bezogenheit zum Nicaenum eine unabdingbare.

Alle Andersglaubenden hatten es zu akzeptieren oder zu leiden.

Allein diese schaurige Tatsache müsste Anlass genug sein, über den vermeintlichen Siegeszug des trinitarischen Glaubens kritisch nachzudenken und „Mormonismus“ näher unter die Lupe zu nehmen, wie es beispielsweise die evangelischen Theologen Heikki Räisänen, Finnland (8) oder Ernst Benz, Deutschland (9) taten.

Nicht allen Mormonen ist bewusst, wie stark die Position ihrer Kirche wegen ihrer mit dem Urchristentum übereinstimmenden Lehren ist.

Mir stach schon vor drei Jahrzehnten ins Auge, dass Origenes (185-254) und Arius (256-336) in allen wesentlichen Lehren, den großkirchlichen Theologien vehement widersprechen, nicht aber denen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Ein einziger Blick ins Theologische Handwörterbuch genügt für eine erste Beweisführung: (10)
Nur die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und Origenes lehren übereinstimmend,
  • dass alle Menschen (der Familie Adams) ein vorirdisches Dasein führten
  • dass wir unerschaffbare vorirdische Intelligenzen waren, denen Gott eine Form und Freiheit gab (wobei "Intelligenzen" ein Terminus war, auf den Origenes höchsten Wert legte und der insbesondere von Kaiser Justinian unterdrückt wurde)
  • dass Jesus der Logos war, wir die Logika die ihm in unserer Präexistenz bereits, wenn auch in unterschiedlicher Intensität anhingen,
  • dass Jesus dem Vater nachgeordnet ist (der Mittler)
  • dass der Fall, ein Fall der unsterblichen Geistkinder Gottes in die Umstände der Sterblichkeit war, um hier durch eigene Erfahrung zu lernen
  • dass die Umstände in die wir hineingeboren werden, im Zusammenhang mit unserem Fleiß und Gehorsam während der Perioden unseres präexistenten Seins im Zusammenhang stehen
  • dass der Mensch wie Gott werden kann
  • dass „zum Erwerb der Gottähnlichkeit die Entscheidungsfreiheit unentbehrlich ist“
  • dass Gott alle Dinge zuvor geistig erschuf
  • dass die sieben Schöpfungstage Sinnbild für die Äonen der Entwicklungszeit sind
  • dass wir bei der Schöpfung mithalfen
  • dass Erlösung synergistischen Charakter hat, „gute Taten werden gerecht vergolten, aber die Gnade Gottes überwiegt bei Weitem!“
  • dass fortlaufende Offenbarungen (persönliche Inspiration) unentbehrlich für das Wohlergehen der Kirche sind
  • dass Gott, was uns betrifft, nichts vorherbestimmt, sondern nur vorherweiß („die Dinge geschehen nicht weil Gott sie vorherwusste“)
Durch Arius (256-336) der ein prinzipienfester Christ war und bemüht nicht im Widerspruch zu Origenes und zur Bibellehre zu stehen, wissen wir, dass es beste christliche Tradition war zu glauben, Gott Vater und sein Sohn Jesus Christus hätten menschliche Gestalt und jeder sein eigenes Gesicht.

Brutal wurde die leisteste Vorstellung daran verketzert. In vielen Fällen führte es zum Tod durch Verbrennen, zu sagen: Gott hat ein Antlitz. (Noch Reformator J. Calvin (1509-1564) ließ bekanntlich den Arzt Michael Servet verbrennen, weil dieser lehrte: "Gott hat ein Antlitz!")

Weiter vertrat Arius, wie die Mormonen, dass ständige Inspiration, Gehorsam zu den Geboten Christi, wie sie in der Bibel festgelegt wurden, sowie  Toleranz die eigentlichen Elemente des wahren Christentums sind und bleiben werden.

Feierliche Gottesdienste sind nichts.
Es ist meine und unsere Pflicht das lauter zu sagen.

Es ist wichtig, bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass die von den vorherrschenden Kirchen erhobene Behauptung dreist und inkorrekt ist, der ursprüngliche Antitrinitarismus bzw. der Arianismus hätten die Gottheit Christi geleugnet, weshalb bis zur Stunde mit großer Selbstverständlichkeit von der arianischen Häresie gesprochen wird, "welche die antike Welt erschütterte" (Hertling).

Jeder kann im Internet die Fragen nach der arianischen Häresie stellen und er erhält mehr als 80 000 Antworten, die  mehr als fragwürdig sind. Ebenso lässt sich leicht finden, dass die gegensätzlichen Stimmen da sind.

Arianer der Hauptströmung haben nie die ewige bereits in der Präexistenz bestehende Göttlichkeit Christi in Frage gestellt.
Auch das Testament des arianischen Gotenbischofs (Wulfila 311-383) bestätigt:

Jesus ist der „filius unigenitus, Dominus et noster... (M Pl. Suppl. I. 707) ... er (Wulfila) glaubt an Gott den Vater und an seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn und Gott, Werkmeister und Bildner der gesamten Kreatur, der seinesgleichen nicht hat.“
Die wiederholt anzutreffende Aussage, Gotenbischof Wulfila hätte in seiner Christologie eben nicht mit den Arianern übereingestimmt, ist eine Spekulation zugunsten der theologischen Balance.
Immer klarer schält es sich heraus:

"der Erzketzer Arius ist Traditionalist. Er steht fest auf dem Boden der kirchlichen Lehrtradition." (11)

Nichts anders wird unter www. dogmatic. „Die vornizänische Theologie“, 2009, Uni-Bonn, S. 145 formuliert:

Irenäus stellt das Gottsein von Sohn und Geist klar heraus, „beiden kommt ein personales Sein zu, da sie gemeinsam mit dem Vater handeln.“

Unmissverständlich, wenn hier auch lapidar gesagt, wird zunehmend bestätigt, dass die Position des Gegenspielers des Arius, Athanasius, keineswegs der christlichen Tradition entsprach und dass nunmehr von einer athanasianischen Häresie gesprochen werden muss.

Für viele Mormonen ist diese Tatsache (bis jetzt) praktisch leider zweitrangig, in Wirklichkeit hat sie absolute Bedeutung, denn auch in anderen Belangen entspricht der Lehrkomplex der Kirche Jesu Christi der HLT wie gesagt dem des Arianismus-Origenismus.

Wer hat es schon bewusst wahrgenommen, dass Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enyklika 2006, den herkömmlichen Standpunkt seiner Kirche aufgab?

Dantes „Göttliche Komödie“ habe ihn ... inspiriert, ... wo ein „kosmischer Ausflug“ im inneren des Paradieses zum innersten Licht der Liebe führe, „die Sonne und Sterne zugleich bewege“. – Das tiefste Innere dieses unzugänglichen Lichtes sei jedoch nicht etwa ein noch gleißenderes Leuchten oder noch helleres Scheinen, sondern das zarte Gesicht eines Menschen, das dem Seher da endlich auf seiner Suche entgegentrete. Dies sei „etwas vollkommen Neues“. Das menschliche Antlitz Jesu Christi, das Dante im Inneren des innersten Geheimnisses Gottes erkenne, sei „noch viel bewegender als die Offenbarung Gottes in der Form des Dreifaltigen Kreises von Erkenntnis und Liebe. Gott, das unendliche Licht, ... besitzt ein menschliches Gesicht.
  Diese Aussage, hat die Funktion einer Brücke. nutzen wir sie!

Es bleibt hinzuzufügen, dass diese Brücke, zwischen herkömmlicher und "mormonischer" Denkweise, mit dem Werk  des evangelischen Pfarrers mit Lehrberechtigung Felix Gietenbruch: “Höllenfahrt Christi und Auferstehung der Toten”,  2010 veröffentlicht, in fast unglaublicher Weise gefestigt wurde.

Auf nahezu jeder Seite seines 200seitigen Buches wird "Mormonismus" ungewollt  bestätigt.
Sätze wie diese, schon zwei Jahre zuvor formuliert, belegen bereits auf den ersten Blick die großem Gemeinsamkeiten:

Präexistenz meint, dass wir als handlungsfähige geistige Wesen schon vor unserer Geburt existierten... in dieser Vorexistenz haben wir uns alle eigenverantwortlich von Gott entfremdet...

Ich denke, heute wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch das christliche Abendland neu darüber nachdenken muss...

Nach der Lehre Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre des Paradieses gefallen..." (12)

Das ist "mormonischer"  Tempeltext!

Quellen:

1.)  1. Nephi 13: 6-8
2.) Heinz Kraft, Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg - Uni Greifswald, 1954 S. 81 ff „Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, ist die Kirche auf Christus bezogen...“
3.) Lehre und Bündnisse 121: 35-40 
4.)  „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ mit Imprimatur , Morusverlag Berlin, 1948, S. 76
5.)  “The Lusitanian Episcopate in the 4th Century. - Priscilian of Ávila and the Tensions Between Bishops” 
6.)   Konrad Hilpert, „Die Anerkennung der Religionsfreiheit“
7.) 11. Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der HLT
8.)  „Joseph Smih und die Bibel“ „Theologische Literaturzeitschrift“ 109. Jahrgang Februar 1984: „Joseph Smith und die Bibel“ (ISSN 0040-5671)  
9.)   "Imago Dei: Man in the Image of God," in Truman G. Madsen (editor), Reflections on Mormonism: Judaeo-Christian parallels : papers delivered at the Religious Studies Center symposium, Brigham Young University, March 10-11, 1978 (Provo, Utah: Religious Studies Center , Brigham Young University and Bookcraft, 1978), 215–216. ISBN 0884943585. Reprinted in Ernst Benz, "Imago dei: Man as the Image of God," FARMS Review 17/1 (2005): 223–254. off-site PDF link Note: Benz misunderstands some aspects of LDS doctrine, but his sketch of the relevance of theosis for Christianity in general, and Joseph Smith's implementation of it, is worthwhile.
10) Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearbeitete Auflage  vierter Band Kop-O,  J.C.B. Mohr(Paul Siebeck) Tübingen, 1960, S. 1695-1702
11)  Thomas Hägg, "Kirchen und Ketzer" 2004 und 2006, mit Unterstützung des norwegischen Forschungsbeirates für Klassische Philologie und Religionswissenschaft der Universität Bergen   
12)  „Der Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote lokal, 2008
 



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