Freitag, 5. Juli 2013

(4) Wie der Tau vom Himmel träufelt

Das ist Hermann. Hermann Witte, Geburtsjahr 1915, gewesener Frontsoldat im Osten, der die anbefohlene Sprengung eines Gebäudes verweigerte, nachdem er als Stosstruppteilnehmer, bis in die Schlafräume der russischen Soldaten eindringen konnte. Er hörte sie schnaufen und war unfähig seine Mitmenschen, die ihm nichts zuleide getan hatten, zu zerfetzen.

Hermann Witte
Nicht nur einmal teilte er mit mir das letzte Stück Brot.
Er arbeitete fast dreißig Jahre lang im rechten Kahn, ich ebensolange im linken. (Mein Fachschulabschluss gab mir lediglich die Voraussetzung jede Art von Fischfanggeräten weiter zu entwickeln, sowie frisch, in Zugergläsern geschlüpfte Maränen - Coregonus albula -. in der Vorsaison vom Ei bis zu 4 Wochen alten Brütlingen in Plastrinnen kontrolliert "vorzustrecken", wodurch  die natürliche Verlustrate um vermutlich mehr als 70 - 90 Prozent gesenkt wird. Meinen geliebten Fängerplatz musste ich natürlich aufgeben, als ich, 1990, die Leitung der Genossenschaft übernahm.)
Hermann hatte drei Jahre lang, als Lehrling im Mormonenhaushalt der Familie Paul Meyer, Cammin gelebt und wusste nahezu alles von unserer Religion. Bei seinem Naturell wurde dieses Wissen zu einem nie versiegenden Quell seines Humors. Manchmal war es peinlich, manchmal trieb sein Leichtsinn ihn hart an die Grenze des Anständigen, Stilblüten aller Art waren eine Selbstverständlichkeit.
Wo und wann immer ihm danach zumute war, mich zu verspotten tat er das auf unnachahmliche Weise. Um Sachlichkeit ging es ihm nie, immer nur um den Klamauk, ums Lachen der Anderen in das er mit listig blitzenden Augen und breitem Grinsen einstimmte.
Er selbsr war zu schallendem Lachen unfähig und eigentlich sehr mifühlend kameradschaftlich und durch und durch ehrlich-
Allerdings, wie gesagt, in Worten rigoros.

der Kleine rechts hinten bin ich, beim Netze klar machen. Das Zugnetz hat eine Lange von 2 mal 300 Metern sowie eine Tiefe von 25 m, die Zuggeschwindigkeit beträgt etwa 400 m je Stunde
Mich zu belegen, hatte ich ihm ausdrücklich erlaubt, heilige Dinge ins Lächerliche zu ziehen, wie Gott oder eine Taufhandlung  zu bespötteln nicht. Er hat es dennoch zweimal versucht, die beiden Lektionen die ich ihm per Hochdeutsch gab (gewöhnlich redeten wir Plattdeutsch untereinander)  hat er nicht nur meiner Lautstärke wegen, zu der ich auflaufen konnte, bitter bereut. So nach 15 Jahren hatte er die erste vergessen, die zweite nicht. Ich ware am gegenüberliegenden Ufer) in 2 km Entfernung noch ziemlich klar zu hören gewesen, erzählten uns später die Anlieger. (Bei Windstille und auf einem See ist das nicht ungewöhnlich)
Meistens machte er die Leute die seine groben Scherze hörten erst neugierig:

"Sag bloß", fragte Manfred der leitende Offzier einer Kampfschwimmergruppe der Nationalen Volksarmee, "du betest noch?"
Herman zog damals, im Sommer 1985, die volle Aufmerksamkeit der  fünf noch jungen in ihren schwarzen Neoprenanzügen wie aus dem Nichts auftauchenden Männern, auf sich, als er mit einem Kopfnicken in meine Richtung wies. Das geschah während des Aufziehens der Netze in Landnähe und nachdem die Motoren ausgeschaltet worden waren. Er höhnte, ich solle auch nicht das Beten vergessen, wenn ich nach Feierabend zum Hohen Rat nach Leipzig fahre.
Die Folge war, dass es, am folgenden Tag, zu einem mehrstündigen Vieraugengespräch kam. Manfred folgte der ganzen Tour der Reusenkontrolle mit wachsendem Interesse. Ich fuhr den Kutter und die andern Männer "sammelten" die Fische ein.





Ein unvergesslicher Tag
Manfred "saß" auf der schmalen Reling und ich glaube, er als Mediziner war von Beginn an schockiert, als ich ihn bei seiner Frage nach Gott darauf hinwies wie unwahrscheinlich es ist, dass im Evolutionsprozess, die erste Zellteilung (identische Reduplikation) nicht per Zufall entstanden sein konnte.
Etwa sechs Stunden dauerte es bis er zum Abschied die Worte sagte:

"Deine Philosophie ist runder und schöner als meine!"
(Der ganze Bericht ist hier, in englisch und deutsch abrufbar unter "Steps Through Two Dictatorships" 1-4, bzw. "Schritte durch zwei Diktatoren"

Hermann konnte es nicht lassen. Aber.
Als eines Tages als "Zuschauer" ein hochrangiger Stasi-Offizier, neben mir, während der Fahrt zum Fangplatz, saß , kam es zu einem Spott.
Sofort, wie kurz zuvor der Kampfschwimmer, biss der Mann an.
Er war Gast, konnte sich aber nicht beherrschen, wurde unhöflich und lästerte scharf.

Da sprang Hermann ihn an. Ohne jede Art von Rücksicht auf den Rang des Lästerers fuhr er ihn an, hochdeutsch! sprechend.
Hermann wählte das Hochdeutsche nur wenn es ihm bitterernst war:

"Halte den Mund!"

Er blitzte den Elitesoldaten an:
"Du hast keinen blassen Schimmer wovon du redest. Diesem Mann kannst du nicht mal das Wasser reichen!"



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