Mittwoch, 10. Juli 2013

(5) Wie der Tau vom Himmel träufelt

Der Mann im hellen Hemd ist Johannes Reese mein Klavierlehrer. Schade, dass er sich nie entscheiden konnte Mitglied unserer Kirche zu werden, denn er bewahrte lebenslänglich sein Zeugnis von der Echtheit des Buches Mormon. Er war durch und durch Humanist, er liebte die Lehren des Propheten Joseph Smith, obwohl er zunächst anzweifelte, dass der Mensch (d.h. sein Geist, der unsterbliche Teil der Seele) wie Gott werden kann.

1938, im Heim der Reeses, in Wolgast. Links Elder Larsen, dann mein Vater, Johannes, die spätere Schwester Schmidt, Elder Holt
Johannes heiratete die erblindete Ehefrau seines verstorbenen Bruders.
Etwa vier Jahre später (mein Vater war, ganz und gar gegen seinen Willen,  zur "Wehrmacht" eingezogen worden und ich befand mich auf dem Weg meiner Entwicklung zu einem normalen Bengel dem nichts heilig ist),  nachdem er mir den Dominantseptakkord in seiner Grundstellung erklärte, drehte mein Lehrer sich plötzlich zu mir um. Er schaute mir tief in die Augen:
"Gerd,  die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist wahr! Vergiss das nie."
Er lächelte: "Ich weiß es, ich kann es auch fühlen und sehen. Da ist mehr Licht als bei allen anderen."
Dann fuhr er mit seiner Lektion fort.
Ich jedoch erhielt einen bleibenden Eindruck sowohl von der Großartigkeit dieses Mannes und der Kraft des wiederhergestellten Evangeliums in seiner Fülle, als etwas Kostbares, aber oft Verkanntes.
Jahre später, mitten auf der Straße, mir scheint es war an einem weißgefärbten, kalten Wintertag, 1946, sagte er: "Ich kann nicht. Ich spiele in Wolgast und an anderen Plätzen in den Kirchen die Orgel. Ich würde meinen Broterwerb verlieren, wenn sie hören würden, dass ich nun Mormone bin."
Wahr ist, dass er etwa sechzig Leuten Bücher Mormon schenkte, allesamt mit der feinen, fast zierlichen Handschrift eines behutsamen Mannes versehen:
Der Text seines Zeugnisses ist mir entfallen, aber er zitierte meistens Nephi und empfahl  das gebetvolle Lesen.
Er leitete die Hausversammlungen in unserem Heim, 1944-46  in der Langen Straße 17. Keiner der anwesenden Männer trug das Priestertum. Oft nahm er aus Mutters Briefbox, ohne sie zu fragen einen Brief meines Vaters heraus, den er aus Norwegen, Narvik, geschickt hatte.
"Ist das nicht eine Evangeliumsepistel?", fragte er hinterher, denn mein Vater Wilhelm schrieb selten über das was er erlebte, aber immer sinnierte er über Schriftstellen der Bibel oder des Buches Mormon.
Immer wieder kam Vater auf das Thema Präexistenz zu sprechen. Niemand könne "Mormonismus" begreifen, der nicht über ähnliche Bibelstellen wie diesen Hebräervers nachgedacht hat: 
 "An unseren leiblichen Vätern hatten wir harte Erzieher und wir achteten sie. Sollen wir uns dann nicht erst recht dem Vater der Geister unterwerfen und so das Leben haben?"  Hebräer 12: 9


Johannes Reese bekannte, dass es ein weit verbreiteter Irrtum sei, zu meinen, Joseph Smith hätte eine neue Religion gestiftet und heidnische Lehren eingefügt. Er selbst hätte zuerst auch so gedacht, doch:
 "Wenn wir allerdings voraussetzen, dass wir allesamt ins Fleisch geborene Götterkinder sind, dann ist alles möglich, dann sind unserer ewigen Entwicklung keine Grenzen gesetzt."

Bald darauf  kamen die Missionare. Sie hielten nun die Hausversammlungen ab.
Eines Tages jedoch, nachdem die Missionare versetzt wurden und Johannes Reese wieder amtierte, fragten ihn die etwa 25 Anwesenden, was sie tun sollten.
Ich war dabei, als Johannes Reese ihnen diese Antwort gab: "Ja, die Missionare haben recht. Ihr handelt korrekt, wenn ihr euch taufen lasst und Mormonen werdet."
Stille herrschte, während er noch einmal zustimmend nickte und hinzufügte: Joseph Smith hätte einmal gesagt:
Alle Kirchen und Religionen haben Wahrheit, aber nicht die Fülle, weshalb sie uneins sind. Da ist Irrtum mit Wahrheit gemischt.
"Diese Kirche jedoch ist ganz und gar wahr. Es gibt keine größere Kraft des Lichtes zum Guten als die, die von ihr ausgeht."
Sie wurden allesamt Mitglieder, die Familien Emil Chust, Max Zander, Dunkers..., Schwester Weber und ihre drei Kinder, Schwester Waldmann, Hans Schult... Wolf u.a.
Einige von ihnen fielen später ab, aber die meisten  blieben treu und ihre Kinder und Kindeskinder halten bis heute das so empfangene Licht auch für andere hoch um ihnen dienlich zu sein:

Es besteht große Ursache zur Freude,

         "Brüder überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen!"




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