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Freitag, 5. Juli 2013

(1) "Vom Fisch zum Kreuz"


Gerd Skibbe
Vom Fisch zum Kreuz
Was Roms Kaiser Konstantin aus der Lehre Christi machte

„Abfall und Wiederherstellung“ im Spiegel der deutschen Fachliteratur
© 2010 Gerd Skibbe
Jede Reproduktion des Werkes oder von Teilen davon auf Papier oder in
elektronischer Form bedarf der schriftlichen Genehmigung des
Rechteinhabers
Umschlagentwurf Dr. Peter Wöllauer
Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8423-2827-3
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Mormonismus, die vielleicht toleranteste Religion weltweit, erscheint nicht wenigen Sektenkundlern als amerikanischer Mix und auf jeden Fall als
undeutsch. Herr Dr. Rüdiger Hauth, langjähriger Wortführer deutscher
Mormonenkritik sagt:

„Der Mormonismus ist eine amerikanische, eigenständige synkretistische Neu-
Religion, ... Der Übertritt zum Mormonentum stellt nicht nur einen
Glaubenswechsel dar, sondern bedeutet eine völlige Abkehr von der biblischen
Tradition und der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft, denn der
Mormonismus repräsentiert eine ganz andere, fremdartige Welt“
 „Dialog und Apologetik“, 2001 (1)

Nun sind Rede und Erwiderung das Lebenselixier jeder Demokratie.

Da wir alle beanspruchen, Christen, Demokraten und vernünftig zu sein,
erlaube ich mir, dieses Statement des Herrn Dr. Hauth freimütig zu betrachten,
zumal sein Inhalt in ähnlicher Form in unterschiedlichen Publikationen immer
wieder auftaucht.


Es sei erlaubt zu fragen, ob
- ein Urchrist des 1., 2. oder 3. Jahrhunderts, wenn er sich in der heutigen
Kirchenwelt, z. B. auf einem evangelischen Kirchentag, einen Tag lang
umsehen könnte, eine ihm vertraute, oder aber ob er „eine ganz andere,
fremdartige Welt“ vorfinden würde?


- Ginge diese Person des Altertums in eine Kirche, eine Kathedrale, einen Dom,
würde er sich da zuhause fühlen? Oder würden ihn die Dimensionen und die
Kälte erschrecken?
Immerhin wissen wir, dass diese gewaltigen Bauwerke dem konstantinischen
Gigantismus zuzuordnen sind und nicht urkirchlichen Vorstellungen.
In Rom gab es, wie wir alle wissen, vor Konstantin, also vor 320, nicht eine

einzige christliche Kapelle oder Basilika; das haben die Grabungen ergeben.
- Altäre in einer Kirche gab es vor Konstantin ebenfalls nicht. Unser Urchrist
würde sich sehr wundern, denn „... in einer christlichen Kirche
kann es eigentlich keinen Altar geben, sondern nur einen Abendmahlstisch.“
(2)
Am 07. November 2005 berichtete der „Spiegel“ unter der Überschrift: „Älteste
christliche Kirche der Welt entdeckt?“
„Archäologen haben unter einem israelischen Gefängnis die vielleicht älteste
christliche Kirche der Welt ausgegraben. Der Fundort ist Megiddo, ...(man
fand) altgriechische Inschriften, geometrische Verzierungen, den Namen von
Jesus Christus und ein kreisförmiges Symbol mit Fischen, das Symbol der
Urchristen... Die Ausgrabungen deuteten darauf hin, dass anstelle eines in
anderen Kirchen üblichen Altars im Zentrum der Fundstelle nur ein einfacher
Tisch stand. Leah di Segni, eine Expertin von der Hebrew University in
Jerusalem, sagte, die Verwendung des Begriffs „Tisch“ anstelle von „Altar“ in
einer der Inschriften könnte dramatische Auswirkungen auf die Studien
frühchristlicher Rituale haben. Bislang sei man davon ausgegangen, dass Jesus
Christus das Abendmahl an einem Altar gefeiert habe.“
(3)

Verwundert würde der Urchrist weiter nachfragen:
- Christen erhalten für ihren Dienst an der Gemeinde Geld? Noch um 220
beklagte der römische Bischof Hippolyt, dass die ... Gemeinde der
Theodotianer in Rom, ihrem Bischof ein monatliches Gehalt zahlte.
Dies sei „eine gräuliche Neuerung“. (4)
- der Urchrist würde sich über die liturgische Gewandung, sogar über das
Beffchen der Pfarrer, wundern. Seine Brüder gingen nie anders gekleidet, als
der Rest der Bevölkerung, auch während der Gottesdienste. Nach Hertling
kamen liturgische Kleidungsstücke erst 589, mit dem Konzil zu Narbonne auf.
(5)
- Völlig fremd würden unserem Besucher aus dem 3. Jahrhundert die Kreuze
erscheinen.
Christen des 1.bis 4. Jahrhunderts kannten keine Kreuze, obwohl sie gewillt
waren, die Bürde Christi, oder das „Kreuz Christi“, zu tragen, nämlich als
„Lämmer in einer Welt der Wölfe“ zu leben.
Das Bischöfliche Ordinariat Regensburg, bestätigt 2010 im Internet:
„Als allgemein verbreitetes und verwendetes Symbol der Christen lässt sich das Kreuzzeichen erst in der Zeit der Völkerwanderung nach 375 n. Chr. nachweisen.“ (6)

Kreuze kannte man nur als Marterinstrumente oder als Symbole des Sieges auf
den römischen Standarten der Legionen. Da gab es sie schon 100 Jahre vor
Konstantin. Das geht u.a. aus einem Aufsatz des Felix Minucius hervor. Etwa
im Jahr 200 schrieb er: , im "Dialog Octavius", was er davon hält, das Kreuz, an
dem Jesus starb, und das Kreuz der Kaiser und ihrer Legionen miteinander in Verbindung zu bringen und beide, als Mix, zum Gegenstand auch ihrer Verehrung zu machen: „Kreuze beten wir nicht an und wünschen sie nicht. Ihr allerdings, die ihr hölzerne Götter weiht, betet vielleicht hölzerne Kreuze an als Bestandteil eurer Götter. Was sind sie denn anderes die militärischen Feldzeichen und Fahnen als vergoldete und gezierte Kreuze?
Eure (!) Siegeszeichen haben nicht bloß die Gestalt eines einfachen Kreuzes,
sondern sie erinnern auch an einen Gekreuzigten... bei euren religiösen
Gebräuchen kommt (das Kreuz) zur Verwendung.“
(7)
Der Mann, der mit dem Konzil zu Ephesus, 431 das Kreuz (bzw. die
konstantinischen Kreuzsymbole) in die Kirche trug, war Cyrill von Alexandria.
Ich wage nicht zu sagen, wer dieser Kirchenpolitiker in Wahrheit war, verweise
jedoch auf die hervorragende Inauguraldissertation von Kaplan Dr. Leonhard
Fendt.
(8) Dieser brillant diskutierende, rückhaltlos ehrliche, katholische
Geistliche Fendt, lässt am geld- und machtgierigen ‚heiligen’ Cyrill kaum ein
gutes Haar. Einige Millionen, die sein Onkel, der Patriarch Theophilos von
Alexandrien, durch Plünderung des Serapistempels gewann, - der der
Verehrung des biblischen Joseph in Ägypten diente - musste Cyrill einsetzen
um aus dem Gefängnis freizukommen, in das ihn Kaiser Theodosius II. wegen
seiner grenzenlosen Zanksucht stecken musste. Die Haare würden unserem
Gast aus der Frühzeit der Kirche zu Berge stehen, wenn er z.B. hören würde,
wie heftig sich die Patriarchen Cyrill von Alexandria und Nestorius im Jahr 431
nicht nur mit Worten bekämpften: Pelusium, ein Freund Cyrills, schrieb damals
an Cyrill: „... fälle keine Gewaltsprüche, sondern wäge in gerechtem Urteil die Gründe ab, denn viele der in Ephesus Versammelten höhnen über dich, als ob du eine Privatfeindschaft austrügest, nicht aber rechtgesinnt suchtest, was Jesu Christi ist.“
(9)
 Es ging um die Frage ob Maria die Christusgebärerin
(Christotokos) ist oder ob sie die Gottesgebärerin, (Theotokos) genannt
werden sollte, wie Cyrill meinte. Selbst wir Heutigen wären erstaunt, wenn wir
den „Gesang der Mönche“ am Kaiserpalast nach dem Bekanntwerden der
Absetzung des Nestorius hören könnten: ,,Verachtet bist du, an welchem Orte
du auch seiest; verflucht bist du vor Gott, o Jude! Der Christ ist siegreich alle
Zeit! Gebt den Juden jetzt den Juden, gebt den Verräter den Juden!"; das Volk
schrie: „Man möge Nestorius, den Juden, verbrennen.“
Nestorius verkam
danach in der ägyptischen Wüste. (10)

Was bliebe von der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft übrig, wenn
eine machtvolle Hand, alle ab dem 4. Jahrhundert von Menschenhand
eingefügten Neuerungen oder Hinzufügungen fortnehmen würde? 


Es wäre eine Gemeinschaft ohne Kathedralen, Dome und Predigtkirchen, eine Kirche ohne hauptamtliche Pfarrer, in der es viele Priester gibt, alle gleichberechtigt und ohne Dienstkleidung, eine Kirche ohne Altar, ohne Kreuze und Glockenklang, eine Kirche ohne Kleinkindertaufen,ohne Taufstein.
 

Zum Glück bliebe die Lehre von Christus übrig, aber es wäre ein ganz anderer
Christus und die Lehre würde wieder leuchten.
Ginge unser Urchrist nun in eine Kapelle der Kirche Jesu Christi der Heiligen
der Letzten Tage, irgendwo, weltweit, er würde den Abendmahlstisch sehen,
das kreuz- und schmucklose Gemeindehaus, ein Lesepult. Wie in seinen Zeiten
erlebte er bei den ‚Mormonen’ eine Versammlung aller unter der Leitung eines
Bischofes und seiner beiden Ratgeber - genau so wie es früher war - und dann
die Zusammenkünfte der Ältesten- und anderer Priester-schaftskollegien, sowie
die gleichberechtigten Veranstaltungen der Frauen, Kinder, Jugendlichen in den
extra dafür vorgesehenen Zeiten. Sogar die Themen würden denen der
urchristlichen Versammlungen ähneln. Nur in Ausnahmefällen würden die
Ereignisse der Tagespolitik erwähnt werden, das immerwährende
Thema wäre ‚Freude’. „Menschen sind, dass sie Freude haben können“ sagt das Buch Mormon.
(11) Es ginge um die zeitliche und ewige Wohlfahrt aller,
die zu uns kommen, denn Jesus hat gesagt: „Kommt her zu mir, die ihr
mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“
(12)

Das so bestimmt klingende Wort „der Mormonismus (sei) eine amerikanische, eigenständige synkretistische Neu-Religion“ erweckt den Eindruck von Solidität, den Beweis bleibt Herr Dr. Hauth uns allerdings schuldig. Laut
Wörterbuch bedeutet „Synkretismus“ die Vermischung der Aspekte
unterschiedlicher Religionen um etwas Neues zu formen.


Wie lange kann beim heutigen Stand des Wissens die Behauptung aufrecht
gehalten werden, das sehr komplexe Lehrgut der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage gleiche einem Teppich oder einer Decke aus lauter
entlehnten oder gar geklauten Flicken?
Da gibt es einen Mann aus dem Altertum, Origenes (185-254), der sich mit
seinem Werk und Wissen, seit kurzem, wieder ziemlich gewichtig zu Wort
meldet. Er hat der Menschheit ein Bild von der Urkirche hinterlassen, an dem
sich alle Gemeinden jetzt und zukünftig messen lassen müssen, gerade auch die
christlich-ökumenische Kirchengemeinschaft.


Wie wir im Folgenden sehen werden, steht die gesamte christlich-ökumenische
Kirchengemeinschaft mitsamt ihren Lehren gemessen an Origenes, auf sehr
dünnen, tönernen Füßen.
Origenes' Name wird von nun an immer wieder auftauchen. Papst Benedikt
XVI. empfahl in seiner Generalaudienz am 25. April 2007 die Rückkehr zu
Origenes: „Ich lade euch dazu ein... die Lehre dieses großen Meisters
(Origenes) im Glauben in euer Herz aufzunehmen.“
(13)
Bereits 20 Jahre vor dem origenesfreundlichen Statement des Papstes hatte
Kardinal Urs von Balthasar erklärt: „Origenes und seine Bedeutung für die
Geschichte des christlichen Denkens zu überschätzen ist kaum möglich.“
(14)
Und der katholische Historiker Ludwig Hertling, Mitglied der Gesellschaft
Jesu, machte bereits vor 60 Jahren die denkwürdige Aussage:
„Origenes hatte niemals die Absicht, von der Lehre der Kirche
abzuweichen!“
(15)
Vergleichen wir also acht der bedeutendsten Lehren der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage im Detail einerseits mit denen des Origenes, dem
anerkannten Schiedsrichter der Urkirche, und andererseits mit denen des
traditionellen Christentums. (Es gibt weitaus mehr als 16 Übereinstimmungen
zu Gunsten der zu Unrecht kritisierten Mormonen)



Quellen:
1) „Dialog und Apologetik“, 2001
2) K-P. Hertzsch, „Theologisches Lexikon", Union –Verlag, Berlin, 1977. S.13
3) Der Spiegel, 7. November 2005, S.
4) Jungklaus, Full Text of: „Die Gemeinde Hippolyts ...nach seiner Kirchenordnung
5) „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“, Morus-Verlag Berlin S. 46
6) www. regensburg. de/bor page 003359.asp
7) Stemberger „2000 Jahre Christentum“, Karl Müller Verlag, Erlangen, 1990 S. 146.
8) „Die Christologie des Nestorius“ kath.theol. Fakultät der Kaiser - Wilhelm - Universität
Straßburg, 1909, Kempten, ist unter diesem Namen komplett im Internet abrufbar.
9) Christian Pesch „Nestorius als Irrlehrer“ Paderborn 1921, Verlag Schöningh
10) Leonhard Fendt, Inauguraldissertation
11) Buch Mormon 2. Nephi 2: 25
12) Matth 11: 28
13) Origenes – Leben und Werk in Benedikt XVI, Generalaudienz, Mittwoch 25. April
2007, zu finden unter www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/audiences/2007/documents/hf_benxvi_aud_20070425_ge.html
14) www.origenes.de/Kommentare
15) Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740, Morus-Verlag, Berlin, S. 27. (mit
Imprimatur. Romae, vom 27. Nov. 1981)