Gerd Skibbe:
Wenige Tage vor
Weihnachten 2022, äußerte sich der Bundessprecher der AfD Bundestagsfraktion,
Tino Chrupalla, zum gegenwärtigen Ukrainekrieg. Er wurde befragt wie er die
russische „Militäroperation“ einordne.
Seine Wertung lautete ausweichend:
„Dieser Krieg hat viele Väter!“
Im Kontext seiner
Aussagen wurde erkennbar, dass für ihn klar sei: zu den Vätern dieses
verbrecherischen Geschehens gehörten die USA und die Nato.
Offensichtlich wissen nur
wenige, der mit der AfD-Linie Sympathisierenden, dass die NATO 1949 erst als
Resonanz auf Stalins Provokationen entstand. Er hatte Monate zuvor, im
Schicksalsjahr 1948 „dem Westen“, seinen Waffenbrüdern, den ehernen
Fehdehandschuh vor die Füße geworfen, nicht umgekehrt.
Dies geschah u.a. in
Asien mit gefährlichen Kampagnen im russisch besetzten Nordkorea und in
Deutschland mit der, von Stalin, im Juni 1948 verhängten Berlinblockade.
Die USA hatten bis dahin
ihr Rüstungsprogramm nachweislich heruntergefahren, während die Sowjets sofort
nach Kriegsende massiv aufrüsteten. 1948
nahmen sie in Tscheljabinsk-40 ihren ersten Reaktor zur industriellen Produktion
von Plutonium in Betrieb.
Diese, sowie weitere Zeichen der neuen Zeit erschreckten alle die sie deuten
konnten.
Ungeniert wie die
Hitlerjungen bis zur Stunde null sangen: „Es zittern die morschen Knochen,
heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“ - (auch wenn das
Original anders lautete) – prahlten nicht wenige Alt- und Jungkommunisten in
Ost und West: „Über dem Kapitol zu Washington wird die Rote Fahne wehen.“
Basis solcher Kühnheit bot ihnen der Marxismus-Leninismus mit seiner Aufforderung:
„Proletarier aller Länder vereinigt euch“. Verbunden mit dieser Losung
war allerdings die Drohung: Proletarierwillen wird jede Art Opposition brechen.
Bereits unmittelbar nach der sogenannten „Oktoberevolution“ von 1917,
breitete sich in Kommunismuskreisen die große Illusion einer roten Weltrevolution
aus, die Idee von einer neuen, „besseren“ Werteordnung. Auch wenn es dazu nicht
kam, sollte im Russland der kommunistischen Kremlherren eben dieses „revolutionäre
Neue“ bittere Realität werden.
Entsprechend der Kenntnis des Geschehens während der Jahre des „Roten Terrors“ den Lenin, auch in Bewunderung des Terrorismus der französischen Jakobiner (infolge der Revolution von 1789) ausrief, wuchs die Erkenntnis:
Gelänge Ähnliches jemals in der Zukunft weltweit, wäre das Jedermannsrecht auf persönliche Entscheidungsfreiheit – der Liberalismus - außer Kraft gesetzt, und mit ihm der demokratische Grundsatz der Unschuldsvermutung zugunsten jedes Angeklagten. Diese beiden Errungenschaften der zivilisierten Welt, wären für immer verloren. Jedes selbständig denkende Individuum, sogar jeder auch nur im Verdacht einer kritischen Gesinnung Stehende, wäre der blanken Willkür ausgesetzt.
Kyrill, derzeitiger Patriarch der Russisch-orthodoxen Kirche und enger Freund
V. Putins brachte es auf den Kontrapunkt: „…der westliche Liberalismus ist
Teufelszeug…“ (David Nauer. Korrespondent von Radio SRF in
Russland.)
Bild 2022 |
Kein Wunder, dieser vorgeblich fromme Mann betonte
wiederholt, wie treu er in der Tradition seiner Kirche steht. Er weiß, wovon er
redet! Für ihn, und wahrscheinlich ebenso für die breite Mehrheit seiner
Priester ist der Gewaltherrscher Großfürst Wladimir (956-1015), der Gründer der
Russisch-Orthodoxen Kirche, ein Heiliger. Dieser ehebrecherische Unhold ließ
„988 die heidnischen Götzen in
den Dnjepr werfen und befahl allen Stadtbewohnern sich in dem Fluss taufen zu
lassen. Wer sich weigerte wurde mit dem T O D bestraft... Die Druschina (das Kriegsgefolge des Fürsten) führte in allen Ecken des Reiches mit brutaler
Gewalt Zwangstaufen durch.“ (Fritz Pleitgen und Michael Schischkin 2019, in
„Frieden oder Krieg...“)
„Es entstand die
für die Orthodoxie typische Symphonia
von Staat und Kirche.“ (Ökumenisches
Heiligenlexikon
In scharfem
Gegensatz dazu stehen die Prinzipien des originalen Christentums wie sie noch
im 3. Jahrhundert, in ihrer Akademie zu Alexandria, gelehrt wurden: Hier der diktierende
Staat und da die von ihm verfolgte Kirche, denn die lehrte Unabhängigkeit: „Der
Schöpfer gewährte den Intelligenzen, die er schuf, willensbestimmte, freie
Bewegungen, damit in ihnen eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihrem eigenen
Willen bewahrten…“
(Handwörterbuch
für Theologie und Religionswissenschaft, 3. völlig neu bearb. Auflage, Tübingen,
1960)
Russlands Kirchengeschichte wurde mit Blut und Tränen geschrieben und die fast unentwegt mit dem Staat in Harmonie lebenden orthodoxen Geistlichen stellten sich nicht quer. Nur zwischen 1917 und 1941 stand auf der einen Seite der Staat und auf der anderen die bangende Kirche, als ihre „Gotteshäuser“, auf Weisung von oben, eingerissen wurden.
Niemand vermochte es bislang eine exakte Summe der wirklich Unschuldigen in den Lagern des Archipels Gulag zu nennen, die dort allein zwischen 1917 bis zur Geheimrede Chruschtschows, im Februar 1956, (zum Abschluss des 20. Parteitages der KPdSU), verreckten. Aber der Tag wird kommen. Millionen waren es.
Diesen entsetzlichen Fakt
vor Augen, und das Wissen was in Fernost geschah, sowie die nicht von den West-Alliierten
provozierte Berlinblockade, kam es in der noch freien Welt zum Zusammenschluss politischer
Kräfte. Im April 1949, 2 Monate vor der Aufhebung dieser Schikane, entstand die North Atlantic Treaty Organization,
als Defensivbündnis.
Bösartig war der Moskauer Ungeist jener Tage, den W. Putin nun erneut
heraufbeschwört, indem er die alte Leier spielt: „Ab heute früh wird
zurückgeschossen“ posaunte Adolf Hitler jeder Kritik entgegenwirkend, am 1.
September 1939, als Rechtfertigung in die Welt.
Mit der Begründung, die
Sowjetunion müsse die Sicherheit der in Ostpolen lebenden russisch sprechenden
Minderheiten gewährleisten, befahl Josef Stalin fast drei Wochen danach, am 17.
September 1939 den Angriff der Roten Armee auf sein Nachbarland. Das und die
Ermordung der 24 000 polnischen Offiziere und gefangenen Soldaten durch
knallrote NKWD-Akteure, zu Katyn, bleibt unverzeihlich.
Nur wenige Tage nach der Besiegelung
dieser erfolgreichen Militäroperation, fielen am 30. November 1939 die
sowjetischen Soldaten in Karelien ein, unter dem Vorwand Leningrads
Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen.
Zerstörungen nach dem sowjetischen Luftangriff auf Helsinki am 30. November 1939
Eigene „Sicherheitsinteressen“ sind Diktatoren immer und grundsätzlich wichtiger als die ihrer Opfer. Die Unfähigkeit
Mitleid für die Unterlegenen zu empfinden ist schlichtweg ihr Markenzeichen. Typisch
für sie ist, kaltblütig und auf Kosten der Wahrheit, die eigene Unschuld zu
betonen. Selbst wenn starke Beweise für ihr Unrechttun offen liegen, leugnen
sie die Tatsachen. Sie fegen sie einfach vom Tisch.
Das besorgt ihr Propagandaapparat, der gelegentlich dezent auf die weit
geöffneten Türen der Gefängnistüren für diejenigen hinweist, die es wagen offenbar
inkorrekten Aussagen der obersten Autorität zu widersprechen.
Hitler wies auf die Rasse Israels: „Die Juden sind schuld!“, Lenin auf die Kulaken als Schuldige am Hungerelend seiner Tage.
Lenins Geistesverwandte sind
bemüht echte Geschichtsbilder in ihrem Sinne zu „korrigieren“. Meisterfälscher
Kim Il-sung der sich im Frühjahr 1950 von Stalin die Erlaubnis und Unterstützung
zur Eroberung Südkoreas erbat, schob den USA und ihren „Hilfstruppen“ die
Schuld am verlustreichen dreijährigen Koreakrieg in die Schuhe. Sein Sohn Kim
Jong ill und dessen Sohn schwören bis zur Stunde, auf Teufel komm heraus, „die
USA“ seien die Kriegstreiber. Und dass, obwohl jeder weiß, dass zu Kriegsbeginn,
im Juni 1950, die Streitkräfte der USA eben nicht aufgestockt worden waren,
sondern, dass sie ihren Abzug aus Südkorea fast komplett vollzogen hatten.
Chinas oder Koreas damaliges und künftiges Schicksal betrifft alle.
Spiegel 9-48 schrieb am 27.02 1948, -
zwei Jahre vor dem Überfall Nordkoreas auf den Süden: „Das russisch besetzte Nordkorea wurde zur »Volksrepublik«
ausgerufen. Mit eigener Verfassung, einem 200 000-Mann-Heer und Hammer und
Sichel als Hoheitszeichen. Die politische Taufe des längst geborenen Bankerts
Nordkorea ist ein erstes offenes „Gardez“ (ein Ausdruck
der im Schach verwandt wird) der Russen an die UNO. In Moskau waren die
Alliierten übereingekommen, nur eine gemeinsame Regierung für das russischbesetzte
Nordkorea und das amerikanische Südgebiet zuzulassen. Einer UNO-Kommission, die
dazu freie Wahlen durchführen sollte, wurde die Einreise in die russische Zone
verboten…
Die
neugebackene Volksarmee Nordkoreas marschierte im Paradeschritt durch die
ebenfalls neu gebackene Küstenhauptstadt Gensan. Über hundert russische
Offiziere auf der Ehrentribüne salutierten. Auch zwei amerikanische Verbindungsoffiziere
waren gekommen. Sie bereuten es bald. Eine aufgeputschte Menge riss ihnen die
Uniformen vom Leibe und prügelte auf sie los. Die Russen salutierten ungerührt
weiter. Der US-Oberbefehlshaber in Korea, General John Hodge, protestierte bei
seinem russischen Kollegen…“
Die „Westwelt“ darf niemals die harten Tatsachen vergessen!
Vergessen und
missachtet dagegen war und ist, unter anderem, seitens der Kremldiktatoren auch
die Tatsache, dass die Sowjetunion ohne „westliche Hilfe“ den Zweiten Weltkrieg
nicht überlebt hätte. Eine der Behauptungen Herrn Putins
lautet: „die USA verdienen am Krieg“, auch wenn er nicht leugnen kann, wieviel
die Vereinigten Staaten zugunsten Russlands geleistet haben.
Stalin blickte im Sommer
41 ratlos ins schwarze Loch des nahen Untergangs seines Landes und seines
Systems. Unerwarteterweise versprach ihm sein Erzgegner USA Beistand.
Alleine die Vereinigten
Staaten von Nordamerika lieferten bis mindestens Mitte 1945:
4 Millionen Tonnen
Lebensmittel, in die Sowjetunion, sowie 15 Millionen Paar Stiefel, 400 000 Jeeps und LKW, 13 000 Lokomotiven und Güterwagen. 4 000 Bomber 10.000 Jagdflugzeuge,7 000 Panzer,
130 000 Maschinengewehre, 78 000 Jeeps, 220 000 Studebaker Lastkraftwagen als
Träger der Mehrfachraketenwerfer (Stalinorgeln) und mehr. (Mark
Harrison: „Soviet Planning in Peace and War 1938–1945“. Cambridge 1985)
Als erste Gegenleistung löste Stalin sodann, 1943, die Komintern auf. Ein Opfer seinerseits war das nicht. Diese, die „dritte Internationale“ operierte ihm ohnehin allzu eigenmächtig.
Die grauenvollen
Schicksale der zahlreichen Mitglieder der Komintern, die fortan in Moskau im
Hotel Lux so gut wie eingesperrt und in Todesangst lebten, ist heute weithin
bekannt.
Nachdem die
Waffenbrüderschaft der USA, Englands und Frankreichs mit der Sowjetunion zur
Vernichtung Hitlerdeutschlands führte, gab es gegenseitige
Verpflichtungen. Darunter die Aufteilung
Deutschlands in gleichberechtigte Besatzungszonen der vier Siegermächte.
Dasselbe galt für Berlin. Doch Kommunist Walter Ulbricht der, seit 1945, von
Ostberlin aus als Diktator von Stalins Gnaden agieren durfte, missfiel, dass
die Soldaten des Kapitalismus im Herzen seines schon früh geplanten DDR-Staates
standen, nämlich inmitten der Sowjetischen Besatzungszone, in Westberlin.
Ulbricht und Genossen ahnten, dass dieser Stachel im Fleisch ihnen auf
Jahrzehnte hinaus Schmerz zufügen würde. Der sowjetische Geheimdienst wusste zudem
spätestens Mitte 1947, dass die Alliierten den Westdeutschen und Westberlinern gestatten
würden eine eigene Geldwährung in Umlauf zu bringen. Unvorstellbar, dass in
einer Stadt zwei entgegengesetzte Zahlungsmittel gelten sollten. Aufgehetzt von
besoldeten, roten Agitatoren zogen in beiden Deutschlands linksorientierte
Protestler mit der Losung „Ami go home!“ durch die Straßen. Geplante, tumultartige
Szenen gab es in einigen Großstädten.
Natürlich gaben die
Westalliierten solch aufkeimendem Druck nicht nach.
Walter Ulbricht der sehr
wohl die Stimmung der Bevölkerung seines Hoheitsgebietes kannte, bat Stalin um
Unterstützung – was dem Kremlherrn durchaus gelegen kam - und so sperrte die
sowjetische Militäradministration am 1. April 1948 jene Brücken und Straßen die
von westlicher Seite zur Versorgung der mehr als 2 Millionen betroffenen
Menschen diente.
Erwartet wurde seitens
der Ostpolitiker die sofortige Aufgabe des Besatzerstatus der Westverbündeten
für das halbe Berlin.
Das geteilte Berlin
Washington protestierte jedoch,
wenn auch zahm und richtete sofort die „Kleine Luftbrücke“ ein. Moskau gab
nach, und zwar ein letztes Mal.
Als jedoch am 20. Juni 48
die Westmark eingeführt wurde klingelten und jammerten hüben wie drüben die
Telefone und Warnsirenen der konkurrierenden Machthaber. Der Klassenkampf nahm wieder
Fahrt auf. So fiel vier Tage später der Richtspruch des Kremls: „Endgültige
Unterbrechung herum der Versorgungswege zu Wasser und zu Land von jenseits der
Elbe bis Westberlin.“ Das Rumpeln der rund um Berlin stationierten
Panzerdivisionen der Sowjets unterblieb, weil man in Washington nur mit den
Zähnen knirschte. Länger als ein Jahr hielten die zähen Alliierten mit ihrer großen
„Luftbrücke“ durch, und das zahlte sich aus. Die berechtigte Frage
wie im umgekehrten Fall die Kommunisten gehandelt hätten ist unschwer zu
beantworten.
Einer der "Rosinenbomber" während der Luftbrücke 48-49
Die Wortgefechte die sich
beide Seiten fortan, bis zum Mauerfall lieferten, sind nicht vergessen. Allezeit
gilt jedoch: Wer Vormachtsansprüche gegenüber irgendjemand erhebt, provoziert
Gegenmaßnahmen. Deshalb kamen am 4.
April, einen Monat vor der nicht voraussehbaren Beendigung der Berlinblockade,
im Mai 49, in Washington die maßgeblichen Regierungsvertreter demokratischer
Gesinnungen und Regierungen zusammen und gründeten die NATO, als Antwort auf sowjetrussischen
„Klassenkampf“ der lediglich die Farben Schwarz und Weiß kannte.
Zwölf Jahre später trafen
sich am 3. Juni 1961 in Wien Chruschtschow und der USA-Präsident John F.
Kennedy. Chruschtschow erneuerte sein Berlin Ultimatum von 1958 um "eine normale Lage in der Hauptstadt der
Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen". Als der US-Präsident
ablehnte, drohte Chruschtschow: "Wir wollen keinen Krieg, wenn Sie ihn uns
aufzwingen, wird es einen geben.“
(Spiegel Benjamin Maak Oktober 2011)
Diktatoren und Milliardären geht es gleich, sie sind nie
zufrieden, sie müssen immer mehr haben, andernfalls geht die Welt unter.
Weihnachten 2022