Es
gibt eine Münze, aus seiner Zeit, die unmissverständlich zeigt, dass Konstantin
sich als Gott Sol Invictus verstand. Um jeden Preis trachtete er danach die
Weltmacht zu erlangen. Konstantin wurde bereits 310 im schönsten Apollotempel
die Weltherrschaft versprochen: er solle
die traditionellen römischen Götter in Sol Invictus zusammenfließen lassen. In
diese Vielfachverbindung hat er Jesus Christus eingebunden. Hier liegt der wunde Punkt. Jesus geriet
durch Konstantin ins henotheistische Göttergefüge, als ein weiterer unter
vielen, die zu einer Gottheit zusammenflossen.
Wikipedia:
Konstantin der Große 307-337 als Sol
Invictus. Geprägt ca. 309-310 in Lugdunum. Sol stehend mit dem Gesicht nach
rechts, rechte Hand erhoben, den Globus in der linken.
Konstantin schwor auf
das Kreuz der Legionen und so Cyrill, weil es Vormacht versprach.“
„Zugegeben, sie stellen uns vor erhebliche
Denkarbeit. Gott segne sie“, sagte der Oberst, „ich hoffe sie können es in
einem Traktat in wenigen Sätzen zusammenfassen. Wir sind stolz auf sie.“ Es sollte noch ein langer Nachmittag werden,
der Dank Oberst Martinez harmonisch endete.
Im Hintergrund wuchs an diesem
Nachmittag in Jòse der Gedanke, sie werden noch im September das
Vertreibungsedikt verkünden. Um Jimena und Ahmed und sich selbst in Sicherheit
zu bringen, blieben ihm nur noch wenige
Tage.
Eine
unentbehrliche Rückschau
Dr. Carranza konnte jedoch nicht stolz
auf sich sein. Er fragte sich sogar, während des Heimweges ob seine
schwerwiegenden Argumente bis in jedes Detail hinein die ganze Wahrheit
beschrieben, oder ob er es nicht auf die
Spitze getrieben hätte. Er rekapitulierte seinen Vortrag und schaute fragend
himmelwärts.
Plötzlich fühlte er Frieden: du hast dein Licht nicht unter den Scheffel
gestellt. Die nachnicänische Kirchengeschichte offenbart die Abscheulichkeit
des Handelns der Exponenten des Konstantinismus auf tausend Seiten. Das sollte
jeder wissen und bedenken. Du bist im Recht zu sagen: Das Dreigestirn
Konstantin, Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo bilden ein
komplettes Irrlicht.
Konstantin verschmolz Christus illegitim mit
Sol. Ambrosius von Mailand, zerstörte
nicht nur die Antike. Er raubte den Menschen seines Herrschaftsgebietes das
Himmelsgeschenk Freiheit. Augustinus
stand ihm helfend zur Seite. Sie sind gemeinsame Erzfeinde der offenbarten
Absichten des Gottes des Neuen Testamentes. Ihre Absichten zu durchschauen wäre
der erste Schritt in eine bessere Zukunft. Denn nur die Wahrheit kann uns
freimachen! Auf diesem Wort des Christus darf jeder bauen.
Sechs Sätze wird er formulieren: Wir stehen
ein für die Religionsfreiheit jedermanns. Möge jeder unbeeinträchtigt das
verehren, was ihm sein Gewissen gebietet. Menschen zu drangsalieren die
niemanden misshandelten, ist strafbar. Jemanden das Leben zu nehmen, der selbst
nicht mordete, ist Mord der nie verjährt. -
Wir wollen unabhängig vom Staat existieren. - Niemand darf jemals für Religionsverkündung
bezahlt werden.
Vielleicht
wird er das noch präzisieren. Es muss vor allem klar zum Ausdruck kommen, dass
Konstantin die Kirche mit dem Staat aus eigensüchtigen Gründen liierte. Beide Institutionen vereinigten sich mit
priesterlichem Einverständnis zu einem Gebilde schriller Disharmonie. Ambrosius von Mailand zementierte diese
Ungeheuerlichkeit fünfzig Jahre später, indem er formulierte: „ Der Glaube an Gott und die Treue zum
Imperium Romanum können nicht voneinander geschieden werden.“
Jòse wünschte einerseits nichts von Wert zu
zerstören, aber andererseits durfte niemand lügen. Konstantin baute mehrere Basiliken um die
Souveränität und Einzigartigkeit der Kirche Christi zu brechen. In diesen
Gebäuden wurde ein Kult geübt, den er sich ausgedacht hatte. Er trug den Sol geweihten Altar in seine
Kirchen hinein. Ein Mix aus Heiden- und Christentum entstand. (35)
In
christlichen Gemeinden gab es den Altar nicht. (36) Dr. Carranza musste es
wiederholt formulieren, weil ihn die Ungeheuerlichkeit der Ergebnisse seiner
Forschung erschütterte. Unter der Maske
des Christus steckte seit Nicäa die
Fratze des Sol. Das disharmonische Einheitsgebilde von Paganismus und
Christentum hing fortan von seiner Gunst und dem Wohlwollen künftiger
Imperatoren ab, statt von dem Gott der lebt, der befragt werden will wenn es
ums Grundsätzliche geht. Das erfuhr
Petrus mit dem Gesicht von den reinen und den unreinen Tieren. Seine Frage an Gott lautete, ob nur die
„reinen“ „Tiere“, die Juden getauft werden sollen oder auch die in jüdischen
Augen „unreinen“ Heiden. Wer kennt sie
nicht die berühmte Antwort? Ambrosius der zeitgleich amtierender Kaiser und
Bischof von Mailand war, setzte den zweiten Schritt, indem er weitere
Voraussetzungen schuf in die Kirche Konstantins den Papststuhl zu tragen, um
den Besitzer zum Despoten zu erheben.
Vordenker Konstantin hatte ja zur Errichtung dieser Institution bereits
den Grundstein gelegt. Aus seinen Herrschergründen nannte er sich selbst
"Aufseher über die Bischöfe".
Er und sein Sol, nicht Christus, der ja nach seiner Auferstehung
existiert, wurde der Bischof der Bischöfe, der „Herr aller Menschen!“. Konstantin gewann die Oberhand mittels Geld
und Druck, mittels Zuckerbrot und Peitsche. Wie sein Vorbild agierte später
Herr Ambrosius. Konstantin hatte die
Vereinnahmung der Kirche mit List und Tücke erzwungen. Vorher riskierten die
Christen ihr Leben sobald sie sich zu den Lehren des Jesus von Nazareth
bekannten. Nun bot ihnen ein Kaiser die
Gegenseite an, Sicherheit, Brot und materiellen Gewinn. Das musste jeden
Betrachter stutzig machen.
Der
Preis für Sicherheit lag scheinbar
niedrig: nur eine Unterschrift unter ein kleines Dokument. Dass diese kleine
Dienstleistung allerdings die Zustimmung zur Einführung eines neuen
Gottesbildes bedeutete, drückte viele Schultern. Seit Nicäa, 325, galt gemäß Konzilsbeschluss,
dass der allein wahre Gott und sein Sohn eine einzige Wesenheit sind. So verloren sie jeweils ihr eigenes Gesicht.
Unter Todesstrafe stand fortan das Lesen von Büchern die dem widersprachen.
Glaubens-
und Gewissenszwang verdarben seit je die Gesittung. Ambrosius von Mailand
erhöhte den Druck. Augustinus
rechtfertigte das. Alle Bürger Roms wurden weg vom Licht ihrer Vernunft in die
Grauzone geführt. Zuvor ging es um mehr Erkenntnis, danach um Geschäfte. Ehe es
dazu kam drohte der Kaiser, in Nicäa, 325, den widerstrebenden Bischöfen. Die
Halbwilligen kaufte er. Er stellte die
höhere Priesterschaft steuerfrei. Konstantin wusste: Gold kann jeden blenden.
Zugleich allerdings erschwerte er den Zugang zum Priestertum.
Am liebsten hätte Konstantin umgehend den
Zölibat eingeführt um die Finanzen des Imperiums zusammen zu halten, statt sie
in den Händen zahlloser Erben zerrinnen zu lassen. Er war der große Versucher, der damals den
Kummer gewöhnten, überwiegend mittellosen Bischöfen gewisse Machtteilhabe
anbot, nämlich den Zugriff auf die staatliche Armenkasse. Die Mehrheit der
Bischöfe zu Nicäa - die jeweils kleinen Einzelgemeinden von je etwa achtzig
Mitgliedern vorstanden - waren
schlichte, zivil gekleidete Werktätige, die ihr tägliches Brot auf harte Weise
erwarben. Ab sofort winkte ihnen ein leichteres Leben. Konstantin wusste, dass
er damit das Wachstum seiner Kirche förderte. Der Gedanke, dass es zwangsläufig
zum Krebswuchs kommen musste, nämlich zum ungebremsten Zulauf von
Vorteilsuchenden, kümmerte ihn nicht, weil er davon profitierte. Privilegien
müssen finanziert werden. Bisherige Steuerregelungen reichten nicht mehr hin.
Deshalb kreierte Konstantin sofort nach Nicäa die Silbersteuer, die auri
lustralis collatio, der kein Gewerbetreibender entkam – außer, wenn er Bischof
oder staatlich anerkannter Priester war. Man kann für Geld alles kaufen. Es war
schon immer so: Im Dunkeln ist gut munkeln. Hartherzige Händler wurden
„Christen“ und dann höhere Priester. Sie lernten schnell. Das war ihr Beruf.
Jetzt kam es vor allem auf die sichtbaren Gesten an. Immer schön die Augen himmelwärts verdrehen
und fromm die Hände falten. Ein paar
Worte plappern, kein Problem. Ämter die früher zuoberst persönliche Würdigkeit
des Anwärters voraussetzten, konnten mittels klingender Münze erworben werden.
Deshalb
lagen in jedem Rennen um jeden frei werdenden Bischofsstuhl die räuberisch
denkenden Kapitalisten vorne. Jeder der es wissen wollte wusste jedoch, dass
Jesus gesagt hatte, niemand kann zwei Herren dienen, er wird den einen lieben
und den anderen hassen, Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Die Mammonsdiener lachten sich eins ins
Fäustchen.
Kurz vor dem Betreten des erzbischöflichen
Palais stockte Dr. Carranza. So weit, so
zutreffend. Die Erlaubnis auch diese
Hintergründe und Zusammenhänge in einem gemeinsamen Pamphlet schonungslos und
präzise darzulegen muss er zuvor von den Mitgliedern der Cazallagruppe einholen. Es macht keinen Sinn nur die
kleinen Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.
So bald wie möglich sollte er ihnen seine diesbezüglichen Gedanken
vortragen.
Es ging ihm vor allem um jene drei Sätze des
Nicänums welche die Welt Europas gespaltet hatten. Dieses Thema riss er im
Hause Cazalla ja nur kurz an. An diesem
Punkt könnten sich die Geister der Widerstandgruppe möglicherweise scheiden. Nach seinen umfangreichen, langjährigen
Recherchen ergab sich, dass drei Sätze des Nicänums nicht nur im scharfen
Widerspruch zur Gotteslehre der ursprünglichen Kirche stehen, sondern dass sie
der Logik Hohn sprachen. Sie sind unklar und bewirkten seither kaum mehr als
die Zerstörung des Glaubens.
Die Katholiken, die Lutheraner und auch die
Calvinisten bekennen sie dennoch und zwar, man sollte es nicht glauben, sie
schwören vehement auf diese Behauptung:
„(es)
sind nicht drei Götter, sondern ein Gott. So ist der Vater Herr, der Sohn Herr,
der Geist Herr. Und doch sind es nicht drei Herren, sondern ein Herr. Denn wie
uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich als Gott und
als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der katholische Glaube, von drei
Göttern oder Herren zu sprechen...“
Falls
auch die Gruppe Cazalla auf diesem, dem strittigen Teil des nicänischen
Bekenntnisses beharrt, wird er trotz anderweitiger Übereinstimmungen die
Mitarbeit verweigern. Diese Frage steht
offen.
Mit
seinen festen Schritten ins selbstgewählte Gefängnis, das unter dem Willen des
scharfen Aufsehers de Ribera litt, bestätigte
Jòse seinen Entschluss. Es müsste vernünftigerweise heißen, da ist nur
eine Gottheit, doch das zu glauben untersagten die unterschiedlichen selbsternannten
Häupter der gespaltenen "Christenheit". Das sei verdammter Tritheismus! Das vierte
Laterankonzil unter dem Mörderpapst Innozenz III. bekräftigte dies
ausdrücklich. Wer das vertrat wurde verbrannt.
Gemäß
seinem Wissen und Geschmack ist solche Definition des Wesens Gottes das
ungenießbare Salz in der Suppe. Das eigentliche, gegenwärtige Problem besteht
darin, dass die sogenannten Nicäner, im Ungeist der Rechthaberei, in den
Ablehnern immer noch ihre Todfeinde sehen.
Hunderttausende Nichtnicäner verloren ihre Heimat weil sie im
Altväterglauben beharrten, Jesus sei ein anderer als sein Vater. Nicäner beanspruchten Rechtgläubige zu sein,
Orthodoxe. An dieser Stelle steigern sie sich bis in den Wahnsinn.
Jòse ging noch beklommener in seine Kammer,
warf sich aufs Lager. Das Ergebnis seiner Schlussfolgerungen, wie er sie in
Doña Cazallas Haus vorgetragen hatte
wäre eigentlich bereits die klare Ablehnung der Idee des christlichen
Monotheismus. Doch, ob das seinen Zuhörern auch bewusst war? Konstantin ging es damals, aus eindeutig
politischen Erwägungen, dringend darum seinen Monotheismus zur Staatreligion zu
erklären. Konstantins Philosophie: Ein
Reich, ein Imperator und ein Gott, hatten sich alle zu beugen.
Diese Grundsatzentscheidung war lange vor
Nicäa gefallen. Man könnte es so formulieren:
Er bevorzugte den allgemeinen Eingottglauben, obwohl er Henotheist war.
Konstantin
entschied sich bereits lange vor Nicäa jene Christensorte zu unterstützen die
ihm in dieser Angelegenheit nicht widersprechen würde. Er fand denn auch, was
er suchte. Rom, wohlgemerkt das „christlich“ fromme Rom, agiert seither mit dem Eingott Sol Invictus
im Bunde. Die Menschen wurden mittels Wortgefechte in die Irre geführt.
Jóse steckte tief in dieser Materie, die
sich bislang zur Misere auswuchs.
In
seine Gedankenwelt konnte keine Ruhe einkehren. Allzu deutlich sah er die
Widersprüche zwischen den historischen Fakten und jener geballten politischen
Macht die denen wortreich entgegenstanden. Wieder und immer wieder kam er zu
dem Schluss, dass die derzeitige Christenheit den aus Machtsucht dominierenden
Sonnengott Sol Invictus verehrte, nachdem dieser ins Lammfell Christi
schlüpfte. Entrüstet würden die Nicäner
das abstreiten, obwohl ihr Kriegsgeschrei auf hundert Schlachtfeldern im
Geist und Ton des Sonnengottes dröhnte und unüberhörbar durch die Welt hallte.
Streitsüchtig nannten sie hundertmal am Tag Christi Namen, doch der war nicht
der Gott des Krieges.
Alleine um die vorliegenden Tatsachen in der
Weise zu reihen, wie Doña Catalina es wünschte wird er einige Tage benötigen.
Darunter Tage in denen er verzichten muss, seine Familie zu sehen, weil in der
Tat Eile geboten war. Vielleicht war es
gut, noch ein Wochenende zu überschlagen, um Ahmed mehr Zeit zu geben. Einen schwierigen Aspekt lang und breit
darzustellen wäre kein Problem, aber in der Kürze liegt die Würze. Das erwies
keiner besser als der großartige, im Jahr 1517, noch unverdorbene Luther. Bild
um Bild erschien ihm. Auch Jimena und
Ahmed traten vor ihn hin. Sein Gefühl
forderte, er müsste sie packen und in Sicherheit bringen. Aber andererseits musste er sich sagen, so
einfach geht es nicht. Ein Ahmed lässt sich nicht mehr nehmen. Er wird jedoch infolge deiner Abwesenheit
umso schneller reifen. Vielleicht
kannst du sein Herz gewinnen. Jeder ist
frei und nur darum kann es gehen. Du
müsstest so schreiben, dass es selbst Ahmed ergreift.
In einem der sechzigtausend Folianten der
erzbischöflichen Bibliothek hatte er seine Gedächtniskartei hinterlegt.
Dr. Carranza
trieb es deshalb bereits am frühen Montagmorgen in die Bibliothek um
sich einige seiner vielen bereits vor Jahren verfassten Aufzeichnungen zur Hand
zu nehmen, die rings um ihn herum wohl verwahrt auf ihn warteten. Aus ihnen
wird er den Extrakt ziehen. Möglicherweise könnte bereits in diesem Komprimat
der Schlüssel zum Sturz des Papsttums liegen. In Gedanken sah Dr. Carranza das
Traktat bereits vor sich, gegliedert nach Zeit und im Vergleich zur Urform der
Kirche. Fünfzehn Seiten aus mehreren hundert. Nichts stand jetzt bereits so deutlich fest
wie die Berechtigung der Zerschmetterung des großmäuligen, kirchlichen
Anspruchs: die römische Kirche hat nie
geirrt und sie wird nie irren, bis ans Ende der Zeiten.
Auf zehn Schwerpunkte großkirchlicher
Anmaßung wird er sich beschränken. Alle Ansprüche Roms die nicht glaubhaft
dokumentiert sind, gehören ins Reich der Legenden. Der Müllkorb ist ihr angemessener Platz. Zuunterst im Korb ungerechtfertigter
Behauptungen möge die große Lüge geraten, Petrus hätte den römischen Bischöfen
den Vorrang über alle anderen verliehen.
Warum nicht denen zu Jerusalem? Zu
seinen Zeiten, war die Stadt noch frei. Es gab dort tausende Christen.
Warum sollte Petrus die Leitung der
Kirche an den äußersten Rand des Geschehens verlegen? Es gab ständige Anfragen
an ihn, dem der Herr selbst den Auftrag gab: Weide meine Lämmer. Bischöfe
mussten berufen und unterwiesen, auftauchende Lehrdifferenzen korrigiert, die
Missionsarbeit koordiniert, strittige Exkommunikationsfälle betrachtet werden.
Wenn schon, dann verlegte Petrus seinen Sitz nach Antiochia. Dass es so war, beanspruchte jedenfalls die
syrische Kirche.
Er
lachte plötzlich, musste an die unterschiedlichen Märchen von der Bekehrung
Konstantins denken, die einander widersprachen und die auf ihre Weise klar
machten, dass sie einem einzigen Zweck dienten: Rom zu erhöhen. Roms
"christliche" Autokraten trachteten nach Nicäa ihre Brüder zu
Jerusalem, Antiochia, Alexandria und
Konstantinopel klein zu halten. Roms Meisterschaft im Erfinden von Fabeln
führte zur Erstellung des größten Lügenbuches aller Zeiten, namens Actus
Silvestri.
Aus
ihm flossen die Predigten und die Verbrechen der Jahrhunderte, obwohl jede
Geschichte den Widerspruch in sich selbst trug. Man musste nur genau
hinschauen. Die Dummen hielten die noch Dümmeren in Unwissenheit und die in
Fälschungen involvierten blieben zwar im selbstgestrickten Netz hängen, weil
die Unterschiedlichkeiten ihrer Geschichten sie entlarvten, doch die große
Kirche hielt ihnen die Treue. Obenan wird darum das Hauptwort „Wahrhaftigkeit“
stehen und gleich neben ihm der Begriff „Entscheidungsfreiheit“. Es ist die
große Frage nach dem Recht des Menschen
auf Wahrheit und seinem Individualrecht. Da wird er hineinstechen um die
Verlogenheit Roms und Madrids hinsichtlich ihres Machtanspruchs offen zu legen.
Zugleich sind sowohl Wittenbergs und Genfs Irrlehren vom Unvermögen des
Menschen scharf zu hinterfragen. Das von
Konstantin den Christen gewaltsam aufgezwungene heidnische Gottesbild - das im
Nicänum seine niederträchtige Rolle spielt
- muss als das dargestellt werden, was es ist: ein böses Phantom. Ein Schwerpunkt weiterer, angemessener Kritik
wird die zu Unrecht erfolgte Verfluchung der Lehren des Origenes sein und
zuletzt die Gewissensfrage: Wer
gestattete euch Erzhäretikern, uns als Ketzer zu denunzieren?
Auch seinem Erzbischof wird er es zuletzt
schriftlich geben, schnörkellos, was er seit langem weiß. Die Theologie wurde schrittweise Objekt von
Spekulanten. Wie Grobschmiede schlugen sie auf eherne Basislehren ein um sie aus durchsichtigen Zwecken zu deformieren. Das
Gespräch mit Doña Cazalla und den Ehrenhaften ihres Zirkels hatte ihn dermaßen
bewegt, dass er solange das Licht ausreichte, arbeitete. Tagelang, sooft es die
Umstände zuließen. Am Sonnabend den 5. September bekräftigte Jóse seinen
Entschluss, am Sonntag nicht nach
Alboraya zu gehen.
Im Priesterseminar gab er am Dienstag zwei
Vorlesungen zu Fragen des frühen Kirchenrechtes. Seine dreizehn Novizen hörten
ihm gerne zu, weil er, in gewisser Absicht stets interessante Geschichtsereignisse
einflocht. Am frühen Nachmittag des neunten September, einem Donnerstag, stand er nachdenklich in der Bibliothek an
seinem Lesepult, als ihn ein Bediensteter zum Diktat ins Amtszimmer seiner
Exzellenz de Ribera rief. Jóse konnte gerade noch rechtzeitig seinen
Aufzeichnungen sicher hinterlegen.
Doch im Hauptraum saß nicht, wie üblich Don
Juan de Ribera, sondern ein ihm unbekanntes, dickes Ungetüm, wie er gekleidet
in Dominikanertracht, und im Schatten des etwas verdunkelten Zimmers saß jemand
zusammen gekrümmt, den er nicht erkennen konnte. „Bitte nehmen sie doch Platz,
Bruder Jóse.“ Jóse gehorchte dem Mann mit dem riesigen Gesicht und der
schmalzigen Stimme. Es knisterte im Raum. Da war es wieder das Dunkelschwere,
das er fühlte, aber nicht fassen konnte. „Ja, wissen sie lieber Bruder Jòse,
sie glauben ja gar nicht wie schlecht manche Menschen sind.“ Der ältliche Herr
mit seinem grauem Spitzbart schnaufte: „jemand verdächtigt sie. Haben sie eine
Ahnung wessen sie beschuldigt werden?“ Jóse zuckte die Achseln. Das war sie,
die Inquisition! Da saß sie im Mief. So
ging es stets, so fing es an.
Als nächstes schoss ihm unwillkürlich
der Begriff „Silberflotte“ in den Kopf. Seit achtzig Jahren zwang das heilige
Spanien die mittel - und südamerikanischen Indianer den Bergen Silber und Gold
zu entreißen wobei sie verrecken mussten, um Männer wie den da - und dich
- zu finanzieren. Das "und
dich" rückte ihm zum ersten Mal auf den Leib. Die Selbstkritik verstärkte sein
Unbehagen. Ja, auch er erhielt ein
Gehalt das er nicht verdiente.
Ahmeds und Jimenas wegen hochbesorgt
fragte er sich, was er falsch gemacht haben mochte.
Wie eine Stimme
aus einer fremden Welt vernahm Dr. Carranza die frag: „Was ist ihre Meinung in
Sachen Hugenotten?“
Sofort tauchte vor ihm Doña Catalinas
feines weißes Gesicht auf. Es war ihr Wort: „Wir suchen Kontakt zu den
Hugenotten Frankreichs.“
„So viel wie ich weiß…“ Jóse
stockte. Es passierte selten, dass ihm
das Wort im Hals stecken blieb.
Er war verblüfft. Erneut dachte er an Doña Catalinas Satz: „In
den Hugenotten haben wir Bundesgenossen“.
Es verschlug ihm die Sprache.
Könnte es sein, dass die Herren Meisterspione bereits die Spur zu dem
Zirkel um die blinde Dame Cazalla gefunden hatten oder wurde Bruder Luis bis
Frankreich bespitzelt?
„Ich höre!“ Jóse fuhr zusammen. Was sollte das? Wie kam die Inquisition dazu ihn so
anzufahren? Ein Zufall? Was, zum Kuckuck, hatte das zu bedeuten?
Konnte der alte Knabe Gedanken lesen?
Ein Knäuel von Fragen umfing ihn lähmend.
Er durfte nicht verdutzt sein: „Ja.
Ich hörte davon.“ Hoffentlich hatte der Aushorcher seinen Schreck nicht
wahrgenommen.
„Nur zu, Bruder Carranza!“
Was sollte und durfte er sagen? Das
Tor zu der ihm zugedachten Fallgrube stand sperrangelweit offen. Wie kam dieser Mensch darauf? Selbstverständlich wusste die Inquisition,
dass in nicht wenigen spanischen Klöstern Sympathie für die Rebellen des
Nordens, die Hugenotten, vorkam. Ihm war klar, dass die spanische Kirche, im
eigenen Interesse, jeden Funken der auf ihr dickes Fell fiel sofort ersticken
musste. Ihr weiß getarntes Wolfsgewand war sehr spröde und trocken durch
Altersschwäche geworden. Der Name des Dominikaners, seines Freundes und Bruder
Luis tauchte wieder aus Jóses überwachem Hirn auf. „Ja, nur zu… wir hören.“
„Die Hugenotten sind abtrünnig
geworden…“ Der dicke Spitzbärtige suchte Jóses Blick. „Und?“
Verlegen brachte Jóse heraus: „sie haben
Probleme mit dem Heiligen Stuhl.“ „Ja, das ist wohl wahr und allgemein sehr
bekannt. Wissen sie lieber Bruder Dr.
Carranza, wir rechnen mit ihnen. Sie werden zu unserer Erleichterung beitragen.
Unser kleiner Kontinent der buchstäblich von sehr ernst zu nehmenden Feinden
umgeben ist bedarf stärkerer Waffen. Waffen des Geistes und der Macht des
Imperiums. Die wagten es uns zu umzingeln…“
Der Mann lauerte: „Um uns eins
auszuwischen, schicken die Hugenotten ihre hinterhältig operierenden Missionare
zu uns. Um unsere Priesterschaft zu
unterwandern.“ Sein dicker Finger wackelte: „Nicht mit uns!“ Der
Inquisitor wartete auf die Reaktion seines Opfers. Jóse wollte sich darauf
nicht einlassen. Er wich aus: „Wenn die Feinde der Wahrheit versuchen, das
Licht zu löschen werden sie sich die Finger verbrennen.“ Der fette Herr erkannte hoffentlich nicht,
dass sein Gegenüber doppelsinnig redete.
„Naja, das ist so, aber ich möchte
hören wie sie sich ihre zukünftige Arbeit vorstellen.“
„Ich verspreche, mich ganz für die
Wahrheit einzusetzen.“
„Sie kennen also persönlich gewisse
Verdächtige.“
Gleichgültig wie er sich nun wendete,
er musste lügen. „Nein“, sagte Jòse deshalb „ich glaube aber, es dass es einen guten
Weg gibt der Gerechtigkeit zu dienen.“
Der Inquisitor schaute ihn
durchdringend an. Ahnte er, dass der ihm nun aalglatt erscheinende Sekretär seiner
Eminenz, wie einen Bären am Nasenring vorführte? Dr. Carranza kam dem Mann zuvor indem er
kraftvoll hinzu setzte: „Gelobt sei Jesus Christus - ich habe noch nie einen
klaren Hinweis gefunden der auf missionierende Hugenotten innerhalb
Spaniens weist.“ Das durfte er mit
Festigkeit so sagen, weil es den Tatsachen entsprach: „Missionierende
Hugenotten könnte ich mir nur in den Grenzgebieten des Nordens vorstellen.“
Ganz wohl war ihm dabei allerdings nicht zumute, denn, dass Doña Catalina diese
Frage anders beantwortet hätte, gehörte hier zwar nicht her, doch zu sagen er
habe noch nie einen Hinweis für solche Waghalsigkeit gefunden, und das
sozusagen unter Eid auf sich genommen zu haben
belastete sein empfindsames Gewissen. Nein, „einen klaren Hinweis“ gab
es nicht, sagte er sich, beruhige dich!
Der fette Herr streckte den Zeigefinger seiner
Rechten vor und wies dann in die jeweiligen Himmelsrichtungen: „Im Osten die
Türken mit ihren Millionen und ihren gnadenlosen Janitscharen, im Süden in
Massen die grimmigsten aller Allahanbeter die Almoraviden, im Westen eine
Allianz der Rom-töter unter „King James“, dem Nachfolger unserer Feindin
Elisabeth, sowie im nahen Norden, die Hugenotten, die unter ihrem
scheinheiligen König Heinrich nur heimtückisch lauern ob ihr Tag bald kommt.
Und dann die verdammten Lutheraner. Da legte der listige Teufel eine Schlinge
um unseren Hals. Ich behaupte, unserem heiligen Spanien laufen zahlreiche
hugenottische Missionare umher. In Gandia überführten wir sie. Haben sie davon gehört?
Und da soll einer in unserer Gewandung in Santiago de Compostela aufgetreten
sein, der gefährliche Lügen gegen unseren San Jakobus verbreitete.
Jòse kroch ein kalter Wurm ins Herz.
Der Inquisitor stockte: " Na, ja,
ein Büchernarr lebt vielleicht in fremden Welten." Er polterte: "Doch
das endet hier! Unsere geliebte Mutter Kirche erlitt nicht nur in Frankreich
schwerste Schäden. Diese rohen Hetzer wagen es unsere ruhmreiche Geschichte zu
entheiligen, sie wagen es die heilige Messe zu verunglimpfen, bezeichnen sie
als Götzendienst. Ein Hugenottenhaupt ließ dreitausend Katholiken ermorden. Da
ist zu reagieren, nicht wahr?“
Der sonderbar hässliche Mann redete
und redete. Was wollte er wirklich? Jóse fragte sich, wieder einigermaßen
seiner Selbstbeherrschung gewiss. Konkretes lag gegen ihn nicht vor.
Besonnenheit ist angesagt. Wo sind die
Belege für solche schwerwiegenden
Anschuldigungen, tausende Katholiken seien in Frankreich umgebracht
worden? Wer war dieser angeblich
hugenottische Massenmörder, von dem das Ungeheuer hier anklagend sprach? Wo dort geschah das? Warum nennt der Ankläger keine Namen? Als könnte er wirklich Gedanken lesen fuhr
der Spitzbärtige fort: Lieber Bruder
Jóse,
„der
gewissen Ortes wohlbekannte Hugenotte Briquemaut trug ein Halsband aus
abgehauenen Ohren unserer Priester. Fünfzig Kathedralen und fünfhundert
katholische Kirchen haben sie unter seiner Herrschaft zerstört.“ (38)
Er wartete auf Jóses Erwiderung. Wie
ein Fuchs lauerte er, trommelte nervös mit seinen Fingerkuppen auf die Lehne
seines Stuhles. Jóse wusste, dass dieser Mann ihm knüppeldicke Lügen
auftischte. Davon hätte er gehört. Fünfhundert zerstörte Kirchen!
Fünfhundert? Weil sie Lügen erfinden,
glauben sie ihren eigenen Worten nicht und trauen denen die mit ihnen reden
nichts Gutes zu.
Dr. Carranza
schmunzelte, - noch mutig - der konkreten Gefahr zum Trotz in sich
hinein: sie können es nicht lassen, wenigstens zu versuchen, Schwarzes in Weiß
umzufärben.
Der unbequeme Herr ballte plötzlich
die Rechte zur Faust: „Darum geht es uns, die Wahrheit zu sagen, der Mutter
Kirche zu dienen und den über uns verbreiteten Unehrlichkeiten den Garaus zu
bereiten. Sie, lieber Doktor, werden eine Schlüsselrolle spielen, das
Schlimmste zu verhüten. Bruder Jóse, sie werden herausfinden wer da in unseren
Hoheitsbereichen mit den Gottesleugnern kungelt. Darauf verpflichten wir sie.
Wir berufen sie hiermit in den Rang
eines Beraters des heiligen Oficios, mit vierzehntägiger Konsultation.“ Das also
war es.
Der Herr gegenwärtigen Geschehens hob die hohe, zerfurchte Stirn und schob sein
starkes Kinn vor. Diesmal schmetterte er: „Am vierundzwanzigsten September
werden sie Bericht erstatten. Hier. Zu dieser Stunde und mit konkreten
Resultaten und Namen. Beweisen sie uns ihre Treue indem sie den
hochgefährlichen, in einigen unserer, nicht so weit von hier entfernten
Ordensklöster umgehenden Hugenottenideen auf die Spur kommen. Die müssen mit
Stumpf und Stiel ausgerottet werden und,
wenn es nicht anders geht, mit ihnen die Ketzer! Wir brauchen Namen!“
Dem Inhalt war die Stimme angemessen
und die sagte unausgesprochen: Wage es nicht uns zu täuschen. Das heilige
Oficio hat tausend Augen!
Aus dem grob geschnitzten Kopf des
Inquisitors blinkten seelenlos wirkende, graue Augen. Die tiefen Wangenfalten machten den Mann
nicht gerade ansehnlicher. Dr. Jóse gestattete sich dem gefährlichen Mann, der
sich nun erhob und zum Davongehen rüstete, fest in die Augen zu schauen um da
hinein furcht- und wortlos zu verkünden: die Lösung all unserer aktuellen
Probleme bestünde darin, Jesus zu glauben, dass man seine Feinde lieben und sie
barmherzig beurteilen soll. Eigentlich war das frech, aber gelegentlich musste
das sein. Als der Gesandte der Hölle sich schwerfällig erhob und wie ein
kranker, alter Mann davon ging, dachte er ihm hinterher: Ich hoffe, dass ich in
vierzehn Tagen außer Reichweite deiner Arme bin!
Da wandte der Inquisitor sich stracks
um: „Wie bitte?“ Jòse zuckte die Achseln, obwohl er mehr als erstaunt war. Er bekreuzigte sich.
Immerhin er war gewarnt. Nun lief es
darauf hinaus, dass ihm zehn Tage blieben. Zehn Tage höchster Vorsicht,
vielleicht nur fünf.
Jóse
kam der Gedanke: heiteres Gesicht aufsetzen, in die Kapelle zum Beten gehen.
Möglichst vielen Leuten ein unbesorgtes Gesicht zeigen. Einer, mindestens einer
wird darunter sein, der es erlernte die Sprache der Gesten und Minen zu lesen.
Noch verschonte ihn die Ahnung, dass er
diesmal bei seiner alljährlichen Pilgerwanderung nach Santiago de Compostela
eine Minute lang unvorsichtig gewesen war.
Jóse
ging also an diesem Spätnachmittag des nicht nur für ihn so ereignisreichen,
noch friedlichen Mittwochs, den 9. September des Jahres 1609 in die
Hauskapelle. Er kniete hin und verharrte. Ihm schien er könne Blicke fühlen die
sich in seinen Nacken bohrten. Von Seiten Ahmeds wird ihm keine Gefahr
erwachsen. Sein Junge war klug genug vor niemanden zu prahlen, mit welchem
Vertrauen er durch seinen Vater geehrt worden war. Was seinen Freund Bruder
Luis betrifft, ist abzuwarten. Nur nicht durchdrehen.
Jóse
ging am Abend all die Namen durch, die er näher kannte. Er stand am dunklen
Fenster und schaute hinunter auf die vom Fackellicht nur schwach erhellte
Hauptstraße Valencias. Vier
Dominikanermönche seines ehemaligen Klosters, allesamt klare Feinde des Priors
Jaime Bleda waren eingeweiht. Auf sie konnte er sich bedingungslos verlassen.
Dann kam Ordensbruder Alexander schmales Gesicht auf. Mit seiner spitzen Nase
roch der in alles hinein. Einmal, allerdings schon vor Monaten hatte der ihn
ertappt, als er Notizen schrieb. Das berührte Jóse nun sehr unangenehm. Hätte
er damals nur nicht so überhastet reagiert, als Alexander ihm unversehens über
die Schulter blickte. „Was kritzelst du da?“ lautete des neugierigen Alexanders
Frage. „Nur eine Landkarte von Rom.“
„Und was heißt das „Babylon in Rom.“ „Gut, dass du mich darauf hinweist, Es
muss heißen, Babylonier in Rom.“ Jóse tadelte sich. Alexander gehörte zu denen
die überall Gespenster und Gefahr sahen.
Jóse konnte Alexander beruhigen indem er sagte: „Es gibt überall
Abgefallene, ich meine Babylonier auch in Rom.“ Ganz schlüssig war das
nicht. Glücklicherweise war Alexander
ein ziemlicher Dummkopf der vermutlich weder wusste was Babylon in diesem
Zusammenhang bedeutete, noch wo Italien lag. Jetzt erst, nach der ersten
Untersuchung der Inquisition, könnte es dennoch, wegen dieses Alexander, noch
heikel werden. Da fiel es Jóse wie
Schuppen von den Augen. Alexander war es. Er saß am Nachmittag während der
Befragung im Hintergrund. Alexander war der stille Begleiter des Mächtigen
gewesen. Ein Kettenhund. Luther bezeichnete die römische Kirche als die Hure
Babylon. Das offizielle Rom betrachtete solche Verdächtigung als größtdenkbare
Beleidigung. Hätte Alexander geplaudert... Manchmal hat man einfach Glück.
Alle Blätter seines zur Veröffentlichung in
Marseille bestimmten Buches lagen noch wohl verwahrt. Ihn stachelte der Gedanke auf: Versteck sofort ändern!
Nichts ist sicher. Es gibt keine Sicherheit, nur maximale Vorsichtsmaßnahmen.
Aber es ging nicht an, dass er nun
panisch alles zusammenraffte. Und zudem, wohin damit, wohin mit dem
Unverzichtbaren? Die blitzartig durch sein Hirn schießende Idee, augenblicklich
die Flucht anzutreten musste er ebenso umgehend verwerfen. Die Zusammenarbeit
mit dem Kreis um Doña Cazalla war
bindend. Auch wenn sie ihn noch härter bedrängten und selbst wenn Ahmed
mitspielen sollte, die Horcher würden gewisse Zusammenhänge suchen und finden.
Ihre Gnadenlosigkeit fiele auf sämtliche seiner Freunde unter den Dominikanern.
Noch war die Zeit nicht gekommen. Solange das Edikt nicht verkündet wurde,
gehörte ihm die Zeit. Doch da war es wieder, das Angstgefühl, diesmal in voller
Schwere: alles geht schief. Jóse wog seinen tonsurierten Schädel. Ja, er wiederholte sich, aber das zu Recht:
nutze die Minuten.
Ehe er sich, erschöpft zur Ruhe begab
beugte er wieder die Knie. Wieder flocht Jóse den Gedanken ein, dass er
ausdrücklich seinem Gott die Ehre gab, dem Gott und Vaters seines Jesus von
Nazareth und nicht dem zu Nicäa kreierten Ungeheuer, dem Gott Konstantins, dem
Gott militärischer Siege, den zehntausend Tote nicht rühren konnten, den Gott
der Inquisition: „Gib mir bitte mehr Verstand und bitte, die Weisheit ihn gut
zu gebrauchen!“
Er konnte nicht der Versuchung
widerstehen, am nächsten Morgen, gleich nach der Messe, in der Bibliothek nach
dem Rechten zu sehen. In dem noch morgenkühlen Raum suchte er seine dreißig,
vierzig gefährlichsten Blätter zusammen. Er wird sie so schnell wie möglich
wenn auch ungerne, hier im Palais verbrennen. Vielleicht war es ein
zusätzlicher Fehler, dass er stets am unteren Rand jedes Papiers den Hinweis
gab in welchem Buch sich das nächste Blatt befindet. Allerdings wo sich das
Standartbuch befindet könnte selbst Hernando, käme er unter die Folter, nicht sagen.
Hoffentlich ging es hin.
Vorausgesetzt sie haben Bruder Luis
nicht in Marseille ertappt, wird die ganze Geschichte glimpflich ausgehen.
Während er sich, tief in Betrachtungen versunken wieder den Akten zuwandte
bemühte Dr. Jóse sich um Beruhigung.
Immerhin blieb das Rätsel ungelöst,
warum der Aushorcher die Rede auf die Hugenotten gebracht hatte und warum
gerade ihm zugemutet wurde die vermuteten Rebellen in den umliegenden Klöstern
ausfindig zu machen. Er hatte unauffällig zu handeln. Es dauerte und nichts von
Bedeutung geschah.
Sorgfältig um sich blickend nahm Jóse
Blatt für Blatt und steckte sie in die Falten seine Kutte.
Endlich in seiner Kammer angelangt
verbarg er die Papiere im Innern seines Lese- und Betpultes. Niemand wird ihn
bei alledem gesehen haben, allenfalls Hernando, der Meisterspion, sein Freund,
sein Bewacher.
Hernando
den er suchte und fand war einverstanden. Unter dem Vorwand er fühle sich
unwohl wollte Dr. Carranza am nächsten Tag, an dem er zu seinem Vorteil
dienstfrei dastand, länger als üblich in seiner Wohnung bleiben. Er musste die
Texte noch einmal durchgehen bevor er sie den Flammen der Backstube übergeben
würde. Hernando saß denn auch, rosenkranzbetend auf einer Polsterbank, wachsam
vor seiner Tür oder in ihrer Nähe.
Es
galt, sich Details einzuprägen, die zu dem von Doña Catalina geforderten
Traktat passten. Es musste eisenhart auf die Clique der Verfolger fallen, dass
sie auf Lügen und dreisten Falschdarstellungen ihr Kirchen-Haus gebaut hatten.
Der
Absturz aus der Höhe eines liebenswürdigen Status in die Tiefen der tausend
Höllen des derzeitigen Kirchenunwesens fand im vierten Jahrhundert statt.
Zunächst ging es um Athanasius von Alexandria, den er
im Gegensatz zu den Vorstellungen vieler anderer Geistlicher als den größten
Maulhelden dieser Zeit betrachtete. Über ihn hatte er schon vor anderthalb
Jahrzehnten geschrieben: „Athanasius ist
der Mann, der Christus das Angesicht raubte. Seine Name und Tun ergeben den
Schlüssel zum Verständnis der Verrohung des Christentums.“ Viele Zitate dieses
Vielschreibers sprachen gegen ihn. Jòse suchte jene beiden Blätter deren Inhalt
sich ihm gerade aufdrängte. Insbesondere ging es ihm um den Brief des Hasses,
den Athanasius um das Jahr 326 an die harmlosen, toleranten Arianer, seine Glaubenskonkurrenten,
geschrieben haben könnte. Jener Brief, der ein einziger Fluch war.
Da
stand es das böse Wort:
„…in
unbegreiflicher Weise gebt ihr, (die ihr wagt, nicht meiner Meinung zu sein)
auch jetzt noch nicht nach. Sondern wie Schweine und Hunde in ihrem eigenen
Auswurf und Kot sich wälzen, so erfindet ihr vielmehr für eure Gottlosigkeit
neue Wege … ihr, die Erfinder von Gotteslästerungen … seid Gottesfeinde, … wie
Hunde und Schweine führt ihr euch auf…
da (ihr euch), um den Sohn nicht als Bild des Vaters anerkennen zu
müssen, vom Vater selbst leibliche und
irdische Vorstellungen macht… Gott (sieht aber) nicht wie ein Mensch (aus), …
man darf auf ihn keine menschlichen Eigentümlichkeiten übertragen... Ich
glaubte, (ihr) Heuchler des arianischen Wahnsinns würdet euch auf das, was ich
bisher zu eurer Widerlegung und zum Erweis der Wahrheit vorgebracht habe,
zufrieden geben und nunmehr euch ruhig verhalten und bereuen.“(39)
Damit war sie geboren, die neue
Kirchensprache, eingeführt von Athanasius! Schweine und Hunde sind sie, die
Arianer, - wegen eines einzigen Wortes - weil sie glauben, dass Jesus Christus eine
andere Person als sein Vater ist, ihm ähnlich, ihm nachgeordnet. Das zu meinen
hielt Athanasius für ein Verbrechen.
Wohl wahr: es gab Hunde und es gab
Schweine in Menschengestalt, aber einen Mann des Mutes, der Geradlinigkeit wie Arius, zu
beschimpfen, ihn mit solchen Ausdrücken zu belegen war unerhört, bis dahin.
Jòse starrte auf seine Handschrift und
sinnierte wie immer, in Bildern:
Da saßen sie, wenige Jahre vor dem
nicänischen Konzil, in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria - in der es
vermutlich sechs oder sieben Bischofsgemeinden gab - im Ältestenkollegium, in
der kleinen, schmucklosen Katechetenschule der Großstadt zusammen. Obenan zu
Tisch präsidierte Bischof Alexander. Zu seiner Rechten saß an jenem Tag des
Jahres 318, Athanasius. Damals erst einundzwanzig, wagte er es, den um vierzig
Jahre älteren Ältesten Arius, - den angeblichen Erfinder des Arianismus - öffentlich zu attackieren. Der
kleingewachsene, dunkelhäutige Diakon
Athanasius agierte als Sekretär Alexanders. An diesem Tag weilte der Bischof
einer Nachbargemeinde unter ihnen, als Gast, nämlich Arius. Ein höflicher Mann, der stets mit gedämpfter Stimme sprach.
Sie redeten, wie es in allen Christenversammlungen damaliger Zeit üblich war
über „ihren himmlischen Vater“, den Sinn des Lebens und wie dankbar sie seien
mit Christi Geboten den Kompass ihres
Lebens gefunden zu haben. Bis dahin herrschte überwiegend ein friedlicher Geist
der Offenherzigkeit, der auch querschlagende Reden und Ideen zuließ. Dann
allerdings brachte jemand in dieser
Runde, wahrscheinlich ein Katechet, die Frage auf: Wie ist Gott? Hat er ein
Antlitz und menschliche Gestalt? Oder ist er ein unfassliches Lichtwesen?, ein
gestaltloser, allgegenwärtiger Geist? Bischof Alexander, vom Gemüt her ein
Grobian der sich im Fall von Meinungsverschiedenheiten nur schwer beherrschen
konnte, hielt das Letzte für eine ausgemachte
Grundwahrheit. Es stünde doch geschrieben: „Gott ist Geist“. So hieß es im
Johannesevangelium. Damit war für ihn das letzte Wort gesprochen. Der Mehrheit
der etwa dreißig anwesenden Männer allesamt Älteste und Priester die im
Berufsleben ihren Mann standen missfiel gelegentlich die Rigorosität ihres
Bischofs. So einfach war es gerade in diesem Fall nicht. Das stand fest. Nur
einige nickten dem Bischof deutlich zu. Gewiss, Gott ist so groß, dass ihn
niemand fassen kann. Arius, wie immer,
gekleidet in eine unauffällige Alltagstoga, meldete sich zu Wort. Behutsam
legte er sein Gottesbild dar, das auch andernorts und in vielen Gemeinden des
Ostens so als zutreffend betrachtet wurde:
„Das
Innerste Gottes ist Licht, ist Geist. Dennoch erschien Gott Jehovah dem Mose
und Salomo in erfassbarer Gestalt, nach
der wir gebildet wurden. Von Angesicht zu Angesicht redeten sie miteinander.
Aber auch das Innerste des Menschen ist Geist, unsterblicher Geist. Wir sind allesamt Geist, Geister, die sich im
sterblichen Leib wie in einem Gefängnis befinden. Gott der Vater und Jesus
leben nun in einem jeweils anderen, verherrlichten, ewigen Körper. Könnten wir
die beiden größten Götter sehen, wie
Stephanus, der Held der Apostelgeschichte, in seiner Vision, wüssten wir es aus
eigener Anschauung.“ Es gab Nachfragen. Streit erhob sich.
Arius, der ruhige Mann, musste sich
schuldig fühlen. Er wird sich angeklagt haben, der Verursacher dieser
Disharmonie zu sein. Dennoch durfte er
seine Überzeugung nicht preisgeben. Stephanus habe doch bekanntlich ausgerufen,
er sähe Jesus sitzend zur Rechten des Vaters, mitthronend, während die
Pharisäer ihn gerade dieses Bildes und Glaubens wegen steinigten. „Glaubten wir
den Zeugnissen, etwa dem des Sehers von Patmos, Johannes, würden wir erkennen, dass die Gesichter der
beiden Götter leuchten, dass sie bedingungslose Liebe und Weisheit aussenden.“
Vielleicht, wenn Arius seine Sätze so stehen gelassen hätte, wäre nichts weiter
passiert. Doch er setzte hinzu: diese Betrachtungsweise sei in den vergangenen
dreihundert Jahren allgemein christlicher Konsens gewesen, abgesehen von
einigen Abweichlern, glaubten die meisten an einen Gott den man durchaus
begreifen kann. Er warne, sagte Arius, wenn jemand Gott das Antlitz raubt,
tötet er den Glauben. Sofort muss Athanasius aufgefahren sein. „Abweichler?“
höhnte er. Sind mein Bischof und seine Ältesten Glaubenstöter?“ Er wusste wie
sehr er damit seines Bischofs Gefühle respektierte, bestätigte, verteidigte und
rechtfertigte. Er stützte dessen Ansicht so entschieden, dass er in Alexanders
Augen ein Großer wurde. Er jedenfalls sei kein Abweichler und Bischof Alexander
schon gar nicht: „Ihr, Bruder Arius, tötet den Glauben an den wahren Gott!“ Das
stach wie eine Lanze aus heftiger Landsknechts Hand. Dieser Augenblick war es,
einer von weltgeschichtlicher Bedeutung. Unstillbare Unruhe kam nach dieser Minute des entsetzten
Schweigens auf. Worte flogen hin und her. Es wurde immer heftiger
gestritten. Einige Brüder meinten es
gut. Sie wollten Frieden stiften. Ihr Bischof habe immer Recht. Andere sagten,
sie stellten sich in der Tat ihren Vater vor als einen mit einem Gesicht und so
den Sohn dieses Vaters. Arius entschuldigte sich. Er betonte ausdrücklich: wir
sollten nicht keifen und zetern, grundsätzlich nicht und schon gar nicht in
Dingen die allen heilig sind.
So
begann der tausendjährige Krieg unter Christen. Er wütete, um genau zu sein
eintausenddreihundert Jahre und war noch nicht zu ende.
Die
Trinitarier schufen aus einer Meinungsverschiedenheit einen Grund zu
immerwährendem Gezänk und namenlosen Hass.
Mit
Äxten und Brechstangen zogen die
Gefolgsleute des Athanasius gegen die Arianer, bis die sich wehrten. Die vom Geist der Toleranz bestimmten
Ansichten des Ältesten Arius, die er auch als Konzilsteilnehmer 325 einbrachte,
sind überliefert, und er, Dr. Carranza, hatte sie in diesem Wortlaut gefunden:
„ausschließlich die Bibel gilt als Grundlage
des Glaubens und alles, was nicht durch ihren klaren Wortlaut bezeugt ist, muss
dem freien Denken überlassen werden.“ (38)
Wegen
solcher Gesinnung Krieg zu beginnen ist unverzeihlich.
Die meisten Gemeinden bis hinein nach
Persien und Indien hielten die Überzeugungen des Arius für richtig. Hätte sich
der hochgescheite Athanasius von Alexandria mit seinem Drang zur Wichtigtuerei
nicht zum Wortführer der Minderheitspartei aufgeworfen, hätte der Streit
wahrscheinlich noch beigelegt werden können, denn Arius blieb derselbe höfliche Behutsame. Auch
wenn er, in seinen Überzeugungen, der unwandelbare Mann blieb. Der Glaubensstreit
breitete sich aus. Bald ging er wie ein
Wirbelwind um, der an Stärke zunahm. Gemeinde um Gemeinde Alexandrias und dann
der vorderasiatischen Gebiete wurden schließlich von diesem Meinungssturm
erfasst. Nahezu alle bedeutenden
Kirchenschriftsteller des zweiten und dritten Jahrhunderts hielten es für eine
Selbstverständlichkeit, dass Jesus ein anderer als sein Vater ist, und dass es
ewig so sein wird, wie wir es aus irdischen Vater-Sohn-Beziehungen kennen.
Immer ist der Sohn seinem Vater nachgeordnet. Eigentlich konnte niemand an
diesem Bestand und Prinzip rütteln. Doch der heftige Athanasius schürte das
Feuer zum Schmieden des Gegenbekenntnisses rücksichtslos.
Unleugbar. Er wollte an Bedeutung
zunehmen. Tatsächlich wuchs die Kirche trotz des sich nun rasant ausbreitenden
Wortkrieges erheblich, - denn niemand im römischen Reich wurde seit 311 wegen
seiner Religion weiterhin verfolgt. Kaiser Galerius erließ am 30. April 311 das
großartige Toleranzedikt zu Nikomedia.
Fortan suchten
viele Schwache, darunter nicht
wenige verwitwete Mütter in den Christengemeinden Schutz und Trost. Denn das
hatte sich herumgesprochen: die Christen kümmerten sich um Notleidende.
Zudem bestätigten Konstantin und sein
Schwager und Mitkaiser Licinius 313 das Edikt,
das jedem Einwohner des römischen Reiches das Recht auf freie Wahl seiner
Religion zusagte.
Damit stand dem nominellen Wachstum
der Kirche nichts mehr im Wege. Andererseits wuchs die Saat des Gezänkes um das
wahre Wesen der Gottheit. Diese Auseinandersetzung sollte die Kirche in zwei
Teile brechen. Die Namen des Ältesten Arius sowie des Diakons Athanasius
standen jeweils für eine der beiden
Lehren vom Wesen Gottes. Hier die giftigen Nicäner und da die noch friedlichen
Arianer. Diese Tatsache muss er
herausstellen. Andernfalls untergraben die Schiefaussagen der Nicäner die
historische Wahrheit ein für alle Mal.
Arius beharrte lediglich auf die von
allen Kirchenvätern gelehrte Grundwahrheit: Jesus sei ein anderer als sein
Vater. Deshalb, nur deshalb wurde er verflucht und zum Häretiker erster Klasse
abgestempelt. Athanasius sprengte
wiederholt den Rahmen gebotenen Anstands und des gegenseitigen Respektes. Aus
einer schlichten Diskussion wurde ein Generalthema, das auch die Nichtchristen
beschäftigte. Die Gottesfrage interessierte damals alle Bürger Roms enorm, hoch
und niedrig. Ganz Rom glaubte es gäbe nur einen Gott. Für die meisten war es
SOL. Sol Invictus. Aber auch sie waren geteilter Meinung, - mit einem
Unterschied: die hellenischen Nichtchristen argumentierten humorvoll, doch die
sogenannten Christen stritten untereinander verbissen, im Wortsinn lieblos. Die
Heiden des Imperiums waren schon gegen Ende des 1. Jahrhunderts daran gewöhnt,
dass ihre Kaiser und Sol eins waren. Man
musste dem Gottkaiser Opfer darbringen. Vor allem die Juden und die Christen verweigerten
dies. In dieser Zeit wurden viele Märtyrer. Nicht wenigen Christen wurden die
Augen ausgestochen, andere von wilden Tieren in Arenen zerrissen.
Irgendwann um 310 nahm Kaiser
Konstantin einen Zirkel und zeichnete mit ihm seinen Kreis. Dahinein nahm er,
als der Gott der Menschheit, die Christen. Er wird auch sie unter seine
Fittiche nehmen. Er wird sich ihrer
Fähigkeiten bedienen, nachdem er sie zur Einigkeit zwang.
Konstantin ahmte nur nach, was er in
seiner Jugend gesehen und gelernt hatte. Tag für Tag erlebte er die heidnischen
Gottesdienste. Er lebte damals am Hof des Oberkaisers Diokletian. Für die
Mehrheit der heidnischen Gottesverehrer war Diokletian der „dominus et Deus“,
der Herrgott - gewesen -, bis er abdankte.
Dieses Attribut fiel nach seiner
Machtergreifung, 306, selbstverständlich auf ihn, Konstantin. Ab diesem Jahr
wollte er der Universalgott sein.
Er fühlte sich wie damals Domitian, wenn
die Lobredner vom Kaiser schwärmten:
„der Du
denen gleichst die Dich zeugten, durch sie regierst Du die Welt
unvergleichlich, Du der diis geniti et deorum creatores, der von den Göttern
gezeugte und Erzeuger von Göttern...in Dir leben die numina, die Geister, von
Jupiter und Hercules - wir rufen Dich an, wir rufen Dir zu, jeden Sieg zu erringen ist uns heilig und mit
uns bist Du Diokletian unser praesens
deus - weshalb wir uns nicht fürchten, weshalb es uns eine Ehre ist, Dir unser
Leben zu Füßen zu
legen – Heil dir! Deine Herrschaft ist nicht
nur durch die Erdgegenden begrenzt sondern sie reicht darüber hinaus in die
Regionen ewiger Himmel. Wie wir auf Erden durch Dich glücklich werden, so als
gelangten wir in Deine Gegenwart, stehen
wir heute im Adyton - dem Allerheiligsten und spenden Dir unsere Treue. Wie der
Weihrauch Deiner heiligen Priester umweben wir Dich...“ (41)
Gott Konstantin hatte beschlossen Arius zu
verdammen, weil der ein Polytheist war und das widersprach seiner Vorstellung.
Konstantin
wiederum entsprach dem Trend Roms:
„Als die Heiden nach einem Gedanken der
Einzigartigkeit der Götter suchten, dachten sie nicht an Zeus, sondern an (Sol)
Apollo. Der einzige Gott der gebildeten und fast monotheistischen Heiden,
gerade vor dem Aufkommen des Christentums, war Phebus Apollo oder Sol, der das
Leben auf Erden spendende Gott. Aurelian führte einen Versuch eines solchen
heidnischen Monotheismus ein während Konstantin den christlichen Monotheismus
einsetzen wird mit Sol Invictus („die unbesiegte Sonne“) und Mithra bei den
Soldaten, um spirituell dem Wedismus der Perser entgegenzuwirken. Schon
Aurelian wünschte, dass die Römer eine gleiche Religion hätten...“ (37)
Athanasius
nutzte die Gunst der Stunde sobald er
erkannte, dass Konstantin zu einem Kompromiss bereit war.
Dr.
Jóse erkannte diese Zusammenhänge klar. Konstantin setzte seinen Thron in alle
Räume in denen die Hellenen, die Manichäer, Mandäer, Isis-Anbeter, die
Buddhisten und die Christen sich zu Gottesdiensten zusammen fanden.
In
jedem seiner Portraits befand sich Konstantin. So war es schon damals. Wo immer
eines römischen Kaisers Bildnis hing, dort war er mit diesem Bild, anwesend.
Genau diese heidnische Vorstellung übernahm Konstantin, und Athanasius passte
es ins Konzept. Diese uralt römische Floskel drängten Konstantin und Athanasius
gemeinsam zu dessen Nachteil ins Christentum. Jesus befinde sich im Bildnis des
Vaters. Du so war der Imperator
Konstantin im Bild des Sol Invictus, des höchsten Heidengottes. Das ließ er in
Münzdrucken belegen. Der Geist – besser gesagt der Ungeist – des Gottes der
Vormacht und der Schlachten, lebte in Konstantin. Das stellte er zur Schau. Deshalb also war
Konstantin in der Eröffnungsstunde, des Konzils zu Nicäa, 325, als Gott Sol
Invictus aufgetreten. Die absolute Mehrheit der dort anwesenden Bischöfe fühlte
sich deshalb unbehaglich. Das konnten
sie nicht voraussehen und die es ahnten die neunzig Prozent von zweitausend
lehnten die Zusammenarbeit mit dem Ungeheuer Konstantin ab. Das wusste jeder im
Reich. Neunundachtzig Prozent der Christenbischöfe schlug die vermeintliche
Chance aus vom Kaiser höchstpersönlich empfangen zu werden. Dieser machtsüchtige Gottmann ließ jeden
ermorden der ihm in seinem Siegeszug zur Universalmonarchie im Wege stand.
Die
anderen ahnten es spätestens jetzt, als der in seinem glänzenden Gewand
eintretende Imperator danach strebte auch ihr Gott zu sein, nicht nur der
Herrgott der Paganen. Sie wussten bald noch mehr, nämlich dass Konstantins Wille durchgesetzt
werden musste. Die bis zur letzten Stunde der Beratungen zu Nicäa noch
Widerstrebende lud der Kaiser zu Einzelgesprächen ein. Jeder
Unterschriftsberechtigte musste, auf sich selbst gestellt, durch einen Kordon
goldblitzender, bewaffneter Gardeoffiziere schreiten, um der Einladung zu
folgen, so auch Bischof Spyridon von Zypern, der ein Ziegenhirte war. Entweder
sie unterschrieben die neue, die konstantinische Glaubensformel, dass es nur einen einzigen
Gott gibt: IHN, oder sie fänden sich
statt im Kreise ihrer Familien in gewissen Bleibergwerken wieder. So kam da
Nicänum zustande. So wurde es durchgesetzt. Bischof Nikolaus musste damals
ziemlich hinauflangen um dem hochgewachsenen, zwanzig Jahre älteren Mann Arius
wegen der Permanenz seiner Verweigerungshaltung zu ohrfeigen.
Unerschrockene
des Reiches bewahrten zum Glück, was Nicäa verwarf. Zu Nicäa waren es, unter den 220 Unterschriftsberechtigten, zuletzt,
die dem Kaiser die Stirn boten. Arius, Secundus von Ptolomais und Theomas Bischof von Marmarica. Sie bestanden auf
ihrem Recht statt trinitarisch oder katholisch, tritheistisch, wie ihr Freund
Arius, zu glauben. Das nahm ihnen der Kaiser übel. Über Arius Schriften wurde
der Bann verhängt. Bischof Alexander von Alexandria, der Vorgesetzte des
Athanasius konnte zufrieden sein: Er
jubelte nun noch lauter:
„Dem Arius
muss man Widerstand leisten bis aufs Blut.“
(42)
So
sollte es geschehen. Dieses Bekenntnisses strittiger Satz „drei sind einer“
verpflichtete jeden Denkenden auf die Unvernunft. Dieses griechische
Wortungetüm „homousios“, das gewaltsam an die Stelle des Begriffes „homo i usios“ lanciert wurde, rief in allen Gemeinden
großes Kopfschütteln hervor, wenn auch nicht bei jedem Mitglied. Das neue,
unbiblische Wort hob nun die innerkirchliche Geistlosigkeit samt ihrer
Intoleranz auf den usurpierten Thron.
Konstantin im Geiste Sols wurde auf
diese Weise klammheimlich der Christen Gott.
Darum ging es ihm, von Beginn an.
In diesem Ungeist der Finsternis
regierten Rom und Madrid, noch eintausenddreihundert Jahre später die Welt.
Beider Hauptstädte Kirchenherren hielten ihre Knuten schlagbereit in Händen.
Nachdem sie mit ihr die Arianer und
dann die Juden geschlagen hatten, sauste sie nun vernichtend auf die Maurisken
nieder.
Das musste Dr. Jóse so stehen lassen.
Aber, dass die Protestanten und die Calvinisten diesen mit dem Nicänum
verbundenen bösartigen Geist des Konstantinismus übernahmen, das schmerzte.
Bei den Calvinisten wollte er mit
seiner Familie Zuflucht nehmen und sie? Sie beanspruchten Toleranz nur für sich
ohne sie andern zu gewähren.
In dem Traktat wird der Satz stehen:
Nicänisch zu glauben bedeutet, sich bewusst auf die Seite der Intoleranten zu
stellen.
„Nicänisch“ bedeutete seit 325
„Verwirrung“. Einer der Teilnehmer des Ersten Ökumenischen Konzils, Bischof
Basilius, fasste es in die Worte:
„die
nachkonziliare Situation (ist) …mit einer Seeschlacht in der Nach zu
vergleichen, in der sich alle gegen alle schlagen, … und infolge der
konziliaren Dispute herrscht in der Kirche eine entsetzliche Unordnung und
Verwirrung und ein unaufhörliches Geschwätz!“ (43)
Das war das Fatale. Unendlich viele
Kriege folgten auf Nicäa.
Jóse
Carranza steigerte sich. Er führte ein theologisches Selbstgespräch mit
zwangsläufigen Wiederholungen, weil er die Tatsachen immer deutlicher sehen
wollte. Aufregend wie beim ersten Lesen sah er, gewisse Szenen, wie in einem
Wachtraum: Nur fünf Jahre nach Nicäa, wo er sich zum Bischof der christlichen
Bischöfe aufwarf,
„geleiteten Soldaten mit Kerzen in der Hand
die Statue Konstantins, die ihn in der Haltung und im Gewand des Sonnengottes
darstellte…“ Es hieß weiter:
„In seiner Hauptstadt „wurde eine Statue der
Glücksgöttin Victoria errichtet, Kaiser Konstantin ließ sich mit dem Zepter,
der Lanze, der Siegesgöttin und dem Reichsapfel darstellen. (44)
Die
geschichtliche Wirklichkeit zu erkennen bot den Schlüssel zur Lösung der
anstehenden Probleme: die Akzeptanz
dieser Beweisführung könnte die Menschen versöhnen. Nur wenn ein Arzt die Art
der Krankheit erkennt, kann er helfen. In der Tat, es war nicht so einfach, mit
drei Worten deutlich zu machen, dass Athanasius ungewollt dazu beitrug Sol
Invictus an Christi Stelle zu setzen.
Athanasius beharrte: da ist nur ein Gott. Er unterschlug in seiner
Argumentationskette, dass der untergeordnete Gott Jesus, bereits im
vorirdischen Dasein den Zweittitel „ICH BIN“ erhielt, verliehen von seinem
Vater, der diesen seinen Namen auf seinen Sohn legte. Gott Jesus war der Jehovah des Alten
Testaments. Weil er das behauptete, wollten ihn die Pharisäer nach dem Bericht
des Johannes Kapitel 8, steinigen. Mit dem 1. Satz des Dekalogs: „ICH BIN der
Herr dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ auf dem
Athanasius als seinem Steckenpferd herumritt
wurde durchaus nicht der Monotheismus festgeschrieben. Israel und die
Christen sollten neben dem „ICH BIN“ nicht den Baal oder Sol Apollo verehren: ICH BIN beanspruchte der alleinige
Erlöser der Menschheit zu sein. Kein anderer Gott vermag das. Jesus selbst hat
ebenfalls nie dem Monotheismus das Wort geredet. Im Gegenteil: Er lehrte zum Entsetzen der monotheistischen
Pharisäer, Polytheismus: Jeder Mensch ist wegen seiner direkten Verwandtschaft
zum Vatergott selbst ein Gott in Embryo. Was der Einzelne daraus macht, ob er
das Göttliche in sich erwürgt oder fördert ist ihm selbst, in freier Wahl
überlassen. Das entscheidende Jesuszitat lautete: Steht nicht geschrieben in
eurem Gesetz:
"Ich habe gesagt: Ihr seid Götter"?
So er die Götter nennt, zu welchen das Wort geschah, und die Schrift kann doch
nicht gebrochen werden.“ (45)
Dagegen
sollte die nachnicänische Christenheit
unbedingt monotheistisch glauben.
Damit
wurde die Basislehre der Urkirche gelöscht: nämlich die von der Möglichkeit der
Vergottung dessen, der Gottes Gebote hält. Besonders Bischof Hippolyt von Rom,
einer der Größten des dritten Jahrhunderts, sagte es deutlich:
„will
der Mensch Gott werden, Mitschöpfer unter der Hand des allein wahren Gottes, in
der Ewigkeit so muss er ihm gehorchen.“
(46)
Hippolyt verwies entschieden auf die
Christuslehre: „Ihr sollt vollkommen
werden, gleich wie euer Vater im Himmel ist.“ Das war keine hohle Phrase!
Der
größte aller Kirchenlehrer Origenes bestätigt dass:
„...
Manche schätzen nicht, was wir sagten, indem wir den Vater als den einen wahren
Gott hinstellten und zugaben, dass andere Wesen neben dem wahren Gott Götter
werden konnten, indem sie an Gott teilhatten.“ (47)
Ist es nicht zutreffend, dass dies der Kern
der Urlehre Christi war, die er in den Mittelpunkt seiner berühmten Bergpredigt
stellte? Und ist es andererseits nicht offenkundig, dass diese Hauptelemente
ursprünglichen Christentums mutwillig aus machtpolitischen Erwägungen in die
Vergessenheit gestoßen wurden? Gegen diesen Verstoß richteten sich weit
vorausschauend Irenäus, Appolinares, Ephraim Syrus, Epiphanius und viele andere
namhafte Christen. Es war nicht alleine die Anmaßung der Handvoll Sieger von
Nicäa, die sich gebärdeten als wären sie die satte Mehrheit. Sie räkelten sich
prahlerisch, sie wären im Besitz der
absoluten Wahrheit, als hätte der Allmächtige selbst, exklusive für sie den
Schleier gelüftet. Formen, Formeln und Gefäße wirken nicht so stark auf uns
ein, wie ihr Inhalt. Es ist auch die Frage wie klingt dein Ton? Was will dein
Ton mir sagen? Der Ton der Nicäner klang von Beginn an hart, herrisch und
arrogant: wer nicht nicänisch glaubt, - dass drei gleich eins ist - der ist
kein Christ. Das war und ist pure Banditensprache.
Jóse
nickte entschieden, als er sein Resümee zog: Wo immer der Gott des Nicänums
hinkam, verursachte er Schrecken und Kriege! Er könnte tausend Priester und
zehntausend Laien befragen. Sie würden allesamt die Schulterblätter zucken. Im
Grunde interessiere sie das ganze Glaubensgezänk und -gefüge nicht wirklich und
schon ganz und gar nicht der Text ihrer eigenen Bekenntnisse. Wenn er sie je
danach befragte antworteten sie: Es gibt ein höheres Wesen. Wir nennen es Gott!
Das stünde fest, mehr könne kein Sterblicher wissen. Unter hundert Priestern
wäre vielleicht einer, der klug genug war um durchzublicken und der dann noch
zugäbe, dass zu Nicäa, 325, die ursprüngliche Kirche zerschmettert wurde.
Konstantin
wollte jedes Ding, das in seine Hände geriet seinen Zwecken anpassen oder
verwerfen. Auf seine Weise liebte er die Christen, jene die ihm Beifall zollten.
Zum Abschluss seiner Betrachtungen nahm
Jòse nun seine Texte zum unheiligsten
aller Schöpfer des Katholizismus, den Kaiserberater Ambrosius, zur Hand. Das
musste er laut genug sagen: Ambrosius von Mailand, der so fromm on die Welt zu
blicken schien, sprach vierzig Millionen Menschen per Staatsgesetz das Recht
auf Entscheidungsfreiheit ab. Deshalb wird der vielleicht wichtigste Satz des
Traktates der Cazallagruppe lauten:
„Traurige
Erfahrung hat uns gelehrt, dass nahezu jedermann von Natur aus dazu neigt,
sogleich mit dem Ausüben ungerechter Herrschaft anzufangen, sobald er meint ein
wenig Autorität erlangt zu haben. Gott entzieht seinen Priestern die
Legitimation wenn sie Zwang ausüben “
(48)
Die
Kirchenoberen wissen sehr wohl was Ambrosius angerichtet hat. Sie widmen ihm dennoch, allesamt, ehrende
Gedenktage.
Samt
und sonders wissen sie, dass er Fanatismus säte und Verderben erntete. Kaum
einer verursachte in Christenreihen mehr Schrecken als er. Sie wagen seine Verehrung dennoch, sowohl die
Katholiken, die Protestanten, die Orthodoxen, wie die Kirche von England.
Zeitweise,
eine seiner Aufzeichnungen in der Hand, glitt Dr. Carranza in Selbstgespräche hinein: „Oder ist es etwa
nicht wahr, dass Herr Ambrosius von Mailand
die unerfahrenen, blutjungen
Kaiser seiner Zeit in ungerechte Kriege hineinhetzte? Ambrosius wollte zu viel und verdarb alles.
Sein Wunsch war, die im Geiste Sols agierende Staatskirche, die er liebte, noch
bedeutender zu machen. Von daher stammt sein wohlbekannter Ausspruch:
„der Kaiser
steht in der Kirche, aber nicht über ihr.“
Urchristlich
hieß es noch klar „die Kirche bildet den Gegensatz zum Staat.“ Diese ursprüngliche Devise empfand Ambrosius
als absolut fremd, und so erging es der Ecclesia triumphans, die schließlich sein
Meisterwerk werden sollte. Wer kannte sie nicht, die Hauptthese des Ambrosius
von Mailand:
„Der Glaube an Gott und die Treue zum Imperium
Romanum können nicht voneinander geschieden werden.“ (49)
Ambrosius hätte auch, ganz
konstantinisch, fordern können: Man mische das Wasser mit dem Feuer, man mische
Gott und den Satan zusammen. Wegen der Unverträglichkeiten mussten die
Katastrophen einander jagten. Von da an,
ab 374, nachdem Ambrosius sich von einem ultraorthodoxen Bischof taufen ließ,
entschied er sich, Konstantins Ideen und Konstatins Vorstellung von Gott um
jeden Preis durchzusetzen. Ambrosius der
bislang indifferente, nun fünfunddreißigjährige Präfekt, Glied der altrömischen
Senatsaristokratie, wurde konsequentester Fortsetzer des Cäsaropapismus.
Damit kehrte er Jesus von Nazareth den
Rücken zu. Das vertuschte er mit tausend hohlen Worten. Er scheute sich nicht
in Extreme zu fallen.
Niemand aus Christenreihen verfiel vor
ihm auf den Gedanken tote Knochen zu
verehren.
Indem er die derbere Variante des Christentums wählte,
sich bewusst katholisch taufen ließ, provozierte er die harmlosen
Nichtkatholiken, insbesondere die Arianer. Es gab nämlich mindestens eine
katholische und zwei arianische Gemeinden zu Mailand, damals. Er vertiefte,
nach seiner Taufe, den Graben zwischen den Katholiken und den christusgläubigen
Arianern, auf Schritt und Tritt. Statt sich friedenstiftend neutral von einem
gemäßigten Bischof untertauchen zu lassen, hatte er sich für die Religion eines Intoleranten entschieden. Bis zu diesem Tag galt er allen
als unparteiisch. Wäre Ambrosius nicht praktisch amtierender Kaiser gewesen,
hätte sein Tun weniger schwerwiegende Folgen gezeitigt. Bis zu seinem
Tauftag galt er allen Christen seiner
Umgebung als ehrlicher Richter. Warum stellte er sich nun demonstrativ
parteiisch gegen die Arianer?
Er wusste sehr wohl, dass die Arianer
die Gebote Christi ernst nahmen und sie hielten. Er wusste, dass sie sich dem
Staat gegenüber loyal verhielte.
Dennoch erhärtete er den miserabel
begründeten Verdacht, die Arianer wären Häretiker und damit Sünder vor Gott.
Ambrosius gierte, wenn auch zunächst
in guter Absicht, danach strenge Herrschaft auszuüben.
Er sollte und wollte katholischer –
antiarianischer - Bischof werden. Als Präfekt der Provinzen Ämilien und
Ligurien mit Sitz in Mailand, war er praktisch der zweitwichtigste Herr des
römischen Imperiums. Den Kaisern seine Zeit war der Politiker und
Verwaltungsfachmann Ambrosius den jungen
Kaisern überlegen.
Die Arianer erkannten sehr wohl, dass Ambrosius
katholische Taufe eine politisch motivierte Entscheidung war, keineswegs eine
aus religiöser Erkenntnis. In den Ohren
der Arianer klang es sofort provokativ als er vom Primas Mailands zum
Bischof geweiht wurde: ich, Ambrosius, der Kaiserberater, werde den spezifisch nicänischen Gottesglauben
und das Imperium Romanum untrennbar miteinander verknüpfen. Als studierter
Jurist musste er wissen, dass die straff
antiarianische Glaubensweise, die er nun allen als Pflichtreligion aufhalsen
wollte, sehr fragwürdiger Natur war. Ambrosius konnte nocht übersehen haben dass
das „Nicänische“ seit eh und je rohe
Gewalt produzierte. Die Arianer waren seit Nicäa die Leidtragenden. Das Rad
rollte über sie hinweg. Nun, mit ihm, erhielt das „nicänische“ die Masse einer
Straßenwalze.
In Gedanken sprach Dr. Carranza wiederholt mit der Herrin des gelben Hauses:
„Doña Catalina, ich habe mich zwanzig Jahre lang mit der Problematik
beschäftigt. Wir stimmen überein. Gewalt
und Christentum verhalten sich zueinander wie Dämonen und Engel.
Ambrosius
wollte aus seiner Machtstellung heraus zu Gunsten aller operieren. Das spricht
ihm niemand ab. Aber, er ging mit eiserener Faust vor. Er tat ähnliches, was
Kinder mitunter versuchen, indem sie eine Knospe aufbrechen, um so die Pracht
der Blume zu sehen.
Ein
besonders auffallender Name stieg aus Jòses Erinnerung herauf: Damasus von Rom
war schon vierzehn Jahre zuvor, im Jahr 366, in Richtung der totalen
nicänischen Intoleranz vorgeprescht.
Auch er wollte die Blüte sehen, sein Erblühen in Herrlichkeit. Aktiv mit
seiner Streitmacht war er über die Nachbar-Christengemeinde hergefallen, weil
die seinen nicänischen Glauben nicht teilte. Einhundert tote Arianer auf der
einen Seite, null Tote auf Seiten der
mit Äxten bewaffneten Truppe des Damasus. Dieses Bild muss man vor Augen haben:
mitten in der leichenübersäten Kapelle Julii zu Rom, steht "Papst"
Damasus, der später viel gefeierte, und erfreut sich seines blutigen Sieges,
umgeben von seinen Anhängern mit ihren besudelten Waffen. Ein Textauszug aus dem höchstwahrscheinlich von
Ambrosius verfassten, mindestens aber von ihm initiierten Gesetz zum
Glaubenszwang „Cunctos populos“ lobt den frechen Mörder:
„Alle Völker,
über die wir ein mildes, gnädiges Regiment führen, sollen (müssen) das
ist unser Wille, die Religion annehmen die der göttliche Apostel Petrus den
Römern gepredigt hat, und der wie wir sehen, auch Bischof Damasus von Rom sich
anschließt... wer dieses Gesetz befolgt soll den Namen eines katholischen
Christen führen, die andern aber... sollen die Schmach ... tragen, ihre
Versammlungshäuser dürfen nicht Kirchen genannt werden; sie selbst aber
unterliegen der göttlichen Strafe...“
Die
von den räuberischen Legionen umzingelten Menschen hatten gleich Marionetten, dem
ambrosianischen Diktat Folge zu leisten. Nur wer Katholik war durfte ein
wichtiges Amt bekleiden. Allen Nichtkatholiken wurde fortan zugemutet ihre
Überzeugungen und ihre seit tausend Jahren praktizierten Riten aufzugeben,
sonst „drohe ihnen göttliche Strafe“.
Hart
traf es die Griechen, die Perser, Ägypter, Mandäer,
Manichäer, vor allem aber die Arianer. Weil solche Vergewaltigung offensichtlicher
Rechtsbruch war, hieß es so gut wie
unwidersprochen: nicht Ambrosius sondern die drei Kaiser seiner Zeit hätten das
Edikt verkündet.
Die Nicäner nennen es verlogenerweise:
„das Dreikaiseredikt“.
Ich, Dr. Jòse Carranza frage euch:
Der neunjährige Sohn der arianischen
Kaiserin Justina, Valentinian II. soll seiner geliebten Mutter, - einer
ergebenen Arianerin - der er lebenslänglich die Treue hielt, den Dolch ins Herz
gestoßen haben?
Ich
sage es euch Lügnern ins Gesicht: Die beiden anderen Kaiser, die das Gesetz
Cunctos populos paraphiert haben sollen,
scheiden jedenfalls als Autoren aus. Theodosius war 380 noch kein Christ und
Gratian hatte gerade sein Toleranzedikt zu Sirmium zugunsten der Arianer verabschiedet.
Mir ist es ein Rätsel, Doña Catalina,
dass sonst achtbare Menschen sich solcher Geschichtsverzerrung nicht
verweigern. Ambrosius und kein anderer beherrschte in jener Zeit die politische
Szene… Des Ambrosius Kirchenpolitik erlaubte Nordägyptens Bischof Theophilus,
einem wütenden Konstantinverehrer, bereits kurz nach Veröffentlichung von
„Cunctos populos“ die Zerstörung der Tempel der Hellenen zu Alexandria und
andernorts. Ehrliche Versuche Menschen zum Guten zu bekehren gab es nur noch
selten.
Ehrlichkeit stand nicht mehr hoch im
Kurs. Stattdessen lobten katholische Priester die Opportunisten. Der durch die
Angstverbreitung erzielte „Erfolg“ massenhaft Eingeschüchterte zu beherrschen
war dem neuen Typ Kirchenherren hundertfach wichtiger, als die Bewahrung des
Individualrechtes. Unvorstellbar wie sie hausten, als sie mit
nicänisch-kirchlichem Segen durften, was die Bibel verbot. Sie rissen unter den
Augen des Ambrosius Häuser und Tempel der paganen Bevölkerung ein. Kaiser
Theodosios I. total unter dem Pantoffel des Machtmenschen Ambrosius,
formulierte willfährig nur das was sein Oberherr wünschte.
„Dem
engagierten Christen, Praetorian prefect Maternus gab Ambrosius die Weisung …
mit den örtlichen Bischöfen zu kooperieren um die Tempel der Heiden in
Nordgriechenland und Kleinasien zu zerstören...
es kamen hunderte Eremiten aus der Wüste und zerschmettern Statuen,
Altäre, Bibliotheken und pagane Tempel…“
(50)
Diejenigen die Ambrosius folgten,
schreckten vor nichts zurück.
Christliche Priester führten den stets
auf schnellen Gewinn hungrigen Pöbel auch gegen den Tempel der Demeter in
Eleusis. Sie versuchten, die Hierophanten Nestorius und Priscus zu lynchen. Der
95 Jahre alte Nestorius beendete folglich die Eleusinischen Mysterien. Er soll
ausgerufen haben: Nun sei die Herrschaft geistiger Dunkelheit über die
menschliche Rasse hereingebrochen. Das traf zu.
Dr. Carranza hielt gelegentlich inne um nach
der nunmehr letztmöglichen Lektüre seiner Forschungsarbeit gewisse Fragen an
sich selbst zu richten. Er kam zum Schluss:
es gibt keinen Beweis dafür, dass Ambrosius damals schon senil gewesen
wäre. Soviel ist sicher: ohne Ambrosius wäre es nicht passiert, nicht in diesem
Ausmaß, nicht systematisch!
Die Hellenen klagen ihn an. Ob die
Geschundenen jemals gehört haben oder nie erfuhren, dass Jesus ihnen versprach,
dass diejenigen die nach Gerechtigkeit hungern satt werden sollen?
Genau das wird dermal einst auch zu
ihren Gunsten geschehen.
Man wird spätestens dann allerseits
erkennen, dass es keineswegs Christus war, sondern Sol Invictus, der Gott mit dem
Glorienschein, der sich in den Orgien
der Wüstenmönche austobte.
Ambrosius Tun und Billigung war nichts
weiter als die Ausführung der Befehle Konstantins und dies bedeutete die
Vollstreckung des Todesurteils gegen das originale Christentum. Die von üblen Gleichgesinnten geführte Kirche
stürzte mitsamt ihren aufwendigen Feierlichkeiten im vierten Jahrhundert in
höllische Tiefen. Dort, wo sie sich
zuhause fühlte, - wo römische Legionen standen - schwang sie das Zepter erbarmungslos. Dort
nistete sie sich ein, um so viele Menschen unglücklich zu machen, wie ihr
möglich war. Selbst einfache Besuche der
hellenischen Tempel wurden umgehend unter Strafe gestellt.
Im
gesamten Imperium wurden ägyptische Bibliotheken geplündert oder
niedergebrannt. In Konstantinopel verwandelten gewisse Fromme den Tempel der
Aphrodite in ein Bordell und die Tempel des Helios und der Artemis in Ställe. Bereits vier Jahre nach der
Inkraftsetzung von „Cunctos populos“ wandte sich die ambrosianische Faust gegen
spanische Protestanten. Insbesondere die unter Führung Bischof Priscillian von
Ávila wirkten. Priscillians, nach Tausenden zählenden Anhängerschaft, ließ sich
von ihm ermutigen sich dem fortschreitenden Konstantinisierungskurs der Kirche
zu widersetzen. (51) Dafür sollten sie einen sehr hohen Preis
zahlen. In Ambrosius Augen war es Hochverrat an Konstantin und seinem 1. ökumenischen Konzil, Kritik zu üben. Das ließ
er Priscillian direkt mitteilen, nachdem dieser sich hilfesuchend an ihn,
Ambrosius, als den damals faktisch Weltmächtigsten vergeblich wandte.
Erzkatholische, spanische Bischöfe von anerkannt schlechtem Ruf bedrohten Priscillian,
trachteten ihm nach dem Leben, indem sie unter Eid falsche Behauptungen
aufstellten. Ambrosius muss erkannt haben, dass sich der spanische Bischof samt
den Spitzen seiner Gefolgschaft in akuter Todesgefahr befand. Ambrosius warnte
zwar die Ankläger Priscillians davor die Todesstrafe zu vollziehen, verhindert
hat es nicht. Er ließ die angeblich Abtrünnigen mit der Begründung abblitzen,
Priscillian glaube verbotenerweise arianisch.
Zu sagen Jesus sei seinem Vater untertan, sei eben eine Todsünde.
Schutzlos
standen Priscillian und mindestens sechs seiner Mitbischöfe vor Kaiser Maximus.
Der glaubte den Verleumdungen der orthodoxen spanischen Bischöfe Ithacius und
Idacius. Sie behaupteten Priscillian betreibe Zauberei und Hexerei, anders
ließe sich nach ihrem Verständnis nicht erklären, dass Priscillian täglich mehr
Menschen zufielen. Zu Trier, Deutschland, verloren sechs der engsten Freunde
des Arianers Priscillian und er selbst,
im Jahr 385, ihre Köpfe unter dem
Schwert eines nicänischen Scharfrichters.
Als ihre Häupter zu Boden fielen,
verdunkelten die Wolken den Himmel Europas: Durften solche Morde je in
Vergessenheit fallen?
Wes Geistes Kind Ambrosius war erwies
er immer wieder selbst.
So, als er Kunde erhielt was an der
Nordgrenze des Reiches, im Donaubereich geschah.
Wenige Wochen nach seiner Taufe kamen immer
größere Züge fliehender Kinder und Frauen, die vor den unwiderstehlichen Hunnenscharen
Schutz suchten. Nur mit dem Nötigsten versehen rannten sie um ihr Leben.
Vergeblich stemmten die Wehrhaften unter
den Getriebenen sich gegen die mit ihren Reflexbögen ausgestatteten Räuber.
Minderjährige Söhne ruderten ihre Mütter auf Flößen und primitiv
zusammengezimmerten Booten über die Donau. Kaum am vermeintlich rettenden Ufer
gelandet, warfen sie sich den Legionären Roms zu Füßen: Helft!
Es gab römische Offiziere die Mitleid
empfanden. Sie und ihre Männer wären ihnen willkommen.
So ist das Herz des Menschen
beschaffen es freut sich wenn es Not lindern kann. Aber da tauchte das Wort und
Gesicht des Herrn Ambrosius aus dem Hinterhalt auf: „seid ihr von Sinnen? Wisst
ihr nicht, dass wir es mit Ketzern zu tun haben? Stoppt die Banditen.“ Die Donau ist lang und die Befehlswege noch
länger. Zehntausende angebliche „Banditen“ - Arianer zumeist - kamen
und es wurden immer mehr. Ambrosius wütete: „Die Goten sind Arianer.
Arianer leugnen die Gottheit Christi! Sie sind Gottesfeinde und damit Feinde
Roms!“
Jóse
Carranza las seine eigenhändig geschriebenen Sätze noch zweimal: Hier wurde die
verhängnisvolle Falschparole als giftige Behauptung fest geschrieben.
Rom
verdient Strafe dafür, dass es diese Aussage nie in Frage stellte.
Rom
baut auf Ambrosius und es wird erleben, dass ihnen auch andere Reden und Sagen
des Ambrosius zu einem Desaster werden.
Ambrosius glaubte, dass der nun schon neunzehnjährige Kaiser Gratian,
der ihn um Rat bat, reif genug sein sollte zu begreifen, dass eine Überfremdung
stattfinden wird. Und da war die noch größere Gefahr, die Ambrosius sah:
Kaiser
Gratian sympathisierte wenn auch verdeckt mit den Arianern.
Nein,
Gratian begriff wirklich nicht, dass jemand ein Verbrecher sein soll, der sich
Gott lediglich anders denkt als eine noch so große Mehrheit.
Gratian von Natur und auch durch
Erziehung tolerant, nickte eher Zustimmung. Er wollte die eventuellen Neubürger
seines Reiches willkommen heißen. Seine Gardeoffiziere berichteten ihm, die
Goten verhielten sich diszipliniert. Gemeinsam würden sie gegen die Hunnen
kämpfen, schon um ihre Familien vor den Anstürmenden zu schützen. Sie hätten zu
viel Böses von denen erfahren und
erlitten.
Ambrosius fuhr aus der Haut. Wieder
bearbeitete er das Papier wie ein Berserker. Er las dem Imperator die Leviten:
„Arianer glauben Gott hat ein Angesicht!“ das sei Häresie und er, Ambrosius
werde solange Atem in ihm ist im römischen Reich Häresie niemals dulden.
Ambrosius Schlachtruf hallte denn auch
überlaut: „Die Arianer haben sich gegen die Kirche Gottes verschworen!“ Ambrosius malte Schwarz-Weiß, er entmischte
nicht. Dem jungen Kaiser suggerierte er:
„der Glaube
des Herrschers gewährleiste mehr als die Tapferkeit der Soldaten den Sieg...
Jesus Christus soll das römische Heer
führen.“… „Jesus Christus werde das
römische Heer gegen die Arianer führen“?
Welches
Bild! Welche Dummheit. Reiner Konstantinismus war das so von Ambrosius
Geschriebene. Angesichts der Tatsache, dass viele Goten sich auf den Namen Jesu
Christi hatten taufen lassen, was einer Verpflichtung auf seine Lehre von der
Rechtschaffenheit gleichkam, wäre er zwingend dazu verpflichtet gewesen
angemessene diplomatische Schritte einzuleiten. Schließlich wünschten die Goten
nur Sicherheit für das Leben ihrer Familien. Das wenigstens wusste Ambrosius.
Seitdem die Asiaten den Reflexbogen als Waffe erfunden hatten, war ihnen kein
europäisches Heer mehr gewachsen. Für die Goten ging es um Tod oder Leben ihrer
Kinder. Kaiser Gratian ließ sich
indessen unter Ambrosius Druck überzeugen, gegen seine Bedenken zu handeln.
Daran
ist zu ermessen, wie sehr der Kaiserberater dem jungen, Verantwortung tragenden
Mann geistig überlegen war. Es hieß nur: fortan „wies Gratian die Arianer ab und folgte Ambrosius.“ Dieser hatte dabei als entscheidende
Autorität die Bibel aufgerufen:
„Der Kaiser soll gerüstet mit dem Schwert des
Glaubens, dem Sieg entgegen ziehen... der Krieg gegen die Goten und der Sieg
über sie seien von Hesekiel geweissagt worden. Die Goten sind Gog, von denen
der Prophet (Hesekiel) schreibt, dass er mit Gottes Hilfe vernichtet werde. Es
ist nicht zweifelhaft, dass die ‚catholici’ welche die Strafe für den Unglauben
anderer ertragen haben, bei Gratian Hilfe für den rechten Glauben finden...(die
Goten) die ‚Häretiker’ sind die ‚antichristi’; diese Häresie sammelt ihr Gift
aus allen anderen Häresien.“ Ambrosius mahnte den Kaiser, er müsse „daran denken die Siegeszeichen
aufzurichten...“ (53)
Diese
Siegeszeichen waren wiederum sehr wahrscheinlich die der Victoria, welche sie
bereits Konstantin gab: die XXX, so geschehen in einem gallischen Apollotempel
im Jahr 310. Da waren sie ihm erschienen, Sol Apollo und die Göttin des Sieges.
Sol und Victoria hatten ihr Versprechen gehalten. Sie, nicht Christus, ließen
Kaiser Konstantin dreißig lange und doch so kurze Jahre siegen und jetzt
sollten die Zauberzeichen helfen die Arianer zu zerschmettern.
Ambrosius
log auch, als er behauptete die Arianer
leugneten die Gottheit Christi. Auch das konnte er, Dr. Jóse Carranza,
belegen. Ein Freund hatte ihn auf ein authentisches Arianerbekenntnis
hingewiesen. Es war eines, das jeder Christ glatt unterschreiben könnte:
„Jesus ist der „filius unigenitus, Dominus et
noster... er ist unser Herr und Gott, Werkmeister und Bildner der gesamten
Kreatur, der seinesgleichen nicht hat.“
(54)
Wäre diese Glaubenstatsache wirklich
weithin bekannt geworden, Ambrosius Macht wäre geschrumpft, wenn nicht
zerschellt. Das Nein, des Kaiserberaters und Bischofs Ambrosius führte in
einigen Donaubereichen zum Aufnahmestopp. Hunderttausende Gotenfamilien standen
nun ungeschützt zwischen den Fronten. Die Kinder schrien jenseits
herzzerreißend, doch diesseits erwies sich das Machtwort des Mailänder Bischofs
als wirkungsvoller. Gratian wankte.
Andere Ratgeber hatten ihm gesagt, was die Katholiken von den Arianern
unterschied, sei nur ein Jota! Der Arianer Bekenntnis könne man doch
tolerieren. Nein! beharrte Ambrosius energisch und absolut. Er stemmte sich
gegen Christus, gegen den, der den Menschen versicherte, er werde alles tun um
jedermanns Recht auf Leben und Entscheidungsfreiheit zu sichern. Ambrosius
Vernichtung des Individualrechtes aller, innerhalb des Wirkungsbereiches
römischer Legionen, kann man verniedlichen, aber nicht leugnen.
Dass die Verunglimpfung der
Gewissensfreiheit gegenwärtig nicht nur in Spanien böse Formen annahm, stand
fest. Kaum jemand von Rang wusste allerdings, dass er damit im Fahrwasser des
erst vor fünf Jahren verstorbenen Papstes Clemens VIII. schwamm. Nur wenigen
unter den hohen Herren Roms, war es jemals wichtig mehr Wissen über die
Geschehnisse der Urzeit des Christentums zu erlangen. Kaum jemand wollte wissen
und verinnerlichen, dass Jesus stets das Gewissen der Menschen ansprach. All
das lag zu lange zurück. Von Clemens VIII., einem typischen Papst hieß es, er
halte „Gewissensfreiheit für das
Schrecklichste in der Welt.“ Er konnte und wollte nicht verstehen, dass
Frankreichs König Heinrich VI., den Hugenotten seines Reiches, aus
Notwendigkeit, 1598, Glaubensfreiheit gewährte. Das Morden hätte in Frankreich
kein Ende gefunden, wäre dieses Edikt der Vernunft nicht zustande gekommen.
Unmöglich in des Papstes Augen war vor allem, dass ein einflussreicher
Staatsdiener fortan ungestraft als Nichtkatholik den Romgetreuen vor die Nase
gesetzt werden konnte.
Ambrosius
großes Vorbild blieb Konstantin und der war ein Massenmörder. Geschickt verbarg
der hochparteiische Mailänder das. Süßlich schmalzige Lied aus seiner Feder
betäubten gelegentlich sogar den Verstand seiner Kritiker. Dennoch, er unterstützte Konstantins
verwerfliche Ideen grundsätzlich. Er versah dessen antichristliche Ziele mit
echten, aber aus dem Zusammenhang gerissenen Schriftzitaten. Ambrosius machte
aus dem historischen Christus eine verzerrte Gestalt von kaum liebenswürdigem
Charakter. Er entmündigte die zu seiner Zeit noch in geheimen Gruppen
existierenden Urchristen, aus denen später die Paulikianer und die Bogumilen,
sowie die Waldenser hervorkamen.
Jóse
Carranza konnte sich exakt an den Tag erinnern, als er zum ersten Mal las, wie
sich Ambrosius gegen die Juden des Reiches stellte, die bis dahin seitens der
Heiden ihren ehrenhaften Status bewahrten. Schamlos stellte der Nicäner
Ambrosius sich hinter die brandstiftenden Christen, die eine Synagoge
abgefackelt hatten. Gemäß Kaiserweisung
sollten die Schuldigen Schadensersatz zahlen. Herrisch kanzelte Ambrosius
seinen Imperator Theodosios ab:
„Der Kaiser steht in der Kirche, aber nicht
über ihr! ... Ich Ambrosius erkläre, dass ich die Synagoge in Brand
gesteckt habe.“
Die
Synagoge von Kallinikum … wurde nicht wieder aufgebaut.
Die
Kirche des Ambrosius tat alles, Menschen einzubläuen, was Rom nützt, das
gefällt Gott. Menschen müssen dem Papst gehorchen. Doch der Gott den Jesus
lehrte wollte, dass alle Vernünftigen ihrem inneren Licht folgen. Christus
betonte, dass sie alle, Mann für Mann, Frau für Frau, lernen müssen, eigenständig
zu urteilen, sowie, dass sie sich dem Pharisäertum der Heuchelei widersetzen
sollen. Sonst handeln auch jene Menschen die in seiner Nachfolge stehen, eher
aus Klugheit und Berechnung und nicht aus gewachsener Überzeugung. Erst die
konsequente aktive Umsetzung dessen was man persönlich als wahr und richtig
erkannte, macht den von Gott geliebten Menschen aus.
Gratians
Gewissen stand permanent unter ambrosianischem Druck. Dennoch sah er alle Ursache weitherzig zu regieren.
Gerade deshalb hatte er, erst vor kurzem, in Sirmium sein Gesetz zur „Freiheit
aller Glaubensrichtungen“ veröffentlicht.
Dieses Toleranzedikt war ein Dorn in den Augen des gnadenlosen
Ambrosius.
Gratian
hätte in seiner ursprünglich weitherzigen Gesinnung fest bleiben sollen. Das
wäre, für das kriegsmüde Volk dies- und jenseits der römischen Grenzen der
bessere Weg gewesen. Ambrosius, das energische Gegenteil eines Friedensstifters
erwies sich wiederholt als falscher
Prophet. Seine Armee wurde geschlagen. Doch die von den Goten überrannten
Gebiete im Norden jenseits Italiens wurden weder entvölkert noch deren
Katholiken ihres Glaubens wegen belästigt. Ruhig ging es zu, wo die Arianer
hinkamen und nach und nach die Oberhand gewannen. Das war der Beweis für die
Richtigkeit ihrer Religion die sich als sanft erwies. Glaubensfreiheit und
Friedenspolitik wurde, solange sie herrschten, groß geschrieben. Ad absurdum
führten sie die Propaganda der Katholiken. Kaum merklich für das päpstliche Rom
entstand dann später, nach Ambrosius, das ostgotische Reich, es wuchs Schritt
für Schritt südwärts.
Jeder
Bürger oder Sklave besuchte die von ihm bevorzugten Gottesdienste unbehelligt,
etwas das dem kaltherzigen Ordnungsmenschen Ambrosius sehr gegen den Strich
ging. Trotz seiner politisch-militärischen Niederlagen blieb er der führende
Kopf der Athanasianer. In den nächsten Jahrzehnten verebbte das weströmische
Kaiserreich. Es hörte auf zu existieren, weil Ambrosius die Hellenen, die
eigentlichen Kulturträger, zur Tatenlosigkeit und zum Untergang verurteilt
hatte.
Genau das wird er, Jòse herausstellen.
Wahrscheinlich gab es damals im syrischen Raum, wie in Italien mehr arianische
Christen als katholische.
Die Katholiken rührten indessen sobald
sie konnten wieder heftiger. Sie hatten sich mancherorts erholt. Die Arianer
ließen die katholischen Priester gewähren, insbesondere deren Päpste. Und kaum
an Zahl und Einfluss wieder bedeutend geworden, begannen die Nicäner erneut zu zanken, was ihnen sehr zu eigen war. Als verbissene Trinitarier deklassierten sie
mit Unschuldsmiene seit jeher Jesus von Nazareth. Selbstherrlich setzen sie ihr Kriterium für das Christsein
einer Person - die Anerkennung des Nicänums – über das des Messias, der
bestimmte, wer seine Gebote hat und hält sie,
der ist es.
Dr. Carranza überprüfte sein Wissen
ständig. Er fand, dass es immer einzelne Charaktere sind, die getragen von
gewisser Grundstimmung emporgehoben werden.
Wenn das von ihm gesichtete Material die historische Wahrheit beschrieb,
dann war Ambrosius seiner Kriegshetze wegen, wegen seiner Herzenshärte und
praktizierter Engstirnigkeit, wegen seiner Juden- und Hellenenverketzerung ein
Verbrecher ersten Grades. Dabei bemühte
dieser Herr sich sehr, immer harmlos wie ein Engel auszuschauen.
Männer
die von Päpsten gepriesen werden, sind häufig fragwürdige Gestalten. Ambrosius
erwies sich zudem als Schutzherr elender Kinderschänder indem er lehrte:
„Es kann keine noch so verruchte Schandtat
begangen oder gedacht werden, welche die heilige Kirche nicht nachlassen könnte.“
(56)
Wohin
solcher Ablass führte hat nicht nur Dr. Luther drastisch beschrieben. Solche markigen Aussagen richteten sich
direkt gegen die Weisung Jesu: „jeder Baum der keine guten Früchte bringt
wird abgehauen.“ Für Dr. Carranza
bedeutete dies, Übeltäter sind wie Giftpilze zu meiden. Vor allem diejenigen
die kleine Kinder und Wehrlose missbrauchen. Sie müssen erkannt und aus dem Korb ausgeschlossen
werden. Da es sich um gefährliche Menschen handelt, muss die Kirche sie
exkommunizieren. Ambrosius verhütete
das! Er lehrte die Kirche könne alles
vergeben und wem die Kirche vergab, was immer das war, der sei rein vor Gott
und Menschen und sei er der schlimmste Schänder
oder Schlagetot. Er darf
weiterhin auf die Menschheit losgelassen
werden.
Ambrosius
habe, so hieß es offiziell
„mit
der orthodoxen Bevölkerung dem Befehl Justinas, (der Kaiserwitwe Justina,
Mutter des damals neunjährigen Kaisers Valentinians II.) Kirchen an die Arianer
auszuliefern, erfolgreich Widerstand geleistet.“
Jóse
nickte den Kopf in Bitternis.
Als er so, noch ein letztes Mal, seine
Papiere betrachtete fragte er sich, ob nur er diesen Unhold durchschaute. Was wirklich
geschah, scheint weitaus schlimmer zu sein, als das was man wusste. Ihn
erstaunte, dass bereits die Ereignisse die er in den ambrosiusfreundlichen
Überlieferungen fand, haarsträubend waren. Was erst, wenn die Opfer zu Worte
kämen?
Als Jòse vor Jahren zum ersten Mal las,
wie brutal Ambrosius die Kaiserin
Justina behandelte packte ihn der Zorn. Wie wollte dieser Kirchenheld das Unrecht
rechtfertigen, dass er aus seiner Machtfülle heraus an einer Witwe beging? Justina
hätte ihre arianische Leibwache und starke Truppenkontingente arianischer
Gesinnung gegen Ambrosius einsetzen können.
Aber das untersagte ihr die eigene Gesinnung. Wer lobte sie dafür, dass
sie gewissenhaft handelte?
Ihre
arianische Religion ließ Gewaltanwendung in Glaubensangelegenheiten nicht zu.
Zu ihrer Zeit gab es ein Gleichheitszeichen zwischen ihrer Religion und dem
Toleranzgebot Christi. Von Jesus selbst stammte die Weisung maßvoll mit
jeweiligen Feinden umzugehen. Justina
liebte Christi Gebot, das Ambrosius durch sein Tun und Lassen verlachte. Er
hatte die katholische Bevölkerung zu pöbelhaftem Verhalten aufgestachelt. Sein selbst
produziertes Gesetz lautete: arianische Gottesdienste sind bei Strafe
untersagt. Weil Ambrosius Redegewalt reichsweit wirkte, durfte er der Kaiserin
Justina die Stirn bieten und seinen Knüppel schwingen. In den Protokollen hieß
es trocken:
„Arius
‚überwand’ den Arianismus …durch die Synode zu Sirmium, auf der er 6
Arianer verurteilen ließ, und 381 durch die Synode zu Aquileja, die den der
arianischen Häresie angeklagten illyrischen Bischof Palladius samt seinem
Presbyter Secundinus schuldig sprach und absetzte.“ (57)
Schuldig wurden schon viele gesprochen. So
erging es Jesus von Nazareth. Von Beginn an wehrte sich die Witwe des Kaiser
Valentinian I. gegen den rabiaten Katholizismus
dieses Mannes.
In den Berichten heißt es Ambrosius sei „tapfer“ aufgetreten, doch
dieses Lob kann kein um Objektivität bemühter Mensch teilen!
Hier läuft der Grenzgraben entlang.
Stellst du dich gegen das uns allen von
Gott zugestandene Individualrecht, sprichst du dich gegen den „Erlöser“ aus.
Er löst Fesseln, niemanden jedoch bindet er knechtend.
Auch wenn du seinen Namen unentwegt
lobend auf der Zunge trägst, fällst du ihm mit inhumanem Verhalten in den
Rücken.
Nichts kann das Individualrecht
ersetzen. Das vertraten Irenäus, Origenes, Hippolyt sowie jeder Christ
der ersten Stunde.
Ambrosius stand gegen sie.
Diese Bosheit nahm er sich permanent gegen
die Toleranten heraus.
Wo die Entscheidungsfreiheit fehlt, da
kann zwar die Kirche des Sonnengottes gedeihen, aber nicht die des
Christus.
Was Ambrosius und sein Anhang der Kaiserinwitwe
Justina zufügte, wurde in ewigen Annalen niedergeschrieben. Sie wird ihre
Rechte vor Gott nicht vergeblich einklagen.
Zuerst lebte die glaubensstarke Justina
noch unter dem Schutz ihres Mannes, Valentinian I. Danach hatte sie nicht
die Spur einer Chance sich gegen den Kaiser’berater’ durchzusetzen, sonst hätte
sie den Bürgerkrieg riskiert. Sieben Jahre lang, bis zu ihrer
Sterbestunde, widerstand die tapfere Justina dem erbarmungslosen Diktator
Ambrosius.
Er hat sie bis zum Schluss genervt.
Was nahm sich dieser Emporkömmling
gegen sie heraus? Es gibt Herzen die sich an dem Verhalten dieses Diktators
erfreuen.
Männer wie Erzbischof de Ribera, Bleda,
Lerma.
In der Osterwoche 385 kam es in
Mailand zu tumultuarischen Szenen. Ihre Soldaten umzingeln die Basilica
Porciana, die Kirche der Nicäner. Doch nicht Ambrosius, sondern Justina
musste jener Gewalt weichen, die von der Straße kam.
Ambrosius hätte um sein Leben fürchten
müssen?
Doch da erhebt sich die Frage,
wenn es so gewesen wäre, dass sie die „gefährlichen“ Militärs auf ihrer
Seite hatte, warum unterliegt sie dann den angeblich Schwachen?
Augustinus von Hippo Freund des Ambrosius
sagt in seinen Bekenntnissen sonderbare Dinge, als sei es dringend notwendig
den falschen Propheten wieder aufzuwerten.
Ambrosius wird durch Augustinus
Behauptungen zum ersten Verehrer heiliger Knochen in dem er
verkündet:
„Damals
offenbartest du, Gott deinem Bischof, dem schon
erwähnten Ambrosius, wo die Leiber der Märtyrer des Protasius und Gervasius
verborgen ruhten…“
Dr. Carranza konnte nicht umhin erneut
erbost nachzufassen: Du lieber Christengott? offenbartest dem Ambrosius…, denn
das Folgende gab es nie zuvor im Christentum, sondern nur in unseriösen
Geheimbünden und in Indien unter Heiden.
Augustinus von Hippo prahlt:
„Du
Gott hast, die Leiber der Protasius und des Gervasius so viele
Jahre hindurch im Schoß deiner Verborgenheit unverwest verwahrt, um sie zur
rechten Zeit zur Bändigung der Wut jenes Weibes, das doch eine Kaiserin war,
hervorzubringen.
Denn
als sie aufgefunden und ausgegraben mit den ihnen zukommenden Ehren zur
Basilika des Ambrosius gebracht wurden, da wurden nicht nur die, welche von
unreinen Geistern besessen waren, nach dem Bekenntnis ihrer Dämonen
selbst, geheilt, sondern auch ein angesehener Bürger, der mehrere Jahre
hindurch blind war. Als dieser nämlich nach der Ursache fragte, warum das Volk
vor Freude jauchzte, und es hörte, da sprang er hinaus und bat seinen Führer,
ihn dorthin zu führen. Nachdem er in die Kirche eingetreten war, bat er um die
Erlaubnis, mit seinem Schweißtuche die Bahre der Heiligen berühren zu dürfen,
deren Tod ist wert gehalten vor dem Herrn. Als er dies tat und dann seine Augen
damit berührt hatte, da wurden sie sogleich ihm aufgetan. Der Ruf davon aber verbreitete
sich weit und breit; alles war voll deines Lobes, und der Sinn jener Feindin (der
Kaiserin Justina) wurde, wenn auch nicht zu gesundem Glauben
fortschreitend, doch von der Wut zurückgehalten. Dank dir dafür, o mein
Gott!“ (58)
Da mischten sich Wunschdenken und Absicht,
Dichtung und Wahrheit. Auch Augustinus erweckt wiederholt den Eindruck,
dass auch sein persönlicher Gott wie des Ambrosius, keinerlei Ähnlichkeit mit
Jesus Christus aufweist.
Das festzustellen war Jóse Carranza
wichtig, denn der Gott dem Augustinus zu dienen meint, widerspricht nicht nur
der Vernunft, sondern der Bibel. Das erweist sich mit den rabiat erdachten
Schlussfolgerungen die Augustinus zu ziehen wagte:
Dass
„nur eine relativ kleine Zahl von Menschen (zur Wiederauffüllung der durch
den Engelsfall entstandenen Lücke!) ... zur Seligkeit vorausbestimmt ist.
Die anderen (sind) ‚Masse der Verdammnis’.“ (59)
Während Jesus ausnahmslos alle Menschen
einlud glücklicher zu werden: „Kommt her zu mir die ihr mühselig und
beladen seid, Ich will euch erquicken.“
Dieses Dogma von der Prädestinationslehre
gehört, mit den Zwangsgesetzen, zum Schlimmsten was der damalige
Anti-arianismus hervorgebracht hat. Fortan stieg die Flut der Legenden
prokatholischer Propaganda.
Der Druck auf Andersdenkende nahm ständig
zu.
Die gesamte urchristliche Theologie wurde
untergraben.
Die wesentlichen Elemente des originalen
Christentums wurden seitenverkehrt dargestellt.
So kam die Lehre von der Erbsünde auf.
Augustinus behauptete sogar, unschuldige
Babys müssten getauft werden –wehe denen, die ungetauft sterben.
Jóses Gott verurteilt niemanden. Jeder
klagt sich selbst an. (60)
Er wird allen verzeihen die bereuen,
nachdem sie erkannten wie viel Schaden sie angerichtet haben. Männer wie die
Herren Ambrosius und Bischof Augustinus werden sich dermal Einst selbst
anklagen Unsinn verbreitet zu haben, und damit unsägliches Leid verursacht zu
haben.
“Augustinus
von Hippo verkündete..., es schmoren all jene in der Hölle welche das Sakrament
der Taufe nicht erhalten haben und deshalb von der Erbsünde (Ursprungssünde)
befleckt sind, also auch ungetauft verstorbene Kleinkinder
und vorchristliche Gerechte.” (61)
Der Galgenstrick Augustinus wusste was er
wollte.
Seine Lehre trieb die abergläubischen
Eltern, ihre Wickelkinder taufen zu lassen.
Alle, aus Furcht und Schrecken.
Welch billiger Trick, dem vor allen
anderen die Mütter erlagen. Sie wollten nicht schuld daran sein, dass die
Seele ihres ungetauften Babys endlos leiden wird.
Angst brachte das Sol-Invictus-fromme Rom
zustande.
Angst hielt es zusammen.
Doch der Geist Christi ist Überwinder der
Angst.
Er ist Liebe und Wahrhaftigkeit. Der Geist
seines Gegenspielers mit der Strahlenkrone besteht im Wesentlichen aus der
Sucht nach dem Gefeiert werden und der Machtausübung.
Dieses System muss gestürzt werden, weil
von ihm die Hauptübel der Welt stammen, die Besitzgier, die Täuschung, der
Hader. Es handelt sich um das von Sol geschürte Verlangen
herrschen zu müssen.
Beschleunigt durch Ambrosius folgten dem erpressten
Nicäa-dogma riesige Flächenbrände unter Christen.
Hinter jedem Wort, das Ambrosius
nach seinem Tauftag sprach standen die römischen Legionen.
Mindestens ein Drittel aller Leute, seines
Zeitalters, die bestrebt waren Christi Grundsätzen zu folgen, galten
entsprechend Ambrosius Kriterien seit dem achtundzwanzigsten Februartag des
berüchtigten Jahres als Staats- und Kirchenfeinde. Sie standen
sozusagen nackt im kalten Regen.
Seiner Weisungen wegen versanken die
Kulturen im Sumpf! Das Staatsgesetz vom 28. Februar 380 sollte der
Orthodoxie zum glorreichen Sieg verhelfen und die antike Kultur ersticken. Weil
das denn auch in diesen Zusammenhängen geschah und weil viele Finger auf
Ambrosius als den Schuldigen weisen, haben katholische Historiker die tatsächliche
Schuld am Zusammenbruch der damaligen Welt in die Schuhe der soeben
betrachteten drei absolut unbeteiligten Kaisern geschoben. Dieses Verbrechen
der Vertuschung zählt zu den schlimmsten von allen.
Koste was es wolle, mit
„Cunctos populos“ wurde die nicänisch orientierte katholische Reichskirche zur
„allein-seligmachenden“ erklärt.
Millionen Andersgläubige
wurden Sklaven der Ideen des Ambrosius.
Er lehrte basislos und
rüde: der nicänische Glaube Konstantins, sei von Petrus nach Rom gebracht
worden.
Dafür allerdings gibt es
nicht den geringsten Beleg.
Eine Versöhnung von urchristlichem Denken,
Tun und ambrosianischem Handeln ist nicht möglich. Christen hören auf Christen
zu sein, wenn sie zu Ambrosius halten.
Dr. Carranza las und überflog die Zeilen
abermals. Dieses Basiswissen muss Allgemeingut werden. Er wusste in der Tat um
die Gleichgültigkeit nahezu aller Leute die sich für Christen hielten. Selbst
der Mehrheit aller Geistlichen war recht egal was sie lehrten und glaubten oder
zu glauben vorgaben. Ihnen wurde ewige Seligkeit zugesprochen wenn sie
Konstantins Ideen und Gebote befolgten, zumal ihnen das ein einigermaßen
bequemes Leben bot.
Die Menschen sollen aber lernen souverän
zu denken. Licht und Wahrheit müssen sie sammeln, nachdem sie wohl geführt
erkannten, dass es ein anderes Lebenselexier nicht gibt. Suchet so werdet ihr
finden.
Statt solche Ratschläge zu erteilen,
schickte sie ihre Kirche ins Grau ihrer teilweise törichten Annahmen, die sie
als absolute Wahrheit verbreiteten.
Er nagte an alten Brotkrusten um die
Tafelrunde zu vermeiden. Hernando teilte dem Mayor domo mit, Bruder Jóse sei
unpässlich, wie sie es zuvor abgesprochen hatten.
Ihn drängte die innere Stimme, sich zu
beeilen. Seine Mittagsruhe währte ebenfalls nur einige Minuten. Er
musste sich die für sein Vorhaben wichtigsten Quellenhinweise so gut es ging
merken.
In Summe sollte er sagen, dass Leute wie
Konstantin, Ambrosius und Athanasius von Alexandria zu den Verderbern der
ersten Reihe gehören.
Jòse Carranza raffte die Papiere
zusammen und versuchte unerkannt in die Backstube zu gelangen.
Hernando befand sich nicht mehr auf seinem
Platz.
Nur Alexander sah ihn, der Schnüffler, wie
er ihn, flüchtig.
Das Feuerloch des großen Ofens stand
gerade offen und er nutzte die Gunst des Augenblickes.
Tief durchatmen und nun gelassenen
Schrittes zurückkehren.
Die mehlbestaubten Gesellen hatten
natürlich gesehen, was er tat.
Als Dr. Carranza den Blick noch einmal
zurück wandte, sah er wehmütig die auffallend schwarze Asche seiner kostbaren
Blätter die sich auf der roten Glut krümmten.
Gegen vier Uhr Nachmittag nahm er,
wie ihm geheißen wurde, seinen Platz im Beichtstuhl der nahen Kapelle ein.
Er gehorchte, obwohl er wichtigeres als das tun wollte, denn es hämmerten
weiterhin zahlreiche Namen in seinem Hirn und es beschäftigte ihn die
Frage, warum so wenige das Geflecht von Lüge und Anmaßung durchschauten.
Kaum hatte er auf seinem Stuhl Platz
genommen sagten nacheinander zwei unschuldige Mädchen ihren einstudierten Text
auf.
Dann kam eine große Gestalt.
Gleichgültig zunächst hörte Dr. Carranza
die Stimme einer verschleierten, sicherlich noch jungen Frau. Das nahm er durch
das doppelte Gitterfenster wahr, ebenso den Geruch von Jasmin.
Die Dame sprach sehr leise und irgendwie
betörend. Mit dem Jasminduft schwebte etwas, das in seiner Situation
innerer Anspannung, noch betörender wirkte.
"Bruder Jóse, ich bin auch nur ein
Mensch. Vor einem Monat habt ihr mir vergeben, habt mir die Absolution gewährt,
obwohl ich auf Vergeltung gegen meinen Mann nachsann. Nur weil ich
bekannte, das sei vielleicht eine Sünde und nachdem ich versprach mich nach
Kräften zu bessern, spracht ihr mich frei. Nun frage ich euch. Habt ihr Recht
getan? Ihr erteiltet meinen Ehemann ebenfalls die Vergebung, nachdem er
vor euch, als einem Diener Gottes bekannte, dass er mich betrügt. Euch
genügte, dass er bekannte und zugab, das sei eine Sünde, und er werde sich bessern.
Habt ihr nicht herausgehört, dass es nur leere Worte waren?“
Jóse beugte sich vor.
Hatte er das getan?
Es stach ihn.
Was hatte er da wieder in seiner
Halbbenommenheit angerichtet?
Irgendwie redete er sich vor seinem
Gewissens heraus: das sei die Macht der Gewohnheit.
Sie indessen sprach weiter während er sich
noch harsch kritisierte. Mit der Sage von der Macht der Gewohnheit redeten sich
vor allem die Schwerenöter frei. Immer, immer bei allen dasselbe. Sogar ihm
unterlief ein Fauxpas.
Fraglos, er war ebenfalls nur ein
Alltagsmensch, ein Ordenspriester mit eigener Familie!
„Ich will mich rächen!“, sagte die Dame
mit klarem, wenn auch leisem Ton. Das ließ ihn ernsthaft aufhorchen.
Hinter diesen Worten stand eine starke
Persönlichkeit.
Sie legte eine Atempause ein.
Er spürte es erneut. Ihr Geist und ein
ihrerseits noch nicht ausgesprochener Wunsch berührten ihn. Die momentane
Stimmung erinnerte ihn daran, wie er einmal beim bloßen Beobachten eines
tanzenden Frauen-Paares innerlich mit den Rhythmen des Flamencos schwang,
begierig mehr zu sehen und zu empfinden.
Es war reine Lust die ihn befiel, die ihn
allerdings dem Anschein nach auch befallen sollte.
Wäre er nicht davon gegangen, wer weiß,
wohin ihn die Leidenschaft getrieben hätte, denn deren Macht wollte ihn
in jenem Augenblick unterwerfen.
Nur mit Mühe konnte er sich damals
abwenden. Immerhin, sagte Dr. Carranza sich, sich selbst beruhigend: ich ging
davon, als es mir zu bunt wurde.
Da erschien vor diesem Hintergrund meine
Geliebte, meine Ehefrau vor Gott. Es geschah weil ich ihr Bild vor mir zu sehen
wünschte! Ich wollte, dass sie mir zuschaute und an meiner Seite blieb. Ihr
verdanke ich, dass ich Herr meines Selbst blieb.
Das war keine Selbstverständlichkeit!
„Pater, habt ihr nicht bemerkt, dass mein
Ehemann vor euch sonst noch nie zuvor erschienen war? Ich habe ihn geschickt,
damit ihr wisst wer er ist und erkennt, wovon ich hier vor ihnen rede und reden
muss."
Jóse kam aus seiner Gedankenwelt hoch.
Es traf ihn nun etwas sehr Angenehmes.
„An seine sonore Stimme werden sie sich
erinnern, an sein Hüsteln.“
Nein, wie sollte er sich an einen Mann
erinnern, der mit vielen Mehreres gemeinsam hatte.
Sie schwieg eine Weile:
"Ich bekenne, dass ich sie liebe, Dr.
Jóse Carranza!"
Ihr Atem wehte durch das Gitterwerk.
Stille breitete sich aus.
Nach eine Weile flüsterte sie: "dafür
bedarf es keiner Vergebung. Es ist keine Sünde, einen Menschen wie sie zu
lieben. Es ist auch keine Sünde das zu bekennen.“
Jóse erfuhr damit nichts Einmaliges und
doch war es, in dieser Form und Wucht, neu. Erst zwei oder dreimal zuvor, in
den fünfzehn Jahren seines Lebens als Ordenspriester war ihm Ähnliches
widerfahren.
Indirekte und direkte Angebote.
Er hatte sich allerdings nicht, wie gerade
eben, dermaßen stark beeindrucken lassen.
Sie indessen fuhr seelenruhig fort:
„Allerdings wenn mein Mann weiter sündigen darf, darf ich es auch, ein wenig,
sehr, sehr wenig, um meine innere Ruhe wieder zu gewinnen. Nur eine einzige
Umarmung, ein kleiner liebevoller Trost.
Ich bin gänzlich aus dem Gleichgewicht
geraten… das kann man verstehen nicht wahr? …“
Jóse gefiel es.
Es schmeichelte ihm.
Diese Tatsache konnte er nicht leugnen. Er
ärgerte sich allerdings weil er glasklar wusste, dass er mit diesem seinem
Gefallen seine guten Vorsätze, auf die er stolz war, zum Wanken brachte.
Es lief deutlich auf Ehebruch zu.
Jetzt galt es Nein zu sagen.
Aber er schwieg.
Sie widerholte sich: „Meine Wahl fiel auf
sie, den reinen Mann.“ Das klang so, als hätte sie gefragt: nimmst du mich an?
Die Beichtende hielt inne und er wurde
gewahr, dass sein Puls ein wenig stärker pochte.
Ob er wollte oder nicht.
Ruhe bewahren, Jóse.
Sein Blut rauschte.
„Bitte, verweigern sie mir nicht ihr Herz.
Ich habe alles bedacht. Ihr Bischof wird sie am Sonnabend den neunzehnten
September nach Sollana zum Wohnsitz der de-Brega-Familie senden, um eine
gewisse Spendensumme meines Hauses entgegen zu nehmen, - die wir auch erst dann
zur Verfügung haben - die nur ihnen persönlich ausgehändigt werden darf.
Ihr Bischof selbst hat freie Verwendung für das Geschenk. Das hat ihm
mein Ehemann so bereits gesagt.
Auf meinen Rat hin.
Das sollten sie wissen, Pater! Das
verschafft mir, wie ich hoffe, Handlungsfreiraum.
Mich werden sie erkennen an der Blume
einer Pfauenfeder. Vergessen sie meinen Namen nicht: Ana Maria de Brega."
Sie erhob sich ohne seine Reaktion oder
Absolution abzuwarten, ohne den Schleier zu heben.
Sie ging davon.
Sie schritt.
Ihm schien, sie sei eine Mauriskin, eine noble, von
ihrer Sprache und Ausdrucksweise her.
Jóse konnte sich kaum rühren. Er starrte
auf ihre ihm angenehme Gestalt die nun die Kapelle verließ.
Sie schien zu schweben.
Und er gab sich selbst straffe Befehle:
Ich werde nicht nach Sollana gehen, sondern nach Alboraya und zwar für immer. Tut mir leid, Doña Ana Maria de Brega! In höchstem Tempo werde ich die Texte für
Doña Cazalla erstellen und an nichts anderes denken. Komme was da wolle.
Ich werde es in fünf Tagen zustande bringen und mich nicht ablenken lassen.
Jòse wiederholte sich:
Ich werde nicht nach Sollana gehen,
sondern nach Alboraya und zwar für immer.
Sofort nachdem ich Doña Cazalla besuchte und die
Texte übergab werde ich mich auf den Weg machen.
Frankreich erwartet uns!
Damit entfällt vor allem die erneute
Begegnung mit dem ihm zunehmend bedrohlich erscheinenden Familiari, diesen
Dickwanst der gegen die Hugenotten hetzte.
Diesen Entschluss bekräftigte Dr. Jóse mit
einem tiefen Atemzug, obwohl ihm das Christuswort in den Sinn kam: der Geist
ist willig, das Fleisch aber schwach.
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