Freitag, 8. März 2013

(2) Free agency or nothing


Ich wiederhole und verneine entschieden was Axel schrieb:

Zwar haben beide Seiten riesige Mitschuld am kalten Krieg, doch die Hauptschuld liegt bei den USA. Dies ist nicht nur meine Wertung (vergesse bitte nicht, dass der “Cold War” zu meinem Lehr-und Forschungsprofil gehoert), sondern auch die Position vieler anderer amerikanischer Wissenschaftler (Peter Kuznick, Howard Zinn, Noam Chomsky, Sidney Lens, etc. etc.).”


An dieser Stelle erhob sich meine Frage: “Wisst Ihr wovon Ihr redet?”

Anonym” konterte am 6. März 2013



Lieber Gerd, ich muss hier nun allerdings fragen, ob DU weisst, wovon Du redest?" Was sind Deine diesbezueglichen Qualifikationen? Welche diesbezuegliche akademischen Grade hast Du, welche diesbezueglichen Publikationen sind (peer-reviewed, nicht im Eigenverlag) von Dir veroeffentlicht? Da Du mir diese einigermassen unhoefliche Frage stellst, musst Du diese Dir nun auch gefallen lassen. Es ist augenscheinlich, d. Du mit der Fachliteratur nicht vertraut bist.

Nein, das was Dir, lieber Axel, so wichtig ist, kann ich nicht vorweisen. Dafür verfüge ich über etwas das viele Wissenschaftsköpfe, die sich mit den Fragen der Geschichte des Kommunismus befassen, nicht vorweisen können, meine Innenansicht des “real existierenden Sozialismus” die mir lebenslänglich “vergönnt” war. Sie legimiert mich meinen klaren politischen Verstand dort anzusetzen wo es die Wahrhaftigkeit und die Logik verlangt.

Nicht nur nach meinem Rechtsempfinden, sondern gemäß meiner Kenntnis kann ich die These:

... beide Seiten tragen riesige Mitschuld am kalten Krieg, doch die Hauptschuld liegt bei den USA....

allenfalls als Arbeitsthese gelten lassen, nicht aber als Urteil, denn hier geht es um das Warum des “Kalten Krieges”.

Ich erkannte, dass es damals, (ähnlich wie diesmal contra Radikalislam,) um Sein oder Nichtssein des Individualrechtes ging und geht.
Es galt und gilt, das Menschenrecht auf persönliche Entscheidungsfreiheit zu behaupten oder aufs Spiel zu setzen – und zwar trachtete die Sowjetregierung bis zum Amtsantritt Michail Gorbatschows, nach der Erringung der Übermacht auf dem Erdball.

Die Kremlherren zettelten überall, in Südamerika, Angola, Äthiopien, Afganistan. Sie zerschmetterten die Freiheitsbestrebungen der Polen schon 1939, dann wieder 1945, sie schossen nieder wer und was sich ihren Zielen zu widersetzen wagte, 1953 DDR, 1956 Ungarn, 1968 Tschechoslowakai.
Ich weise weit ab, zu sagen oder gelten zu lassen, die USA täten dasselbe.

Wer das sagt, weiß nicht wovon er redet, selbst wenn sein Haupt mit höchsten Titeln gekrönt wurde. Da sind nicht nur graduelle, sondern grundsätzliche Unterschiede.

Um 1965 zeichnete der in der DDR hoch angesehene Prof. Alfred Baier-Red eine Karikatur die den Globus zeigte. Nahe dem Nordpol sitzt eine Sowjetsoldat mit seiner Budjonnymütze, keck schmunzelnd, eine rote Fahne in der Hand, deren Schaft im Bauch Nordamerikas steckte. Er versetzt einem US Banker einen Fußtritt: da ist nicht Platz für uns beide.
Mit solcher Skizze charakterisierte er den Kern eines scheußlichen Anliegens, das man gewiss nicht einer partiell verfehlten US amerikanischen Aussenpolitik zur Last legen kann. Um jeden Preis expandieren zu wollen und zu müssen um zu dominieren war kommunistischerseits systemimmanent.

Was in den heißen Phasen des Kalten Krieges geschah, dass unschuldiges Blut durch die Einen wie die Anderen, oft in brutalster Art und Weise, auch von Sadisten auf beiden Seiten gleichermaßen vergossen wurde, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keine Reinwaschung.

Hier geht es um die grundsätzliche Betrachtung, und um die Ursachen.
Wo immer der Militärstiefel der Roten hintrat, da hörte der freie Wille jedermanns auf. Der einfache Sowjetsoldat, oft genug missbraucht und desinformiert, vor den Karren brutaler Zielsetzungen einer gemeinen Clique gespannt, hatte keine Wahl, er war beides wider Willen, Opfer und Täter zur gleichen Zeit.

Ungewollt und erzwungenermaßen schufen die Sowjetsoldaten die Voraussetzungen für den jeweiligen “Erfolg” der geplanten Raubzüge. Es folgten “Maßnahmen” um schließlich jene unhaltbaren Zustände zu schaffen, die seitens der betroffenen Bürger als Freiheitsberaubung empfunden und wahrgenommen wurden.
Denn es gab nach den jeweiligen Einmärschen der Sowjets keine Verpflichtung der nun anders installierten “Justiz” das Prinzip der Unschuldvermutung zu repektieren:

Dass die Sowjetunion, im September 1939, Ostpolen lediglich vorbeugend angriff und so den militanten Faschismus attackierte, ist unglaubwürdig.

Am Rande gesagt, empfehle ich den Bericht der Margarete Buber-Neumann “Als Gefangene bei Stalin und Hitler” in Betracht zu ziehen. Immerhin war ihr von den Kommunisten Moskaus nach Russland gelockte Ehemann Neumann der Redenschreiber Ernst Thälmanns. Sie zeigt wie  hinterhältig er in die Falle gelockt und dann ermordet wurde. Warum sie verhaftet und gegen Ende des “glorreichen” Polenfeldzuges von der GPU in die Hände der nun für eine Weile gemeinsam handelnden deutschen Geheimpolizei übergeben wurde...

Auch der Sowjetisch-Finnländische Krieg vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 ergab sich aus nicht zu rechtfertigenden Gebietsforderungen, diesmal handelte es sich um die Karelische Landenge. Die finnische Regierung musste parieren, weil sie unterlegen war und es angeblich um Sicherheitsinteressen für Leningrad ging. 70 000 finnische Opfer klagen an und nicht nur sie sondern auch die doppelte Anzahl auf sowjetischer Seite.
Am 15. Juni 1940 rückte die Rote Armee in Litauen ein, zwei Tage später erlebten die Bürger Lettlands und Estland dasselbe.
Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Armee das Territorium Bessarabiens.
Was das für die einfachen Menschen bedeutete wurde in nicht wenigen Biographien beschrieben. Diese Werke sind ein einziger Schrei nach Gerechtigkeit.

Bedauerlichste Fakten werden mit der These von der größeren Schuld der USA konterkariert.

Die erwähnten immensen militärischen Verbrechen wurden erst möglich nachdem Stalin mit Hitler einen Nichtsangriffspakt geschlossen hatte. Es war ein Vertrag dem die Sowjetführung allerdings unbedingt vertraute, wie die Szenen schildern als Nazideutschland, am 21 Juni 1941 räuberisch und wortbrüchig seinen Ostfeldzug startete.
Stalin war sprechunfähig als das für ihn Unvorstellbare geschah, indem ihm sein Gesinnungsgenosse in den Rücken fiel.


Hier setzt die Moroni-doktrin an, hinter die ich mich seit je gestellt habe. In seinem Brief an Zerahemnach der zuvor ganz so gehandelt hatte wie später viele andere, wie vor allem wie die Faschisten und die Kommunisten, heisst es:

Zerahemnach, wir haben nicht den Wunsch, Männer des Blutvergießens zu sein. Ihr wisst, dass ihr in unserer Hand seid, doch wir haben nicht den Wunsch euch zu töten, Wir sind nicht hergekommen, um gegen euch zu kämpfen, dass wir um der Macht willen euer Blut vergießen, wir haben nicht den Wunsch, irgend jemand unter das Joch der Herrschaft zu bringen. Aber eben das ist der Grund, warum ihr gegen uns gezogen seid. Ja ihr seid zornig auf uns wegen unserer Religion...” (1)
Wenig später beschwor derselbe Mormoni gegenüber einem neuen Machtidioten namens Amalikkjah sein

Recht auf Freiheit”

Michail Gorbatschow legte im Juni 1988 als Generalsekretär der KPdSU den Finger exakt auf diesen wunden Punkt der gesamten Geschichte seiner Partei, indem erklärte:

Eine Schlüsselposition innerhalb des neuen Denkens nimmt die Konzeption der Entscheidungsfreiheit ein. Wir sind überzeugt von der Universalität dieses Prinzips (auch) für die internationalen Beziehungen, wo das Überleben der Zivilisation selbst zum hauptsächlichen, weltumspannenden Problem geworden ist!” (2)

Das hätte er niemals sagen dürfen, wenn er nicht seine eigene Position in Gefahr bringen wollte. Diese beiden Sätze ließen das Riesenreich erbeben. Es brach sofort in sich zusammen.
Die Nichtgewähr des Individualrechtes war der Herzblattbolzen der die Federn des Systems zusammengehalten hatte.
Sofort, als das Zwangskorsett abgelegt wurde, platzte das Ungeheuer.

Es geschah weil Gorbatschow wie das berühmte Kind, im “Märchen vom Kaiser und seine Kleider” laut gesagt hatte: “Aber der Kaiser ist ja nackt!”

Lieber Axel, es reicht nicht aus, nur zu bekennen, der Sowjetstaat sei eine unliebenswürdige Diktatur gewesen, solange nicht bekennend hinzugefügt wird: die SU hatte danach getrachtet das Individualrecht vom Erdball zu verdrängen und eben dagegen richtete sich federführend die leider oft genug nicht perfekt handelnden USA, deshalb wurde der kalte Krieg geführt.

Hand in Hand gingen sie beide, die schäbige Hasserin des Individualrechtes und ihre Vollstreckerin der Ungerechtigkeit, die gemeine Verleumderin des Grundsatzes von der Unschuldsvermutung der mehr als eine Milliarde Menschen zum Opfer fallen sollten (China, Kambodscha u.a. einbezogen), bis der etwas älteren Dame die Puste ausging.

Das kremlorientierte System krankte seit je, seit der Machtergreifung durch die Bolschewiki, am Mangel an wirklichem Staatsbewusstsein seiner Bürger, also musste da nachgeholfen werden. Das wurde insbesondere nach Stalins Ableben deutlich, als Chrustschow für eine Weile zuließ, dass die Menschen seines Imperiums sich gegen Stalins Repressalien ausprechen durften. (Anti-Gulak-Literartur)

Jeder Bürger des Landes fürchtete sich herzbebend, lange achtzig Jahre, vor der Willkür der sogenannten Rechtsprechung.
Michael Gorbatschow durfte es wagen, auch das laut zu sagen:

Große Bedeutung hat die Tätigkeit der Gerichtsorgane. Davon wie genau die Waage der Rechtsprechung ist, hängen die Schicksale vieler Menschen ab... Die Öffentlichkeit fordert, dass stärker zur Verantwortung gezogen wird, wer das Gericht missachtet... sie fordert, die Gleichheit der Seiten... sowie die strikte Durchsetzung des Prinzips der Unschuldsvermutung”
(3)

Hier könnte ich eine Liste der Autoren aufmachen die mehrere tausend Namen umfasst, die nicht theoretisierend schreiben, sondern sagen wie es wirklich war:
obenan

- Michail Gorbatschow : Ausgewählte Reden und Schriften. Dietz-Verlag, Berlin 1986, “Alles zu seiner Zeit: Mein Leben”
- Aleksandr Isayevich Solzhenitsyn … u.a. “Krebsstation”, “Archipel Gulak”
- Margarete Buber-Neumann “Als Gefangene bei Stalin und Hitler”
  • Georg Hildebrandt “Warum lebst du noch?” siehe auch meinen blogspot - “Der Traum eines Mennoniten”
  • Wolfgang LeonhardDie Revolution entläßt ihre Kinder, Köln/Berlin 1955

Ihre Berichte belegen, dass der nach dem Maoreich zweitgrößte aller jemals existierenden Sklavenhalterstaaten die ganze Menschheit in seinen Bann schlagen wollte. Diesem Treiben musste glaubwürdiger, wirkungsvoller Widerstand entgegen gesetzt werden.


Quellen:

  1. Buch Mormon Alma 44: 1-2
  2. Neues Deutschland” 29. Juni 1988 S.5
  3. ebenda S.7

3 Kommentare:

  1. Lieber Gerd

    auch ich habe 19 Jahre im sogenannten "realexisitierenden Sozialismus" gelebt -- und im Gegensatz zu Dir auch in den USA. Mein Grossvater muetterlicherseits wurde sowohl von den Nazis wie auch von Stalinisten spaeter eingesperrt. Ich selbst bekam 1985 einen Verweis von meiner POS -- aus politischen Gruenden. Deine Position bezueglich des kalten Krieges fusst fasst ausschliesslich auf ideologischen Postulaten und eben nicht auf historischer Analyse. Auch sehe ich, wie Du noch viel zu sehr in den ideologischen Grabenkaempfen des Kalten Krieges gefangen bist und daher wenig kritischen Abstand auch zur anderen Seite entwickeln konntest. Hinzu kommt, d. Deine politische Interpretation mit den Dogmen Deiner Kirche (oder deren Inkarnation im 20. Jahrhundert via Benson, Skoussen und anderer Kalte Krieger) verwachsen und damit rationalen Argumenten nur bedingt zugaenglich ist. So glaubst Du als Mormone, d. die USA eine historische Mission zu erfuellen haben. Die USA sind fuer Dich eben ein auserwaehltes Land -- was wiederum in den Dogmen und der Folklore Deiner Kirche verankert ist -- siehe White Horse Prophecy etc. Der mormonische Versuch, die juedisch-christlich-islamische Heilsgeschichte von Eurasien nin die USA zu verschieben spielt dabei auch eine Rolle.

    Hier kurz einige Punkte, die Du voellig ignorierst:

    1) Die stalinistische Konterrevolution zerstoerte die internationalistische Orientierung der "kommunistischen" Bewegung. Stalin selbst, obgleich gebuertiger Georgier, verstand sich als Teil der grossrussisch-imperialen Tradition. Selbst die Komintern wurde vom urspruenglichen Ziel der Weltrevolution umorientiert auf das Ausfuehren der Prioriaeten sowjetiwscher Aussenpolitik. Stalin sah sich -- trotz aller Lippenbekenntnisse -- nicht wirklich in der Tradition von Marx, Engels und Lenin, sondern in der von Iwan dem Schrecklichen und Peter dem Grossen. Damit verbunden verlangte Stalin seit dem Ende der sogenannten 3. Periode, d. sich kommunistische Parteien wie in Griechenland und der Turkei der in Jalta und Potsdam von allen drei Seiten ausgehandelten Aufteilung der Welt in Einflussspheren halten. Stalin wollte amerikanische Wirtschaftshilfe, um die Kriegsfolgen schneller ueberwinden zu koennen. Selbst die DDR war ein nur sehr ungeliebtes Kind -- Stalin hielt bis zuletzt die deutsche Frage offen und war an einer oesterreichischen Loesung interessiert. Dies alles ist gut dokumentiert und auch allgemein bekannt.

    AntwortenLöschen
  2. 2) Zuseztlich zu Deiner Gleichsetzung von sowjetischer Propaganda und Saebelrasseln mit den um ein vieles moderateren tatsaechlichen Intentionen der sowjetischen Aussenpolitik gehst Du ueberhaupt nicht auf die Grenzen sowjetischer Moeglichkeiten ein. Die Sowjetunion war gerade nach dem Krieg wirtschaftlich und militaerisch viel schwaecher als die USA, die damals auf dem Hoehepunkt ihrer Macht stand. 50% der Weltwirtschaftsleistung kam zu diesem Zeitpunkt aus den USA.

    3) Du erwaehnst mit keiner Silbe die Sichtweise der Machthaber in Washington zu diesem Zeitpunkt. Das ist umso erstaunlicher, wie mein Hauptargument sich eben damit befasst, wie Washington mit der SU umgegangen ist. Was weisst Du von den damaligen internen Diskussionen in Washington? Bist Du mit den riesigen Unterschieden zwischen zwischen der Sichtweise(n) von FDR, Truman und Henry Wallace beispielsweise vertraut? Hast Du Dich je gefragt, warum George F. Kennan (dem man als "Vater" der Containment Doctrine ganz gewiss nicht als Weichei bezeichnen kann) in den spaeten 40er Jahren immer kritischer gegenueber Truman und dessen verspielten Moeglichkeiten wurde?

    4) Ich sehe bei Dir die Gefahr, d. Du einige grundsaetzliche Fragen zu sehr auf Sonntagsschulniveau behandelst. Behauptungen und Postulate sind keine Argumente und schon gar nicht eine Analyse komplexer Zusammenhaenge.

    5) Uebrigens habe ich die These, d. die USA die Hauptschuld fuer die Eskalation des kalten Krieges tragen, zuerst an der BYU gehoert. Ich habe mich in den letzen 2 Jahrzehnten sehr detailiert damit befasst und stimme ihr nach langen Ueberlegungen und Recherchen zu.


    Dein alter -- und kritischer, aber nicht feindlicher Freund Axel

    P.S. Ich muss leider sagen, d. ich Deine Islam-These fuer gefaherlichen Unsinn halte. Es kommt darauf an, Bruecken zu bauen und nicht ideologisch zu eskalieren...

    AntwortenLöschen
  3. PSS.: ich kenne natuerlich die von Dir angefuehrte Literatur sehr gut. Allerdings besagt sie nichts Nennenswertes ueber die Perspektive(n) Washingtons zu diesem Zeitpunkt.

    AntwortenLöschen