Und wie mich sein Gesicht bis heute
beeindruckt
Er war
schmal, fünfzig, mittelgroß und sehr zäh. Er wirkte nicht nur energisch, er war
es. Er schritt immer federnd mit langen ruhigen Schritten die weiten Wege durch
seine Felder, stolz auf das was er besaß und geschaffen hatte. Wahrscheinlich
ahnte er schon, dass die Kommunisten ihn enteignen werden, weil sein
Unternehmen zu groß geworden war.
Ein Mann
mit starkem Willen, der schon kurz vor Kriegsausbruch, sozusagen aus dem
Nichts seinen Kartoffelzuchtbetrieb, samt den Lagerhallen aufgebaut hatte. Die
klugen Augen schauten immer weit. Sein einziger Sohn beging 1945 den winzigen
Fehler eine verrostete Pistole just in dem Augenblick aufzuheben als ein
betrunkener Offizier der Roten Armee, wahrscheinlich aus der Scheune von einem
Abenteuer kommend, auf der anderen Seite vorbeiging. Das gefährliche Ding hatte
unter der Lebensbaumhecke gelegen, weggeworfen von irgendjemand der kein Soldat
mehr sein wollte.
Als ich
den Besitzer kennenlernte befand sich sein unselig unschuldiger Sohn Heinrich
schon seit vier Jahren in sibirischer Gefangenschaft in der Kolyma, wo Gold
gefördert wurde – ein Ort von dem, damals, kaum jemand lebend heimkehrte.
An dem
Tag, an den ich wieder und wieder zurückdenken muss, fegte ein Gewittersturm
durch die Kronen der Kastanienbäume die vor seinem weißen Gehöft breit
ausladend dastanden.
Die drei
Mädchen die er als Lehrlinge beschäftigte, waren in den Pferdestall geflüchtet.
Zehn Minuten oder etwas später kam ich unversehens dazu, weil man nicht unter
Bäumen stehen soll wenn es gewittert.
Die kleinen Weiblein bemerkten mich nicht, weil der Regen
und die Blätter der Bäume heftig rauschten und die Donner ihre Aufmerksamkeit
gefangen hielten.
Plötzlich wurde es stiller. Ich konnte nicht überhören was
sie teils lachend, teils flüsternd einander mitteilten; "Hast du das gehört.
Die Chefin" - die Chefin war knapp vierzig ein wenig rund und klein - sie
kicherten.
Ich wollte es hören und hörte: "der Pferdeknecht, dieser Josef
… und wie er sie genommen hat..."
"Und
sie, sie..."
Sie
murmelten etwas.
Mir stand eine Sekunde lang, wie mir schien, das Herz still,
weil ich ihn sah, den Ehemann, wie er mir, tags zuvor, ein Stück Brot
gab, weil er sah, dass ich hungrig war.
Unweigerlich
kam das Bild zu mir. Ich wollte es nicht sehen, konnte es nicht verdrängen. Ihn
stellte ich mir vor, meinen Meister, den Mann mit dem ledernen, bartlosen
Gesicht.
Was ist
das alles noch wert, für ihn?
Ich tröstete mich, aber er weiß es doch nicht.
Der Josef
der die schweren Ackergäule betreute und mit denen er die Reihen der gerade
aufschießenden Kartoffelstauden hätte anhäufeln sollen hat sie genommen und sie
ließ es zu
Ich stellte mir vor, mein Meister hätte die beiden in ihrem
Strohnest ertappt.
Vor den jungen
Damen ging ich aus dem Raum und schwor mir bitter: die Lust wird dich nicht
hinreißen.
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