1936, oder 37 - ich war damals sieben - wohnten wir in Wolgast, Norddeutschland, zur Miete bei dem Gemischtwarenhändler Eckdisch, Wilhelmstraße 53. In den Gassen schnappte ich den Begriff "Judensau" auf. Die Ladentür des Kaufmannes aufstoßend schrie ich es zweimal, soweit ich mich erinnern kann.
Der kleine
joviale Mann, Vater zweier erwachsenen Kinder wusste, dass mein Vater kein
Nazifreund war: "Herr Skibbe, ihr Sohn hat mich beschimpft!"
Vater Wilhelm
der sich fünf Jahre zuvor, nach gründlicher Überlegung den Mormonen
angeschlossen hatte, warnte den Hausbesitzer auch bei dieser Gelegenheit. Er habe mit ihm schon wiederholt darüber geredet, die
Juden sollten wieder zurückkehren in das Land ihrer Väter. Herr Eckdisch wäre
gut beraten seine drei Häuser, die ihm in Wolgast gehörten zu verkaufen und das
Geld nehmen um sich dann in Palästina niederzulassen. Er sehe zunehmend Gefahr
für alle Juden Deutschlands. Sein etwa fünfundvierzigjähriger Gegenüber lachte:
"Wissen sie, wir sind ja keine deutschen, sondern polnische Juden. Denen
darf keiner etwas antun. Wir stehen auch unter Londoner Schutz“
So die
Überlieferung meiner Mutter.
Dann winkte
Vater, - ein Holzpantoffelmacher in seinen besten Jahren, - mich zu sich. Nach
kurzem Hinweis legte er mich über die Knie, nahm einen Pantoffel. Es klatschte
heftig, war aber kaum schmerzhaft: "Denke daran: alle Menschen sind Kinder
Gottes!" Dreimal fragte er nach: "Hast du das verstanden?" Muss
ja wohl, denn wenn ich das weiter erzählt hätte wäre das nicht ohne Folgen
geblieben.
1938 oder 39
kam ein LKW der schwarzen SS und stoppte vor unserem Haus. Ich lief nach oben
und sah dann den Mann mit der Mütze, der hinter mir her lief, und
erinnere mich gut an das Totenkopfsymbol, auch ein wenig an das Gesicht, als er
die uns gegenüberliegende Tür aufriss und der in ihrer Küche stehenden Frau des
Händlers, sagte: „Kommen sie mit!“.
1944 im
Oktober erhielten wir eine Postkarte aus dem „Generalgouvernement“, abgestempelt
in Warschau: „Vater tot, Mutter tot, Lotte tot. Jakob.“
Das hat sogar
mich erschüttert. Als polnische Juden waren sie während des Aufstandes im Getto
umgekommen.
Ich liebe die toleranten Araber und schrieb einen Geschichtsbericht. Im Internet nachzulesen
http://gerd-skibbe.blogspot.com.au/2015/08/die-vergessenen-sohne-ismaels-by-gerd.html
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