Mittwoch, 6. Dezember 2017

Sei souverän!

Ein Artikel von NPR, den ich in "LDS Today" fand, zeigt, dass es in Russland Proteste einiger Jugendlicher gab, die Pro-Putin orientiert sind und im "Mormonentum" eine ihrem Land schädliche Kraft sehen.
Hinter dem leisesten Verdacht auf einen Schatten, sehen sie sogleich ein Gespenst.
Spionage, Unterwanderung.... und auf der Spitze: "Mormonismus sei ein Kult".
Dieser Slogan stammt aus den USA.
Er stammt aus Kirchenkreisen.
Dreimal besuchte ich Russland, nie habe ich soviel Kult in Kirchen gesehen als dort in den Gotteshäusern - mir wäre im Traum nicht eingefallen, das laut zu benörgeln.
Nie fand ich sowenig Kult, wie bei den "Mormonen", obwohl ich meine Kirche auf 4 Kontinenten in mehr als 100 unterschiedlichen Gemeinden erlebte.
Leider im Gegenteil. Mir scheint, die Nüchternheit mormonischer Versammlungen sollte sprichwörtlich sein, um ein wenig mehr Enthusiasmus zu fördern, denn die Sache verdient es. 
Sonderbar, selten war ein Schlagwort weniger begründet als das vom Mormonenkult.
Ich bin seit dem Sommer 1945 dabei.
Was ich auf meinem nicht gerade kurzen Weg zu Seiten meines stets attackierten Mormonentums sah und mitbekam, war kurios. Spötter aller Intelligenzgrade logen, dass sich die Balken bogen.
"Gefährliche Sekte!"
"Das sind die mit den vielen Weibern!"
"Die tragen Geheimwäsche!"
Als ob es irgendjemands Recht wäre, etwa einer auf der Straße daher schreitenden Dame die Frage nach ihrer Unterwäsche zu stellen, solange sie nicht offensichtlich einen Sprengstoffgürtel trägt..
Immer wieder fielen und fallen Menschen, die sich Christen nennen, auf Behauptungen und Parolen herein. Seit Jahrtausenden ist das so. Wenn es irgendwo eine Gruppe gab, wie z.B. die Juden in der Diaspora, fanden sich Lümmel, - auch solche in liturgischer Gewandung - die im Klartext oder versteckt hinter Floskeln, das Anderssein der Harmlostesten als Gefahr für Leib und Seele ausgaben, nur weil Neid in Christenherzen sich Linderung verschaffen wollte.
Obwohl neue Generationen da sind, blieben die alten Vorurteile und dieselben Unverschämtheiten bestehen.
Einige schauen, wenn sie mit uns reden, freundlich und besorgt drein wie ehrenhafte Bürger, aber ihre Gedanken, die sie gelegentlich äußern,  zeigen wes Geistes Kind sie sind.
Sogar Hitlers braune und schwarze Reichsgenossen vermochten es das Gesicht des Biedermanns zu wahren.
Erst als sie von amtswegen durften, platzte es heraus : "Juda verrecke!"

Schlimmer noch ist die Tatssache, dass diese Auswüchse des Antisemitismus, im Vorfeld, von Christuspredigern, gefördert worden waren.



Christen sind es, die über Mormonen Bösartigkeiten verbreiten, Christen waren es, die angestachelt, von bedeutenden, sich fromm gebenden Meinungsbildnern den Spott gegen Juden auf die Spitze trieben: "Hep-Hep!"
"Hierosolyma est perdita!"
Jerusalem ist verloren.
Bild Wikipedia


1819 wurden, wie hier in einer Graphik von Johann Voltz  dargestellt, Juden, in Frankfurt verprügelt weil sie ihre Emanzipation betrieben. Unter dem Gröhlen des seit dem Mittelalter bekannten "Hep" Hep!" wurde ihnen nahe gelegt zwischen Flucht und Sterben zu wählen.


Antichristlich schadensfroh ging es seit je und überall in Christenländern zu, wenn Juden den Kürzeren zogen.

Gefühle des Erbarmens wurden von denen erstickt, die sich permanent auf Christi Erbarmen beriefen.
Das Gift einer intoleranten Grundhaltung, die jeden Missliebigen trifft, wurde selten oder nie bei seinem wahren Namen genannt. An den Symptomen der Lähmung des geistigen Lebens hätte jedoch jeder erkennen müssen, dass es der Geist des Antichrist, der Geist Konstantins, der Geist der Unmenschlichkeit, war, der einem ganzen Volk durch alle Zeitalter der Geschichte das Leben erschwerte und ihm sein von Gott gewährtes Existenrecht absprach.
Ähnlich fühllos und töricht urteilt jeder, der sich in bezug auf Mormonen vom Ungeist unbedachter Ablehnung anstecken ließ.
Da gab es beispielsweise ein Plakat, herausgegeben von der Jungen Union, um 1990: Das Bild zeigte ein kneipenähnliches Gebäude auf dessen Schild geschrieben stand: "Mormonenklub"
Die Überschrift der Warnung lautete: "Gefangen in Sekten"
Damals, nach sozusagen lebenslänglicher politischer Abstinenz gerade der CDU beigetreten, schämte ich mich für die Dummheit und Arroganz der künftigen Elite Deutschlands. Denn diese stand gerade im Begriff, das C, in ihrem Parteinamen, wieder mehr zur Geltung zu bringen. Schlimmer, - ich sah, dass es keinen Fortschritt gab. Es war das alte primitive, aus dem Bauch stammende Argument: "und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein."
Nein, das Christentum traditioneller Art schafft sich selbst ab, definitiv.
Panikartig werfen sie, wenn ihnen nur ein bißchen Wellengang bedrohlich erscheint, alles über Bord, was ihnen gerade in die Quere kommt, sogar bewährtes Glaubensgut. Weil da, aus diesem albernen Grund, auf ihrem Kirchenschiff kaum noch Substanz vorhanden ist, meinen die Namenschristen, das wäre z.B. bei den "Mormonen" noch viel schlimmer.
Das ist ein ungeheurer Irrtum!
Bei aller sonstigen Gescheitheit  denken viele nur von A bis B, solange es um Religion und Gewissensfreiheit geht.
Alle wissen es, auch die russischen Schreihälse: wer Mormone wird, der hört auf zu saufen, herumzuhuren, zu lügen, der hört auf ein Knecht seiner Leidenschaft zu sein.
Ist das "Kult" oder schlichter Gehorsam zum Gebot Gottes?
Nach getaner "Arbeit" zugunsten banaler Propaganda, prosten sich entschieden zu viele Stammtischgenossen zu: Nieder mit den Kulten!
Aber, wie alte japanische Weisheit warnt:
Erst nimmt der Mann einen Schluck, dann nimmt der Mann noch einen Schluck - und dann nimmt der Schluck den Mann.
Ein Mann der Gift trank ist nicht mehr Herr seiner selbst, sei es der Alkohol oder die Sexsucht.
Ich wurde schon mit sechszehn souverän, habe diesen Status, wenn auch nicht kampflos, mit Mühe einigermaßen bewahrt. Ich wünschte, dass die oft jungen Hetzer das  ebenfalls von sich behaupten dürfen, wenn sie, wie ich, nahezu neunzig sind.
Lasst uns ehrlich und gütig sein, zu uns selbst und gegenüber anderen. Das ist Souveränität!

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