Freitag, 6. September 2013

Anonymous Axel kritisierte meinen Dogmatismus

Mein Anonymous  schrieb am 4. September 2013 09:26
P.S.: Ich frage mit allem Respekt vor Deiner Lebensleistung, ob Du Dir und Deiner Sache nicht besser dientest, wenn Du weniger dogmatisch und dafuer problem-bezogener argumentieren wuerdest. Denn Du koenntest und solltest zu denen gehoeren, die sich um eine Erneuerung des Mormonismus bemuehen. Ohne diese Erneuerung wird die HLT-Kirche noch mehr Mitglieder verlieren.
Lieber  Axel,
Die Fälle die ich kenne, lassen meinerseits den Schluss zu, dass die Mehrheit derer die sich von der Kirche abwenden, frei von Verpflichtungen leben wollen. Es ist ihnen einfach zuviel Druck, der auf ihren Schultern ruht... du sollst überall in der Gemeinde mitmachen, was enorm viel Zeit verschlingen kann, du sollst Normen erfüllen, du sollst sexuell enthaltsam leben, du sollst dies und das, Zehnten zahlen, Heimlehrerbesuche machen, Missionsarbeit unterstützen usw. Tempelbesuche, Genealogie und bei alledem fröhlich bleiben.
Hinzu kommen Zweifel, wie diese: Mormonismus ist viel zu schön um in vollem Umfang wahr zu sein... es sind Utopien, Erdichtungen ...
Wenn das "Zeugnis" ok ist, erträgst du es mit Ach und Krach, wenn nicht, dann wirfst du irgendwann die Last ab und bist aller Sorgen ledig.
Manchmal werden sogar starke "Zeugnisse" erschüttert, weil da Disharmonien in der Lehre auftauchen, sogar scheinbare Unvereinbarkeiten, und wenn Fehler von Kirchenführern unübersehbar werden sowie persönlicher Ärger hinzutreten, dann passiert es.

Noch nie in meinem Leben habe ich die negativen Konsequenzen dieser Menschen kritisiert, immer nur bedauert.
Auch ich fühlte mich hier und da schon erschüttert. Das bleibt bei einer fast 70 jährigen bewussten Mitgliederschaft nicht aus.
Mindestens dreimal in meinem Leben wurde ich von kirchlichen "Vorgesetzten" massiv beschimpft, verletzt. In der ersten Wut hätte ich die Tür nehmen und sie hinter mir ins Schloss schmettern wollen. 
Hinterher sah ich ein, dass ich zur Hälfte mitschuldig war.
Ich ging nicht davon, weil die Basis meines Glücksgefühls und das Bewusstsein, dass Joseph Smith wirklich ein Werkzeug in den Händen des Allmächtigen war, nie berührt wurde.

Da ich in Bildern denke, stelle ich mir immer wieder Joseph Smith vor, und zwar jenen Augenblick, in dem er informiert wird, dass die von ihm ins Leben gerufene, von ihm vor allem verwaltete Kirtland-Sicherheits-Gesellschaft bankrott am Abgrund steht. (Was ohne sein Verschulden passierte, weil leichtfertige Männer im Apostelrang mit Prokura in Landkäufen spekuliert hatten und über nacht alles verloren.)
Oder, wie er nach vorausgehender Haft ins Liberty Gefängnis  Missouri gesteckt,  und nach Monaten der Eingekerkung in Kälte und Verzweiflung die Briefe LuB 121-123 schrieb. 
Sie sind starker, unbedingt positiver Ausdruck  eines geradezu dogmatischen Verzichts auf jedwede (ungerechte) Druckausübung durch irgendwen.
Sie sind mehr als Wort. Sie sind das große Machtverzichtsdogma! schlechthin. Ich kann nicht anders als Bewunderung für den Mann Joseph empfinden, der statt dessen Ursache gehabt hatte, "seine" Leute aufzufordern:
                     "Haut mich hier heraus. Ich habe genug gelitten!"
Genau das tut er nicht, darin Mohamed völlig entgegengesetzt.
Axel, Du weißt in etwa wovon ich rede und Du weißt, dass ich mich mit dem Islam beschäftigt, und das pro-islamische Buch "Allahs Söhne" geschrieben habe.

Es gibt keine echte Alternative zum Mormonismus.
Aber, das gebe ich zu, zu solcher Grundeinstellung  muss man erst einmal gelangen! Die kommt nicht von alleine.
Es erfordert Konzentration und den festen Willen jedes Lichtphoton festzuhalten oder aufzusaugen.
Hunderte Male in meinem jungen Leben - leider ist es jetzt selten geworden - erfuhr ich durch die Kraft des Heiligen Geistes: Ja, gehe vorwärts; Joseph ist Gottes Gesandter.
Außerdem erkannte ich sehr früh, dass es  Zeiten gibt, in denen Menschen, auch wenn sie keinen gesellschaftlichen Bindungen unterliegen, (wenn sie frei sind von jeder Art Ideologie und frei von Vorurteilen) wegen unterschiedlichster Probleme meinen, sie würden zerbrechen. (Burnout-Syndrom)
Womit ich sagen will, wenn wir doch sowieso, als Normalsterbliche Lastträger sind, warum wollen wir dann nicht das Gute auf uns nehmen?
Selbst Jesus forderte dazu auf: "Nehmt auf euch mein Joch..." doch "leicht ist meine Last."

Wenn ich rückblickend meine Erfahrungen zusammentrage, dann ergibt sich eine Gewichtsverteilung von 10 zu 90 zugunsten meiner eigenen  pro-mormonischen Lebens- und Denkweise. Deshalb schreibe ich, um andern zu helfen Brücken zu bauen.

Ich wüßte nicht wo die Kirche reformiert werden müsste.
Es gibt feste Glaubenssätze, wie die der Notwendigkeit sexueller Reinheit, die nicht umsonst schon bei den alten Ägyptern als Basis ihrer Religion betrachtet wurde.

Wen sollte ich tadeln?
Ich tadle auch keineswegs die von mir als unnatürlichen Auswüchse betrachteten Gaypraktiken oder Gayehen. Wäre ich so gepolt, würde ich wahrscheinlich meine "Rechte" einfordern.
Ob es richtig und wünschenswert für den Fortbestand einer Kultur ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Aus meinem heutigen Verständnis unterstütze ich die Haltung der Führerschaft meiner Kirche nicht nur in dieser Frage.

Ich hatte Anteil daran, dass Du Dich der HLT Kirche angeschlossen hast, aber ich sollte, entsprechend Deinem Wunsch, schon in den 90er Jahren Position in einem Streit zwischen Lehrern und dem Leitungsgremium der BYU beziehen, ... wie sollte ich das gerechterweise tun? 
Und nun erwartest Du, als jemand der in einigen wesentlichen Punkten auf Gegenkurs zu meiner Kirche ging,  von mir, dass ich weniger dogmatisch sein soll.
Das Problem besteht aus meiner Sicht darin, dass Du dogmatisch bist, wenn Du meinst, "Mormonismus" sei zwar in seinem Ansatz positiv gewesen - eine von vielen möglichen Antworten auf die Fragen und Erfordernisse des 19.Jahrhunderts - nun jedoch sei die Kirche auf dem falschen Weg, nämlich erzreaktionär zu werden, weil entschieden zu viele Mitglieder superreich wurden, die zugleich in Gesellschaft und Kirche dominierend auftreten.
Du schriebst mir wörtlich:
"Deinen Ausfuehrungen zur Transformation des Christentums von einer sozial-religoesen Protestbewegung (Ur-Christentum) in ein imperiales Herschaftsinstrument stimme ich in vielerlei Hinsicht zu. Allerdings sehe ich diese Entwicklung auch in der Mormonen-Kirche, die als sozial-religoese Protestbewegung begann und heute groesstenteils von einer plutokratischen Elite kontrolliert wird."
Darauf erwiderte ich:

Lieber Axel,

ich protestiere aus Überzeugung gegen den letzten Kritikpunkt. Deine Wortwahlen "plutokratisch" und "kontrolliert" treffen nicht den Kern, sie sind nicht präzise.
Wahr ist, dass viele Mormonen - wie nicht wenige Juden - ungemein erfolgreiche Geschäftsleute sind. Das hängt mit ihrer außerordentlichen Kreativität zusammen, die durch ihre Mitgliedschaft in eben dieser Kirche aufgerufen und gefördert wurde und wird.

Dein Anwurf: "Kontrollierende Elite" ist nun ganz daneben. Ich bin recht empfindlich, aber ich fühlte mich nie durch Gremien meiner Kirche kontrolliert, obwohl es natürlich Kontrolle gibt.
Durch die Hände jedes Mitgliedes einer Bischofschaft gehen monatlich zum Teil enorme Geldbeträge und leider gibt es auch betrügerische Leute in unseren Reihen...
Es muss Tempelempfehlungsscheine geben, da darf niemand zweifeln, weil die Verbindlichkeiten mit dem Tempelbesuch in eine neue, höhere Qualität umschlagen.

Übrigens weiß ich aus der Geschichtsforschung , dass bereits in der arianischen Urkirche "Tempelempfehlungsschreiben" die Voraussetzung für einen Tempelbesuch waren.

"Kontrolliert" wird zudem die Würdigkeit des Einzelnen der in die Verantwortung gerufen wird, durch Interviews. Das ist ein heikler aber unvermeidlicher Vorgang der viel Sensibilität verlangt, die manchmal leider nicht vorhanden ist usw. aber ich sehe sowohl den Sinn dieser Vorgänge ein, wie auch die Gefahren des Missbrauchs.
Gewisse Kontrolle ist unverzichtbar.
Das werdet Ihr noch erleben, falls Eure sozialistischen Utopien auf den Prüfstand der Lebensrealitäten gelangen sollten.

Was sich in der Theorie plausibel anhört kann in der Praxis ins Fiasko führen.
Natürlich habt ihr gelernt.

Aber das reicht nicht aus, wie Ihr sehen werdet.
Es klaffen immer Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Gerade ich kann unterscheiden.
Was die Nazis und die Kommunisten mit Hilfe ihrer Kontrollorgane gemacht haben hat eine ganz andere, eine negative  "Qualität". Da stand am Ende der entmündigte Mensch.
Ich habe das alles durchgemacht. Von 1941-45 war ich Hitlerjunge, bald danach FDJ Mitglied. Mit alledem brach ich Weihnachten 1951 endgültig, weil ich erkannte wie wir gegängelt und irregeführt wurden, vorsätzlich irregeführt... Damals war ich FDJ Sekrtär

Bei uns, in der Kirche Jesu Christi der HLT steht die Aussicht, ein erhöhter Mensch werden zu können, vorausgesetzt man verwickelt sich nicht in klar definierte Übertretungen.
Ich sage es noch einmal:
Niemand hat in dieser Kirche jemals versucht mich zu kontrollieren oder gar in Richtung "Entmündigung" zu treiben.

Zuvor schrieb ich:

Nun noch ein Wort zur Vokabel "Eigentum"
Die Sozialisten hatten schon immer eine vermurkste Beziehung zum Eigentum.
Wenn ich mir anschaue, was in allen kommunistisch-sozialistischen Ländern jahrzehntelang ablief, empört sich mein ganzes Wesen.
Bodenschätze schier ohne Ende, ein Humanvermögen ohnegleichen, eine angeblich fehlerfreie Ideologie einerseits und andererseits Massenelend Armut und Sklaverei.

Ich habe hunderte Dokumente und Biographien ehemaliger Sowjetbürger studiert, mir muss niemand erzählen was sich ereignet hat.

An den Ergebnissen gemessen kann ich nur vor allen angedachten sozialistischen Experimenten warnen, denn sobald Menschen zu tatsächlicher Macht kommen, ändert sich alles.

Dein alter Freund Gerd
Axel, Deine Reaktion lautete:
Die von Dir angesprochenen "kommunistisch-sozialistischen Laender" waren leider weder "kommunistisch" noch auch nur "sozialistisch" -- sondern Parteidiktaturen neo-feudaler Art. Wenn Du diese Laender als "real-existierenden Sozialismus" betrachtest, uebernimmst Du hier unbewusst stalinistische Propaganda. Du musst lernen, zwischen Stalinisten und Sozialisten zu unterscheiden!
Trotz aller Deformationen und Maengel haben die Laender des sowjetisch-stalinistischen Systems den Kapitalismus im Westen ein wenig zivilisiert -- denn ohne die sowjetische Konkurenz haette sich niemals ein kapitalistischer Sozialstaat entwickelt. Daher sehen wir auch die Zertruemmerung eben dieses Sozialstaates durch die kapitalistischen Eliten heute -- da die Gegenmacht SU weg ist.
Ich und tausende und abertausende Menschen haben in und mit der HLT-Kirche keine guten Erfahrungen gesammelt. Ich habe gesehen, wie die BYU-Leitung, angewiesen von der Machtriege in Salt Lake, kritischen BYU-Professoren wie David Knowlton, Cecilia Farr, Gail T. Houston, Eugen England, Brian Evenson, Darron Smith, Jeffrey Nielson, D. Michael Quinn und vielen anderen das Leben schwer machte, ihre akademischen Karrieren zu zerstoeren suchte und sie schliesslich unter fadenscheinigen Vorwaenden rausschmiss." Ende des Axelzitates


Da erheben sich einige Fragen für mich, lieber Axel.

Die Bewerber auf eine Dozentur an der BYU haben eine Art Loyalitätserklärung zu unterschreiben. Diese ist bindend.

Auch wenn jemandem später die vorgegebene Lehrrichtung nicht passt, bleibt er auf sein Wort verpflichtet - oder er nimmt seinen Hut.
Die BYU Lehren bleiben mormonisch gefärbt. Darum ist sie ja da.
Ich kenne keine Details, und sicherlich ist dem einen und anderen Kritiker auch schon Unrecht getan worden,  Das tut mir leid. Aber so ist das Leben, wir sind allesamt nicht perfekt.

Zumindest kenne ich Partien des Ideengutes des D. Michael Quinn in bezug auf “Frauenpriestertum”. Niemand schreibt ihm vor zu glauben was er will. Wenn er aber meint, die von der Kirche vorgegebene Linie durchbrechen zu wollen, und statt dessen eine andere zu zeichnen muss er die Konsequenzen ziehen.

Wie würde Deine Uni handeln, hätte ich dort auch nur eine Gastdozentur und würde massiv meine Gedanken contra “Kommunistisches Manifest” verbreiten?

Übrigens wird nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wurde.

Ich musste an Michelangelo denken als er seinen “David” aus dem Marmor herausgeholt hatte. Niemand hatte ihm da hineinzureden. Einer hat es versucht, die Nase sei zu jüdisch. Der große Künstler nahm unbemerkt ein wenig Marmorstaub, stieg auf die Leiter mit seinem Meissel und Hammer. Dann ließe er nach jedem Schlag ein wenig Marmormehl herunterrutschen.

Ja, nun sei es recht!

Der Rat der Zwölf ist auf die Gründungsurkunde verpflichtet und die zog Grenzen.

Dass Du dieses Führungsgremium haßt, lieber Axel, ist Deine Sache, ich habe Dich dafür nie getadelt. Im Gegenteil ich schätze Deine Geradlinigkeit. Du wirst Deine Gründe haben. Ich kann nur bewerten was ich weiß und das, was ich weiß ringt mir Hochachtung für beide Seiten ab.

Den Männern des Rates der Zwölf  schwebt ein über alle politischen Grenzen hinauswachsenden einheitliches Reich des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit vor, das Realität werden soll.

Dafür leben sie, fast ausschließlich unter Aufbietung aller ihrer Energien bis zum letzten Atemzug. Das ist einmalig und sehr, sehr positiv.

Immerhin steht fest, dass ich die Kirche, d.h. ihre Menschen, Gemeinden Ideen usw. einigermaßen gut kenne und deshalb frage ich mit Nachdruck:

Wo, in der Realität  gibt es besseres? Wo wird deutlicher gelehrt, dass wir Entscheidungsfreiheit haben, dass wir im Wollen und Willen frei sind?

Die Großkirchen haben allesamt diesen Auftrag Christi missachtet.
Ich verachte die Praktiken der Russisch-Orthodoxen Kirche insofern, als sie sich zwischen dem Jahr 1000 bis ins 19. Jahrhundert nicht um die Bildung und Freiheit ihrer Mitglieder gekümmert hat, sondern nur um die äusserliche Herausgehobenheit ihrer Macht.

Eine Partei, Religion oder Gesellschaftssystem die den Menschen nicht erhebt und zugleich Freiheit gewährt kann nicht gedeihen.
Im berühmten Dialog des Syrers Bardesanus, um 200 aufgezeichnet, heißt es noch:
 „alles sittliche Handeln erfolgt durch die Entscheidung des Willens zum Gutsein oder zum Bösen. Der Mensch kann sich von allem Schicksalszwang lösen und die Freiheit gewinnen, Gottes guten Geboten zu folgen, die dem Wesen des Menschen entsprechen und von ihm freudig ergriffen werden.“
Hans Lietzmann „Geschichte der alten Kirche“ de Gruyter 1999. S.

Das ist etwas das massiv von protestantischer Theologie, (mit ihrer Quachsalberei von "allein durch Gnade") aber auch schon durch Augustinus Prädestinationswahnsinn entschieden unterlaufen wurde.

Was ich allerdings nicht verstehe, dass Du, lieber Axel, mit höchstem Eifer auf blanke Illusionen setzt. Du kennst mich ziemlich gut und Du weißt wie sorgsam ich mit Fakten umgehe. Wie kannst Du glauben ich könnte nicht zwischen Kremlpolitik und Euren Absichten unterscheiden.

Ich wiederhole: Die besten Ideen, Vorsätze, Startbedingungen, Bemühungen usw. müssen scheitern , sobald sie ins echte Leben eintreten, wenn sie nicht, in einer sich rasant verändernden Welt,  von einer erheblichen Anzahl Idealisten durch die Zeit getragen und gelebt werden, von Menschen die mehr an ihren Prinzipien (Dogmen) und an ihren Überzeugungen hängen, als an ihrem Leben.

Gewiss waren die Leute um Lenin in gewissem Sinne Barbaren, aber wenn man Trotzki liest und Bucharin usw. hat man den unbedingten Eindruck, sie sind edle Giganten. Ich habe “Schwert und Schild der Revolution” mit Einlassungen Felix Dsershinskins gelesen. Ich konnte kaum umhin zuzugeben, dass da eigentlich (soweit es die Theorie betraf) ein ehrlich gutes Bemühen vorlag.

Man sagt, der Teufel stecke im Detail.

Aber die ganze Wahrheit ist, der Teufel steckt in uns, den kriegt keiner raus.

 Man kann ihn jedoch -, allerdings nur dann, wenn man gute Ursache, guten Willen und die ständing erneuerte  Kraft dazu findet und bewahrt, - an der Kette halten.
Denke nur an die Prozesse gegen moderne bestechliche  und bestechende Spitzenpolitiker im gegenwärtigen, geläuterten China, die allerdings auch Ausdruck interner Machtkämpfe sein könnten.
Ich prophezeie Euch (ungerne) ein Fiasko, falls Euch nichts besseres einfällt als Jesus. Der hatte ein Fundament gelegt, dass unerschütterlich schien. Aber was daraus wurde muss ich Dir nicht vor Augen führen.

Ich danke Gott, dass er mich (und König Benjamin usw.) das erkennen ließ.

Dein alter Freund Gerd



7 Kommentare:

  1. Lieber Gerd

    Du sprichst in Deinen Zeilen viele Sachverhalte und Probleme an -- hier nur kurz einge Gedanken meinerseits -- spaeter kommt einje ausfuerhlichere Erwiederung. Unser Herbst-Semester an der SUNY Potsdam began vergangene Woche und ich habe mit meinen Lehrveranstaltungen ( "Europe Since 1815", "History of the USSR" sowohl ein "Senior Research Seminar in Modern European History" all Haende voll. Zugleich arbeite ich an einem Aufsatz ueber Rosa Luxemburg fuer LOGOS und einem neuen Beitrag fuer DAS BLAETTCHEN/DIE WELTBUEHNE zu dem kapitalistischen Grossangriff auf unser amerikanisches Bildungssystems. Von unserer auf 14 Baende konzipierten Collected Works of Rosa Luxemburg-Ausgabe sind nun bereits zwei Baende erschienen. Viel Arbeit auch in Haus und Garten... Jozhi und Alexej sind inzwischen wieder in der Schule und auch Laura hat mit Ausstellungen und anderen Projekten alle Haende voll.

    Nun zu einigen Deiner Punkte.

    1) Du schreibst: " Wie würde Deine Uni handeln, hätte ich dort auch nur eine Gastdozentur und würde massiv meine Gedanken contra “Kommunistisches Manifest” verbreiten?"

    Ja, das passiert hier staendig. Im Rahmen von Lehr- und Forschungsfreiheit gibt es bei uns die verschiedensten Positionen und Gegenpositionen. Sogar ein glaeubiger Mormone lehrte bis vor kurzem an unserem Department of Anthropology. In meinem Department of History (10 KollegenInnen) stehe ich sicherlich am weitesten Links (was mir uebgigens einige Nachteile brachte -- aber ich bekenne mich zu meinen Ueberzeugungen). Ich selbst bin unter den Studenten aller weltanschaulichen Richtungen ziemlich beliebt und habe eine ganze Reihe von Briefen ehemaliger Studenten (einige darunter religioes und konservativ), die sich lobend ueber das offene und fuer alle Seiten respektvolle Klima in meinen Lehrveranstaltungen auessern.

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  2. 2) Du schreibst "Die Bewerber auf eine Dozentur an der BYU haben eine Art Loyalitätserklärung zu unterschreiben. Diese ist bindend. Auch wenn jemandem später die vorgegebene Lehrrichtung nicht passt, bleibt er auf sein Wort verpflichtet - oder er nimmt seinen Hut. Die BYU Lehren bleiben mormonisch gefärbt. Darum ist sie ja da."

    Die Situation ist etwas komplizierter. Es ist zwar verstaendlich, d. die BYU ihr Selbstbild als mormonische Universitaet erhalten moechte, doch zugleich bedeutet der Anspruch, eine serioese akademische Institution zu sein, dass man akademischen Mindeststandards entspricht. Im Fachbereich Geschichte bedeutet dies Arbeit mit historischen Archiv-Quellen. Die Aufgabe von Historikern ist es, an den Quellen orientiert historische Realitaeten zu rekonstruieren. Sollten Historiker mit einem Konflikt zwischen religioesem Dogma und Archiv-Quellen konfrontiert werden, so duerfen sie die Quellen und Archivbestaende nicht einfach ignorieren oder verbiegen, nur um das Dogma aufrecht zu erhalten. Beispiele: mormonische Historiker gerieten mit der Kirchenfuehrung in Konflikt wegen der "Ersten Vision." Die von Salt Lake City propagierte Version der First Vision" ist keineswegs die urspruengliche Version. In aelteren Versionen trifft Smith nicht auf "Gott" und "Jesus", sondern (in der Version von 1832) NUR auf "Jesus", waehrend in der Version von 1835 "Gott", "Jesus" und eine ganze Reihe "Engel" vor ihm auftauchen. Die Version von 1838 ist die von der heutigen HLT-Kirche offiziell kanonisierte -- allerdngs eben nicht die alteste verfuegbare Version. Die letzte noch von Joseph Smith stammende Version stammt aus dem Jahre 1842, wo er zwar im Grossen und Ganzen die 1838-Version wiederholt, allerdings nun auch behauptet, das "Gott" ihm 1821 sagte, d. nicht nur alle christlichen Kirchen "falsch" sind, sondern auch d. er, Joseph Smith, die richtige wiederherstellen wird. Neben diesen in wichtigen Details divergierenden Versionen der "First Vision" ist es auch beachtenswert, d. die von der heutigen HLT-Kirche betonte Historizitaet in der Mormonenkirche in den ersten Jahrzehnten so gut wie keine Rolle spielte. Mein Argument hier: die Kirchenfuehrer in Salt Lake (zumeist Geschaeftsleute und Anwaelte ohne nennenswerte humanistische und historische Bildung) koennen von serioesen Historikern an der BYU nicht verlangen, d. sie in ihren wissenschaftlichen Arbeiten die eigentlichen Quellen ignorieren, nur um die Sonntagsschul-Interpretation aufrechtzuerhalten. Die Aufgabe einer historischen Fakultaet mit wissenschaftlichem Anspruch ist es, akademische Mindeststandards einzuhalten. Wenn dies den Herrn in Salt Lake City nicht passt, so sollten sie offen sagen, d. sie an der BYU keine serioese Geschichtswissenschaft, sondern nur ein religoeses Progaganda-Seminar auf Sonntagsschulniveau wollen. Denn es ist Ettikettenschwindel, einseits mit dem wissenschaftlichen Anspruch hausieren zu gehen (weil man sich davon einen Prestige-Gewinn verspricht) und andererseits serioese quellengestuetzte Gesichtswissenschaft zu blockieren. Was Leute wie Boyd K. Packer und Konsorten in Salt Lake wollen, ist nicht "Loyalitaet," sondern Kadavergehorsam.

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  3. The ManTle Is Far, Far GreaTer Than The InTellecT - Seminaries ...
    https://si.lds.org/.../the-mantle-is-far-far-greater-than-the-intellect_eng.pd...‎

    Boyd Packer sagt hier den mormonischen Historikern, d. sie nur das publizieren duerfen, was in das offielle Bild passt -- "Some things that are true are not very useful." Geshichtspropaganda -- und eben nicht Wissenschaft

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  4. Lieber Gerd

    Du schreibst:

    "du sollst überall in der Gemeinde mitmachen, was enorm viel Zeit verschlingen kann, du sollst Normen erfüllen, du sollst sexuell enthaltsam leben, du sollst dies und das, Zehnten zahlen, Heimlehrerbesuche machen, Missionsarbeit unterstützen usw. Tempelbesuche, Genealogie und bei alledem fröhlich bleiben."

    Ja, glaeubige Mormonen werden dazu anghalten, viel Zeit in derartige Aktivitaeten zu investieren. Allerdings bezweifele ich, ob diese Geschaeftigkeit wirklich zu einer besseren Welt beitraegt. In erster Linie sollen derartige Investitionen die emotionale Bindung an die HLT-Kirche forcieren. Auch sollen Mormonen durch diesen enormen Zeitaufwand davon abgehalten werden, sich zu sehr in andere Netzwerke einzubringe, besonders wenn diese von Salt Lake nicht kontrolliert/manipuliert werden koennen.

    Unter anderem sind dies auch die Gruende, warum Mormonen in den wichtigen moralischen und menschenrechtlichen Bewegungen der vergangenen hundert Jahre kaum sichtbar waren. Ich beziehe mich hier auf die anti-rassistische Buergerrechtsbewegung, die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung und die Frauenrechtsbewegung. Auch in der Umweltschutz-Bewegung traten kaum Mormonen hervor. Daher sehe ich den regen Aktivismus aktiver Mormonen auch nicht als Tugend, sonden eher als Hindernis zu wirklich tugendhaften Verhalten.

    Ich kann auch der von Dir immer wieder propagierten sexuellen Abstinenz wenig abgewinnen. Was, wann und wie erwachsene Menschen im Bett anstellen, ist deren Sache. Voreheliche sexuelle Abstinenz ist eine persoenliche Geschmacks-Sache, hat aber mit Moral nichts zu tun. Wir vertreten sexuelle Selbstbestimmung und Verantwortung. Sexualitaet ist natuerlich und sollte nicht durch voreheliche "nthaltsamkeit" pathalogisiert werden. Wenn irgendwelche Leute keinen "vorehelichen" Sex praktiziern, so respektieren wir dies, ohne dies "moralischer" zu finden...

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  5. Lieber Gerd

    Du schreibst:

    "Was ich allerdings nicht verstehe, dass Du, lieber Axel, mit höchstem Eifer auf blanke Illusionen setzt. Du kennst mich ziemlich gut und Du weißt wie sorgsam ich mit Fakten umgehe."

    Leider benutzt Du nicht eben selten -- trotz aller augenscheinlich vorhandenen guten Absichten -- Ad Hominem-Arguments als rhetorische Stategie. Und natuerlich gehst Du mit EINIGEN Fakten sorgsam um, waehrend Du bei anderen Fakten und Fragestellungen in erster Linie ideologisch reagierst.

    So beispielsweise, wenn Du auf die Geschichte der Mormonen und besonders Joseph Smith zu sprechen kommst. Deine diesbezueglichen Quellen stammen groesstenteils aus kirchenoffiziellen Publikationen, Leitfaeden und anderem Agitationsmaterial. Auch die offizielle und von Joseph Smith initiierte und in ihrer heutigen Form von B. H. Roberts editierte "History of the Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints" ist ein hochgradig selektives und didaktisches Agitationsinstrument, kein serioesen und wissenschaftlichen Standards entsprechendes Geschichts-Werk. Im diesem Sinne ist dieses siebenbaendige Werk vergleichbar mit der von der SED in den fuenfziger und sechziger Jahren herausgebrachten offiziellen "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" -- ebenfalls sieben Baende, deren Hauptzweck propagandistischer Natur war.

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  6. Nun zu den ueber solch hochgradig einseitigen und verzerrten Sekundaer-Quellen hinausreichende Werke. Diese koennen zum Teil durchaus aus der Feder von glaeubigen Mormonen stammen, muessen aber zugleich wissenchaftlichen und quellenkundlichen Mindeststandards entsprechen. Nun meine Frage: welche Biografien Joseph Smiths hast Du gelesen? Man braucht sie nicht alle zu kennen -- aber zumndest fuenf muss man gelesen haben, um ueber Joseph Smith einigermassen kompetent urteilen zu koennen. Hier die Mindest-Leseliste bezueglich Joseph Smith:

    1)
    No Man Knows My History: The Life of Joseph Smith (Paperback)
    by Fawn M. Brodie
    Paperback: 576 pages
    Publisher: Vintage; 2nd Revised & enlarged edition (August 1, 1995)
    Language: English
    ISBN-10: 0679730540
    ISBN-13: 978-0679730545

    2)
    Joseph Smith: The First Mormon Paperback
    by Donna Hill
    Paperback: 550 pages
    Publisher: Signature Books; First Edition edition (March 15, 1999)
    Language: English
    ISBN-10: 156085118X
    ISBN-13: 978-1560851189


    3)
    Joseph Smith: Rough Stone Rolling (Paperback)
    by Richard Lyman Bushman
    Paperback: 784 pages
    Publisher: Vintage; Later printing edition (March 13, 2007)
    Language: English
    ISBN-10: 1400077532
    ISBN-13: 978-1400077533

    4)
    Joseph Smith: The Making of a Prophet (A Biography) Hardcover
    by Dan Vogel
    Hardcover: 744 pages
    Publisher: Signature Books; First Edition edition (April 15, 2004)
    Language: English
    ISBN-10: 1560851791
    ISBN-13: 978-1560851790

    5)
    Joseph Smith (Penguin Lives) Hardcover
    by Robert V. Remini
    Series: Penguin Lives
    Hardcover: 190 pages
    Publisher: Viking; 1st edition (October 14, 2002)
    Language: English
    ISBN-10: 067003083X
    ISBN-13: 978-0670030835

    Zusaetzlich empfehle ich auch Bushmans aelteres Buch ueber die fruehen Jahre von Joseph Smith und seiner Familie:


    Joseph Smith and the Beginnings of Mormonism Paperback
    by Richard L. Bushman
    Paperback: 272 pages
    Publisher: University of Illinois Press (December 1, 1987)
    Language: English
    ISBN-10: 0252060121
    ISBN-13: 978-0252060120

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  7. Diese Leseliste ist ausgewogen --alle AutorenInnen sind ausgewiesene Historiker, mit jeweils zahlreichen peer-reviewed publications under their belt.

    Fawn Browdie hat sich von der HLT-Kirche abgewendet, begegnet aber Smith mit Respekt

    Donna Hill und Richard Bushman sind glaeubige Mormonen

    Dan Vogel ist gebuertiger Mormone -- aber nicht orthodox.

    Robert Remini ist kein Mormone -- schreibt aber mit kritischem Respekt und Einfuehlungsvermoegen ueber Joseph Smith.

    Alle fuenf Autoren bemuehen sich, serioese Geschichtswissenschaft und eben keine Hagiografie zu betreiben...Ich fuerchte, d. Deine Aeusserungen ueber Smith und Mormonen-Geschichte manchmal zu hagiografisch und unkritisch sind. Dies meinte und meine ich mit meinem "Dogmatismus-Vorwurf." Er war als KONSTRUKTIVE Kritik gedacht -- nicht als Angriff... Ich denke und hoffe, d. Du dies verstehst.
    Mehr spaeter. Dein Freund Axel

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