Heute fand ich diesen Spiegelartikel von Hans Küng (Weltethos) über Hoimar von Ditfurths Weltanschauung... veröffentlicht im "Spiegel 10-1981"
Mit diesen Worten interpretiert Prof. Küng gekonnt, was wir gläubig orientierten wohl mehr empfinden als wir sagen können:
"Diese unsere objektive Realität schließt eine transzendente Wirklichkeit nicht aus, sondern läßt die Hypothese einer ganz anderen Wirklichkeit, einer jenseits unserer Erfahrung, als wahrscheinlich erscheinen: Die heutige evolutive Erkenntnistheorie, in der sich die philosophischen Einsichten Kants und Poppers mit den naturwissenschaftlichen von Konrad Lorenz verbinden, ist weit weg von der positivistischen Ideologie zu Beginn dieses Jahrhunderts. Unsere Sinnesorgane bilden nämlich die Außenwelt (deren Existenz außerhalb unseres Bewußtseins wir nur in einem Vertrauensakt annehmen können!) keineswegs ab, sondern deuten sie.
Das heißt: Wir erkennen die Wirklichkeit an sich nur partiell, stark vereinfacht, verschwommen. Der Umfang der realen Welt sowohl im Makrokosmos wie im Mikrokosmos überschreitet den Horizont unserer Erkenntnis quantitativ wie qualitativ: Der von Sternen erfüllte Weltraum -- hundert Milliarden Galaxien von der Größe unseres Milchstraßensystems allein in dem beobachteten Teil des Kosmos -- stellt sich für die Astrophysik als eine grenzenlose Endlichkeit oder eine endliche Grenzenlosigkeit dar; und im subatomaren Bereich kann auch die Quantenphysik "die Wirklichkeit" nur mit mathematischen Formeln, mit Bildern und Metaphern zu umschreiben versuchen.
Sowohl die unsere Vorstellung transzendierende Vierdimensionalität des Raumes wie der paradoxe Korpuskel-Welle-Dualismus im Innersten der Materie sind zwingende Hinweise darauf, "daß der Raum, in dem wir existieren, in Wahrheit eine -- mindestens eine! -- Dimension mehr haben muß, als wir es uns vorzustellen vermögen". Eine "innerweltliche Transzendenz" also, die die Frage nach einer total anderen Transzendenz, von der die Religionen reden, wachruft!
Umgekehrt: Die Beschränkung der Naturwissenschaft auf die experimentelle Untersuchung und der methodisch berechtigte Verzicht auf die Behandlung der "großen Fragen" (Gott, Sinn des Lebens, Ethos, Leben nach dem Tod) darf nie zur positivistisch verabsolutierten Weltanschauung werden. Soviel steht fest: Es gibt in jedem Fall eine Wirklichkeit jenseits unserer Vernunft, auch wenn nur der Glaube -- und nicht die Beweise der Vernunft - dieser Wirklichkeit eine Wirklichkeit Gottes anzunehmen vermag.
Drittens: Diese Welt hat nicht nur einen Anfang (Urknall), sondern auch ein Ende: Wie wird es aussehen? Gegen das fast unausrottbare anthropozentrische (vorkopernikanische) Vorurteil, gegen allen menschlichen "Mittelpunktswahn", ist aufgrund neuerer Forschungen anzunehmen, daß die Evolution auch auf anderen unter den unzählbaren Planetenmilliarden zur Entwicklung von Leben und Bewußtsein geführt hat und somit zur Existenz außerirdischer, nichtmenschlicher intelligenter Lebewesen.
Gegenüber solchen Lebewesen, aber möglicherweise auch gegenüber unseren eigenen Nachkommen, in deren Großhirnrinde nach einigen Jahrhunderttausenden neue "Zentren" entstanden sein mögen, erscheinen wir vielleicht geradezu als die "Neandertaler der Zukunft". Jedenfalls haben wir das Tier-Mensch-Übergangsstadium noch nicht hinter uns und das Stadium des Homo sapiens in Wirklichkeit noch vor uns.
Naturwissenschaftliche Theorien und Ergebnisse sprechen zur Zeit dafür, daß unsere Welt räumlich und zeitlich endlich ist. Die Evolution ist zwar nicht von vornherein finalistisch auf ein konkret festliegendes Ziel gerichtet. Aber sie kann im Spiel von Zufall und Notwendigkeit eine Entwicklungsstufe erreichen, die aller Evolution nachträglich einen eindeutigen Sinn verleiht: ihr Ende, in welchem alle ihre Tendenzen verwirklicht sind.
In der bisher letzten Phase der kosmischen Geschichte hat sich neben Energie und Materie vor allem das Psychische als bis dahin unbekannte Kategorie entwickelt: die unterschiedlichen Grade des Bewußtseins (das auch Tiere haben) und besonders das "Geistige", das aber gebunden erscheint an das materielle "Gehirn". Wie entstand der Geist? Ditfurth möchte keinen idealistischen Standpunkt vertreten, nach welchem ein ewiger Geist die Materie "zeugte" (Materie also Produkt des Geistes). Freilich auch keine materialistische Sicht, der zufolge eine ewige Materie den Geist "hervorbrachte" (der Geist Produkt der Materie).
Vielmehr wirbt er für eine dualistische Auffassung, eine Parallelität (und Wechselwirkung) von Geist und Materie, nach welcher der Geist selbständig und unabhängig von der Materie gegeben ist, und zwar aufgrund von Möglichkeiten oder Prinzipien, die schon vor unseren Hirnen existierten, ja, die von Anfang an zusammen mit den Elementarteilchen, den Naturkonstanten und Naturgesetzen vorhanden waren: Möglichkeiten oder Prinzipien des Geistes, die "als der Widerschein jener transzendentalen Ordnung aufzufassen sind, ohne die es in der Welt keine geordneten Strukturen gäbe".
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