Freitag, 24. April 2020

"Vielweiberei" by Gerd Skibbe



 




Ein kursierendes Nichtverständnis bietet der Begriff „Vielweiberei“


Mein alter Freund Walter Rohloff wurde zwanzigjährig, 1941, zur Wehrmacht eingezogen. Er war, bis er nach dem Krieg heiratete, sexuell unerfahren, wie die meisten Ledigen seiner Kirche. Er musste einen Fragebogen ausfüllen. Oben links auf dem Vordruck hätte er lutherisch oder katholisch schreiben sollen.

Richtig fromm war er nicht, aber ehrlich, und so zeichnete er: K. Jesu Chr. der HLT Der zuständige Offizier wollte wissen was das bedeutet.

Walter riss die Hacken zusammen, wie sich das gehörte und sagte: „Ich bin ein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Da war nicht genug Platz in der Rubrik“.

„Ich habe niemals von dieser Kirche gehört.“

„Oh, Herr Major, Sie kennen diese Kirche. Man nennt uns „die Mormonen“

„Und was heißt das?“ Der Major zuckte die Achseln: „Haben Sie Literatur?“

Walter überreichte ihm später an diesem Tag ein Buch Mormon.

„Nun, ich kann nicht garantieren, dass sie ihre Offiziersausbildung fortsetzen. Die Herren der Militärakademie werden sich damit befassen.“

Zwei Wochen danach wurde Walter zu den „Herren“ gerufen. Ihm wurde mitgeteilt, er darf die Ausbildung fortsetzen, aber die Leitung der Akademie würden es wertschätzen, wenn er die „Mormonen“

verlassen würde. Ihnen gefiel vor allem nicht, dass in dieser Sekte „Vielweiberei“ praktiziert wird – und wie anzunehmen ist, missfiel den Herren Gutachtern, die im ganzen Buch dominierende Judenfreundlichkeit.

„Als er Vielweiberei sagte, beugte ich mich über und erwiderte: „Herr Major, was wir um uns herum sehen, ist Vielweiberei. Männer die verheiratet sind und Sex mit anderen Frauen haben!“

Er hatte sich herausgenommen seine Hände auf die Platte des Schreibtisches des Kommandeurs zu legen. Das kam nicht gut an: „Roloff!“ schnauzte er, nehmen Sie Haltung an!“






Fotoprivat



Ja, ich war nur ein Unteroffizier und er ein Major: Dieser Mann behandelte mich dennoch immer fair, doch blieb ich, trotz guter Zensuren, was ich war, ein einfacher Unteroffizier.“  „The Roloffs“



Zwischen 1840 und 1890 lebten fast alle führenden Persönlichkeiten der HLT-Kirche polygam.

Es ging darum, dass möglichst viele Kinder in Familien dieses Glaubens hineingeboren würden, und dass Witwen und deren Kinder sozialer Schutz gegeben werden sollte. Bekanntestes Beispiel ist der Nachfolger des 1844 ermordeten Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,  Brigham Young (1801-1877). Er führte 1846 die etwa 14 000 Mitglieder der Kirche von Nauvoo, der von ihnen selbst errichteten Stadt in Illinois in die Täler der Felsengebirge Utahs. Aufgehetzt durch namentlich bekannte Geistliche verschiedener Denominationen gab es für sie keinen Ausweg. Der Auszug wurde zur Winterzeit erpresst. Gnade zugunsten der „Polygamisten“ gab es nicht.


Im Buch Mormon Jakob Kapitel 2 heißt es unmissverständlich: Ein Mann – eine Frau. Wer die Ehe bricht, verliert seine Mitgliedschaft, die nach einer Zeit ehrlicher Reue - einmal - wieder erworben werden kann.


Ausnahmefall war die Situation in der Frühzeit dieser Kirche.

Entsprechend dem Bild, das evangelikale Prediger vom „Mormonentum“ zeichneten, kursierten im 

Zwischen 1840 und 1890 lebten fast alle führenden Persönlichkeiten der HLT-Kirche polygam.

Es ging darum, dass möglichst viele Kinder in Familien dieses Glaubens hineingeboren würden, und dass Witwen und deren Kinder sozialer Schutz gegeben werden sollte. Bekanntestes Beispiel ist der Nachfolger des 1844 ermordeten Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,  Brigham Young (1801-1877). Er führte 1846 die etwa 14 000 Mitglieder der Kirche von Nauvoo, der von ihnen selbst errichteten Stadt in Illinois in die Täler der Felsengebirge Utahs. Aufgehetzt durch namentlich bekannte Geistliche verschiedener Denominationen gab es für sie keinen Ausweg. Der Auszug wurde zur Winterzeit erpresst. Gnade zugunsten der „Polygamisten“ gab es nicht.
Im Buch Mormon Jakob Kapitel 2 heißt es unmissverständlich: Ein Mann – eine Frau. Wer die Ehe bricht, verliert seine Mitgliedschaft, die nach einer Zeit ehrlicher Reue - einmal - wieder erworben werden kann.



Mahonri Mackintosh Young, ein Enkel Brigham Youngs schuf diese Statue. Sie befindet sich in der Statuary Hall zu Washington, USA


Ausnahmefall war die Situation in der Frühzeit dieser Kirche.
Entsprechend dem Bild, das evangelikale Prediger vom „Mormonentum“ zeichneten, kursierten im  19. Jahr-hundert im Westen der USA zahlreiche Witze, die den allgemeinen Kinderreichtum der „Mormonen“ belächelten.







Susa Young Gates, Tochter Brighams   - eine bekannte amerikanische Frauenrechtlerin, Missionarin und  Schriftstellerin - verneint entschieden die Ansicht, ihr Vater hätte sich zu wenig um seine vielen Kinder gekümmert:


    



                                Susa Young Gates (1856-1933)




Sie war es die dem russischen Grafen und berühmten Schriftsteller Leo Tolstoi ein Buch Mormon aushändigte. Was ihn später zu der Aussage führte:


“Wenn der Mormonismus fähig ist unverändert bis zur dritten oder vierten Generation zu bestehen, dann ist ihm bestimmt zur größten Kraft, die die Welt seit je sah, heranzuwachsen.”
Er sprach sie  um 1900 gegenüber dem Gesandten der USA aus,  Dr. Andrew D. White (1832-1918), dem Gründer der berühmten Cornell Universität.



                        Dr. Andrew D. White (1832-1918)

Susa hielt eine Aussage ihres Vaters fest: „Ich möchte ein wenig aus dem Leben meiner Familie plaudern. Ich besitze eine große Familie, habe viele Kinder. Viele von ihnen sind klein. Dennoch glaube ich nicht, dass sie jemals Kinder in einer Familie haben zusammenleben sehen, die sich so wenig zanken...
... Beobachten sie die Kinder. Sie werden feststellen, wie sie ein guter Geist beeinflusst. Ich weiß von keinem Fall, wo man einem Kind, dem man Leid zufügte, nicht auch mehr Liebe erzeigte, als den anderen zusammengenommen. Sie fragen, wie ich das alles Zuwegebringe. Ich schelte nie ein Kind, ich streite selten mit einer meiner Frauen. Ich sage meinen Frauen, niemals einem Kind Ursache zu geben, an ihren Worten zu zweifeln.“ ebenda


Brigham Youngs  Enkelin Leah D. Widtsoe beurteilt ihren Großvater mit den Worten:  

„Dieser fähige Pionier hatte klar die Notwendigkeit der sittlichen und religiösen Ausbildung erkannt. Er glaubte an die

Trennung von Staat und Kirche. Er war dagegen, dass die religiöse Erziehung ein Teil des Unterrichtsplanes der Staatsschulen bildet... deshalb gründete er neben den öffentlichen Schulen, Kirchenschulen.“ Leah Dumford Widtsoe, „Brigham Young – Der Mann der Stunde“




  Das Abraham O. Smoot –Verwaltungsgebäude der Brigham-Young Universität Utah



Im Sommer 1859, wollte die Regierung der USA „den Mormonen“ die „Vielweiberei“ abgewöhnen.  Präsident  Buchanan  schickte  ihnen eine 3 000 - köpfige Armee auf den Hals.  Zeitgleich reiste der 48jährige Herausgeber der New Yorker „Daily Tribune“ Horac Greely, nach Salt Lake City, Utah. Er war schon, obwohl erst ein Mann in den Vierzigern, bereits berühmt. Er wollte unbedingt Brigham Young sehen, den Mann des Westens, den Nachfolger Joseph Smiths.

Allein deshalb hatte er sich auf den weiten, nicht ungefährlichen Weg gemacht. Die Begegnung kam zustande.

Ihm wurde mitgeteilt, er dürfte fragen was immer er wünsche. Da damals die Sklavenfrage in den USA viele Gemüter beschäftigte wollte Greely wissen, wie Brigham und seine Kirche dazu stünde:

„Darf man schlussfolgern, dass Utah wenn es Mitglied der Föderation würde, den Status eines Sklavenhalterstaates erhielte?“

Nein!“ erwiderte Präsident Young, wir wären dann ein freier Staat... ich betrachte Sklaverei als einen großen Fluch.“

Wovon wollen dann ihre Priester leben?“

Durch die Arbeit ihrer eigenen Hände, gleich den ersten Aposteln... wir denken, dass ein Mann sein Leben nicht abseits vom Dienst an Christus (Dienst an den Mitmenschen) führen kann, das würde ihn unfähig zum Amt machen... Man sagt, ich sei reich. Gewiss, ich selber betrachte mich als einen Mann der seine viertel Million Dollar wert ist, aber von der Kirche erhielt ich bisher keinen Dollar.“





                           Horac Greely (1811-1872)



Greely schrieb in seinem Blatt, er sei überrascht gewesen in Brigham einen Mann zu sehen, der „freimütig und gut verlagt“ schien, „dem Scheinheiligkeit und Großspurigkeit völlig fremd war, der, getrieben von dem Wunsch nichts zu verbergen, offen antwortete.“ Leonard Arrington „Brigham Young: American Moses“, „Zwei Stunden mit Brigham Young“

Greely fragte Brigham natürlich auch nach der Anzahl seiner Frauen. Präsident Young bestätigte, was alle wussten.

Die Großfamilie des Neffen Joseph Smith, Joseph Fielding Smith  umfasste bereits zu seinen Lebzeiten mehr als einhundert Personen.

Mitglieder der Familie Joseph F. Smith's sowie die Familien seiner Söhne und Töchter um 1900

Wie die Israeliten vor alters, die allesamt einer polygamen Familie entstammen, sind Leute wie ich stolz darauf, dass eine Anzahl unserer Glaubensvorfahren den Mut aufbrachten ein anderes, damals angebrachtes Familienmodell zu leben. Wie Im Buch Mormon niedergeschrieben, gilt seit 1890 wieder der Normalfall: „Ein Mann, eine Frau!“

Sie sollen und wollen in Treue und Liebe zusammenhalten – für immer und ewig. Sie möchten ihren Kindern Sicherheit geben und wertvolle Bürger ihres Landes sein, sowie ihren Nachbarn, gleichgültig welcher Religion oder Weltanschauung sie sind, ehrliche Freunde.



Bildhauer Avard Fairbanks, damals Präsident einer Mormonengemeinde, gab diesem Ideal Ausdruck, mit dieser künstlerischen Gestaltung. 

Auf die Frage eines Journalisten der Zeitung „Zeitzeichen“ evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft: "Was haben evangelische Protestanten mit den Mormonen gemeinsam?",  antwortete Dr. Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen am 7. März 2012: 





"Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten in der Ethik und Moral. Der persönliche Einsatz und das ehrenamtliche Engagement sind bewundernswert. Auch die hohe Wertschätzung von Ehe und Familie bei den Mormonen und die aufmerksame Sorge für verlässliche zwischenmenschliche Bindungen sind vorbildlich."



„Mormonismus ist strahlender Optimismus...

Der von Mormonen gelehrte Glaube ist erfüllt von ermunternden Ausblicken. Alle Rätsel des Daseins, der Sünde und Schuld, des Leidens und Sterbens lösen sich in einer befriedigenden Harmonie auf."

Kurt Hutten: „ Seher -Grübler,-Enthusiasten“ 1950, Quell-Verlag

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