Während meiner Zeit als Ratsherr in Neubrandenburg (1990-1998) war ich zugleich Ratgeber versch. Missionspräsidenten.
Ab Mitte 1996 klagten die Missionare über Schwierigkeiten zur Erlangung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen in den größerer Städten Mecklenburg-Vorpommerns. Insbesondere war das in Stralsund der Fall.
Da ich mich naturgemäß oft im Rathaus unserer Stadt aufhielt klopfte ich eines morgens bei Carlo an, einem Freund. Dieser Mann jedoch war ein eingefleischter Evangelikaler - Pietist - und keineswegs ein Freund unserer Kirche. (Er war als Berater aus dem Westen zu uns gekommen.)
Er schmunzelte als ich eintrat.
Seine Augen funkelten: ich habe etwas für dich!
Selbst mir durfte er nicht alles sagen und zeigen... und so erhob er sich und ging hinaus, er käme gleich wieder.
Zuvor rückte er ein Blatt Papier so hin, dass mein Blick unweigerlich auf die Zeilen fallen musste.
Es handelte sich um das „vertrauliche“ Rundschreiben Nr. 18-95 des Landesinnenministeriums.
Ich war schockiert: Denn es betraf unsere Missionsarbeit.
Sofort war mir klar: Dahinter steckt die
Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau R. Marquardt, die Ehefrau des Schweriner Hauptpastors. Es sollte sich sehr schnell herausstellen, dass es so war.
Diese Dame hatte bereits zuvor einigen Wirbel gegen uns verursacht. Nun versuchte sie, unter fadenscheinigen Gründen unsere Missionare mit gewissen Klauseln, die unter Mitwirkung des Innenministeriums erarbeitet wurden, aus dem Land zu drängen.
Wie schon angedeutet, hatte Frau Ministerin, mit SPD-Mandat im Amt, u.a. eine überarbeitete "Informationsbroschüre" herausgebracht, angeblich um mehr Kenntnisse über Sekten und Weltanschauungsgruppen zu verbreiten, obwohl sich die „alte“ von 1990 noch kaum im Umlauf befand. Die Hefte lagen zu Hunderten im Neubrandenburger Rathaus herum.
Die Überarbeitung bestand im Wesentlichen darin, ein Kapitel über "Mormonen" einzufügen, die sie persönlich als ein Dorn im Auge empfand. Sie versuchte, soweit ihr das möglich war, unsere Kirche als nicht ungefährliche "Sekte" darzustellen, weil "die Mormonen" nicht offenlegen, welche Details in ihrem Tempelritual vorkommen. Das ging auch aus der „Schweriner Volkszeitung“ vom 20. Dezember 1995 hervor. Die Überschrift lautete: „Wir wollen keine Ängste schüren!“
Frau Marquardt wollte kraft ihrer Reputation erreichen, dass Mormonen mit Argwohn betrachtet werden, oder bereits bestehende Vorurteile verstärken, was ihr durchaus teilweise gelang.
Welch ein Trick.
Diesmal politisch untersetzt und auf Staatskosten.
Ich telefonierte mit dem zuständigen Journalisten Herrn Schultz, der einigermaßen rüde reagierte. Für ihn schien festzustehen, dass am anderen Ende der Strippe ein engherziger, halbblinder Sektierer steht. Einige Mitglieder der Schweriner Gemeinde reagierten empört, bestellten die Zeitung ab…
Als Mitglied des Jugendhilfeausschusses Neubrandenburgs mit CDU-Mandat hatte ich eigentlich den Ruf eines moderaten Mannes, der mit nicht wenigen PDS-Mitgliedern auf gutem Fuß stand, und mit denen der SPD ebenfalls. Umgehend suchte ich meinen Freund, den stellvertretenden OB Neubrandenburgs, Burkhard Räuber auf und sagte ihm geradezu, ich würde in der nächsten Sitzung der Stadtvertreter mein Amt als Ratsherr mit einer Erklärung niederlegen.
Burkhard, ein aktiver Katholik, schüttelte sofort den Kopf.
Fest stand, dass die Neubrandenburger Presse mich bislang häufig, etwa zwei-bis dreimal in jeder Woche, seit Jahren positiv zitiert hatte. Es würde einiges Aufsehen erregen, wenn ich in meiner angekündigten "persönlichen Erklärung" u.a. sagen würde: "Seit einhundert Jahren verbot niemand (außer den Kommunisten der sechziger Jahre) unseren Missionaren, in Deutschland zu wirken. Jetzt, mit der neuen Demokratie, nachdem wir die Diktatur der Kommunisten überwunden haben, soll meine Religion der Freiheit und der Rechtschaffenheit verdrängt werden…“
Wahr ist, ich hätte meine ganze Redezeit ausgeschöpft, und die Presse hätte es im Wesentlichen weitergegeben. Diese Rede hätte ich sorgfältig vorbereitet. Burkhard wusste das, er telefonierte umgehend mit Schweriner Beamten.
Ich informierte Präsident Dieter Uchtdorf, der mir sofort seine Sympathie und seine volle Unterstützung zusagte und der mich umgehend bat, mein Mandat nicht nieder zu legen.
So fanden wir, Präs. Uchtdorf und ich, uns kurz darauf, im Frühling 1997, auf die erwartete Einladung hin, im Landes-innenministerum in Schwerin zusammen. Zwei Staatssekretäre kamen zu uns. Präsident Uchtdorf nahm die Gelegenheit wahr, etwa eine halbe Stunde lang mittels eines Bildbandes beeindruckend darzulegen, was die Lehren und Absichten unserer Kirche sind.
Umgehend wurden wir unterrichtet, dass das Innenministerium M.-V. das besagte Rundschreiben zurückzieht.
Das geschah.
Dieter Uchtdorf, der die 600 km weite Anreise nicht gescheut hatte, und ich fuhren anschließend zum Kultusministerium, um beim zuständigen Staatsekretär H. darzulegen, welche Richtigstellungen erforderlich wären. Daraufhin vernahmen wir, dass Frau Kultusministerin Weisung geben würde die glücklicherweise mittig angeordneten Seiten, unsere Kirche betreffend, entfernen zu lassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen