Sonntag, 23. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen - 1.4 Gebotene Polygamie (4) G. Skibbe

1.4 Gebotene Mehrehen

In der Frühzeit der restaurierten Kirche Christi, - um 1840 - trat unserer Überzeugung nach, die Ausnahmeregel in Kraft, weil es Sinn machte, dass alle aktiven Mitgliederfrauen Kinder zur Welt bringen, um der Gemeinschaft auf natürlichem Weg zu vermehrtem Wachstum zu verhelfen. Deshalb akzeptierten vor allem die starken Persönlichkeiten innerhalb dieser damals zahlenmäßig noch sehr kleinen Gemeinschaft, die Aussage ihres Propheten Joseph Smiths: Gott habe ihm den Grundsatz der „Patriarchialischen“ Ehe geboten. Das ist vor allem eine Glaubensfrage. Es ging auch um die soziale Sicherstellung verwitweter Mütter und Frauen. Es ging und geht um Kinder und um stabile Familienverhältnisse. Es ging und geht jedem überzeugten „Mormonen“ um den Aufbau Zions.  (34)      
Der Begriff „Zion“ wird in der Kirche Jesu Christi der HLT als Synonym für Kirche verstanden, oder besser gesagt: Zion steht für „Neue und immerwährende Ordnung“. In dieser Ordnung soll es keine Ungleichen geben, weder Arme noch Unreine. Alles zielt darauf ab eine Basis zu bilden auf der das Haus bzw. die Kirche (griech. kyriake oikia) Gottes gebaut werden kann, in dem die Neue Gesellschaftsordnung gilt, in der die „Rechtschaffenen“ leben. In „Köstliche Perle“, einer Zusatzschrift der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Moses 7: 18) heißt es in Bezug auf die Kirche des Enoch: „Und der Herr nannte sein Volk Zion weil sie eines Herzens waren und in Rechtschaffenheit lebten, weshalb es unter ihnen keine Armen gab.“
Zion und Kriege sind Gegensätze. Kriege sind das Ergebnis von Ungerechtigkeiten. Das sagte bereits der alttestamentliche Prophet Jesaja (35) „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein.“ Jesaja 32: 17
Menschenkinder müssen diesen Sinn verinnerlichen, und zwar vom ersten Lebensjahr an. Dieser Grundgedanke liegt dem Prinzip der puritanischen Polygamie zugrunde. Anders kann es nicht verstanden werden.
Wir „Menschen die zur Familie Adams gehören“ wie das Buch Mornon sagt) sind allesamt unsterbliche Geister (nobilitas ingenita, unerschaffene aber von Gott geformte Intelligenzen) die aus dem Himmel unseres vorirdischen Daseins in die Sterblichkeit und in die Natürlichkeit der Ichsucht fielen, um durch eigenes Erleben zu lernen. Aber wenn vermeidbar, sollten es nicht gerade die schlimmstdenkbaren Erfahrungen sein, die Menschen sammeln. Alle Geistkinder Gottes haben das Recht in möglichst perfekte Verhältnisse hineingeboren zu werden, nämlich in Umstände in denen die Eltern sich auf Zuwachs freuen, die ihre größte Freude darin empfinden ihre Kinder gut auszubilden. Es sollten Eltern sein, die sich mit großer Liebe ihren Kindern zuwenden um ihnen lebendigen Glauben zu vermitteln, um sie glücklich zu sehen. Aber Eltern, die ihren Kindern solche Ideale täglich neu vorleben wollen und können, müssen erst einmal vorhanden sein.
Kritiker bezweifeln natürlich, dass Leute wie Brigham Young solche beispielhafte Familie je hätten führen können. Viele US-amerikanische Politiker des 19. Jahrhunderts dachten, die „Mormonen“ wären Ausgeburten des Bösen, die man ausrotten muss. Die leitenden Männer dieser furchtbaren Sekte würden selbst nur nach einem Leben auf Kosten anderer, sowie unersättlich nach Beischlaf trachten. Deshalb würden sie Missionare ausschicken, junge Mädchen zu „bekehren“, um so, ihren „Bossen“ stetigen Nachschub zu sichern.
In Großbritannien gab es zwischen 1840 und 1930 regelrechte Pressekampagnen die das behaupteten. Unseren Missionaren wurde auf diese Weise das Arbeiten dort zur Hölle gemacht.
Aber gerade die nächsten Angehörigen mehrerer polygamer Familien bestätigten: die erwähnten leitenden Mormonen waren überwiegend wirkliche Vorbilder, die höchsten Ansprüchen gerecht wurden.  










Brigham Young ca. 50 Jahre alt


           Brigham`s Tochter Susa Young Gates, schrieb “The Life Story of Brigham Young” New York, neu verlegt 1951







Entsprechend dem Bild, das evangelikale Prediger und sich fromm aufspielende Journalisten, vom „Mormonentum“ zeichneten, kursierten im 19. Jahrhundert im Westen der USA zahlreiche Witze, die den allgemeinen Kinderreichtum der „Mormonen“ bespöttelten. Ein Reisender erfand eine typische Humoreske: 


„Da begegnet Brigham Young eines Tages einem in Lumpen gekleideten Bengel, den er fragt: Wessen Kind bist du, sonny?“
Ich bin Brigham Youngs kleiner Junge! Bitte mein Herr, können sie mir sagen wo ich ihn finden kann?“

Susa Young Gates verneint entschieden die Ansicht, ihr Vater Brigham hätte sich zu wenig um seine vielen Kinder gekümmert.
 „Er pflegte zu jedem einzelnen Mädchen und Jungen eine vertrauliche und liebevolle Beziehung.“ (36) Leonard Arrington „Williard Young, The Prophets Son At West Point“, Brigham Young Studies.

Auch um das zu untersetzen, schrieb  Susas Tochter, Leah D. Widtsoe, u.a. das Buch „Brigham Young – Der Mann der Stunde“, (37) deutsch 1936, herausg.von der Kirche Jesu Christi der HLT.
Liebevoll zitiert sie darin ihren Großvater Brigham im Stile ihrer glaubenstarken Mutter Susa, die lebenslängliche Treue zu ihrem Vater und zu „Mormonismus“ bewies, sowohl als Missionarin, wie auch als Schriftstellerin und Tempelarbeiterin: 
„Ich möchte ein wenig aus dem Leben meiner Familie plaudern. Ich besitze eine große Familie, habe viele Kinder. Viele von ihnen sind klein. Dennoch glaube ich nicht, dass sie jemals Kinder in einer Familie haben zusammenleben sehen, die sich so wenig zanken. Beobachten sie die Kinder. Sie werden feststellen, wie sie ein guter Geist beeinflusst. Ich weiß von keinem Fall, wo man einem Kind, dem man Leid zufügte, nicht auch mehr Liebe erzeigte, als den anderen zusammengenommen. Sie fragen, wie ich das alles zuwege bringe. Ich schelte nie ein Kind, ich streite selten mit einer meiner Frauen. Ich sage meinen Frauen, niemals einem Kind Ursache zu geben, an ihren Worten zu zweifeln.“ (38) Journal Disc. 8: 74


Leah Widtsoe beurteilt ihren Großvater mit den Worten: 

„Dieser fähige Pionier hatte klar die Notwendigkeit der sittlichen und religiösen Ausbildung erkannt. Er glaubte an die Trennung von Staat und Kirche. Er war dagegen, dass die religiöse Erziehung ein Teil des Unterrichtsplanes der Staatsschulen bildet... deshalb gründete er neben den öffentlichen Schulen, Kirchenschulen. 1875 wurde von ihm, (in dieser Absicht, G.Sk.) die Brigham-Young- Universität gegründet...“ (39) Leah E. Dumford Widtsoe „Brigham Young – Der Mann der Stunde“

Brighams Enkelin (Leah D. Widtsoe) betont wiederholt, wie viel Wert Brigham auf Bildung legte, etwas das wichtiger sei als Reichtum, weshalb er:

in seinen Ansprachen (die umfangreich aufgezeichnet wurden) wieder und immer wieder über die Würde der Arbeit sprach, und über den unsicheren Wert des Anhäufens persönlichen Reichtums und die drohende Gefahr für die menschliche Gesellschaft, wenn einzelne durch ihr Geld die Hilfsquellen des Gemeinwesens überwachen. Er kannte besser als irgendein Mann die Neigung des Menschen, für sich selbst, und nur für sich selbst alleine zu sorgen. Er wusste, dass Menschen nur wenn sie wahre Liebe zu Gott fühlten, ihren Mitmenschen aufrichtige Liebe geben und versuchen werden einander in Rechtschaffenheit zu helfen, so wie Gott willig ist, allen seinen Kindern beizustehen.“
Brigham Youngs Einstellung zu Frauen und ihrer Arbeit war gerecht und erhebend. In dieser Kirche ist für Frauen kein Minderwertigkeitsgefühl möglich, es sei denn, dass sie sich selbst als minderwertig erweisen. Ihr freier Wille, für sich selbst zu handeln wurde von der Zeit der Gründung der Kirche an beachtet, dass Brigham Young ihre Kraft erkannte, kann man aus vielen seiner Worte und Taten entnehmen.“ (40) ebenda




Das Abraham O. Smoot –Verwaltungsgebäude der Brigham-Young-Universität, Provo Utah


Brigham war ein Anwalt für das Wahlrecht der Frauen (Utah gab 1870 den Frauen das Wahlrecht) Dann zitiert ihn Enkelin Leah D. Widtsoe erneut: 
„Mütter, ihr seid das lebendige Werkzeug in den Händen der göttlichen Vorsehung, das Schicksal der Völker zu bestimmen. Lehrt eure Kinder keinen Krieg gegen irgendjemand zu führen, sondern beständig Frieden zu halten.“ (41) ebenda

Es ist inakzeptables Nasenrümpfen gewisser großkirchlicher Theologen, „Mormonen-Polygamie“ als eine Spielart sexueller Lustbarkeit verrückter Männer darzustellen. Wir leben jedoch nicht mehr im Zeitalter ungerügter Diffamie, die der vermeintlich Bessere und Stärkere gegenüber den Wehrlosen, ausüben darf.
Auch wenn sich die offizielle Kirche Jesu Christi der HLT nicht gegen Übel-darstellungen wehrt, ist dies doch kein Grund dafür, dass ihre Mitglieder schweigend zusehen, wenn Desinformationen verbreitet werden, denn es ist und bleibt unchristlich, „falsches Zeugnis“ zu geben. Überheblichkeit ist ohnehin nicht angebracht. Angesichts des tatsächlichen Zustandes der Familien, innerhalb vieler christlicher Gemeinden, denen nicht wenige unserer Verleumder vorstehen, ist Nachdenklichkeit angesagt.
Brigham Youngs Rechts- und Freiheitsverständnis mag vielen aufgesetzt erscheinen, aber es hat den Vorzug echt zu sein, wie die bewegende Geschichte der Verfolgung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bewies. Quer über den amerikanischen Kontinent wurden ihre Mitglieder getrieben – wegen ihrer  Einstellung zur Mehrehe - ohne sich zu wehren, obwohl sie wehrhaft waren. Da wirkte sich das Buch-Mormonwort aus: 

                        „Das Volk Jesu wurde geschlagen, aber es schlug nicht zurück“ (42) 4. Nephi 34

Im Sommer 1859, als die Spannungen von den in den Felsengebirgen Utahs lebenden Menschen, wegen des Einmarsches der Johnston-Armee, als fast unerträglich empfunden wurden, reiste der 48jährige Herausgeber der New Yorker „Daily Tribune“ Horac Greely, nach Salt Lake City, Utah. Er war schon, obwohl erst ein Mann in den Vierzigern, bereits berühmt. Er wollte unbedingt Brigham Young sehen, den Mann des Westens, den Nachfolger Joseph Smiths, Brigham Young den Polygamisten.
     

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d9/Horace-Greeley-Baker.jpeg
Horac Greely (1811-1872)

 Allein deshalb hatte er sich auf den weiten, nicht ungefährlichen Weg gemacht. Die Begegnung kam zustande. Ihm wurde mitgeteilt, er dürfte fragen was immer er wünschte. Da damals die Sklavenfrage in den USA viele Gemüter beschäftigte wollte Greely wissen, wie Brigham und seine Kirche dazu stünde: 

„Darf man schlussfolgern, dass Utah wenn es Mitglied der Föderation würde, den Status eines Sklavenhalterstaates erhielte?“
Nein!“ erwiderte Präsident Young, wir wären dann ein freier Staat... ich betrachte Sklaverei als einen großen Fluch.“
Wovon wollen dann ihre Priester leben?“
Durch die Arbeit ihrer eigenen Hände, gleich den ersten Aposteln... wir denken, dass ein Mann sein Leben nicht abseits vom Dienst an Christus (Dienst an den Mitmenschen) führen kann, das würde ihn unfähig zum Amt machen... Man sagt, ich sei reich. Gewiss, ich selber betrachte mich als einen Mann der seine viertel Million Dollar wert ist, aber von der Kirche erhielt ich bisher keinen Dollar.“
Greely schrieb in seinem Blatt, er sei überrascht gewesen in Brigham einen Mann zu sehen, der „freimütig und gut verlangt“ schien, „dem Scheinheiligkeit und Großspurigkeit völlig fremd war, der, getrieben von dem Wunsch nichts zu verbergen, offen antwortete.“ (43) „Zwei Stunden mit Brigham Young“ Greely, in Prof. Leonard Arrington „Brigham Young: American Moses“, New York, 1985, Verl. Knopf
Greely fragte Brigham natürlich auch nach der Anzahl seiner Frauen. Präsident Young bestätigte, was alle wussten. Greely fuhr mit der Hand über seinen kahlen Schädel und stellte dann die Frage nach den „Daniten“ jener Selbstschutztruppe die Dr. Avard, ein aus der Kirche ausgeschlossener Missourer ins Leben gerufen hatte, deren Konto eine Anzahl Morde zugerechnet wurden.

Brigham zuckte die Achseln: „Ich höre davon, allerdings nur in den Verleumdungen unserer Feinde.“
Was soll und kann man gegen Verleumdungen tun? Sie sind zählebig. Brigham erwiderte, wenn man ihn fragte, ob er sich nicht wegen seines Rufes sorge: „Es kümmert mich nicht, was die Leute über mich reden, mein Wunsch ist, in den Augen des himmlischen Vaters gut dazustehen.“ Niemand kann Brigham Young bestreiten, dass er intensiv bemüht war, die Freiheit und das dauernde Glück aller, die ihm anvertraut waren, zu sichern.
Sein Ziel war, Zion aufzubauen, eine Kirche, in der es möglichst keine Klassenunterschiede gibt, die dem Schutzbedürftigen ein Dach bietet. Er sah jedoch, wie schwierig es ist, allen Freiheit zuzugestehen und jedem dennoch vor Augen zu führen, dass es seine Menschenpflicht ist, sich um seinen Nächsten zu kümmern. Brigham war schließlich erfolgreich. Ständig hatte er danach getrachtet erleuchtet zu sein. Ohne jede Übertreibung betete er ernsthaft um Führung. Hunderte Ansiedlungen wurden in den Tälern der Felsengebirge nach seinen Weisungen und Ratschlägen errichtet. Geselligkeit und hochrangige Gemeinsamkeit standen für ihn obenan. Auf seinen Rat hin wurde vor dem Tempel in Salt Lake City das dortige Theater errichtet. Diejenigen die seine Geschichte kennen, - selbst Nichtmormonen - lieben ihn.

Tief beeindruckt vom Negativbericht im Buch Mormon, im 4. Buch Nephi, dass die Menschen die sich vom Standard der Kirche Christi entfernt hatten, wieder in Klassen teilten, strebte er danach das zu vermeiden, wenn er konnte. Das ideale Miteinander war sein Hauptziel. Brigham trachtete danach, die Mitglieder der einzelnen Gemeinden zu ermutigen in Genossenschaften zusammen zu arbeiten, - leider nicht sehr erfolgreich. Immerhin, es gab diese Gruppen, die jahrzehntelang, wie später die jüdischen Kibbuzim in Israel, in Gütergemeinschaft zusammen lebten. Die Juden waren konsequenter und deshalb erfolgreicher. Bemerkenswert ist, dass „Mormonen“ und die Kibbuzim-Juden denselben biblischen Idealen folgten. Korrekt ist und bleibt, zu sagen, dass die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht in Klassen geschieden sein sollten. Die jeweiligen Ausgangssituationen bringen es leider mit sich, dass jemand zum erfolgreichen Unternehmer wird und, dass der andere sein Arbeiter ist, der seines Bruders Reichtum mehrt. Es ist eben so. Nicht jeder ist vom Typ und Können her ein Unternehmer auf eigenes Risiko. Und doch: In der Kirche selbst sind sie unterschiedslos. Beide spenden, wenn sie wollen, 10 Prozent ihres Einkommens der Kirche. Das macht sie zu Gleichen. Soweit der Einfluss der Kirche reicht spielen die, außerhalb ihres Bereiches tatsächlich vorhandenen Klassen-unterschiede, keine Rolle. Allein der Wunsch zu dienen sowie die persönliche Würdigkeit einer Person entscheidet darüber wer eine Gemeinde leitet. Es kann ein schlichter Maurer sein, der diese Berufung erhält und sein Berater (Ratgeber) ein Multimillionär. Die Entscheidung, wer über eine Gemeinde präsidiert, trifft ein Gremium von drei ehrenamtlich arbeitenden Hohepriestern, dessen Präsident wiederum ein kleiner Angestellter sein kann, während seine beiden Ratgeber ihm im Alltag vorstehen könnten. (So ist die sogenannte „Pfahlpräsidentschaft“ aufgebaut, deren Aufgabe darin besteht  sechs bis zehn Gemeinden vorzustehen und ihre Aktiven zu unterstützen) Von Beginn dieser Kirche an richtete sich ihr Augenmerk darauf, an die Stelle von traditioneller Frömmigkeit, die Grundsätze der Rechtschaffenheit, also der Toleranz und der Bildung aller obenan zu stellen. Das belegen die Schicksale ihrer Mitglieder.

Obwohl wegen seines Lebens als „Polygamist“ von vielen verachtet, liebte Brigham Young Geradlinigkeit und Vernunft.
Brighams Religion lässt sich wie folgt beschreiben:
Gott, unser aller Vater will uns unendlich fördern. Es gibt keine Grenze für geistiges Wachstum. Wenn wir die von Gott gesetzten Bedingungen erfüllen und wünschen, das zu erreichen, was für uns vorgesehen wurde, dann können wir selbst, nach dem irdischen Tod! Götter (Schöpfer) werden. Kritiker wissen selten, dass die Ersten Christen nachweislich ebenfalls an die Möglichkeit ihrer „Vergottung“ glaubten. 

Sehr wohl waren wir bereits in der Präexistenz Wesen unterschiedlichen Geschlechtes, eben gleich Adam, Männer oder wie Eva, Frauen.
Sexualtität innerhalb der Ehe ist keine Sünde.
Die ewige Geschlechtlichkeit des unsterblichen Geistes gestattet ‚Mormonen’ zu glauben, dass es
im Bereich des Möglichen liegt, eine buchstäblich ewige Ehe zu führen, mit eigenen Geistkindern (womit ein neuer Ewigkeitskreis beginnen würde).
So macht die schon erwähnte ebenfalls urchristliche Vergottungslehre erst Sinn. Sogar Martin Luther sprach  von der Deifikation.
Schon in der Anfangszeit bevor gelebte Mehrehe zunehmend Lebensgefahr über die Betreffenden brachte, hassten die Gospelprediger diese ganz andere Kirche, in der man dienen sollte, ohne dafür entlohnt zu werden.
Wenn es wahr ist - und eben dies glauben die Mitglieder der Kirche - dass Gott wirklich für eine gewisse Dauer die Mehrehe wünschte und anordnete, dann wird er den Frauen, die das Opfer, den Ehemann mit einer anderen Frau zu teilen, auf sich nahmen oder nehmen sollten, aller natürlichen Neigung zum Trotz, von Zeit zu Zeit, den Verlust ausgleichende Glücksgefühle gegeben haben.
Anders ist nicht zu erklären, dass nach dem Einmarsch der Johnston-Armee, 1858, in Utah, keine Frau aus irgendeinem Großfamilienverband ausstieg und den angebotenen militärischen Schutz beanspruchte.

Zur Erklärung:
Die amerikanische Regierung unter Präsident Buchanan hatte 1857 beschlossen jede Form und Praxis von Polygamie zu beenden und den „zivilen Ungehorsam“ der, in den Felsengebirge siedelnden „Mormonen“ zu brechen. Der Senat stimmte seinem militärischen Plan zu.



US-Präsident Buchanan

Eine 3 000 Männer umfassende Truppe, die Johnston-Armee wurde in Marsch gesetzt.
Brigham Young stellte, als von dieser Aktion hörte, die Selbstschutzgruppe „Nauvoo-Legion“ wieder her. (44)

Nachdem die Mormonen,1839, aus Missouri vertrieben worden waren, empfahl ihnen die Regierung von Illinois eine Truppe zur Selbstverteidigung aufzustellen. Als allerdings die Zeit gekommen zu sein schien, sich gegen die Vertreibung aus ihrer (Haupt-) stadt zu stemmen, geschah nichts. Sie ließen sich jagen, und zwar mitten im Winter ins Niemandsland hinein.

Die Nauvoo- Legion  wurde nie zum Kampf eingesetzt, sondern sie trat in Erscheinung um zu bluffen. 
Demgemäß lautete Brighams Weisung: „Tötet keine Menschen“. Wiederholt wurden Truppenteile der als Feinde einmarschierenden Johnston-Armee inmitten der Bergregionen eingeschlossen. Doch niemand wurde verletzt, sondern die Armeeteile wurden, als äußerste Maßnahme, ununterbrochen durch Lärm und Scheingefechte beunruhigt.
Immerhin spielte die unbedingt auf Frieden und Wahrhaftigkeit ausgerichtete Religion der „Mormonen“ die entscheidende Rolle. Lieber wollten die Mitglieder der Kirche ihre eigenen Heime niederbrennen, als Blutschuld auf sich laden.
Als die Johnston-Armee ihre Übermacht unter Beweis stellte, blieb die erwartete „Massenflucht“ von angeblich erniedrigten und beleidigten Opfern polygamer Ehen aus. Danach setzte ein Kampf auf der Ebene von neuen Gesetzen ein. Die Kirche wurde praktisch entrechtet. Ihr Ziel im Westen Amerikas einen eigenen Staat - Deseret - aufzubauen konnte nur zum Teil verwirklicht werden.


Den hetzenden Geistlichen war durchaus nicht bewusst, dass es auch in der Urkirche Christi ungerügte Mehrehen gegeben hatte:
… „Tertullian hebt hervor, dass die Katholiken das Gesetz der Monogamie nicht auf alle Christen ausdehnten, sondern nach dem Wortlaut der Pastoralbriefe auf die Hierarchie beschränkten... dass man Bigamie in den Ämtern duldete, obwohl ... dies nach der Ordination an den Tag gekommen war.
Hippolyt (Bischof in Rom um 220) berichtet ausdrücklich, zu seiner Zeit, also wohl mit seiner Billigung seien zuerst Bischöfe, Priester und Diakonen, auch wenn sie mehre Male (polygam) geheiratet hätten, in ihre betreffenden Ämter eingesetzt worden waren.“ . (45) Dr. Langen “Die römische Kirche” 1881, im Internet vollständig abrufbar

In erster Linie sind es Missverständnisse, die zur brüsken Ablehnung der Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage führten. Außer Christus selbst ist Mormonen nichts so wichtig wie die heile Familie. Tatsächlich ehrt diese Kirche die Frauen, sie sorgt sich um das Glück ihrer Mitglieder.
   
Handwagenkarren, Skulptur auf dem Tempelplatz in Salt-Lake-City

     
Mitglieder der Familie Joseph F. Smith's sowie die Familien seiner Söhne und Töchter um 1900
Noch einmal gesagt, im alten Israel und in der originalen Kirche galt Polygamie nicht als grundsätzlich verboten. In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gilt Ehebruch als Kapitalverbrechen. 
Sei sie polygam gewesen oder monogam ausgerichtet, in der Ehe eines Mormonen steht die Frau im Zentrum und erhöht. Der Ehemann ist ihr Beschützer.
Bildhauer Avard Fairbanks, damals Präsident einer Mormonengemeinde, gab diesem Ideal Ausdruck, mit dieser künstlerischen Gestaltung.





Freitag, 21. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen - 1.3 Erlaubte Polygamie (3) G. Skibbe


1.3 Erlaubte Polygamie

Vereinfacht gesagt. In der Polygamie geht es vorrangig um Kinder, Vielweiberei bedeutet das Sex im Vordergrund steht. Vielweiberei (Vielmännerei) ohne Trauschein ist häufig. Es gab jüdische Polygamie, zumindest im aschkenasischen Judentum, bis ins Jahr 1000 n. Chr. Wurde eine jüdische Familie zum Christentum bekehrt, erwartete niemand, dass er eine seiner Frauen verstieß. Paulus, ohnehin kein großer Befürworter der Ehe überhaupt, forderte nur, dass ein Bischof – einer der einer Gemeinde vorstand – in monogamer Beziehung steht:
„Es soll aber ein Bischof unsträflich sein, eines Weibes Mann…“ (27) 1. Tim. 3: 2
Der katholische Lehrbeauftragte am Institut für Philosophie der Universität Dr. Ludwig Neidhardt verweist auf    
1. Kor 7,29 („die Zeit ist knapp bemessen, künf­tig sollen diejenigen, die Frauen haben, so sein wie diejenigen, die keine haben“) der Ausdruck „Frau­en haben“ (statt „eine Frau haben“) andeuten, dass damals Polygamie noch im Rahmen des Denk­ba­ren lag.“ (28)„Ehescheidung in der Schrift und in der katholischen Theologie“
In Sachen Politik und Theologie meint nahezu jeder an deren Themen Interessierte, er sei gescheiter als die meisten anderen. Die Normalforderung der Vernunft, niemand möge die Prinzipien der Logik, der Wahrhaftigkeit und des Humanen verletzen wird dabei zu oft ignoriert. Im Klartext oder umschrieben heißt es immer noch  Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hätten sich zu schämen, weil es in der Frühzeit der Geschichte ihrer Kirche polygame Ehen gab. Selbst höherrangige Journalisten prangern das Verständnis der damaligen Mormonen an und die angebliche „Schande“ ruhe immer noch auf den Schultern heutiger Mitglieder dieser Gemeinschaft.

Als der Mormone Mit Romney 2012 ins Rennen gegen Barack Obama konnte man auch in seriösen deutschen Presseartikeln lesen: „Gegen Romney spricht, dass sein Urgroßvater Vielweiberei praktizierte“  www. Welt.de schrieb damals:

 

„US - Wahlkampf „Vielweiberei könnte Romney gefährlich werden.“

Niemand außer aktiven Mormonen empfindet solche Schlagzeile als diskriminierend. Unter den zahlreichen Anklägern sind solche die es in stillen Kämmerchen ihrer Hirnwindungen für selbstverständlich halten oder hielten „gute Gelegenheiten“ für eine Affäre zu nutzen und die zugleich auf mormonische Polygamie herabzusehen. Dass bei Wahrnehmung „guter Gelegenheiten“ zu oft Versprechen gebrochen werden scheint nur eine Nebenrolle zu spielen, obwohl jeder das geradezu geflügelte Wort wenigstens sinngemäß kennt: Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen.
Es mag Ausnahmen geben, aber wenn eine polygame Beziehung geknüpft wird, sind es vorerst die Beteiligten die da mitzureden haben.  Sie sind mündig, auch wenn das gelegentlich übersehen wird.
„JA, aber…“  erwidern nicht wenige selbsternannte Richter, insbesondere evangelische Pfarrer: „Polygamie und Christentum schließen einander aus.“
Ist das so?  Man kann nur hoffen, dass es üble Nachrede sei: katholische und evangelische Pfarrer würden lediglich in eine andere Pfarre versetzt, nachdem sie das biblische Keuschheitsgebot gebrochen haben, dass sie auch nach Kindsmissbrauch der nicht öffentlich wurde, dem zuständigen Vorgesetzten jedoch bekannt ist, allenfalls versetzt werden, statt ihres Amtes enthoben. Sollte es auch nur annähernd wahr sein, wäre es angebracht zu bedenken, dass Jesus mahnte: Meidet die Heuchelei.
Eine evangelische Stimme sagt:
Historisch gesehen - so behaupteten die Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis ins frühe Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. Erst in der weiteren Kulturentwicklung monopolisierte sich die Einehe als Ideal und dann seit der Romantik auch als soziale Wirklichkeit heraus. Auch mit der "ehelichen Treue" ist es, zumindest historisch gesehen, nicht allzu weit her. Außereheliche Beziehungen galten bis weit in die Neuzeit hinein auch in der öffentlichen Meinung durchaus als normal und sie waren zumindest bis zum 17. Jahrhundert im Adel ein allgemeines Ideal; Mätressen waren teilweise hoch angesehen und einflussreich.“ (29)  „Eine kurze Kulturgeschichte der Ehe.“ Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik 2016  

Historisch gesehen - so behaupteten die Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis ins frühe Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. …
Sowenig wie Liebe und Sexualität gehörten für Luther weder Treue noch Monogamie zur Ehe. Was die Treue betrifft so finden wir bei Luther z. B. den Hinweis, dass wenn die ehelichen Pflichten durch “ein halsstarrig Weib” verweigert werden, der Seitensprung legitim sei. Gleiches gilt für die Frauen, die zu ihrem Mann sagen können: “Lieber Mann, du hast mich um meinen jungen Leib betrogen, vergönne mir, daß ich mit deinem Bruder oder besten Freund eine heimliche Ehe habe.”(Zit. nach Beuys, a.a.O., S. 227) Und hinsichtlich der Forderung nach absoluter Monogamie konstatierte Luther, dass es besser sei, eine Bigamie oder Polygamie einzugehen als sich scheiden zu lassen; hier beruft sich Luther auf das Alte Testament (Vgl. W. Molinski, Theologie der Ehe in der Geschichte, S. 150f)  (30) G. Lämmermann „Hochzeitsnacht und Traualtar - Die Ehe im Wandel ihrer Geschichte“ Uni Augsburg

Billy Graham wird eine Stellungnahme zugeschrieben die erstaunlich wäre:
"Das Christentum kann sich der Frage nach der Polygamie nicht entziehen. Wenn das heutige Christentum dies dennoch tut, so ist dies zu seinem eigenen Nachteil und Schaden. Der Islam hat die Mehrehe als Lösung sozialer Missstände erlaubt und der menschlichen Natur Raum zur Entfaltung zu gestanden, allerdings nur streng innerhalb der gesetzlich bestimmten Rahmenbedingungen. Christliche Länder sind mächtig stolz auf ihre Monogamie, aber praktisch sind sie Polygamisten. Niemand ist sich der Rolle bewusst, welche diese Abirrung in den westlichen Gesellschaften spielt. In dieser Beziehung ist der Islam eine grundehrliche Religion, und erlaubt einem Muslim eine zweite Frau zu heiraten, wenn er muss, doch verbietet strikt alle geheimen amourösen Liebesbeziehungen, um die moralische Verlässlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten."   (31) Abdul Rahman Doi, Woman in Shari'ah, London: Ta-Ha Publishers, 1994
Arthur Schopenhauer sagt:
„In Völkern, wo die Mehr-Ehe legal ist, wird es praktisch allen Frauen ermöglicht, zu einem Mann, Kindern und einem richtigen Familienleben zu kommen, was ihren seelischen Bedürfnissen entgegenkommt und ihre fraulichen Instinkte befriedigt. Unglücklicherweise haben die Kirchengesetze die Mehr-Ehe in Europa nicht gestattet und viele Frauen einem einsamen Altjungfernleben überlassen. Manche starben unbefriedigt; manche wurden von ihren heiligen Wünschen oder durch die Not, ihren Unterhalt zu verdienen, in die Unmoral getrieben; manche gingen mit schweren Skrupeln und gebrochenen Herzen zugrunde. Auch kann ich nicht verstehen, nachdem ich viel Nachdenken darauf verwendet habe, warum ein Mann, dessen Frau chronisch und unheilbar erkrankt ist, sich als unfruchtbar erweist oder kein lebendes Kind zur Welt bringen kann, nicht eine zweite Frau neben der ersten nehmen sollte. Die Antwort darauf liegt bei der Kirche. Leider hat sie keine. Gute Gesetze sind solche, die ein glückliches Leben gewährleisten, wenn man sie befolgt; nicht solche, die die Menschen unglücklich machen oder ihnen an Händen und Füßen Fesseln unnötiger Sklaverei anlegen oder die Menschen anstacheln, sie zu missachten und sich so in das entgegengesetzte Extrem der Verwahrlosung, Prostitution oder anderer Laster zu Stützen.“ (32) „Einige Worte über die Frauen

Solche Betrachtungsweise gibt Joseph Smith Recht. Bereits wo der Begriff „Mormone“ auftaucht, da ist das Gespenst „Vielweiberei“ nicht weit, dass jedoch ausgerechnet das Buch Mormon, Vielweiberei ein für alle Mal kategorisch verbietet, ist allgemein unbekannt.
Jakob, einer der Söhne Lehis und Bruder Nephis erklärt, warum er inspiriert wurde zu sagen: „David und Salomo hatten wahrhaftig viele Frauen und Nebenfrauen, und das war ein Greuel vor mir spricht der Herr. Darum, so spricht der Herr, habe ich dieses Volk aus dem Land Jerusalem weggeführt, durch die Macht meines Armes, dass ich mir aus der Frucht der Lenden Josephs einen rechtschaffenen Zweig erwecke. Darum werde ich, der Herr Gott, nicht zulassen, dass dieses Volk es denen in alter Zeit gleichtut... kein Mann unter euch, soll mehr als nur eine Frau haben, und Nebenfrauen soll er keine haben, denn ich der Herr erfreue mich an der Keuschheit der Frauen. Hurerei ist ein Gräuel vor mir...“ (33) Buch Mormon, Jakob 2: 24-28

Die naheliegende Frage lautet: und warum hielten sich die Mitglieder, insbesondere die leitenden Männer und Frauen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht an dieses Gebot? Wahrscheinlich lebten um 1858 mehr als 15 % der erwachsenen Mitglieder polygam, allen voran Brigham Young mit 26 Frauen.

Die überaus einleuchtende Erklärung für diese Paradoxie, ist dem folgenden, dem 30. Vers aus Jakob geschuldet: 
„Denn wenn ich, der Herr der Heerscharen, mir Nachkommen erwecken will, so werde ich es meinem Volk gebieten, sonst aber soll es auf diese Worte hören.“


Hören wir noch einmal hin: „Wenn der Herr der Heerscharen, sich Nachkommen erwecken will, so wird er es seinem Volk gebieten“ - und eben das geschah, sagen wir „Mormonen“. Doch von dieser Ausnahme abgesehen, lautet die Regel innerhalb der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzte Tage ungebrochen: „ein Mann eine Frau“.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen (2) G. Skibbe

1.2. Ist Jesus Christus der große ICH BIN?

Nicht immer identifizieren nachnicänische Christen Jesus als den Gott des Alten Testaments, Jehova, der von sich sagte: ICH BIN der ich bin! Obwohl das Nicänum diesen Schluss geradezu erzwingt.

 „… So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, der Heilige Geist Gott. Und doch sind es nicht drei Götter, sondern ein Gott… Denn wie uns die christliche Wahrheit zwingt, jede Person einzeln für sich als Gott und als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der allgemeine Glaube, von drei Göttern oder Herren zu sprechen… Dies ist der katholische Glaube. Jeder, der ihn nicht aufrichtig und fest glaubt, kann nicht selig werden.“  (15) Das Athanasianische Bekenntnis (hier nur der auf den strittigen Kern reduzierte Text)
Kurz gesagt, das Nicänum – formuliert im Athanasianischen Glaubensbekenntnis - ist das Ergebnis des 1. Ökumenischen Konzils zu Nicäa, 325. (Siehe unter 4.) Ein junger Mann namens Athanasius (296-373), Diakon seines Bischofs Alexander von Alexandria vertrat schon seit längerem die Meinung! es sei falsch zu glauben, dass der Vater und Jesu Christi zwei voneinander getrennte Götter sind, - zwei Hypostasen -,   folglich kann der Sohn dem Vater nicht nachgeordnet sein, obwohl dies fast alle Christen so glaubten. 
Prof. Hans Küng bestätigt diesen Fakt:
„Konstantin selber lässt das nachher so sehr umstrittene unbiblische Wort wesensgleich griech. Homousios lat. ‚consubstatialis einfügen... Die Unterordnung des Sohnes unter den einen Gott und Vater (der Gott) , wie von Origenes und den Theologen der Vorzeit allgemein gelehrt, wird jetzt ersetzt durch eine wesenhafte, substantielle Gleichheit des Sohnes mit dem Vater“ (16)  „Kleine Geschichte der katholischen Kirche“: 

Das war Abweichung, Häresie. Athanasius,  dieser kleine dunkelhäutige Wortgewaltige ist der Häretiker, nicht Arius, der bemüht war die Lehrtradition der Kirche zu bewahren, wenn auch vergeblich, denn Athanasius stand in der Gunst Kaiser Konstantins, der ohnehin zum  Monotheismus neigte (eigentlich dachte er henotheistisch, die Götter wohnten in ihm). Konstantin entsprach dem Mode-Trend des heidnischen Rom. Diese Betrachtungsweise korrespondierte in gewisser Weise mit dem 1. der 10 Gebote Mose:
„ICH BIN der Herr dein Gott, … du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ (17) Exodus 20: 2
Da gab es scheinbar keinen Raum für „ein personales Sein“ des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Moderne Forschung sieht das anders:
Irenäus stellt das Gottsein von Sohn und Geist klar heraus, „beiden kommt ein personales Sein zu, da sie gemeinsam mit dem Vater handeln.“  (18) „Die vornizänische Theologie“, 2009, Uni-Bonn

Einer ist der Gottvater aller, der auch der Gott unseres Gottes ist... Christus ist wohl Gott, aber er ist dem Vater unterordnet.“.... (19) Gert Haendler „Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200“ Vandenhoeck & Ruprecht, 1993

Der zuverlässigste Überlieferer urchristlicher Lehren, Origenes (185-254) verwies auf dieses Hauptelement des eigentlichen Christentums: 
„... Manche schätzen nicht, was wir sagten, indem wir den Vater als den einen wahren Gott hinstellten und zugaben, dass andere Wesen neben dem wahren Gott Götter werden konnten, indem sie an Gott teilhatten.“ (20) Origenes Kommentar zu Joh.: 2:3 bei Wikipedia unter Arianismus 
 
Sobald klar ist, dass Jesus dieser große ICH BIN ist (auch weil der Vater seinen Namen auf den Sohn gelegt hat,) heben sich die Widersprüche auf. Konstantin indessen bestand darauf, das Christentum habe monotheistisch zu sein. Er entschied.
Die Union der europäischen Konferenzen der höheren Ordensoberen/innen wagte es sich dieser Tatsache zu stellen und schrieb 2007 im Internet: 

„Als die Heiden nach einem Gedanken der Einzigartigkeit der Götter suchten, dachten sie nicht an Zeus, sondern an Apollo. Der einzige Gott der gebildeten und fast monotheistischen Heiden, gerade vor dem Aufkommen des Christentums, war Phebus Apollo oder Sol, der das Leben auf Erden spendende Gott. Aurelian führte einen Versuch eines solchen heidnischen Monotheismus ein (während Konstantin den christlichen Monotheismus einsetzen wird) mit Sol Invictus („die unbesiegte Sonne“) und Mithra bei den Soldaten, um spirituell dem Wedismus der Perser entgegenzuwirken. Aurelian wünschte, dass die Römer eine gleiche Religion hätten...“  (21)  www.ucesm.net/ucesm_de/italie _religions_de, 2008 im Internet nicht mehr auffindbar. 

James E. Talmage Mitglied des Rates der Zwölf der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verweist auf den Anspruch Christi er sei der vorirdische ICH BIN, des Alte Testaments

“Even more impressive and yet more truly conclusive are the personal testimonies of the Savior as to His own pre-existent life and the mission among men to which He had been appointed. No one who accepts Jesus as the Messiah can consistently reject these evidences of His eternal nature. When, on a certain occasion, the Jews in the synagogue disputed among themselves and murmured because of their failure to understand aright His doctrine concerning Himself, especially as touching His relationship with the Father, Jesus said unto them: "For I came down from heaven, not to do mine own will, but the will of him that sent me." And then, continuing the lesson based upon the contrast between the manna with which their fathers had been fed in the wilderness and the bread of life which He had to offer, He added: "I am the living bread which came down from heaven," and again declared "the living Father hath sent me." Not a few of the disciples failed to comprehend His teachings; and their complaints drew from Him these words: "Doth this offend you? What and if ye shall see the Son of man ascend up where he was before?"
To certain wicked Jews, wrapped in the mantle of racial pride, boastful of their descent through the lineage of Abraham, and seeking to excuse their sins through an unwarranted use of the great patriarch's name, our Lord thus proclaimed His own pre-eminence: "Verily, verily, I say unto you, Before Abraham was, I am."...Da hoben sie Steine auf um sie auf ihn zu werfen“ (22) "Jesus The Christ"
Du der Zimmermanns Sohn bist Gott? Das sei Gotteslästerung. Deshalb wurde er letztlich gekreuzigt, nicht weil er gegen Rom stand, nicht weil er ein Revolutionär üblicher Couleur war. Jesus hatte den Pharisäern, auf die Frage wer er sei, wiederholt geantwortet:
„... ICH BIN von keinem Dämon besessen, sondern ehre meinen Vater... ICH BIN nicht auf meine Ehre bedacht... (23)  Joh. 8:
Die Pharisäer, die Jesus in der Nacht verhafteten, fielen fast in Ohnmacht, als er erneut bekannte: ICH BIN es! 
  „Auch Judas, der Verräter stand bei ihnen. Als Jesus wiederholte: Ich bin es! wichen sie zurück und stürzten zu Boden und er fragte sie  abermals: Wen sucht ihr? Sie sagten: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ICH es BIN.“ (24) Joh. 18 
Joseph Smith wurde es offenbart:
„Jehova, der Gott des Alten Testaments, ist Jesus Christus, der große ICH BIN.“ (25) Lehre und Bündnisse 29:1 

Selbst Joh. Adam Moehler, ein röm. kath. Theologe von Rang der sonderbarerweise Athanasius verteidigt verstand es:

Der Sohn ist nach Justin weder bloßer Mensch, noch eine unpersönliche Kraft Gottes, sondern der Zahl nach ein anderer. Er ist Gottes Sohn im eigentlichen Sinne. Er hat zu Moses aus dem Dornenbusch gesprochen: ‚Ich bin, der ich bin, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“... Apol. J. C. 65... Er ist der Jehova des Alten Testaments, der Allmächtige.“ (26) Joh. Adam Moehler „Athanasius der Große und die Kirche in seiner Zeit“ Mainz, 1844

Eben diese Basislehre des Urchristentums, Christus  - „Gottes Sohn im eigentlichen Sinne“ - sei zwar Gott, aber dem wahren Gott nachgeordnet, missfiel dem Urvater der Orthodoxie, Konstantin.
Nachgeordnet wollte er nicht sein, er der Kaiser aller, der der Christus sein wollte - (Prof. Clauss). 

Dienstag, 18. Oktober 2016

Geschichtskritische Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Mormonen (1) G. Skibbe


Täter und Opfer im Prozess der Konstantinisierung der Kirche

Zusammenfassung: Gegen das Grundgesetz der Alten Kirche errang die Kirche Konstantins  die Vormacht zum Nachteil hunderter Millionen

1.     Das erste Jahrhundert
1.1  Christi Prinzipien
1.2  Ist Jesus Christus der große ICH BIN?
1.3  Erlaubte Mehrehen
1.4 Gebotene Mehrehen im 19. Jahrhundert
1.5 Unnötige Kontroversen zwischen Paulus und Petrus

1.6 Die „Gemeinsame Erklärung der Evangelischen und Katholischen Kirche von 1999

2.      Zweites Jahrhundert
2.1   Organisationsformen der Frühen Kirche
2.2  Heutige kirchliche Strukturen

3.      Drittes Jahrhundert
3.1  Hippolyt und Origenes (185-254) sowie Ambrosius von Mailand (337-397)  ihr späterer Gegenspieler 
3.2  Verfolgungen
      3.2.1        Christen streiten gegeneinander

4.      Viertes Jahrhundert
4.1  Konstantin und sein diokletianisches Ideengut
4.2  Das erste ökumenische Konzil zu Nicäa warf lange Schatten auf die antike Welt
4.3  Heiden und Christen verehren Konstantin
4.4 Christen verfolgen Christen
      4.4.1        Ursinus und Damasus von Rom
      4.4.2        Ambrosius von Mailand
      4.4.3        Kaiserberater Ambrosius Todfeind des Arianismus und der Goten
      4.5.4        Das authentische Glaubensbekenntnis der arianischen Goten
      4.6.5        Bischof Priscillian von Avila

5.      Fünftes Jahrhundert
5.1  Cyrill vom Alexandria contra Nestorius von Konstantinopel
5.2  Cyrill erhebt 431 das Kreuz in den Rang eines christlichen Symbols
6.      Sechstes Jahrhundert
6.1  Kaiser Justinian I. Vollender der konstantinischen Reichs- und Kirchenidee
6.2  Papst Gregor I. Haupt der Reichskirche
7.      Die Jahrhunderte der Verlorenheit
8.      Wladimir I.
9.      Endlose Kreuzzüge, Inquisitoren und die Promotoren innerkirchlicher Verkommenheit
10.  Hus und Luther
11.  Heinrich VIII. Vater der Kirche von England
12.  Iwan IV.
13.  Die endlos streitende untereinander kriegführende Christenheit
14.  Die Dissidentersekten und Joseph Smith




Zusammenfassung
Im Jahr 325 existierte eine Anzahl christlich-gnostischer Gruppen die sich der in gewissen Glaubensfragen uneinigen Frühen Kirche, immer noch zugehörig fühlten. Sie umfasste außer einer Reihe von Hausvermsamlungen etwa 2000 jeweils von ehrenamtlich arbeitenden Bischöfen geleitete, überwiegend sehr kleine Gemeinden. (1)
    
Hertling, „Geschichte der Katholischen Kirche bis 1740“ Morus-Verlag, Berlin:„...Manche Bischofsstädte (um das Jahr 400) hatten nur eine einzige Kirche, und diese besaß die Maße einer bescheidenen Dorfkirche...

Konstantin und einige durchaus gutwillige Kollaborateure  sollten in diesem Jahr, auf dem Sommersitz des Imperators zu Nicäa die „Reichskirche“ als staatliche Institution ins Leben rufen. Ihre und des Kaisers Absicht war, innerkirchliche Differenzen beizulegen. Konstantin meinte von Anfang an er habe ein Machtwort in Sachen Einheit der Kirche reden. Auf dem 1.ökumenischen Konzil erschien er strahlend wie der Gott seines Vaters gekleidet, Sol Invictus. Die 220 anwesenden Bischöfe (elf Prozent der Eingeladenen) erstarrten vor Ehrfurcht. Auch deshalb geschah was der Kaiser wünschte, obwohl er kein Christ war und so gut wie keine Ahnung von christlicher Theologie hatte. Stattdessen verfügte dieser stahlharte Mann über einen Machtapparat ohnegleichen. Letztlich wünschte er der Gott aller zu werden. Diesem geheimen, doch erkennbaren Sonderanliegen widerstrebten die Bischöfe. Schließlich nötigte er ihnen sein Konzept auf.  (2) 
 Heinz Kraft, Habilitationsschrift „Konstantins religiöse Entwicklung“ Heidelberg - Uni Greifswald, 1954 „In Nicäa (325) … befolgte die Kirche (d.h. die dem politischen Druck ausgesetzten Bischöfe G.Sk.) die Wünsche Konstantins, obwohl sie sie nicht billigte... Eben so wenig, wie Konstantin Christus erwähnt, ist die Kirche auf Christus bezogen...“

Seither beansprucht die „Kirche“ Konstantins autoritär, aber illegitim, die Repräsentantin  der Gesamtkirche zu sein.  Sie verkündete christliche Wahrheiten, sowie geschickt eingebettet in diesen Goldrahmen, Spekulationen über des Wesen Gottes. Diese hätten fortan als absolut wahr zu gelten. Zur Rechtfertigung des Paradigmenwechsels wird kirchlicherseits erklärt: feierlich gefasste Beschlüsse eines Konzils könnten nicht falsch sein. Den intensiv mitdenkenden Mitgliedern der Kirche erschien solche Definition als Anmaßung. Fremdes Glaubensgut würde ihnen zugemutet. (3). 

A. von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ A. von Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ „Die große Neuerung, (nämlich das Athanasium G.Sk.) die Erhebung zweier unbiblischer Ausdrücke“ (Vater, Sohn und Heiliger Geist sind „unius substantiae“ G.Sk.) zu Stichworten des Katholischen Glaubens sicherte die Eigenart dieses Glaubens... Im Grunde war nicht nur Arius abgewiesen, sondern auch Origenes...“ A, von Harnack sagt auch, dass „die Kirche (fortan) die Last einer ihr fremden Glaubensformel tragen musste“ 

Zunächst standen den etwa 400 000 Mitgliedern der Urkirche mit ihren individuell erworbenen Glaubensüberzeugungen nur eine handvoll Unterstützer der Ideen Konstantins entgegen. Bald jedoch zog die Neuschöpfung Konstantins alle an, die nach Privilegien und Sicherheit trachteten. So wurden Erstere zur Minderheit. Im Verlaufe des 4. Jahrhunderts entschieden Staatsdekrete gewaltsam den innerkirchlichen Glaubenskampf.  Die ecclesia militans kam hervor, die bald beanspruchte die ecclesia triumphans zu sein. Die Resultate der Geschichtsforschung ermöglichen uns einen deutlicheren Blick auf die Umstände zu werfen, die zur Entstehung und Weiterentwicklung einer ganz anders gearteten Kirche führten.


Einführung
Forschungsergebnisse fordern, wegen der verheerenden Folgen der Entfaltung der Kirche Konstantins, zumindest indirekt, dass mit den Begriffen ‚Geschichte des Christentums’ nur die Zeit und die Geschichte der Frühkirche vor etwa dem 3. Jahrhundert beschrieben werden dürfte, obwohl es zu allen Zeiten überall hervorragende Christen gab. Mit der Etablierung der Reichskirche begann die Leidenszeit derer, die nicht akzeptieren konnten, dass drei gleich eins ist. Für die meisten Altmitglieder galt nach wie vor, dass Gott Vater und Gott Sohn, sowie der Heilige Geist voneinander getrennte Götter sind. Sie seien Anhänger des Ketzers Arius (256-336) hieß es darauf hin. Sie leugneten die Gottheit Christi. Dieser Behauptung widerspricht jedoch das authentische Bekenntnis des arianischen Gotenbischofs Wulfila, um 360, entschieden:

 „Jesus ist der „filius unigenitus, Dominus et noster... wir glauben an Gott den Vater und an seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn und Gott, Werkmeister und Bildner der gesamten Kreatur, der seinesgleichen nicht hat.“ 

Die urkirchlich Glaubenden betonten, dass damit die Stellung des „allein wahren Gottes“ keineswegs in Frage gestellt würde.  Den angeblich Rechtgläubigen – den „Orthodoxen“ – gefiel das nicht.  Ur- und Reichskirche verhielten sich fortan zueinander wie viel Feuer und wenig Wasser. Sich gegen das „orthodoxe“  Diktat zu stellen wurde lebensgefährlich Gegenwärtig wird intensiv in Frage gestellt, dass Arius Ketzer war.  Rufmord sei es gewesen. Thomas Hägg bestätigt das:
 "der Erzketzer Arius ist Traditionalist. Er steht fest auf dem Boden der kirchlichen Lehrtradition." (4) "Kirchen und Ketzer" 2004 mit Unterstützung des norwegischen Forschungsbeirates für Klassische Philologie und Religionswissenschaft, Uni Bergen

Das gegen den Arianismus und damit gegen die Urkirche zielende Gesetzesungeheuer „Cunctos populos“ vom 27. Februar 380 formulierte in Wahrheit die Widerrufung des Toleranzediktes Kaiser Galerius von 311, sowie des Reskripts der Kaiser Konstantin und Licinius von 313. Zumindest mit Billigung des Ambrosius von Mailand geschrieben und veröffentlicht, richtete es sich nicht nur gegen die origenistisch-arianisch glaubenden Mitglieder der Kirche, sondern auch gegen die Paganen, sowie gegen Manichäer, Mandäer uva. Es zerschmetterte Christi Proklamation der Freiheit. (5) Lukas 4: „Ich bin gekommen den Gefangenen die Freiheit zu bringen…“
    
Überzeugungen die sich nicht mit den Absichten des Ambrosius und dann mit einigen Kuriositäten des Augustinus von Hippo (Erbsünde, Prädestination, Compelle intrare) deckten, wurden als „häretisch“ gebrandmarkt. Aufsehenerregend ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Ana Maria C.M. Jorge “The Lusitanian Episcopate in the 4th Century. - Priscilian of Ávila and the Tensions Between Bishops”. Sie bringt es auf den Punkt. Der 385 in Deutschland, Trier, geköpfte arianische Bischof Priscillian hatte gewagt, sich gegen den heftig voranschreitenden Prozess der Konstantinisierung der Kirche zu stemmen. 

1.)    Das erste Jahrhundert
1.1 Christi Prinzipien
Da steht er, auf einem Felsvorsprung, etwa dreißigjährig, der hellhäutige Zimmermannssohn vor einer größeren Menge Hörer, die er durch sein Wesen anzieht. Er bekräftigt seine Prinzipien die ihnen durchaus nicht fremd sind. Es sind Sätze die er, der präexistierende Jesus, der Jehova des Alten Testaments, schon den Vorgängern der alten Ägypter offenbart hatte. Sie hängen an seinen Lippen, wegen der Kombinationen die er ihnen mit seiner Gesamtaussage bietet. Sie mögen ihn, eben weil er nicht wie ein wichtigtuerischer Volksredner auftritt, sondern eher bescheiden. Sie mögen ihn, den eigentlich Unauffälligen. Sie  haben es einander im Austausch früherer Gespräche mitgeteilt. Dieser Mann hat ein Programm von immerwährender Bedeutung und Gültigkeit. Das ist viel mehr als die Schriftgelehrten bislang sagen konnten.  Er spricht vom einzig gangbaren  Weg zu zeitlicher und ewiger Glückseligkeit, die man, wie er stets betont, bereits diesseits selbst unter widrigsten Umständen erlangen kann.  Es ist das bleibende Gefühl von der Gottesnähe, nach dem sie zuerst und unentwegt trachten sollen. Das ist das Neue.
Selbst in Knechtschaft und Krankheit würde diese Kraft hilfreich sein. Sie fühlen im Innersten, dass es wahr ist. Er kann sie in ein besseres Land führen, vorausgesetzt sie scheuen sich nicht in schwierigem Gelände mit ihm den schmalen, aber geraden Weg zu gehen. Sinngemäß sagt er:  Immer sollten sie daran denken, dass dieses Leben erst eins zum Ausprobieren ist.  Er möchte die ganze Welt segnen.
Glücklich - selig - machen könne er hier wie später jedoch ausschließlich die,  die keine Gewalt anwenden… die nach Gerechtigkeit (Rechtschaffenheit) streben… die diese Rechtschaffenheit zum Grundsatz jedes neuen Tages machen indem sie unbedingt ehrlich und bescheiden sowie klug in jeder Lebenssituation handeln. Es sind die Barmherzigen, die dem Bettler  nicht die Tür vor der Nase zuschlagen, deren Herz keine listigen Hintergedanken zulässt, die Friedensstifter, die ihrer Rechtschaffenheit wegen verfolgt werden. Es sind die, die bewusst das „Salz der Erde“ sein wollen.  Es sind diejenigen die in die Welt des Vormachtstrebens und der finsteren Gewalt das  Licht der Hoffnung auf Freiheit wie eine Fackel tragen, die gute Werke zustande bringen, den Mitmenschen wirklich dienende.
Wer das nicht in Taten umsetzen will ist kein Christ und sei er dreimal getauft, denn mit welchem Recht nennt irgendjemand ein gewisses Etwas „Brot“, wenn doch die Hälfte seiner Substanz zwar wie Mehl aussieht, aber nichts anderes als Gips ist?
Nicht so sehr die Worte sind es, es ist sein inneres Licht das sie anzieht. Sie sind allesamt gedemütigt worden. Roms Soldateska bewies ihnen, wer in Judäa das Sagen hat. Sie ahnen, dass Schreckliches in der Luft liegt. Sie ahnen, dass ihr Tempel entweiht und zerstört wird, dass ihre Kinder in Gefangenschaft geraten werden. Sie fürchten sich vor den dunklen Tagen, die ihnen drohen. Der großartige Mann da, der  von seinem erhöhten Platz zu ihnen spricht, verspricht nicht den schnellen Ausweg aus dem Dilemma, in dem sie sich befinden, denn die halbe Welt hasst die Juden. Er sagt ihnen nur, dass dieses Leben nicht alles ist.
Der schlicht gekleidete junge Mann warnt eindringlich: Sein Reich sei nicht von dieser Welt! Dieser Welt Herr ist sein schwer fassbarer Gegenspieler, ein sehr schlaues Geistwesen, dem bereits im vorirdischen Dasein viele zufielen, weil er angeblich einen Plan hätte, wie die aus eigenem Willen in die Sterblichkeit fallenden Seelen Gottes, wieder unbeschadet – nach dem Ende ihres Leben – zurück in die Gegenwart ihres und seines Vaters! zurückgebracht werden könnten, falls er dazu höchste Zustimmung durch denVatergott oder durch Mehrheitsbeschluss erhält: Er würde die Menschen zu ihrem Glück zwingen.  Ihm stimmte weder Elohim, noch eine Mehrheit zu. Seine Parteigänger fielen vom Himmel herab. Das ist der Engelfall von dem Augustinus von Hippo redet. Sie fielen von Gott ab und aus seiner Gegenwart hierher. Sie neiden uns den Körper und versuchen uns so unglücklich zu machen wie sie selbst sind, sagt das Buch Mormon. (6)  2. Nephi 2

Der Versucher führte Jesus vor Augen, was er zu bieten hat, falls Jesus vor ihm niederfällt: 



Duccio di Buoninsegna Er ist es  der weltliche Macht verleihen kann. Hässlich wie auf Bilddarstellungen ist er nicht, denn nach Origenes wurden alle Geistwesen gleich geschaffen, aber er ist klug genug Menschen zu verblenden.  
 Im Leben vor diesem irdischen, habe er, Jesus, deshalb seine  entschlossene Anhängerschaft vorbereitend in der ewigen Kirche gesammelt. Sie, die hier zu seinen Füßen sitzenden, hätten schon damals, vor ihrer irdischen Geburt tapfer an seiner Seite gestanden und versprochen, das Prinzip der Liebe als höchstes Motte ihres künftigen Lebens zu wählen, statt das der Zustimmung zur Gewaltanwendung um wirkliche Probleme zu lösen. Sie stünden nun auch diesseits für das Jedermannsrecht auf Entscheidungsfreiheit ein, bereit  es unter allen Umständen zu verteidigen. Sie hätten schon damals ihn und seinen Plan bevorzugt und gewählt und er habe sie deshalb erwählt. Später wird ihm Paulus deswegen ein Loblied singen:
„Gelobet sei Gott und der Vater unsers HERRN Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum wie er uns denn erwählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe.“ (7)  Epheser 1:3

Der Böse -  der elende Macher des „Zeitgeistes“ der selten oder nie  anderes als Zerstörung zustande bringt -  werde jedoch ebenfalls samt seiner zahlreichen Gefolgschaft über die Erde gehen, aber ohne in den Besitz eines eigenen Körpers zu gelangen. Er sei die „Schlange“, die in der vorirdischen Geisterwelt Eva überredete eine anscheinend nur kleine, aber süße Sünde zu begehen. Damit wurde der Reigen der Sterblichkeit – die Inkaration in sterblichen Körper für die unsterblichen Geister-  eröffnet.  Etwas das in böser Absicht, seitens des Versuchers  erfolgte, um Macht über die in die Seinsvergessenheit gestürzten Gotteskinder zu erlangen. Allerdings, dank der Vorsehung Gottes des Vaters habe der „Fall“ aus der Präexistenz in diese Welt der Gegensätze, auch sein Gutes. (8) Genesis 3: 17 Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist.

Bedenkenswert sind in diesem Zusammenhang die Anmerkungen des evangelischen Pfarrers mit Lehrberechtigung Felix Gietenbruch:
 „Nach der Lehre Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre des Paradieses gefallen..."
Präexistenz meint, dass wir als handlungsfähige geistige Wesen schon vor unserer Geburt existierten... in dieser Vorexistenz haben wir uns alle eigenverantwortlich von Gott entfremdet...
Ich denke, heute wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch das christliche Abendland neu darüber nachdenken muss. (9) „Der Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote lokal, 2008

Origenes (185-254) verweist ebenfalls auf diese Aspekte, die vollkommen mit der Mormonenlehre korrespondieren:
„Alle Logika (Vernunftwesen, Geistgeschöpfe, Engel, Menschen und Dämonen) sind mit Gott verwandt.“ Sie sind „von gleicher Natur, ihre Unterschiede sind erst durch den Fall entstanden… Gott stand vor der Wahl (den präexistenten Vernunftwesen) entweder gar keinen freien Willen zu geben oder die Möglichkeit ihres Falls in Kauf zu nehmen und zog das Letztere vor. Er wird sie aber schließlich nach vielen Rückschlägen und beinahe unübersehbaren Zeitläuften durch die Kunst seiner  Pädagogik, doch noch dahin bringen, dass sie dem Guten beständig anhängen. Gottes Pädagogik und der freie Wille der Logika, den Gott  nur durch Erziehung fördern und nicht durch Zwang vergewaltigen darf…“  (10) sind Kern und Stern aller Christenlehre. 
Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearb. Auflage, vierter Band Kop-O, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960, S. 1696

Jesus schaute wohl eine Weile schweigend, ehe er ihnen das wahrscheinlich zweitwichtigste Gebot gab:
Ihr sollt vollkommen werden, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (11) Matth. 5
Es schockte sie nicht. Sie fühlten es als Wahrheit: sie sind Gotteskinder, überhaupt alle Menschen  ... die der Familie Adams angehören sind Geistkinder Gottes. So klar jedoch sprach kein Pharisäer davon. Das zu sagen, wagten sie nicht, obwohl es altjüdisches Denken war: 
„Das Passah ist das Aramäische pacach (paw-sakh) und bedeutet so viel wie 'hinüber gehen'. … Im Ursprung war das 'Hinübergehen' die Bedeutung des Hinübergehens des Menschen aus seinem Fleisch(lichen Körper) hinüber in die körperlose 'Welt', der Heimat der Seele. Dieses Hinübergehen ist im Buche Exodus (Shemoth) der Juden, als der 'Auszug der Seele aus dem fleischlichen Körper' in dieser Welt in das Hinübergehen in die fleischlose Welt der Seele als Parabel niedergeschrieben, aber das Thema kehrt auch in vielen anderen Geschichten der Thora als Parabel auf. ... Symbolik ist eine Sprache, welche auch durch die Begriffe in den gesprochen Sprachen ausgedrückt wird. So ist das 'über den Jordan gehen' dieselbe Symbolik wie das Passah. Das Yardana, Jordon, ist im Aramäischen 'der Strom oder Fluss des Lebens'. Abseits des Streites der Theologen kann man allein in der Aramäischen Sprache Mosaiksteine finden, für ein Bild, das es erlaubt auch das Bewusstsein der Menschen besser nachvollziehen zu können. So bedeutet im Aramäischen 'Bit Nitupta' das 'Haus der Präexistenz…“ (12) Volker Doormann, ‘PhilTalk Philosophieforen’ Thema „Präexistenz und zur Passah Symbolik“
Es ging darum, das man hier lebt um daran mitzuwirken, das höchste Geschenk Gottes zu erwerben – nahezu wie ER zu werden, Miterbe Christi im Wortsinn. Origenes, der von allen Großkirchen nur zähneknirschend anerkannte Lehrer und Bewahrer urchristlicher Wahrheiten betont es auf fast unnachahmliche Weise:  
„Erst aufgrund der Tugend wird man (erneut, G.Sk.) ein Kind Gottes und erst in der Erwerbung der Tugend durch eigenen Eifer erwirbt der Mensch die Ähnlichkeit Gottes. Unentbehrlich für das Erreichen der Gottähnlichkeit ist also die Entscheidungsfreiheit.“ (13)  H.. Benjamins „Eingeordnete Freiheit; Freiheit und Vorsehung bei Origenes.“ E.J. Brill, 1994, S. 13
Christus sah es voraus. Es wird Leute geben, die heftig und in wahrscheinlich bester Absicht daran arbeiten werden die Entscheidungsfreiheit des Menschen zu Fall zu bringen. Männer wie Konstantin, Damasus von Rom, Ambrosius von Mailand und sein Schüler Augustinus von Hippo, sowie Kaiser Justinian (482-465) und eine Reihe Päpste vom Format Gregor I.  (540-604) der bezüglich der taufunwilligen Menschen Sardiniens zu Verwaltungsbeamten gesagt hat:

„Wenn ihr feststellt, dass sie nicht gewillt sind, ihr Verhalten zu ändern, so befehlen wir, dass ihr sie mit größtem Eifer verfolgt...züchtigt sie mit Prügeln und Folter, um sie zur Besserung zu zwingen… sie sollen durch strengste Kerkerhaft zur Einsicht gebracht werden, wie es angemessen ist, damit jene, die sich weigern, die Worte der Erlösung anzunehmen, welche sie aus den Gefahren des Todes erretten können, durch körperliche Qual dem erwünschten gesunden Glauben zugeführt werden.“  (14) 

Gregorii I papae Registrum epistolarum. Libri VIII-XIV