1.3 Erlaubte Polygamie
Vereinfacht gesagt. In der Polygamie geht es vorrangig um Kinder,
Vielweiberei bedeutet das Sex im Vordergrund steht. Vielweiberei (Vielmännerei)
ohne Trauschein ist häufig. Es gab jüdische Polygamie, zumindest im
aschkenasischen Judentum, bis ins Jahr 1000 n. Chr. Wurde eine jüdische Familie
zum Christentum bekehrt, erwartete niemand, dass er eine seiner Frauen
verstieß. Paulus, ohnehin kein großer Befürworter der Ehe überhaupt, forderte
nur, dass ein Bischof – einer der einer Gemeinde vorstand – in monogamer
Beziehung steht:
„Es soll aber ein Bischof
unsträflich sein, eines Weibes
Mann…“ (27) 1. Tim. 3: 2
Der
katholische Lehrbeauftragte
am Institut für Philosophie der Universität Dr. Ludwig Neidhardt verweist auf
1. Kor 7,29 („die Zeit ist
knapp bemessen, künftig sollen diejenigen, die Frauen haben, so sein wie diejenigen, die keine haben“) der Ausdruck
„Frauen haben“ (statt „eine Frau haben“) andeuten, dass damals Polygamie noch
im Rahmen des Denkbaren lag.“ (28)„Ehescheidung in der Schrift und
in der katholischen Theologie“
In Sachen Politik und Theologie meint nahezu jeder an deren Themen
Interessierte, er sei gescheiter als die meisten anderen. Die Normalforderung der
Vernunft, niemand möge die Prinzipien der Logik, der Wahrhaftigkeit und des
Humanen verletzen wird dabei zu oft ignoriert. Im Klartext oder umschrieben
heißt es immer noch Mitglieder der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hätten sich zu schämen, weil
es in der Frühzeit der Geschichte ihrer Kirche polygame Ehen gab. Selbst
höherrangige Journalisten prangern das Verständnis der damaligen Mormonen an
und die angebliche „Schande“ ruhe immer noch auf den Schultern heutiger
Mitglieder dieser Gemeinschaft.
Als der Mormone Mit Romney 2012 ins Rennen gegen Barack
Obama konnte man auch in seriösen deutschen Presseartikeln lesen: „Gegen Romney
spricht, dass sein Urgroßvater Vielweiberei praktizierte“ www. Welt.de schrieb damals:
„US - Wahlkampf „Vielweiberei könnte Romney gefährlich
werden.“
Niemand außer aktiven Mormonen empfindet solche Schlagzeile als
diskriminierend. Unter den zahlreichen Anklägern sind solche die es in stillen
Kämmerchen ihrer Hirnwindungen für selbstverständlich halten oder hielten „gute
Gelegenheiten“ für eine Affäre zu nutzen und die zugleich auf mormonische
Polygamie herabzusehen. Dass bei Wahrnehmung „guter Gelegenheiten“ zu oft Versprechen
gebrochen werden scheint nur eine Nebenrolle zu spielen, obwohl jeder das
geradezu geflügelte Wort wenigstens sinngemäß kennt: Ein gebrochenes
Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen.
Es mag Ausnahmen geben, aber wenn eine polygame Beziehung geknüpft
wird, sind es vorerst die Beteiligten die da mitzureden haben. Sie sind mündig, auch wenn das gelegentlich
übersehen wird.
„JA, aber…“ erwidern nicht
wenige selbsternannte Richter, insbesondere evangelische Pfarrer: „Polygamie
und Christentum schließen einander aus.“
Ist das so? Man kann nur
hoffen, dass es üble Nachrede sei: katholische und evangelische Pfarrer würden
lediglich in eine andere Pfarre versetzt, nachdem sie das biblische
Keuschheitsgebot gebrochen haben, dass sie auch nach Kindsmissbrauch der nicht
öffentlich wurde, dem zuständigen Vorgesetzten jedoch bekannt ist, allenfalls
versetzt werden, statt ihres Amtes enthoben. Sollte es auch nur annähernd wahr
sein, wäre es angebracht zu bedenken, dass Jesus mahnte: Meidet die Heuchelei.
Eine
evangelische Stimme sagt:
„Historisch gesehen - so behaupteten die
Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis ins frühe
Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. Erst in der weiteren
Kulturentwicklung monopolisierte sich die Einehe als Ideal und dann seit der
Romantik auch als soziale Wirklichkeit heraus. Auch mit der "ehelichen
Treue" ist es, zumindest historisch gesehen, nicht allzu weit her.
Außereheliche Beziehungen galten bis weit in die Neuzeit hinein auch in der
öffentlichen Meinung durchaus als normal und sie waren zumindest bis zum 17.
Jahrhundert im Adel ein allgemeines Ideal; Mätressen waren teilweise hoch
angesehen und einflussreich.“ (29) „Eine kurze Kulturgeschichte der
Ehe.“ Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik 2016
Historisch gesehen - so
behaupteten die Ethnologen des 19. Jahrhunderts - hätte es die Polygamie bis
ins frühe Mittelalter hinein auch in Europa gegeben. …
Sowenig wie Liebe und Sexualität
gehörten für Luther weder Treue noch Monogamie zur Ehe. Was die Treue betrifft
so finden wir bei Luther z. B. den Hinweis, dass wenn die ehelichen Pflichten
durch “ein halsstarrig Weib” verweigert werden, der Seitensprung legitim sei.
Gleiches gilt für die Frauen, die zu ihrem Mann sagen können: “Lieber Mann, du
hast mich um meinen jungen Leib betrogen, vergönne mir, daß ich mit deinem
Bruder oder besten Freund eine heimliche Ehe habe.”(Zit. nach Beuys, a.a.O., S.
227) Und hinsichtlich der Forderung nach absoluter Monogamie konstatierte
Luther, dass es besser sei, eine Bigamie oder Polygamie einzugehen als sich
scheiden zu lassen; hier beruft sich Luther auf das Alte Testament (Vgl. W.
Molinski, Theologie der Ehe in der Geschichte, S. 150f)
(30) G. Lämmermann „Hochzeitsnacht und Traualtar - Die Ehe im Wandel
ihrer Geschichte“ Uni Augsburg
Billy
Graham wird eine Stellungnahme zugeschrieben die erstaunlich wäre:
"Das Christentum kann sich der
Frage nach der Polygamie nicht entziehen. Wenn das heutige Christentum dies
dennoch tut, so ist dies zu seinem eigenen Nachteil und Schaden. Der Islam hat
die Mehrehe als Lösung sozialer Missstände erlaubt und der menschlichen Natur
Raum zur Entfaltung zu gestanden, allerdings nur streng innerhalb der
gesetzlich bestimmten Rahmenbedingungen. Christliche Länder sind mächtig stolz auf
ihre Monogamie, aber praktisch sind sie Polygamisten. Niemand ist sich der Rolle bewusst, welche diese Abirrung in den westlichen Gesellschaften spielt. In dieser Beziehung ist der Islam eine
grundehrliche Religion, und
erlaubt einem Muslim eine zweite Frau zu heiraten, wenn er muss, doch verbietet
strikt alle geheimen amourösen Liebesbeziehungen, um die moralische
Verlässlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten." (31) Abdul Rahman Doi, Woman in Shari'ah, London: Ta-Ha
Publishers, 1994
Arthur
Schopenhauer sagt:
„In
Völkern, wo die Mehr-Ehe legal ist, wird es praktisch allen Frauen ermöglicht,
zu einem Mann, Kindern und einem richtigen Familienleben zu kommen, was ihren
seelischen Bedürfnissen entgegenkommt und ihre fraulichen Instinkte befriedigt.
Unglücklicherweise haben die Kirchengesetze die Mehr-Ehe in Europa nicht
gestattet und viele Frauen einem einsamen Altjungfernleben überlassen. Manche
starben unbefriedigt; manche wurden von ihren heiligen Wünschen oder durch die
Not, ihren Unterhalt zu verdienen, in die Unmoral getrieben; manche gingen mit
schweren Skrupeln und gebrochenen Herzen zugrunde. Auch kann ich nicht
verstehen, nachdem ich viel Nachdenken darauf verwendet habe, warum ein Mann,
dessen Frau chronisch und unheilbar erkrankt ist, sich als unfruchtbar erweist
oder kein lebendes Kind zur Welt bringen kann, nicht eine zweite Frau neben der
ersten nehmen sollte. Die Antwort darauf liegt bei der Kirche. Leider hat sie
keine. Gute Gesetze sind solche, die ein
glückliches Leben gewährleisten, wenn man sie befolgt; nicht solche, die
die Menschen unglücklich machen oder ihnen an Händen und Füßen Fesseln
unnötiger Sklaverei anlegen oder die Menschen anstacheln, sie zu missachten und
sich so in das entgegengesetzte Extrem der Verwahrlosung, Prostitution oder
anderer Laster zu Stützen.“ (32) „Einige Worte über die Frauen
Solche Betrachtungsweise gibt Joseph
Smith Recht. Bereits wo der Begriff „Mormone“ auftaucht, da ist das Gespenst
„Vielweiberei“ nicht weit, dass jedoch ausgerechnet das Buch Mormon,
Vielweiberei ein für alle Mal kategorisch verbietet, ist allgemein unbekannt.
Jakob, einer der Söhne Lehis und Bruder
Nephis erklärt, warum er inspiriert wurde zu sagen: „David und Salomo
hatten wahrhaftig viele Frauen und Nebenfrauen, und das war ein Greuel vor mir
spricht der Herr. Darum, so spricht der Herr, habe ich dieses Volk aus dem Land
Jerusalem weggeführt, durch die Macht meines Armes, dass ich mir aus der Frucht
der Lenden Josephs einen rechtschaffenen Zweig erwecke. Darum werde ich, der
Herr Gott, nicht zulassen, dass dieses Volk es denen in alter Zeit gleichtut...
kein Mann unter euch, soll mehr als nur eine Frau haben, und Nebenfrauen soll
er keine haben, denn ich der Herr erfreue mich an der Keuschheit der Frauen.
Hurerei ist ein Gräuel vor mir...“ (33) Buch Mormon, Jakob 2: 24-28
Die
naheliegende Frage lautet: und warum hielten sich die Mitglieder, insbesondere
die leitenden Männer und Frauen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage nicht an dieses Gebot? Wahrscheinlich lebten um 1858 mehr als 15 %
der erwachsenen Mitglieder polygam, allen voran Brigham Young mit 26 Frauen.
Die überaus
einleuchtende Erklärung für diese Paradoxie, ist dem folgenden, dem 30. Vers
aus Jakob geschuldet:
„Denn wenn ich, der Herr der Heerscharen,
mir Nachkommen erwecken will, so werde ich es meinem Volk gebieten, sonst aber
soll es auf diese Worte hören.“
Hören wir noch
einmal hin: „Wenn der Herr der Heerscharen, sich Nachkommen erwecken
will, so wird er es seinem Volk gebieten“ - und eben
das geschah, sagen wir „Mormonen“. Doch von dieser Ausnahme abgesehen, lautet
die Regel innerhalb der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzte Tage ungebrochen:
„ein Mann eine Frau“.
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