eigene Aufnahmen. Die führende Partei in der DDR, die SED, bestimmte gelegentlich wen wir zu beschäftigen haben. |
Detlef hatte sich während seiner Pflicht-Armeezeit etwas zuschulden kommen lassen, Entlassen aus Militärhaft landete er, von oben angeordnet, bei uns. Bald zeigte er seine guten Seiten.
Hier wird "zu Eis gefischt" d.h. das Netz, nachdem es zuvor systematisch gefaltet in ein Eisloch gekippt wurde, wird unter dem Eis von Loch zu Loch befördert und ausgebreitet und schließlich ans Ufer gezogen.
Wegen der Winterstarre der Fische und auch weil unter einer mit Schnee bedeckten Eisfläche absolute Finsternbis herrscht, ist diese Methode äußerst erfolgreich.
So versucht der siebenste Mann die allmählich vom Zugnetz umzingelten Fische zurückzuscheuchen in die Falle, in den sogenannten Wadensack, in dem Platz ist für mehr als 100 t Beute. |
Das Netz wird herausgezogen |
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich ebenfalls: wo kommen die alle her? |
Als ich meinen Traum Lehrer für Biologie und Geschichte in der Erwachsenenbildung aufzugeben hatte, weil mir seitens der Institutsleitung des damaligen berufspädagogischen Instituts Greifswald Ende 1951 nahegelegt wurde, zwischen meiner Kirche und diesem Beruf zu wählen,wurde ich (mit einer Unterbrechung) Fischer. Das sollte lebenslänglich, nämlich bis 1992 so bleiben.
Die Dozenten des Instituts waren der Meinung ich hätte zuviele Freunde und sei allzu dominant. Da blieb mir kaum etwas anderes übrig, als irgendwo "unterzutauchen". Niemals würde ich mich in einem Büro wohl fühlen, denn ich habe immer noch einen tüchtigen Schuss Abenteurerblut in meinen Venen.
1956 startete ich als Fischereihilfs- und Saisonarbeiter, der Neubrandenburger Genossenschaft. Das war ein herrlicher Titel, weil damit wirkliche Freiheit verbunden war. Die 36 Jahre die ich dort im selben kleinen Unternehmen verbrachte, haben mich ebenso geprägt, wie der sogenannte Mormonismus. Ich wünschte, allen wäre vergönnt ähnlich großartige Erfahrungen zu sammeln.
Nächtelang, als wir noch von Hand die Zugnetze heranknüppelten, erzählte der ehemalige hochherrschaftliche Diener Fritz Biederstadt wie er, 1923, aus dem Haus der Freifrau von Stein Berlin den Weg zu den Binnenfischern des Tollensesees fand.
Ich schrieb es auf, fast alles und sehe viele Bilder die er manchmal mit drastischen Ausdrücken malte heute noch vor meinem innern Auge. Es kann schon sein, dass ich seine Gefühle anders nachempfand und seinen Erzählungen noch mehr Kolorit gab, aber ich war immer bemüht eng an der Wahrheit zu bleiben.
Das ist er. Ein wenig unscharf, aber ein besseres Bild ließ sich noch nicht finden:
Fritz Biederstaedt, Jahrgang 1905 . Obwohl nicht der Chef, bewirtschaftete er den Tollensesee zwischen 1945 und 46 |
Eingestellt wurde er ebenfalls als Hilfsfischer während der schlimmsten Tage der Inflationszeit, als selbst die Millionäre denen er gedient hatte, wegen der grassierenden Geldentwertung zu sparen anfingen.
Sein Chef wiederum von dem eine Weile hier interessant zu berichten sein wird, war Ernst Peters, geboren 1883, Fischereipächter von 1921 bis 1941.
Beide haben viele Feste, aber nie eins ohne reichlichen Alkoholgenuss, gefeiert.
Ernst Peters sen. |
Ich selbst war immer am glücklichsten (außer wenn ich mich im Kreis meiner Familie oder unter Freunden, in meiner Gemeinde aufhielt) wenn ich mich, tags oder nachts, auf dem Wasser befand. Oft hatte ich die Schreibmaschine dabei, manchmal hielt sie einer meiner Kollegen auf seinen Knien. Solange wir in der Kabine saßen und unsere Fanggebiete ansteuerten, tippte ich meine Ideen auf billiges Papier.
Es ist wahr, der Himmel war mir oft sehr nahe.
Bild: Wikipedia Mein Hauptarbeitsfeld: der 17 Quadratkilometer große Tollensesee, einer der schönsten Norddeutschlands. Er ist 28 m tief und hat wieder kristallklares Wasser |
Heimkehr vom Fischfang. 5 Tonnen Fische konnte der Bootsrumpf des Kutters aufnehmen |
Gelegentlich fingen wir so gut wie gar nichts, - nur einen einzigen Fisch. Diesen Barsch werfe ich einem Zuschauer in den Kescher. |
Dann wieder kündigten sich Massenfänge an:
Kleine Maränen, immer wieder tonnenweise angelandet, vom Fang in den Räucherofen sind wohl Nummer 1 unter den Fischdelikatessen |
Fritz Biederstaedt landete, 1947, im Konzentrationslager der Sowjetarmee, Waldheim.
Fritz zog im Herbst des Hungerjahres einen tragischen Fehlschluss. Er meinte weil er den russischen Verpflegungsoffizier Kabanow mit seinen Fischlieferungen zufriedengestellt hätte, wäre der nun sein Freund und Beschützer.
Fritz glaubte allen Ernstes, ihm könne nun nichts mehr passieren, denn er ging mit einem erbeuteten Revolver verbotenerweise auf die Jagd.
In den letzten Kriegstagen hatte er das gefährliche Ding, samt passender Munition auf der Landstraße gefunden. Mancherorts lagen damals herrenlose Waffen in Massen herum.
Wie oft hatte Fritz die griffige Waffe liebevoll in seiner Hand gewogen. Mit ihr war man Herr über Leben und Tod. Sie erschien ihm wertvoll wie Gold. Mit einem bisschen Vorsicht konnte er seiner Leidenschaft frönen.
Jeweils beim ersten Knall zuckte Fritz immer noch zusammen. Dann sagte er sich selbst beruhigend, wer da im Nonnenhofer Bruch - am Ende des Tollensesees - geschossen haben mochte, sei bei der Anzahl wildernder Russenoffiziere sowieso ungewiss.
Ohnehin könnte er gar nicht gefasst werden, denn bis zu seinem Ruderkahn war es nicht weit, und die Russen hatten keine Boote.
Schlimmstenfalls würde ihm schon eine gute Ausrede einfallen, nachdem er die Waffe ins Wasser geworfen hätte.
Rehe und sogar Wildschweine fielen ihm zum Opfer. Nicht, dass er das Fleisch benötigte, sondern ihn stachelte der Genuss einer Illusion an. Welcher Triumph, mit einem Fingerdruck, und einem bisschen Jagdglück, einen wehrhaften Keiler zur Strecke bringen zu können.
Fritz saß an seinem Unglückstag, wie in letzter Zeit schön häufiger in seiner kleinen wohnlichen Küche und putzte hinter vorgezogenen Gardinen seinen Revolver.
Inge ging zu Bett.
Da polterte es plötzlich, harte Geräusche. Fritz gelang es noch die Waffe zu verstecken. Die Türen flogen krachend auf. Vier Sowjetsoldaten mit den roten Armbinden der Militärpolizei umringten ihn. Vier Läufe von Maschinenpistolen starrten ihn an. Ein mongolisch aussehender Offizier drängte sich vor.
Inge öffnete ihre Tür auf einen Spalt.
Sie schrie kurz und schrill auf.
Der kräftige Mogole schob Fritz beiseite, schaute unter den Küchentisch, zog einen Kochtopf hervor. Also hatte ihn jemand verraten der das wusste!
Mit spitzen Fingern nahm der Mann den Deckel herunter und fasste ebenso den grauen Wolllappen, hob ihn vorsichtig, als läge darunter eine Giftschlange. Da glänzte ihn der deutsche Armeerevolver an.
Ein Schwall russischer Worte ergoss sich über Fritz Biederstaedt. Einer packte ihn energisch beim Kragen. Fritz versuchte noch nach seinem Jackett zu greifen. Er kam nicht mehr dazu es anzuziehen. Auch war er außerstande ein Wort hervorzubringen.
Fritz hörte Inge, seine hübsche Frau, hinter sich herrufen.
Hinter ihm fielen die Türen krachend ins Schloss.
Während sie ihn vorwärts stießen über den schwarzen Bürgersteig hatte er eine Vision. Nur einmal, in weit zurückliegender Zeit, hatte er seine Inge so gesehen: Sie stand in diesen Augenblicken des Schreckens vor ihm auf einem Hügel. Ihr rotes Kleid leuchtete. Umgeben von Gras und gelben Blumen der Wiese, völlig umgoldet vom Sonnenschein, lehnte sie sich an den Stamm einer Birke und strahlte ihn an.
Sie rissen ihm die Jacke aus der Hand, warfen sie ihm über den Kopf und stießen ihn durch die schweigende Finsternis hin zu ihrem Fahrzeug. Hart und hastig ging es zu. Halb zerrten, halb warfen sie ihn unter Fluchreden brutal auf die Ladefläche des hochbordigen LKWs.
Der schwere Laster fuhr ruckend los und schaukelte wild. Die vielen Kurven und Ecken, die sie schlugen verwirrten Fritz noch mehr.
Er kam in ein Haus, in dem es kalt und feucht war.
Unverständliche Worte rings um ihn herum.
"...Faschist!..."
Das verstand er.Sie brachten ihn in einen Keller. Ein Ellenbogen rammte ihn. Fritz fiel hin. Die Tür knarrte und wieder umflatterten ihn Kommandos. Sein Herz schlug bis zum Hals. Es ist aus, Fritz Biederstaedt!
In den Pausen der unwirklichen Stille hinein schrie jemand aus der Tiefe des Grauens jammervoll. Woher das kam war ihm zunächst unerklärlich. Einmal schien ihm, dass ein Kater mit menschlicher Stimme aufjaulte, dann, dass ein Mitgefangener sich aufbäumte.
Fritz lag zwischen losen Brettern. Er fühlte das Jackett in seiner Hand. Alles dehnte sich aus, wie ihm schien. Ihm kam es so vor als würde sein Kopf sich unentwegt weiten.
Nichts denken!
Grau in grau war die Zeit, sie bewegte sich nicht. Inge selbst war grau geworden und unendlich fern von ihm. Fritz begehrte nichts, als selbst in dieses ferne Grau hineinzusinken..."