Feuilleton,
FAZ vom 06. März 2012
Die Frankfurter Allgemeine
Zeitung brachte einen typischen Artikel über “Mormonen”, mit diesem
Touch von Ironie, ohne die anscheinend kein seriöses Blatt
Deutschlands über Amerikas strittigste Christengruppe berichten
kann.
Der
Kuckuck alleine weiß, warum das so ist.
Die
Überschrift lautete: „Ich weiß, es ist wahr“
Immerhin,
bei allem Spott, sind die Töne sanfter geworden, die Attacken auf
Mormonen-Polygamie sind nicht mehr voll absoluter Gehässigkeit.
Dennoch
schreibt Autor Jordan Mejias aus Palmyra USA, genüsslich-höhnisch von den 30 Ehefrauen Joseph Smiths. Er weiß
natürlich, dass mindestens 24 dieser Frauen nicht zu seinen
Lebzeiten an ihn gebunden wurden... aber das ist ein weites Feld.
Insofern
ist auch dieser Beitrag leider tendentiös angelegt. Was aber
wirklich überrascht, ist die Dreistigkeit mit der Jordan Mejias aus
Palmyra, im Jahr 2012 verbreitet: “Neueste mormonische
Auslegungen wollen - wie einst von der Vielweiberei - nun von
(der)Vielgötterei Abstand nehmen. Es wäre freilich ein
ausgewachsenes Wunder, wenn im Gefecht des Wahlkampfs (in dem der Mormone Mitt Romney steht) die Nuancen der
Religionswissenschaft Beachtung fänden.”
Kaum
jemand der es liest wird sogleich den Trick erkennen.
Das
gewählte Wort: „Religionswissenschaft“, wirkt
vertrauenserweckend zugunsten des Schreibers. Aber dem, der sich mit
der Sache befasst hat, durchschaut augenblicklich, dass der gute
Jordan überhaupt nicht weiß, wovon er redet. Denn, die
vergleichende Religionswissenschaft konnte bislang kaum eine Position
des traditionellen Christentums als gut urchristlich bestätigen.
Umgekehrt
ist es.
Alle
Basiselemente des sogenannten „Mormonismus“, einschließlich
ihrer Gotteslehre lassen sich in der Sekundärliteratur des
„mainstream“- Christentums des 1-3. Jahrhunderts wiederfinden,
das hat die „Religionswissenschaft“ wenn
auch ungewollt herausgefunden.
Unvorstellbar
für die Nichtinsider, aber wahr: es gab in der Urkirche Polygamie.
Noch
ein Beispiel. Der Schiedsrichter der Urkirche des 3. Jahrhunderts
Origenes bestätigt, dass die nicänische Schiene des heutigen
Christentums sowie aller Zeiten nach dem 1. ökumenischen Konzil, von
325, in die falsche Richtung führen musste.
Das
von den evangelikalen Predigern, vor allem in den USA so vehement
verteidigte und verbreitete (angeblich antimormonische)
„Athanasianum“ hat mit dem ursprünglichen Gottesverständnis
nichts und mit Logik schon gar nichts gemeinsam. Denn, dass drei
gleich eins ist, hat noch niemand verkraftet, am wenigsten die
Statiker.
Wer
daran interessiert ist, sollte sich den heute noch gültigen Text
dieses nicänisch genannten Glaubensartikels zu Gemüte führen:
Origenes
spricht, und Joseph Smith wiederholt, als hätte er zu seinen Füßen
gesessen.
Das
ewige Vorherdasein jeder menschlichen Seele (Präexistenz)
erklärt die Absicht Gottes uns unbedingt zu fördern und zwar nach
Möglichkeit, alle, unterschiedslos, weshalb es zwar eine ewige Hölle
(der Gewissensqual) gibt, aber keinen Daueraufenthalt für Schuldige.
Dies und die Bewahrung der Hochlehre von der Unantastbarkeit der
Entscheidungsfreiheit jedes Menschen mit dem Ziel seiner Vergottung,
sind essentielle Bestandteile des Evangeliums, von denen kaum jemand
in christlichen Gottesdiensten jemals gehört hat, was aber Usus war,
damals, bevor die Caesaropapisten die Christenkirche für ihre Zwecke
vereinnahmten, die sie nach Bedarf zurechtschnitten und die nicht
wenige gerne so weiter, und immer weiter, wiederum für ihre Zwecke,
nutzen wollen.
Origenes
hatte klar anders als die Teilnehmer des ersten „ökumenischen“
Christenkonzils herausgestellt: „Manche
schätzen nicht, was wir sagten, indem wir den Vater als den einen
wahren Gott hinstellten und zugaben, dass andere Wesen neben dem
wahren Gott Götter
werden
konnten, indem sie an Gott teilhatten.“
Keine
Vorlesung in Sachen Theologie, natürlich nicht, das Wenige musste
jedoch gesagt werden. Und wenn Autor
Jordan Mejias meint die Leier vom mormonischen „nichtchristlichen
Kult“ spielen zu müssen, so muss er sich eben sagen lassen, dass
er nie davon gehört hat, dass die Goten Italiens sehr wohl den
Tempelkultus des „Mormonentums“ kannten. Ein kleiner Trip nach
Ravenna wäre zu empfehlen.
Nur,
wie es aussieht, wissen zu wenige Schreiber zum Thema, dass das
Traditionschristentum die Goten als Volk aus eben diesem Grund
ausrottete, wie Hitler die Juden.
Und
was die Bevölkerung anderer Planeten durch Menschen angeht, die
diese Erde infolge Tod verließen, kann man durchaus an Goethe denken
und nicht nur an Brigham Young.
Auch
für den Normalen muss es unvorstellbar sein, Ewigkeiten hindurch nur
Lieder zu singen. Da bedarf es schon eines wahrhaft göttlichen
Auftrages, ebenso sinnvoll wie intelligent.
Erfreulich
sind vor allem diese beiden Leserbriefe, die dem
Palmyrakorrepondenten und der nicht unbedeuteneden FAZ ins Stammbuch
geschrieben wurden:
Lutz
von Peter (LutzBrux)LutzBrux - 07.03.2012 17:19 Uhr
Wer sich mit Mormonen befasst,..
anstatt sie einfach in eine Schublade mit Vorurteilen zu stecken,
wird unglaublich einsatzfreudige, sanftmütige und respektvolle
Menschen kennenlernen. Viele Ihrer Ansichten mögen nicht modern
erscheinen; und jeder, der das erste Mal mit Mormonen zu tun hat
denkt sich: was wollen die, wo ist der Haken, so freundlich und
selbstlos ist doch keiner!
Doch, die sind es. Ich habe während zweier Jahre wöchentliche Besuche zweier Missionare bekommen, war mehrere Male mit Ihnen in der Kirche und habe geistig sehr gefestigte, aber offene und fröhliche Menschen kennegelernt, sowohl in Deutschland wie den USA. Ich bin nicht Mormone geworden, ich konnte die Gründungsgeschichte nicht glauben und viele ihrer Ansätze des Gemeindelebens sagen mir nicht zu. Aber nach vielen Begegnungen muss ich sagen: ginge es nach der Ringparabel aus "Nathan der Weise", dann wäre der Mormonenglauben der Beste, denn er schafft die besten Menschen (die ich kenne).
Doch, die sind es. Ich habe während zweier Jahre wöchentliche Besuche zweier Missionare bekommen, war mehrere Male mit Ihnen in der Kirche und habe geistig sehr gefestigte, aber offene und fröhliche Menschen kennegelernt, sowohl in Deutschland wie den USA. Ich bin nicht Mormone geworden, ich konnte die Gründungsgeschichte nicht glauben und viele ihrer Ansätze des Gemeindelebens sagen mir nicht zu. Aber nach vielen Begegnungen muss ich sagen: ginge es nach der Ringparabel aus "Nathan der Weise", dann wäre der Mormonenglauben der Beste, denn er schafft die besten Menschen (die ich kenne).
Diana
Bracken (BracDi79)BracDi79 - 07.03.2012 23:15 Uhr
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu!
Wir
leben seit vier Jahren in Boise, Idaho. Diese "Kleinstadt"
beherbergt viele Mormonen. 50% meiner Arbeitskollegen sind Mormonen
und bisher habe ich nur positive Erfahrungen machen können. Mormonen
sind familienbezogene Menschen, hochintelligent, zuverlässig,
sauber, hilfsbereit und vor allen Dingen schwatzen sie einem ihre
Religion nicht auf -ganz im Gegenteil- sie stehen gerne allen Fragen
und Antworten bezüglich ihrer Religion zur Verfügung. Aufgrund
dessen möchte ich die Frage von Herrn Farkas mit “JA”beantworten,
LDS sind wesentlich besser als Islamisten in Nahost! In den vier
Jahren habe ich nichts von Ehrenmorden durch LDS gehört, und selbst
wenn sich Kinder gegen die Religion entscheiden, werden sie nicht von
deren Familien verstoßen. Und nein schwule Arbeitskollegen werden
von den LDS nicht als abartig angesehen oder minderwertig behandelt.
Durch Ihre Aussagen wird mir bewusst warum ich Deutschland verlassen
habe – Engstirnigkeit und alles über einen Kamm scheren-!”
Danke
liebe FAZ, dass Ihr Euren Lesern Spielraum gewährt, ihre Meinung zu
äußern.
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