Dienstag, 5. Februar 2013

Lieber Herr Pfarrer Felix Gietenbruch,



drei Hurra für Sie!
Nachdem ich mich gerade mit einigen hadersüchtigen Thesen des protestantischen Theologen Dr. Heinz-Werner Kubitza seines Buches "Der Jesuswahn" befassen musste (weil ich in eine andauernde Diskussion mit einem bekannten Atheisten eingetreten bin) erreichte mich gestern Ihr Werk “Höllenfahrt Christi und Auferstehung der Toten”.
Ihre Tiefgründigkeit, sowie Ihr Mut dem “mainstream” protestantischer Theologie zu trotzen sind hoch erfreulich.
Mein Gesprächsfreund schrieb:
Kubitza begründet in diesem Buch warum er Jesus für die am meisten überschätzte Persönlichkeit der Weltgeschichte hält.”
Er gibt gehörig dunkles Wasser auf die Mühlen der Atheisten.
Sie dagegen, lieber Herr Gietenbruch, sind nun auf dem Weg eine markante Lichtgestalt zu werden. Als Mann des Jahrgangs 30 erlaube ich mir zu sagen: “Gehen sie unerschrocken weiter!”
In den vergangenen Jahren habe ich in deutschen Mormonengemeinden Vorträge zu eben “unserem” Thema gegeben.
Es ist das Hauptthema des Origenes: “Präexistenz”
Ihr Zitat aus „Der Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote lokal, 2008, stand in meinen Powerpoint-Präsentationen immer an bedeutender Stelle:
Nach der Lehre Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre des Paradieses gefallen..."
Das ist Tempeltext!
Präexistenz meint, dass wir als handlungsfähige geistige Wesen schon vor unserer Geburt existierten... in dieser Vorexistenz haben wir uns alle eigenverantwortlich von Gott entfremdet...
Ich denke, heute wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch das christliche Abendland neu darüber nachdenken muss.“

Wie schon F. Diekamp (“Die originistischen Streitigkeiten im 6. Jahrhundert”) vor über einhundert Jahren herausgearbeitet hatte, ging es um gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen, die Justinian I. mit blindem Eifer in seine Richtung, contra Urkirche bzw. Origenes lenkte. Hätte die Forschung uns doch noch mehr Einblick in die damaligen Verhältnisse gegeben, vor allem um uns deutlicher zu machen was “Papst” Vigilius tatsächlich vertrat, auch nach seiner erzwungenen Unterschriftsleistung.
Mir scheint, die Verfluchung des Origenes, sowie die durch ihn bewahrte Präexistenzlehre der Alten Kirche, durch die Ostsynode von 543, steht in direktem Zusammenhang mit dem konstantinischen Größenwahn Justinians. Er wollte, wie dieser der Größte sein... schon wie er sich sechs Jahre zuvor in die noch nicht komplett fertiggestellte Haggia Sophia hineinfahren läßt und prahlerisch ausruft: er hätte den Tempelbauer Salomo übertrumpft. Das kennzeichnet ihn. Justinian wollte mit niemandem teilen. Die Gleichheitsidee aller Christen war ihm ein Dorn im Auge... Ihm konnte Origenes Aussage nicht gefallen:
Erst aufgrund der Tugend wird man ein Kind Gottes (G.S.: “im 2. Stand, nämlich nach dem Fall, durch den wir den 1. Stand verloren”) und erst in der Erwerbung der Tugend durch eigenen Eifer erwirbt der Mensch die Ähnlichkeit Gottes. Unentbehrlich für das Erreichen der Gottähnlichkeit ist also die Entscheidungsfreiheit. H. Benjamin “Eingeorndete Freiheit, Freiheit und Vorsehung bei Origenes” E. . Brill.1994, S. 13
Wenn jemand Anspruch darauf hatte Gott ähnlich zu werden, dann war er - Kaiser Justinian - das, wie er meinte, er der letzte, aber erfolgreiche Zerstörer des Individualrechtes (mit Codes J. I.10, 11: “Abfall von der Kirche wird mit der Todesstrafe geahndet”, darin noch rigoroser als Ambrosius mit Cunctos populos, - ihm und nicht Theodosius schreibe ich das Edikt zum Glaubenszwang zu - wie er Justina, die arianische Witwe Kaiser Valentinians, nach dessen plötzlichem Tod misshandelt, wie er kurz zuvor Gratian in den Bruderkrieg gegen die arianischen Goten gehetzt hatte, mit seinem Buch “De fide”, usw ., das passt zueinander.
Ein freudiges Erschrecken zum eigentlich mormonischen Thema kam vor einigen Jahrzehnten mit dem Lesen gewisser Passagen des Handwörterbuches für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearb. Auflage, vierter Band Kop-O, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1960, Origenes betreffend. Da fand ich quasi eine Blaupause des allgemein verfemten Mormonismus. Nun finde ich dasselbe bei Ihnen systematisch geordnet z.B. ab S.66. Hier die Auszüge aus dem theologischen Fachwerk
Im Urzustand waren alle Logika körperlose Geister und als solche Götter, die dem Logos als Trabanten anhingen... Nach dem Vorbild des Logos (Christus), der selbst das „Bild Gottes“ nach Genesis 1:26 ist, hat Gott soviele Logika (Menschenseelen, eigentlich Geister, G.Sk.) erschaffen, (besser ausgedrückt: ‚geformt’ G.Sk.) wie er mit seiner notwendig begrenzten Vorsehung regieren kann... (Alle Logika (Engel, Menschen und Dämonen) sind von gleicher Natur, ihre Unterschiede sind erst durch den Fall entstanden.... durch die Kunst seiner Pädagogik wird Gott (seine Geschöpfe) doch noch dazu bringen, dass sie dem Guten beständig anhängen.... Gottes Pädagogik und der freie Wille der Logika, den Gott durch Erziehung fördern und nicht durch Zwang ergewaltigen darf, sind die eigentlichen Pole des origenistischen Systems.“ usw.
Übrigens welche Torheit großkirchlicher Theologen die Lehre von der Vergottung(smöglichkeit) für typisch mormonische Sonderlehre zu halten.
Die am wenigsten vertraut mit dem Thema sind, kennen ihren Luther nicht hinlänglich, schreien aber am lautesten.
Tuomo Mannermaa “Luther und Theosis”, Band 16 Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 11:
Theosis als Thema der finnischen Lutherforschung…Gott wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde. Also wird Macht machtlos, damit die Schwachheit mächtig werde. Der Logos zieht unsere Form und Gestalt, unser Bild und Gleichnis an, damit er uns mit seinem Bilde, mit seiner Gestalt und seinem Gleichnis bekleide. Also wird die Weisheit töricht, damit die Torheit Weisheit werde, und so in allen anderen Dingen, die in Gott und in uns sind, sofern er in all dem das Unsere annimmt, um uns das Seine zu vermitteln.“
Oder A. von Harnack: “„... Der Gedanke der Vergottung ist der letzte und oberste gewesen; nach Theophilius, Irenaeus, Hippolit und Origenes findet er sich bei allen Vätern der alten Kirche, bei Athanasius, bei den Kappadoziern, Appolinares, Ephraim Syrus, Epiphanius u.a.”
Übrigens der Terminus “Intelligenzen”, den Origenes verwendet kommt nicht von Ungefähr. Joseph Smith sagt, auch ihm, wie zuvor anderen Propheten, wurde offenbart, dass wir entwickelte und entwicklungsfähige von “unserem himmlischen Vater” geformte Intelligenzen sind... Lehre und Bündnisse 93, Buch Abraham usw.
Aber auch die für uns kanonische Aussage, dass “Intelligenz oder das Licht der Wahrheit nicht erschaffen wurde auch tatsächlich gar nicht erschaffen oder gemacht werden kann.” usw.... fügt sich nun sehr gut ins Bild moderner Quantenphysiker, wie sie sagen...
Unser Bewusstsein ist ewig...
Lieber Herr Gietenbruch da ist eine Fülle an Gemeinsamkeiten...
Übrigens die Deutung des syrischen Perlenliedes durch K. Beyer, siehe Walter Rebell, Lehrbuch "Neutestamentliche Apokryphen und Apostolische Väter", 1992, München; Thomasakten
entspricht ebenfalls “mormonischem” Verständnis, und wie ich annehmen muss auch Ihrem.
Zwei weitere Dinge möchte ich allerdings noch ansprechen: Sie zitieren S. 39 den “Hirten des Hermas” … auch die versorbenen Apostel steigen in die Unterwelt nieder, um die Toten zu erlösen durch Predigt und Taufe...” alles Anklänge an Origenes (Homilie zu I Reg 28) “dass Mose, Samuel und alle Propheten in den Hades hinabgestiegen sind und dort gepredigt haben.” A. von Harnack “Lehrbuch der Dogmengeschichte”
Aber diese u.a. Texte sind auch Hinweise auf Korrektheit der Theologie der Kirche Jesu Christi der HLT bezüglich “Totentaufen”, die ausschließlich in Tempeln vollzogen werden dürfen.
Über Legitimität zu reden ist hier nicht der Platz.
Als Tempelinsider seit 1957 (Zollikofen, Schweiz) öffneten sich, nicht nur mir, neue Denkwege. Überaus erstaunlich, dass die Arianer (Ravenna) bis in die Zeit Justinians hinein, unbestreitbar im Besitz derselben Tempelrituale waren, wie sie uns Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gegeben wurden... und die ebenfalls sowohl unsere Präexistenz, unseren freien Willen sowie unseren Entschluss ein Leben gemäß Christi Gebote zu führen... (Joh 14: 21) voraussetzen.
Zu alledem habe ich umfangreich geschrieben...
Hier als Letztes ein Verweis aufs Buch Mormon, das Sie ja kurz indirekt erwähnen.
Nahezu alles was Sie, lieber Herr Gietenbruch, mit den Seiten 107-160 persönlich vertreten, wird mit Passagen des Buches Mormon klar bestätigt... da ist z.B. Alma der Jüngere, mit seiner “out of body experience”, die er im 36. Kapitel seines gleichnamigen Buches beschreibt (dazu in Form des Chiasmus). All das war einst Lehre der Kirche: dass
1.) die ewige Hölle Ort und Zustand ist, die jeder durch Christus verlassen kann.
2.) “Himmel” ist ebenfalls Ort und Zustand nach der Erlösung durch Christus.
3.) Unentbehrlich ist immer die Buße (im Sinne metanoia)
Und wörtlich: “Was nun den Zustand der Seele zwischen dem Tod und der Auferstehung betrifft – siehe, so ist mir von einem Engel kundgetan worden, dass der Geist eines jeden Menschen, sobald er aus diesem sterblichen Leib geschieden ist, ja der Geist jedes Menschen, sei er gut oder böse, zu dem Gott heimgeführt wird, der ihm das Leben gegeben hat. Und dann wird es sich begeben: der Geist derjenigen die rechtschaffen sind, wird in einen Zustand des Glücklichseins aufgenommen, den man Paradies nennt, einen Zustand der Ruhe, einen Zustand des Friedens, wo er von allen seinen Beunruhigungen und allem Kummer und aller Sorge ausruhen wird. Und dann wird es sich begeben: Der Geist des Schlechten, ja derer die böse sind – denn siehe, sie haben kein Teil und kein Maß des Geistes des Herrn, denn siehe sie haben sich lieber böse Werke als gute erwählt, darum ist der Geist des Teufels in sie gekommen und hat von ihrem Haus Besitz ergriffen – der wird in die äusserste Finsternis hinausgestoßen, dort wird es Weinen und Zähneknirschen geben, und dies wegen ihres eigenen Übeltuns, denn sie werden nach dem Willen des Teufels in Gefangenschaft geführt... nun gibt es einige, die diesen Zustand des Glücklichseins und diesen Zustand des Elends der Seele vor der Auferstehung als eine erste Auferstehung verstehen. Ja, ich gebe zu, man kann das als eine erste Auferstehung bezeichnen, nämlich das Sich-Erheben des Geistes oder der Seele und ihre Überantwortung in das Glücklichsein oder in das Elend, gemäß den Worten die gesprochen worden sind... Siehe ich sage dir Nein, sondern es bedeutet für alle, von den Tagen Adams herab bis zur Auferstehung Christi, die Wiedervereinigung der Seele mit dem Leib...” Alma 40: 11- 18

Einem Gedankenaustausch wäre ich nicht abgeneigt.
Gott segne Sie.

Ihr Gerd Skibbe


Zu meiner Person können Sie, falls Sie wollen unter http://gerd-skibbe.blogspot.de oder auf meiner unten angegebenen Webseite,
mehr erfahren.

1 Kommentar:

  1. Ein herzliches Danke für diese gründliche Betrachtung, die weit über meine bescheidene Darstellung fehlender Texte und Widersprüche der Bibel hinausgeht. http://www.ihff.de/kirche/bibelfehl.html

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