Lieber Herr Pfarrer
Felix Gietenbruch,
drei Hurra für Sie!
Nachdem
ich mich gerade mit einigen hadersüchtigen Thesen des
protestantischen Theologen Dr. Heinz-Werner Kubitza seines Buches
"Der Jesuswahn" befassen
musste (weil ich in eine andauernde Diskussion mit einem bekannten
Atheisten eingetreten bin) erreichte mich gestern Ihr Werk
“Höllenfahrt Christi und Auferstehung der Toten”.
Ihre
Tiefgründigkeit, sowie Ihr Mut dem “mainstream” protestantischer
Theologie zu trotzen sind hoch erfreulich.
Mein Gesprächsfreund
schrieb:
“Kubitza
begründet in diesem Buch warum er Jesus für die am meisten
überschätzte Persönlichkeit der Weltgeschichte hält.”
Er gibt gehörig
dunkles Wasser auf die Mühlen der Atheisten.
Sie dagegen, lieber
Herr Gietenbruch, sind nun auf dem Weg eine markante Lichtgestalt zu
werden. Als Mann des Jahrgangs 30 erlaube ich mir zu sagen: “Gehen
sie unerschrocken weiter!”
In den vergangenen
Jahren habe ich in deutschen Mormonengemeinden Vorträge zu eben
“unserem” Thema gegeben.
Es ist das
Hauptthema des Origenes: “Präexistenz”
Ihr
Zitat aus „Der
Sündenfall ein sinnvoller Mythos“ Kirchenbote
lokal, 2008,
stand in meinen Powerpoint-Präsentationen immer an bedeutender
Stelle:
„Nach der Lehre
Adams ist jeder Mensch Adam und ist aus der Sphäre des Paradieses
gefallen..."
Das ist Tempeltext!
“Präexistenz
meint, dass wir als handlungsfähige geistige Wesen schon vor unserer
Geburt existierten... in dieser Vorexistenz haben wir uns alle
eigenverantwortlich von Gott entfremdet...
Ich denke, heute
wird uns mehr und mehr bewusst, dass auch das christliche Abendland
neu darüber nachdenken muss.“
Wie schon F. Diekamp (“Die originistischen Streitigkeiten im 6. Jahrhundert”) vor über einhundert Jahren herausgearbeitet hatte, ging es um gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen, die Justinian I. mit blindem Eifer in seine Richtung, contra Urkirche bzw. Origenes lenkte. Hätte die Forschung uns doch noch mehr Einblick in die damaligen Verhältnisse gegeben, vor allem um uns deutlicher zu machen was “Papst” Vigilius tatsächlich vertrat, auch nach seiner erzwungenen Unterschriftsleistung.
Mir
scheint, die Verfluchung des Origenes, sowie die durch ihn bewahrte
Präexistenzlehre der Alten Kirche, durch die Ostsynode von 543,
steht in direktem Zusammenhang mit dem konstantinischen Größenwahn
Justinians. Er wollte, wie dieser der Größte sein... schon wie er
sich sechs Jahre zuvor in die noch nicht komplett fertiggestellte
Haggia Sophia hineinfahren läßt und prahlerisch ausruft: er hätte den
Tempelbauer Salomo übertrumpft. Das kennzeichnet ihn. Justinian
wollte mit niemandem teilen. Die Gleichheitsidee aller Christen war
ihm ein Dorn im Auge... Ihm konnte Origenes Aussage nicht gefallen:
“Erst aufgrund der Tugend wird man ein Kind Gottes
(G.S.: “im 2. Stand, nämlich nach dem Fall,
durch den wir den 1. Stand verloren”) und
erst in der Erwerbung der Tugend durch eigenen Eifer erwirbt der
Mensch die Ähnlichkeit Gottes. Unentbehrlich
für das Erreichen der Gottähnlichkeit ist also die
Entscheidungsfreiheit.”
H. Benjamin “Eingeorndete Freiheit, Freiheit
und Vorsehung bei Origenes” E. . Brill.1994, S. 13
Wenn
jemand Anspruch darauf hatte Gott ähnlich zu werden, dann war er
- Kaiser Justinian - das, wie er meinte, er der letzte, aber erfolgreiche Zerstörer des
Individualrechtes (mit Codes J. I.10, 11: “Abfall von der Kirche
wird mit der Todesstrafe geahndet”, darin noch rigoroser als
Ambrosius mit Cunctos populos, - ihm und nicht Theodosius schreibe
ich das Edikt zum Glaubenszwang zu - wie er Justina, die arianische
Witwe Kaiser Valentinians, nach dessen plötzlichem Tod misshandelt,
wie er kurz zuvor Gratian in den Bruderkrieg gegen die arianischen
Goten gehetzt hatte, mit seinem Buch “De fide”, usw ., das passt
zueinander.
Ein
freudiges Erschrecken zum eigentlich mormonischen Thema kam vor
einigen Jahrzehnten mit dem Lesen gewisser Passagen des
Handwörterbuches
für Theologie und Religionswissenschaft, dritte völlig neu bearb.
Auflage, vierter Band Kop-O, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen,
1960, Origenes betreffend. Da fand ich quasi eine Blaupause des
allgemein verfemten Mormonismus. Nun finde ich dasselbe bei
Ihnen systematisch geordnet z.B. ab S.66. Hier die Auszüge aus dem
theologischen Fachwerk
„Im Urzustand
waren alle Logika körperlose Geister und als solche Götter,
die dem Logos als Trabanten anhingen... Nach dem Vorbild des Logos
(Christus), der selbst das „Bild Gottes“ nach Genesis 1:26 ist,
hat Gott soviele Logika (Menschenseelen,
eigentlich Geister, G.Sk.) erschaffen,
(besser
ausgedrückt: ‚geformt’ G.Sk.) wie
er mit seiner notwendig begrenzten Vorsehung regieren kann... (Alle
Logika (Engel, Menschen und Dämonen) sind von gleicher Natur, ihre
Unterschiede sind
erst durch den Fall entstanden.... durch die Kunst seiner Pädagogik
wird Gott (seine Geschöpfe) doch noch dazu bringen, dass sie dem
Guten beständig anhängen.... Gottes
Pädagogik und der freie Wille der Logika, den Gott durch Erziehung
fördern und nicht durch Zwang ergewaltigen darf, sind die
eigentlichen Pole des origenistischen Systems.“
usw.
Übrigens welche
Torheit großkirchlicher Theologen die Lehre von der
Vergottung(smöglichkeit) für typisch mormonische Sonderlehre zu
halten.
Die am wenigsten
vertraut mit dem Thema sind, kennen ihren Luther nicht hinlänglich,
schreien aber am lautesten.
Tuomo
Mannermaa “Luther und Theosis”, Band 16 Veröffentlichungen
der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 11:
“Theosis als
Thema der finnischen Lutherforschung…“Gott
wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde.
Also wird Macht machtlos, damit die Schwachheit mächtig werde. Der
Logos zieht unsere Form und Gestalt, unser Bild und Gleichnis an,
damit er uns mit seinem Bilde, mit seiner Gestalt und seinem
Gleichnis bekleide. Also wird die Weisheit töricht, damit die
Torheit Weisheit werde, und so in allen anderen Dingen, die in Gott
und in uns sind, sofern er in all dem das Unsere annimmt, um uns das
Seine zu vermitteln.“
Oder A. von
Harnack: “„...
Der
Gedanke der Vergottung ist der letzte und oberste
gewesen; nach Theophilius, Irenaeus, Hippolit und Origenes findet er
sich bei allen Vätern der alten Kirche, bei Athanasius, bei den
Kappadoziern, Appolinares, Ephraim Syrus, Epiphanius u.a.”
Übrigens der
Terminus “Intelligenzen”, den Origenes verwendet kommt nicht von
Ungefähr. Joseph Smith sagt, auch ihm, wie zuvor anderen Propheten,
wurde offenbart, dass wir entwickelte und entwicklungsfähige von
“unserem himmlischen Vater” geformte Intelligenzen
sind... Lehre und Bündnisse 93, Buch Abraham usw.
Aber
auch die für uns kanonische Aussage, dass “Intelligenz
oder das Licht der Wahrheit nicht erschaffen wurde
auch
tatsächlich gar nicht erschaffen oder gemacht werden kann.”
usw.... fügt
sich nun sehr gut ins Bild moderner Quantenphysiker, wie sie sagen...
Unser
Bewusstsein ist ewig...
Lieber Herr
Gietenbruch da ist eine Fülle an Gemeinsamkeiten...
Übrigens
die Deutung des syrischen Perlenliedes durch K. Beyer, siehe Walter
Rebell, Lehrbuch "Neutestamentliche Apokryphen und Apostolische
Väter", 1992, München; Thomasakten
entspricht ebenfalls
“mormonischem” Verständnis, und wie ich annehmen muss auch Ihrem.
Zwei
weitere Dinge möchte ich allerdings noch ansprechen: Sie zitieren S.
39 den “Hirten
des Hermas” … auch die versorbenen Apostel steigen in die
Unterwelt nieder, um
die Toten zu erlösen durch Predigt und Taufe...”
alles
Anklänge an Origenes (Homilie zu I Reg 28) “dass
Mose, Samuel und alle Propheten in den Hades hinabgestiegen sind und
dort gepredigt haben.”
A. von Harnack “Lehrbuch der Dogmengeschichte”
Aber diese
u.a. Texte sind auch Hinweise auf Korrektheit der Theologie der
Kirche Jesu Christi der HLT bezüglich “Totentaufen”, die
ausschließlich in Tempeln vollzogen werden dürfen.
Über Legitimität
zu reden ist hier nicht der Platz.
Als
Tempelinsider seit 1957 (Zollikofen, Schweiz) öffneten sich, nicht
nur mir, neue Denkwege. Überaus erstaunlich, dass die Arianer
(Ravenna) bis in die Zeit Justinians hinein, unbestreitbar
im Besitz derselben Tempelrituale waren, wie sie uns Mitgliedern der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gegeben wurden...
und die ebenfalls sowohl unsere Präexistenz, unseren freien Willen
sowie unseren Entschluss ein Leben gemäß Christi Gebote zu
führen... (Joh
14: 21)
voraussetzen.
Zu alledem habe ich
umfangreich geschrieben...
Hier als Letztes ein
Verweis aufs Buch Mormon, das Sie ja kurz indirekt erwähnen.
Nahezu alles was
Sie, lieber Herr Gietenbruch, mit den Seiten 107-160 persönlich
vertreten, wird mit Passagen des Buches Mormon klar bestätigt... da
ist z.B. Alma der Jüngere, mit seiner “out of body experience”,
die er im 36. Kapitel seines gleichnamigen Buches beschreibt (dazu in
Form des Chiasmus). All das war einst Lehre der Kirche: dass
1.) die ewige Hölle
Ort und Zustand ist, die jeder durch Christus verlassen kann.
2.) “Himmel” ist
ebenfalls Ort und Zustand nach der Erlösung durch Christus.
3.) Unentbehrlich
ist immer die Buße (im Sinne metanoia)
Und
wörtlich: “Was
nun den Zustand der Seele zwischen dem Tod und der Auferstehung
betrifft – siehe, so ist mir von einem Engel kundgetan worden, dass
der Geist eines jeden Menschen, sobald er aus diesem sterblichen Leib
geschieden
ist, ja der Geist jedes Menschen, sei er gut oder böse, zu dem Gott
heimgeführt wird, der ihm das Leben gegeben hat.
Und dann wird es sich begeben: der Geist derjenigen die
rechtschaffen sind, wird in einen Zustand des Glücklichseins
aufgenommen, den man Paradies nennt, einen Zustand der Ruhe, einen
Zustand des Friedens, wo er von allen seinen Beunruhigungen und allem
Kummer und aller Sorge ausruhen wird. Und dann wird es sich begeben:
Der Geist des Schlechten, ja derer die böse sind – denn siehe, sie
haben kein Teil und kein Maß des Geistes des Herrn, denn siehe sie
haben sich lieber böse Werke als gute erwählt, darum ist der Geist
des Teufels in sie gekommen und hat von ihrem Haus Besitz ergriffen –
der wird in die äusserste Finsternis hinausgestoßen, dort wird es
Weinen und Zähneknirschen geben, und dies wegen ihres eigenen
Übeltuns, denn sie werden nach dem Willen des Teufels in
Gefangenschaft geführt... nun gibt es einige, die diesen Zustand des
Glücklichseins und diesen Zustand des Elends der Seele vor der
Auferstehung als eine erste Auferstehung verstehen. Ja, ich gebe zu,
man kann das als eine erste Auferstehung bezeichnen, nämlich das
Sich-Erheben des Geistes oder der Seele und ihre Überantwortung in
das Glücklichsein oder in das Elend, gemäß den Worten die
gesprochen worden sind... Siehe ich sage dir Nein, sondern es
bedeutet für alle, von den Tagen Adams herab bis zur Auferstehung
Christi, die Wiedervereinigung der Seele mit dem Leib...” Alma
40: 11- 18
Einem
Gedankenaustausch wäre ich nicht abgeneigt.
Gott segne Sie.
Ihr Gerd Skibbe
Zu meiner Person können Sie, falls Sie wollen unter http://gerd-skibbe.blogspot.de oder auf meiner unten angegebenen Webseite,
mehr erfahren.
Ein herzliches Danke für diese gründliche Betrachtung, die weit über meine bescheidene Darstellung fehlender Texte und Widersprüche der Bibel hinausgeht. http://www.ihff.de/kirche/bibelfehl.html
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