Mittwoch, 18. Februar 2015

(3) Religion für Dummies



Atheisten sind rational denkende und handelnde Wesen, - glauben sie.  Sie halten Gottgläubige für Irrationale. Insofern  diese Aussage zutrifft, wäre das Aberglauben, denn Atheisten haben keineswegs alle Trümpfe in ihrer Hand. Erwiesen ist gar nichts, außer, dass sie mit ihren eigenen überwiegend schwachen Argumenten zufrieden sind.
Reden wir über Aberglauben und Fanatismus.
Sie sind die Gegenspieler der Vernunft. Dieses Geschwisterpaar ist kosmopolitisch. Es gedieh Jahrhunderte hindurch im Traditionschristentum. In den ehrfurchtgebietenden Kathedralen und Domen konnten sie sich austoben um die Menschheit unglücklich zu machen.
Hexenjagden, Bibelleseverbote, Zwangsbekehrungen, Zölibat, Mönchsunwesen, Säulenheilige und endlose Glaubenszänkereien und –kriege bezeugen lauter als Pauken und Trompeten wes Geistes ihre Förderer waren.
Denselben Schwachsinn erlebten wir in der gesamten Bandbreite im 20. Jahrhundert in Europa, allerdings unter anderen Symbolen.
Nicht wenige Engstirnige hielten sich von Gott inspiriert. So entstand der Begriff Fanatiker, er stammt aus dem lat. Fanaticus d.h. „göttlich inspiriert“.
Auch Adolf Hitler hielt sich für „göttlich inspiriert“. Er glaubte an einen persönlichen Gott, den er Vorsehung nannte. Diese „Vorsehung“  hätte das deutsche Volk geschaffen und zur Herrschaft über die Völker bestimmt.
Schon wer  sich für klüger als andere hält neigt zum Fanatismus. Fanatiker können wütend werden, wenn ihnen widersprochen wird. Sie schneiden dir glatt das Wort ab, ehe du ausgesprochen hast. Sie verdrehen deine Argumente. Neben ihrer Meinung darf das Gegenteil ihrer Überzeugung nicht zur Geltung kommen. Sie tragen Scheuklappen. Sie rennen umso schneller nachdem sie ihr ursprüngliches Ziel aus den Augen verloren haben.
Fanatiker richten letztlich immer Schaden an. Sie produzieren gegen alle Vernunft Aberglauben. Diese Todfeindschaft contra Gewissenhaftigkeit ist allgegenwärtig. Ob die bewaffneten Fanatiker ihrer jeweiligen Ideologie ein (Christus-)Kreuz, den Sowjetstern, das Hakenkreuz oder die Maobibel vor sich hertrugen, sie waren desselben Ungeistes der Intoleranz, sowie der Unredlichkeit. Ohne Feindeshass kamen sie nicht aus.
- „Die Juden sind Gottesmörder“,
- „Proletarier aller Länder vereinigt euch“
- „Wer ein Christ ist, das bestimmen wir“,
- „Gott will es“ (das Kreuzzugsbekenntnis). Nie bewirkten sie Gutes.
Aberglauben und Fanatismus sind Brüder.
Der angebliche Christenglaube, den Großfürst Wladimir, 988, der „großen Rus“ aufgezwungen hatte, erwies sich ebenfalls als unvernünftig.
Von der ersten Minute an duckte das byzantinische „Kirchentum“ die ohnehin Rechtlosen noch tiefer.
Es war weithin purer Aberglauben. Was die Menschen unter der Knute des Zaren und der mit ihm eng liierten Orthodoxen Kirche zu akzeptieren hatten, führte zu kuriosesten Vorstellungen von angeblicher Religion.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat sich niemand ernsthaft bemüht die „Getauften“ auf eine höhere Stufe zu heben, obwohl dies das proklamierte Ziel Christi war:
„Ihr sollt vollkommen werden, gleich wie euer Vater im Himmel!“
Nach fast achthundert Jahren „Christentum“, beschreibt ein aufmerksamer Beobachter die Situation um  1780:
"Der Russe hat an nichts Interesse, weil er nichts besitzt... er lebt ohne Vaterland, ohne Gesetze, ohne Religion... er hat noch gar keinen Begriff davon was es bedeutet frei zu sein, die Erdscholle auf die er gefesselt ist zu verlassen kann er sich nicht vorstellen....  Er hasst alle Arbeit, weil er niemals für sich gearbeitet hat, er hat sogar noch keinen Begriff von Eigentum, seine Felder, seine Habseligkeiten, sein Weib, seine Kinder, er selbst gehören einem Herrn, (einem „christlichen“ Herrn, G. Sk.-) der Willkür darüber schalten kann, und es auch wirklich tut...
Außer einem geweihten Amulett, das jeder Russe von der Taufe an, wo er es bekommt, am Halse trägt und nie ablegt, hat er gewöhnlich  noch ein Bild von Kupfer in der Tasche, das den Heiligen Nikolaus oder einen anderen Heiligen, der sein Patron ist, vorstellt. Er nimmt es mit auf Reisen. Nichts ist sonderbarer, als wenn man einem Bauern oder Soldaten zusieht, wie er seinen kleinen Gott aus der Tasche zieht, darauf spuckt, ihn mit der Hand reibt, und sich plötzlich vor ihm auf die Erde wirft, hundertmal das Zeichen des Kreuzes macht, die tiefsten Seufzer ausstößt und seine 40 "Gospodi pomiloi" (Gott sei mir gnädig) hersagt. Ist das Gebet zu Ende so tut er den Gott wieder in die Büchse und steckt sie in die Tasche...
Ich habe eine russische Fürstin gekannt, deren Hausgott ein großes silbernes Kruzifix war, das beständig in einem besonderen Wagen hinter ihr herfuhr, und am Abend in ihrem Schlafzimmer aufgestellt wurde. War ihr der Tag über ein Glück widerfahren, und war sie mit ihren Liebhabern zufrieden, so ließ sie eine Menge Wachkerzen um dasselbe herum anzünden, und sagte dann in einem vertraulichen Ton zu ihm: Nun siehst du? weil du dich heute gut aufgeführt hast, so sollst du auch gut behandelt werden. Die ganze Nacht hindurch sollst du brennende Wachslichter haben, ich will dich lieben, zu dir beten, du sollst mein lieber kleiner Herr Gott sein. War ihr hingegen irgendetwas Unangenehmes zugestoßen, so durften die Kerzen nicht angezündet werden. Sie verbot ihren Bediensteten dem armen Kruzifix irgendeine Art von Verehrung zu erweisen und überhäufte es mit Vorwürfen, Scheltworten und Grobheiten." F. Ph. Masson,  "Geheime Nachrichten über Russland unter der Regierung Katharinas..." 1800, Paris.
Selbst die radikal-atheistische „Revolution“, die imstande war die meisten ihrer Bürger zu Ungläubigen zu machen,  vermochte es nicht die Menschen vom Aberglauben abzubringen. Leute die lange Jahre in der atheistisch orientierten Sowjetunion verbrachten berichten, wie abergläubisch sonst staatskonforme Menschen sein konnten.
„…was ich mit meinem russischen Chef in der Kolyma erlebte, versetzte mich (obwohl ich seit meiner Kindheit russischen Aberglauben kannte) in Staunen. Er war Parteibonze und Atheist. Eines Tages gab er mir den Auftrag den Generalplan unserer Siedlung zu zeichnen, und zwar farbig. Etliche Tage lang war ich mit Messungen beschäftigt… dann begann das Zeichnen… als ich mit der Zeichnung fertig war, trug ich einen Weg ein, der noch nicht existierte, auch im Straßenbauprojekt nicht vorgesehen war. Er führte durch den Wald zu einem flachen Berghügel. Da oben zeichnete ich Kreuze ein, von einem Zaun umgeben. Die Aufschrift lautete: „Friedhof!“.
Als unser Chef morgens das Büro betrat, meldete ich ihm, der Plan sei fertig… als ich den Plan auf seinem Tisch ausbreitete krächzte er wohlwollend: „Gut, gut, sehr gut…“ Dann glitt sein Blick den Weg zum Friedhof entlang – und er schrie auf: „Was denkst du dir, einen Friedhof einzuzeichnen! Wo doch niemand gestorben ist! Wann hast du das gemacht, gestern oder heute?“ fragte er erregt.
„Heute morgen.“
„Ein Glück, wenn er die Nacht auf dem Papier gewesen wäre, dann wäre heute Nacht jemand gestorben. Schnell radier alles aus!“
Er schob den Plan von sich weg. In einer Stunde hatte ich alles ausgebessert. Da wo die Kreuze waren, wuchsen jetzt auf dem Papier grüne Tannen. Auch den Weg zum Friedhof hatte ich ausradiert.
„So, jetzt ist alles in Ordnung“ Hättest du den Friedhof schon gestern aufgezeichnet, dann hätte der Satan ihn nachts gesehen und ein Opfer geholt, jemand wäre gestorben.“Er unterschrieb gut gelaunt den Plan… nachmittags machte sich der Chef auf den Weg…
Meine Mitarbeiter, die alles mitgekriegt hatten, sprachen sich jetzt aus. So ein Glück, dass ich erst heute Morgen den Friedhof aufgezeichnet hatte, sonst wäre bestimmt schon ein Toter zu beklagen. Ich schwieg. Den Plan, auch den Friedhof, hatte ich schon am Tag zuvor fertig gestellt. Aber der Satan ist dem Aberglauben nach nur nachts aktiv,… Über den Aberglauben der Russen könnte man Bände schreiben. Im Grunde gibt es aber nichts zu belächeln. Sie leiden darunter und sind ängstlich, sie fürchten Gefahren und schlimme Dinge, wenn sie schlecht geträumt haben.“ Georg Hildebrandt „Wieso lebst du noch?“ – ein Deutscher im Gulak. Ullstein, 1993
Wenn man dagegen begriffen hat, dass Religion nichts anderes bedeutet als “gewissenhafte Nachdenklichkeit” (vom lateinischen Wort „relegere“) dann wird klar, dass jede Art Übertreibung, Aberglaube oder gar Fanatismus, Todfeinde jeder echten Religion sind. Unecht wird Religion wenn sie Gewissensentscheidungen und Vernunft unterdrückt.
In Zentraleuropa war es kaum anders. Bis in die Gegenwart hinein, werden Reliquien aller Art fast angebetet. Einige sollen die Macht haben Sünden zu vergeben.
Man kann in der Kiste „Religion“ alles finden, obwohl das meiste was da von Dummköpfen zusammen getragen wurde, mit Religion so viel zu tun hat, wie Dunkelheit mit dem Sonnenlicht.
Das krampfartige Bemühen theologischer Fakultäten das System des Zweiklassenchristentums, (hier die Kleriker und da die Laien), aufrecht zu halten, wird den Atheisten weiteren Zulauf bescheren. Die Zeit der Kirche Konstantins ist eben abgelaufen.
Es kommt aber dennoch die Zeit für vernünftigen Glauben der sich in Hingabe an den Geist der Toleranz und der entschlossenen Verteidigung der Unantastbarkeit der Menschenwürde auch des Schwächsten ausdrücken wird.

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