"Der Luftbrücken-Pilot Gail Halvorsen hatte 1948 die
Idee für einen der
größten PR-Erfolge des 20.
Jahrhunderts …
Auch Pathos will
gekonnt sein – und wenige Menschen beherrschen es so gut wie Gail Halvorsen:
"Wir haben nur ein paar Monate für euch gearbeitet", ruft der Veteran
der US Air Force in Deutschland gern mal seinen Zuhörern zu: "Ihr gebt uns
das seit Jahrzehnten zurück. Danke!"
Halvorsen dürfte der
bekannteste Pilot sein, der jemals Transportflugzeuge gesteuert hat. Der
Mormone, Jahrgang 1920, hatte schon privat eine Pilotenlizenz gemacht, bevor er
für das damalige US Army Air Corps Maschinen vom Typ C-47 und bald auch größere
C-54 in Südamerika flog. Nach dem Krieg blieb er bei der neuen amerikanischen
Luftwaffe – und ließ sich Anfang Juli 1948 nach Deutschland versetzen.
Seit gerade einmal
zwei Wochen hatten die Sowjets West-Berlin von der Versorgung aus den drei
westlichen Zonen abgeschnitten. Der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay hatte
sich mit seinem Vorschlag durchgesetzt, nicht nachzugeben, sondern die
Teilstadt aus der Luft zu versorgen und so Stalin in die Knie zu zwingen.
Berliner
Luftbrücke
Eine Aufgabe, die Halvorsen gefiel. Dank
seines Glaubens war er ein immer fröhlicher, rundum positiver Mensch. Und so
fiel ihm auf, dass an den Zäunen um das Flugfeld stets Kinder standen und
sehnsüchtig zu den Flugzeugen emporschauten, die im Abstand von wenigen Minuten
Lebensmittel, Kohle und andere Güter einflogen.
Schon nach wenigen Tagen ging er in
einer der kurzen Verschnaufpausen der Piloten vor dem Start zurück zu den
Kindern an den Zaun und gab ihnen Schokolade und Kaugummis. Doch sein Vorrat
ging schnell zur Neige, und so hatte er eine Idee: Zurück auf dem Stützpunkt
Rhein-Main, bastelte Halvorsen kleine Fallschirme – aus Taschentüchern. Daran
befestigte er Süßigkeiten, die er im PX-Store gekauft oder aus den Rationen
seiner Kameraden zusammengebettelt hatte, und warf sie beim nächsten
Landeanflug in Tempelhof aus dem Fenster. Das sprach sich schnell herum, sodass
die Schar der Kinder immer größer wurde.
Bald darauf ging Halvorsen wieder zu den
Kindern am Zaun. Sie dankten ihm, klagten aber auch, dass sie nie wüssten, wann
seine Maschine käme und Bonbons vom Himmel fallen würden. Wieder hatte
Halvorsen eine Idee: Er werde mit den Flügeln seiner C-54 wackeln, dann wüssten
die Kinder, dass es gleich "Candies" regnen werde.
Luftbrücke
Der Einfall erwies
sich als einer der größten PR-Erfolge des 20. Jahrhunderts. Wieder warfen
US-Flugzeuge ihre Fracht über der vormaligen Reichshauptstadt ab – aber diesmal
waren es keine Bomben wie 1944/45, sondern Süßigkeiten. Schnell hatte Halvorsen
den Spitznamen "Candy-Bomber", der als "Rosinenbomber" ins
Deutsche übersetzt wurde. Wegen des Wackelns beim Anflug nannte man ihn auch
"Uncle Wiggly Wings" ("Onkel Wackelflügel").
Die Herzen der
Menschen in der eingekreisten Teilstadt flogen ihm zu. Er wurde der große
Sympathieträger der Luftbrücke. Den ebenso harten wie aufrechten Clay
respektierten die West-Berliner, Halvorsen liebten sie. Und auch daheim in den
USA löste er mit seinen beiden Ideen einen Strom an Unterstützung aus. Dass die
Berliner Luftbrücke, die erste große Schlacht im Kalten Krieg, mit einem klaren
Sieg der freien Welt über den kommunistischen Block endete, lag ganz wesentlich
auch an Halvorsen.
Bild: Wikipedia (Foto: US Air Force) |
Daran denkt der
Veteran bis heute gern zurück. An diesem Samstag feiert Halvorsen daheim in Utah
seinen 95. Geburtstag. Dass er so alt geworden ist, dürfte nicht zuletzt an
seiner positiven Weltsicht liegen. "Ich habe 24 Enkel und 43
Urenkel", erzählt er Besuchern gern: "Glauben Sie mir, Langeweile
gibt es da nicht eine Sekunde!"
Luftbrücke
Nach 67 Jahren ist er
naturgemäß einer der allerletzten Männer, die noch aktiv an der Luftbrücke
beteiligt waren. Im vergangenen Jahr musste er aus gesundheitlichen Gründen den
bereits geplanten Besuch in Berlin absagen. Aber er will die Reise nachholen. Er
ist wieder fit, geht spazieren und reitet sogar wieder.
Die Neigung zum Pathos
hat er immer noch: "Ich bin so gern drüben", sagt er über
Deutschland: "Die Menschen sind so freundlich und ja, immer noch
dankbar." Wer hört das nicht gern aus dem Mund eines so freundlichen und
friedfertigen Helden?"
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