Im Winter 1952 wollten mich drei handfeste Kerle ersäufen. Sie waren sich so gut wie sicher. Ihren Bürgermeister hätte ich auf dem Gewissen.
"Wir werden dich da ins Eisloch stecken"
Wir kamen aus dem verfallenden Schloß Cammin, wo ein Spielfilm gezeigt worden war und in zweihundert Meter Entfernung vom See, stellen sie mich.
Im Schimmer des Sternlichtes das von der Schneebeckung reflektiert wurde erkannte ich die Neubauern, die mich als Zugereisten sowieso nicht mochten.
Alles sprach gegen mich.
Es ist wahr, ich hatte kein Geld und eine Anzeige die jemand gegen einen DDR-kritischen Bürger beim DDR Staatsicherheitsdienst (Stasi) erhob, brachte dem Denunzianten 60 Mark ein, - hieß es.
Es ist wahr, eine Woche zuvor hatte ich mich mit ihnen, eine Weile im kleinen Wartesaal der Reichsbahn der Station Cammin aufgehalten, um mich aufzuwärmen.
Es traf zu, Herbert Schindler, der noch junge gut aussehende Verantwortliche für ein paar Dörfer der Umgebung sang an jenem Februarnachmittag mit ihnen zusammen: "Bomben auf Engelland!"
Richtig ist, dass sie betrunken waren und ich den Text kannte:
Wir fühlen in Horsten und Höhen
Des Adlers verwegenes Glück!
Wir steigen zum Tor
Der Sonne empor,
Wir lassen die Erde zurück.
Kamerad! Kamerad!
Alle Mädels müssen warten!
Kamerad! Kamerad!
Der Befehl ist da, wir starten!
Kamerad! Kamerad!
Die Losung ist bekannt:
Ran an den Feind!
Ran an den Feind!
Bomben auf Engelland!
Hört ihr die Motoren singen:
Ran an den Feind!
Hört ihr's in den Ohren klingen:
Ran an den Feind!
Bomben! Bomben! Bomben auf Engelland!
Weiter traf zu, dass das Absingen irgendwelcher Nazihymnen, gemäß dem "Gesetz zum Schutze des Friedens", unter strenger Strafe stand und fünf Jahre Freiheitsentzug nach sich ziehen konnte.
Zutreffend war weiter, dass ich kurz darauf in Richtung Neubrandenburg mit dem Zug fuhr, dass Herbert am nächsten Tag verhaftet aus seinem Büro abgeführt wurde, dass ich der gefährlichen Mormonensekte angehörte, dass ich mit einer verheirateten Dame des kleinen Ortes befreundet war, dass mir alles zuzutrauen war, dass aus ihren Kreisen kein Verräter kam.
Was wollte ich zu meiner Verteidigung anführen. Nichts. Sie hatten starke Argumente.
Was konnte Joseph Smith anführen wenn sie ihn gerichtlich zu belangen suchten? Es gab sie, die "goldene" Mormonenbibel, es gab Anhänger, es gab viele Verdachtsmomente, dass er Aufruhr stiften könnte, dass er ein elender Betrüger sein musste.
Er hatte nicht das Glück wie ich, dass meine Gegner vor dem Äußersten zurückschreckten. Ihn haben sie gekillt und bis heute wettern die Evangelikalen gegen ihn, um nachträglich den Mord an Joseph wenigstens einigermaßen zu rechtfertigen.
Nichts anderes!
Denn ihre theologischen Argumente sind schwächer als der Luftzug den ein Schmnetterling verursacht, das habe ich hundertfach belegt.
Vier Wochen später befand Herbert sich auf freiem Fuß.
Er wusste, wer ihn angezeigt hatte.
Eine Weile schaute er mich schweigend mit seinen blauen Augen an. Er strich über sein gewelltes helles Haar.
"Dann wissen auch deine Freunde, dass ich unschuldig bin."
Er nickte.
Nie haben sie mich um Entschuldigung gebeten.
Aber, wie ich sehe, sind eine Reihe evangelikaler Prediger geneigter den je, in "Mormonen" nicht länger ihre Erzfeinde zu sehen.
Wie gut. Wie erfreulich!
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