Freitag, 29. Juni 2012


(2) Sorry, Eure Heiligkeit keine Lorbeeren für Ganoven

Im Sommer 2010 las ich das Straßenschild 18, St. Kyrillos Place, direkt neben der koptischen Kirche, in Narre Warren, einem Vorort Melbournes.

Ingrid und ich waren eingeladen worden an einem Treffen einer australischen Interfaith-Group teilzunehmen.
Draußen standen, auf uns wartend, zwei bärtige, schwarzgekleidete Priester mit dem typischen, großen Kreuz auf ihrer Gewandung. Beide etwa 40jährig, hießen uns herzlich willkommen. Meine (dumme) Frage, ob sich der St. Kyrillos Place auf den antiken Patriarchen Cyrill von Alexandria beziehe, beantworteten sie mit freundlichem Lächeln und Kopfnicken, sowie einer brüderlichen Umarmung.

Irgenwie schien mir, dass ich gespalten war.
Einesteils herzbewegend erfreut über soviel Freundlichkeit, standen mir anderenteils die Haare zu Berge.
Nun, dieser Cyrill von Alexandria, der 431 das Konstantinkreuz in die Kirche trug, war ein Faschist – oder sollte ich sagen, er war ein Antichrist?

Wie kann ein Christ wagen einem Antichristen einen Lorbeerkranz aufzusetzen?

Lasst mich eine kleine wahre Geschichte erzählen:

1994 betreuete ich, als Anstaltsbeirat, u.a. einen 25 jährigen Neonazi der wegen Totschlags in der JVA Neustrelitz einsaß, verurteilt zu acht Jahren Haft.
Er war ein reueloser Totschläger.

Eines Tages bekannte er mir: „In der letzten Nacht haben wir den Geburtstag Rudolf Hess (1894-1987) gefeiert.“

Solange man nicht weiß, dass Rudolf Hess der Stellvertreter Adolf Hitlers war, rührt es nicht.
Mehr: Heß war jemand der Hitler zu dem machte, was er dann bewies.

Nur einen Augenblick lang war ich schockiert. „Wir haben gefeiert?...“ Wer ist wir? Wieviele von den Häftlingen?

Ich fragte nicht, mein Gegenüber hätte mir nie die Wahrheit gebeichtet.

Ich hätte es wissen müssen.

Es gab ihn noch in Deutschland, den gemeinen Antisemitismus!


Wikipedia Rudolf Heß, (1894 - 1987)
                     
Diese Selbstdisziplin, diese Kameradschaftlichkeit!“ lobte mein Gesprächspartner. Hess habe sich letztlich gegen Hitler gewandt, als er im Mai 1941 den wagehalsigen Flug nach Schottland unternahm um dort mit Churchills Gegenspieler Lord Douglas-Hamilton Verhandlungen über ein Bündnis zwischen Großbritanien und Hitlerdeutschland zu sprechen. Hess hätte vorschlagen wollen, dass die britischen und deutschen „Germanen“ gemeinsam gegen den „jüdischen Bolschewismus, in einem Feldzug gegen die Sowjetunion vorgehen sollten...

  • dass Rudolf Hess persönlich an der „Ausformulierung der Nürnberger Rassengesetze“ (Logerich) teilgenommen hatte,
  • dass Hess die Auslöschung der jüdischen Rasse betrieb, ließ der Totschläger nicht gelten,
  • dass Hess die Juden für den Ausbruch des 2. Weltkrieges für verantwortlich hielt und so alle persönliche Schuld weit von sich wies, war für den idealisierenden Neonazi irrelevant.
    (Und ich wette, es gibt gegenwärtig nicht wenige kernige Deutsche, - und nicht nur Deutsche - die sagen, „wäre Rudolf Hess Plan aufgegangen, dann wäre alles ganz anders gekommen, dann wäre der Kommunismus ein für allemal und mit ihm das Problemvolk Israel vom Erdboden verschwunden.)
Rudolf Hess und Cyrill von Alexandria (dem ägyptischen Ort) wo kurioserweise Hess geboren wurde, dürfen niemals von irgendwem unwidersprochen verehrt werden, - auch nicht von einem Papst - weil sie zuviel auf dem Kerbholz haben und volksverdummende und -verhetzende Geistesbrüder sind!
ius respicit aequitatem“, „Das Recht achtet auf Gleichheit.“

Des Papstes Recht ist nicht größer als das eines Sträflings. Es ist nicht erlaubt einen der Volksverhetzung, der Machtverherrlichung und der Judenverfolgung überführten Täter als gut hinzustellen.
Das Gleichheitsgesetz kommt aus der Lehre Christi: vor Gott sind wir alle gleich.

Mir liegt es völlig fern irgendwelche Menschen die von und in ihren Träumen leben vorzuschreiben, was sie zu lieben haben, oder gar Papst Benedikt XVI., und den koptischen Priestern die ihren Glauben leben und für ihn eintreten, irgendwie zu kränken.

Aber ich fragte mich schon, als ich meine "Sitzung" in der koptischen Kirche mit der in der Justizvollzugsanstalt Neustrelitz verglich: was wissen die "Heldenverehrer" von ihren Idolen?

Ich fragte mich: was wisst ihr von Cyrill?

Steht Ihr hinter ihm?

Natürlich standen sie hinter und zu ihm, wie sich aus dem anschließenden Gespräch im Gemeindesaal der koptischen Kirche, ergab. Immerhin ist Cyrill von Alexandria der wichtigste Vater ihrer Kirche.
Wie mit Hermann Göring, Rudolf Heß, usw. ist es mit Cyrill, dem Patriarchen von Alexandria. Solange lange man nicht weiß, dass dieser grimmige Herr, ein Antisemit ersten Grades und nicht geringerer Verletzer der Menschenrechte als Rudolf Hess und ein rücksichtslos polemisierender Kirchenpolitiker war, rührt es kaum jemanden, wen der Papst lobt.
Die Zeit ist vorbei, dass wir uns mit Märchen abspeisen lassen.

Nächstes Mal schauen wir etwas genauer hin und werden uns erneut fragen: Was ist die historische Wahrheit?
Die Wahrheit suchen wir und nichts als die Wahrheit.

Dr. Fendt, der ehrliche katholische Kaplan, kam der geschichtlichen Wahrheit wohl am nächsten... das wird sich zeigen.

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