Die Süddeutsche. de schrieb am 4. April 2012:
Mormonen-Aussteiger “Wenn die Zweifel zu groß werden”
"Kein Kaffee, kein Alkohol, kein Sex vor der Ehe: Lars
Bandholdt war 30 Jahre lang gläubiger Mormone. Dann stieg er aus -
kein leichter Schritt für ihn. Heute hilft der Münchner Manager
anderen Mormonen, die zu zweifeln beginnen."
Ich, Gerd Skibbe, Mitglied
seit 1946 obwohl schon 1939 getauft, dachte, es wäre gut darauf zu
antworten und schrieb:
"Jeder (außer er ist Muslime) kann jederzeit irgendeine Religion oder die Ablehnung aller wählen. Der stets lockende Atheismus wird seine Macht, die er auch auf Mormonen auszuüben trachtet, nie preisgeben.
Das ist so wegen der durchaus menschlich verständlichen Neigung jedermanns, möglichst wenig Verpflichtungen auf sich zu nehmen
Da ich mich, nach mehr als gründlicher Recherche entschieden hatte Mormone zu bleiben, wäre es inkonsequent wenn nicht unverzeihlich gewesen meine Söhne dem Nebel der Meinungsvielfalt zu überlassen. Meine beiden Söhne entschieden sich später, als sie ausserhalb meines Einflussbereiches lebten, ebenfalls für dieselbe Kirche und so deren Kinder. Ihre Wahl fiel u.a. so aus, weil sie erkannt hatten, dass das oberste Prinzip des sogenánnten "Mormonismus" das Recht jedes Mitmenschen auf Entscheidungsfreiheit ist, welches Mormonen unabdingbar zu verteidigen haben! Wusstet Ihr das, liebe Kritiker?
Mormonismus lehrt obenan ,
dass man Recht zu schaffen hat, wo es nicht ist. Dass jedermann die
Würde des Andersdenkenden - sei er Mormone oder nicht - freundlich
zu respektieren hat, dass man allerdings persönlich Selbstzucht und
Gedankenkontrolle erlernen muss, um niemals etwas an sich zu nehmen,
das einem nicht zusteht, dass man sich niemals gegen den Rat des
eigenen Gewissens stellen sollte, dass die Schöpfung im Wortsinn
Schöpfung ist und eben nicht das Produkt einer blinden, allenfalls
auf Zweckmäßigkeit ausgerichteten Natur.
Wenn jemand meint, er will absolut ungebunden leben, und sich deshalb abwendet, dann kann er das tun. Doch wenn er sich nach solcher Entscheidung selbst als "Aussteiger" hochlobt und sich selbst mitleidsvoll betrachtet, und gar noch nach Zustimmung durch ähnlich denkende Zeitgenossen trachtet, dann steht ihm das zwar frei, doch meine Hochachtung möge er dabei nicht erwarten, denn ausser den Schranken seiner eigenen Erkenntnis und Vernunft stand ihm nämlich kein anderes Hindernis im Wege!
Kein "Aussteiger" hatte jemals Probleme mit seiner Exkirche - ausgenommen seitens jener wenigen Mitglieder die ihren natürlichen Hang zum Fanatismus noch nicht überwunden hatten. Anderes zu behaupten ist zwar kühn, aber grundsätzlich nicht wahr. Sich als "Aussteiger" aus dieser Kirche zu fühlen um Mitleid erregen zu wollen, wo kein Leid zu ertragen war, ist kaum heldisch.“
Wenn jemand meint, er will absolut ungebunden leben, und sich deshalb abwendet, dann kann er das tun. Doch wenn er sich nach solcher Entscheidung selbst als "Aussteiger" hochlobt und sich selbst mitleidsvoll betrachtet, und gar noch nach Zustimmung durch ähnlich denkende Zeitgenossen trachtet, dann steht ihm das zwar frei, doch meine Hochachtung möge er dabei nicht erwarten, denn ausser den Schranken seiner eigenen Erkenntnis und Vernunft stand ihm nämlich kein anderes Hindernis im Wege!
Kein "Aussteiger" hatte jemals Probleme mit seiner Exkirche - ausgenommen seitens jener wenigen Mitglieder die ihren natürlichen Hang zum Fanatismus noch nicht überwunden hatten. Anderes zu behaupten ist zwar kühn, aber grundsätzlich nicht wahr. Sich als "Aussteiger" aus dieser Kirche zu fühlen um Mitleid erregen zu wollen, wo kein Leid zu ertragen war, ist kaum heldisch.“
Lieber Gerd
AntwortenLöschenauf welche statistischen Untersuchungen stuetzt sich Deine Behauptung: "Kein "Aussteiger" hatte jemals Probleme mit seiner Exkirche - ausgenommen seitens jener wenigen Mitglieder die ihren natürlichen Hang zum Fanatismus noch nicht überwunden hatten. Anderes zu behaupten ist zwar kühn, aber grundsätzlich nicht wahr."
Besonders, aber nicht auschliesslich, in Utah bedeutet ein freiwilliger Kirchenaustritt nicht selten grosse soziale und zwischenmenschliche Probleme. Kinder werden von ihren Eltern und Familien verstossen, verlieren ihren Freundeskreis -- werden beschuldigt, unter dem buchstaeblichen Einfluss "des Teufels" und anderer mythischen Kreaturen zu stehen. Beschaeftige Dich doch bitte einmal ersnthaft mit den Erfahrungen dieser Menschen, lese ihre Berichte...und sehe nicht alles auschliesslich durch das Prisma der offiziellen HLT-Sichtweise.
Dein Freund Axel
Gerd
AntwortenLöschenDu bist unter den Mormonen in mancher Hinsicht ein Unikat, gerade in Hinsicht auf humanistische Bildung. Leider sind die meisten Mormonen, mit denen ich zu tun hatte, weniger tolerant und durchaus sektiererisch. Dir nehme ich das Bekenntnis zu Freiheit und Selbstbestimmung durchaus ab -- zumindest subjektiv, doch der Mormonenkirche als Institution keineswegs. Hier ist uebrigens eine kleine Liste von Internet-Foren, wo sich ehemalige Mormonen austauschen koennen und einander ihre Geschichten und Erlebnisse erzaehlen. Du kannst doch nicht im Ernst glauben, d. diese Abertausende alles Luegner und Halunken sind, nur weil ihre Erfahrungen von der Deinigen abweicht.
http://exmormonfoundation.org/
http://archives.exmormon.org/Mormons-being-insulting-while-pretending-they-care
http://archives.exmormon.org/
http://www.exmormon.org/
http://www.exmormonscholarstestify.org/
http://open.salon.com/blog/postmormongirl/2012/08/12/why_ex-mormons_keep_quiet_about_their_experiences
Dein Freund Axel
Lieber Axel, vergiss bitte nicht, dass ich unterscheide:
AntwortenLöschena) die Kirche als Institution. Ich erlebte nie, dass von "oben" verbreitet wurde wir sollten Druck auf diejenigen ausüben die ausscheren wollen. Im Gegenteil.
Ich war 18 Jahre lang Ditriktpräs-. und fast sieben Jahre Ratgeber versch. Missionspräsidenten. Ich kenne einige Internas. Niemals wurden Ratschläge in Richtung Misshandlung "Abgefallener" auch nur zart angedeutet! Im Gegenteil!!!
b) die Mitglieder.
Da habe ich sehr wohl erkennen lassen, dass ich jedenfalls weiß, dass die Mitglieder ziemlich selten das tun, was ihnen die Generalautoritäten anraten.
Wenn ich schrieb: "Kein "Aussteiger" hatte jemals Probleme mit seiner Exkirche -" ... dann meinte ich die Kirche... aber dann geht der Satz weiter. Schwierigkeiten werden allerdings verursacht "...seitens jener wenigen Mitglieder die ihren natürlichen Hang zum Fanatismus noch nicht überwunden hatten. Anderes zu behaupten ist zwar kühn, aber grundsätzlich nicht wahr."
Was Du mir da als Literatur empfiehlst kenne ich aus dem Deutschen. Die deutsche Sektion der Exmormonen (Mormonenportal) schrieb passagenweise faustdicke Lügen... uns wird da (z.B. durch Gunnar Werner) unterstellt, dass das Mormonentum, wenn auch unterschwellig, eine gewisse sexuelle Freizügigkeit gestattet. Ich kenne eine Reihe "guter Argumente" die seitens der Autoren gegen uns ins Feld geführt werden, die oft genug allzuviel Verbitterung über eigene Misserfolge ausdrücken.
Selbst Jesus konnte nicht vermeiden gehasst zu werden...
Dein Freund Gerd
Die Medien sind das größte Übel unserer Gesellschaft. Vor kurzem musste ich einen Bericht im Fernsehen über die Mormonen anschauen, der nicht gerade vor Neutralität gestrotzt hat. Pressefreiheit ist eine Sache, aber Volkshetze eine andere.
AntwortenLöschenMein Leben als Mormone - Galileo
Lieber Gerd -- alter Freund:
AntwortenLöschenBereitschaft zur Selbstkritik erhoeht gerade fuer Aussenstehende die
eigene Glaubwuerdigkeit. Ich begruesse daher, d. Du die recht
augenscheinliche Unzulaenglichkeit vieler Mormonenmitglieder (wie
natuerlich auch in anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften) nicht
verleugnest. Ich habe mich in erster Linie an Deiner Formulierung "wenige
Mitglieder" gestossen -- denn in MEINEM Erfahrungsbereich besonders unter
amerikanischen und kanadischen Mormonen sind es gar nicht so "wenige", die
ihren natuerlichen Hang zum Fanatismus noch nicht ueberwunden haben.
Deiner Unterscheidung zwischen "Mitgliedern" und "Kirche als Institution"
(nebst Generalautoritaeten) stehe ich etwas skeptisch gegenueber.
Schliesslich sind die Kirchenfuehrer auch bloss Menschen und als solche
fehlbar. Ein ernsthaftes und ueber Sonntags-Schulleitfaeden
hinausgehendes Studium der Mormonenkirchengeschichte illustriert diese
menschliche Unzulaenglichkeit auch auf hoechster Ebene. Selbst orthodoxe
Mormonenkirchen-Historiker wie Arrington, Bushman, Allen und Walker kommen
nicht umhin, dies zu erkennen. Ganz zu schweigen von zwar noch immer
glaeubigen aber zugleich auch kritischen Historikern wie Michael Quinn und
dem Literaturwissenschaftler Eugene England.
Waere es daher nicht besser, nicht so sehr zwischen Mitgliedern und
Generalautoritaeten/Kirche als Institution zu unterscheiden, sondern
zwischen unzulaenglichen und fehlbaren Menschen auf der einen Seite und
einem normativen Evangelium auf der anderen? In seinen besten Momenten
tendierte Hugh Nibley in diese Richtung.
Den Herrn Werner kenne ich nicht. Aber ich fuerchte, d. Du es Dir mit dem
recht kategorischen Aburteilen der von mir aufgezeigten Ex-Mormonen-Seiten
vielleicht etwas zu leicht machst. Dort wuerdest Du naemlich eine ganze
Reihe verschiedener Positionen finden, von manchmal sehr wohl
gerechtfertigter Bitterkeit bis hin zum Versuch, ein ausgewogenenes und
differenziertes Verhaeltnis zum mormonischen Erbe zu entwickeln.
Ich selbst kann der heutigen Mormonenkirche wenig abgewinnen, obgleich ich
nach wie vor Deine Ausfuehrungen mit Interesse lese. Vielleicht kommt ja
einmal der Tag, wo wir mehr Gerd Skibbes und weniger Bruce McConkie-Boyd
Packers in der Mormonenkirche sehen werden. Ich fuerchte, d. die meisten
der heutigen Mormonen unter denen zu finden waeren, die Joseph Smith
verfolgten und ermordeten. Den wirklichen Joseph Smith wohlgemerk, nicht
die Sonntagsschulversion...
Fuer mich ist Smith eine der interessantesten, vielschichtigsten und auch
wiederspruechlichsten Figuren im Jacksonian America. Die sich gegenseitig
polarisierenden und ausschliessenden Kategorien von "Prophet" oder
"Schwindler" sollten vielleicht durch ein dialektisches Historisieren von
Smith im Kontext seiner Zeit und KUltur ueberwunden werden. Robert
Reminis Joseph Smith-Biografie ist m. E. ein vernuenftiger Schritt in
diese Richtung. Remini hat eine grundsaetzlich mit Joseph Smith
sympatisierende Biografie geschrieben, die aber Smith's Selbstverstaendnis
zugleich kritisch hinterfragt und in sein Zeitalter einordnet. Ich nehme
daher eine Mittelposition zwischen "Mormonen" und "Anti-Mormonen" ein und
sehe meine eigene "mormonische Phase" als wichtigen Bestandteil meinern
Gesamtentwicklung an, ohne die mein bisheriges Leben kulturell und
intellektuell aermer gewesen waere.
So viel fuer heute
In kritischer Sympathie und alter Freundschaft,
Axel
Gruss an die Deinen, auch von den Meinen