Sonntag, 21. Juli 2013

Kleiner Kommentar zu Eric Hansens Pro-Mormonenartikel

... Eric Hansen sagt in seinem Aufsatz: "Warum Amerika einen Mormonen als Präsidenten braucht" (in Zeit-online, Sept. 2012:

"Ich spreche aus Erfahrung: Auch ich bin in einer Mormonenfamilie aufgewachsen. Ich bin kein Gemeindemitglied mehr. Aber ich weiß, dass diese Glaubenslehre, obwohl christlich, ganz anders gestrickt ist als die typische europäisch-christliche Theologie. Nicht mal alle Mormonen wissen, wie amerikanisch ihre Kirche ist.
 
Mormonen sind freiwillig auf der Erde
Es fängt mit dem sprichwörtlich amerikanischen "positiven Denken" an: Das ist nicht nur eine Gemütsfrage, es ist gleich in die mormonische Theologie eingebaut. Mormonen glauben nämlich, dass alle Menschen bereits vor der Geburt, noch ohne physischen Körper, ein sogenanntes "vorirdisches Dasein" in der Präsenz Gottes geführt haben. Bevor wir zur Welt gekommen sind, hat Gott uns fairerweise vorgewarnt: Es werde kein Zuckerschlecken sein hier unten, und einige von uns würden sich möglicherweise so schlecht benehmen, dass sie danach nicht mehr in die Gegenwart Gottes zurückkehren dürften. Er überließ uns selbst die Wahl: Wer nicht hin will, muss nicht.
Eric T. Hansen







Eric T. Hansen ist Amerikaner, Buchautor (Planet Germany) und Satiriker, der sein halbes Leben in Deutschland lebte, heute in Berlin. Sein aktuelles Buch ist Die ängstliche Supermacht: Warum Deutschland endlich erwachsen werden muss. Auf ZEIT ONLINE erklärt er einmal in der Woche die Eigenheiten seiner Heimat – und der Deutschen.

"Nur zwei Drittel von uns haben die schwere Entscheidung getroffen, das Risiko "Erde" auf sich zu nehmen. Das sind wir alle, die gerade leben. Mit anderen Worten: Wir wussten, was wir taten, als wir zur Welt kamen. So gesehen kann ein Mormone nie sagen: "Ich habe mir das hier nicht ausgesucht!" Im Gegenteil: Genau das hat er. Er kann auch nicht klagen, die Welt sei unfair, oder er habe schlechter abgeschnitten als andere. Es war ein zwielichtiger Deal, aber er ging ihn halt ein.
Es gibt ähnliche Elemente in manchen protestantischen Glaubensrichtungen (verwandte Gedanken findet man zum Beispiel in Miltons Das verlorene Paradies), aber keine europäische Kirche treibt diese Idee so weit wie die Mormonen. Der deutlichste Unterschied zum europäischem Christentum ist das, was nach dem Tod passiert. Der Himmel der Mormonen ist ein Himmel der Chancengleichheit.
Europäische Christen wissen zwar auch aus der Bibel, dass wir alle "Gottes Kinder" sind, aber für sie ist es bloß eine nette Allegorie. Die Mormonen aber nahmen den Begriff beim Wort. Ihre Schlussfolgerung: Wir sind ganz buchstäblich seine Kinder, wir Abermilliarden alle. Im vorirdischen Dasein, bevor wir einen Körper hatten, kannten wir Gott als unseren Vater und auch seine Ehefrau (ja, die gibt es auch, wie soll das sonst funktionieren?) als unsere Mutter. Und Jesus muss also unser Bruder sein. (Na gut, Hitler auch.)
 
Das hat Konsequenzen. Denn Kinder, wie man weiß, wachsen irgendwann auf und wollen so werden wie ihr Papi (besonders, wenn der Gott ist). Die Mormonen glauben, dass jeder, der die Prüfungen dieses Erdenlebens meistert, auch im Leben nach dem Tod Karriere machen kann: ergo zu einem Gott werden. Alles rückt einfach ein Level höher: Auch wir werden dann irgendwann selbst "Geisterkinder" zeugen und für sie eine Welt erschaffen, wo sie in einem physischen Körper leben können. Der Kosmos ist ja groß genug!
Das erklärt übrigens auch die "magische Unterwäsche" der Mormonen, doch eins nach dem anderen.
Gegen eine mormonische Ehe ist eine katholische Ehe was für Weicheier. Wenn ein Mormone nämlich heiratet, dann ist es nicht nur fürs ganze Leben, sondern er oder sie behält seinen oder ihren Partner auch nach dem Tod – bis in alle Ewigkeit. Wie soll das auch sonst was werden mit der eigenen Gotteskarriere und eigenen Menschenkindern?
Surfen in Mormonenunterwäsche?
Der erste Schritt zu einer "ewigen Familie" ist die Eheschließung im mormonischen Tempel. Die Bedingung ist Gehorsam gegenüber Gottes Wünschen. Den geloben die Mormonen schon in ihrer Jugend, und sie nehmen das so ernst, dass sie fortan Tag und Nacht eine mit Symbolen bestickte Unterwäsche tragen, die sie an ihr Gelöbnis erinnern soll.
Glauben Sie mir: Mormonen wissen, dass dieses Gebaren für die moderne Welt sehr merkwürdig ist, und dass sich andere darüber lustig machen. Sie tun es trotzdem, weil sie es verdammt ernst meinen. Rosenkranz beten oder ein Kreuzchen umhängen kann jeder. Aber in Mormonenunterwäsche surfen? Götter in spe sind hart im Nehmen, sage ich Ihnen. (Na gut, dass man sie zum Surfen ausziehen darf, haben mir meine Brüder schließlich erklärt, aber erst nachdem ich aus dem Wasser kam.)
Die Europäer mit ihrer Lust an der Unterwürfigkeit
Dieses Gott-in-spe-Ding ist sicher das Ungewöhnlichste an der mormonischen Theologie. Letztens erzählte ich das einer deutschen Freundin, und sie schnaubte: "Herrgott, seid Ihr Amerikaner größenwahnsinnig." Sie hat ja Recht. Uns dagegen kommen die Europäer mit ihrer merkwürdigen Lust, in aller Ewigkeit glücklich um die Füße Gottes herumzutanzen, ganz schön unterwürfig vor.
Das europäische Christentum basiert ja auf der feudalen Utopie, dass Gott am Ende über uns allen thront wie ein gerechter König und wir, seine Untertanen, ihm pausenlos dankbare Loblieder singen und niemals auf die Idee kämen, irgendwann selbst mal König zu sein. Wo kämen wir da hin?
Wir Amerikaner denken genau andersherum: Keiner von uns hat Lust, ewig nur rumzusitzen und Lob und Preis zu singen. Wir wollen lieber selbst mit anpacken. Jeder von uns kann Präsident werden, also können wir logischerweise auch Götter werden, oder? So eine Religion konnte nur in Amerika entstehen: Wir haben die westliche Welt demokratisiert, wir können auch den Himmel demokratisieren. Halleluja!
 
 
 
Ich, Gerd, kommentiere lediglich mit 2 Hinweisen
 
1. dass selbst hochrangige Geistliche aller Westkirchen nicht wissen, dass die Lehre von der Vergottung des Menschen (in der Ewigkeit) lt. Papst Benedikt XVI.,  lt. Dr. Martin Luther, lt. Adolf von Harnack, lt. Origenes uv.a, Lehrautoritäten Basis des Urchristentums war, ist blamabel!
 
Siehe:
- Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Mohr Siebeck , 1990, S.46 „Der Gedanke der Vergottung (des Menschen) ist der oberste gewesen, bei den alten Vätern...“,
- Dr. Martin Luther „Luther und Theosis“ finnische Lutherforschung, Lutherakademie Ratzeburg:“ ...Gott wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde...“
- Origenes (185-254) H. Benjamins „Eingeordnete Freiheit, Freiheit und Vorsehung bei Origenes“ E.J. Brill, 1994, S. 13 „Erst aufgrund der Tugend wird man ein Kind Gottes und erst in derErwerbung der Tugend durch eigenen Eifer erwirbt der Mensch die Ähnlichkleit Gottes. Unentbehrlich für das Erreichen der Gottähnlichkeit ist also die Entscheidungsfreiheit“
- Benedikt XVI.      ...der Kern der Inkarnationslehre des Athanasius lautet: „Christus, das Göttliche Wort, „wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden...“
siehe Gerd Skibbe BlogSpot "Martin Luther und die Mormonen"
 
2. dass eben diese Experten auf dieser angeblich mormonisch-sektiererischen "Sonderlehre" wie auf einem Paradepferd ihrer Demagogie herumreiten, gehört zu den Kuriositäten "moderner"! Dogmengeschichte.
 
 
 
 
 
 

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