Im Sommer 1946 luden mich die Missionare ein, an der Distriktkonferenz in Schwerin teilzunehmen.
Natürlich hatte ich vergessen, wo konkret die Zusammenkunft stattfindet. Später und am nächsten Morgen, sah ich die Plakate in der Stadt hängen - das war behördlich erlaubt, weil "die Mormonen" damals noch als eine von den Nazis diffamierte Kirchengruppe galt - aber in dem Augenblick, in dem ich mit meinem sechs Jahre jüngeren Bruder Helmut das Bahnhofsgelände der unzerstörten Stadt Schwerin verließ, fragte ich mich was zu tun ist.
Es war Abend geworden. Nach sechsstündiger Verspätung standen wir ein wenig wie verloren da.
Hunderte Menschen befanden sich an diesem warmen Sommerabend auf der Hauptstraße, der Lübecker oder der Wismarschen. Wen sollte ich fragen und wonach?
Mir fiel ein, dass ich mich nach dem Polizeipräsidium erkündigen könnte.
Es schien so als ware nie Krieg gewesen. Alles sah unglaublich ruhig aus.
Da war allerdings ein Summen zahlloser Stimmen, denn, wie mir schien wehte nicht der geringste Luftzug.
Plötzlich mitten im buchstäblichen Gewimmel wandte ich mich mit meiner Frage nach der Polizei an eine Dame.
Ich solle mich ihrer Gruppe anschließen-
Binnen Sekunden war klar, es handelte sich um Mitglieder die über die gerade beendete Samstagversammlung sprachen und den Namen Neumärker erwähnten. Das war der Mann der mich eingeladen hatte, und die Dame war Elli Polzin Flüchtling aus Stettin.
Die Art wie sie Helmut und mich einlud mit ihren Kindern ein Lager auf dem Fußboden zu teilen, blieb mir wie ihr ganzes Wesen unvergesslich. Es war diese selbstverständliche Treue zu den Idealen des Mormonismus, die sie ein halbes Jahrhundert danach immer noch ausstrahlte.
Eine so kluge, selbstbewusste, humorvolle Frau, der das Gluck vergönnt war ihren Ehemann wiederzusehen, der Sanitäter an der "Ostfront" dann langjähriger Krieggefangener in einem Land war, in dem die Sieger selbst Hunger litten.
Welche Stützen die Polzins doch für ihre Gemeinde lebenslänglich blieben.
Und dann, am Morgen im gemieteten Konferenzsaal, saßen mein Bruder und ich, völlig unbedarft da. Weil wir nie den Begriff "Klassentrennung gehört hatten, blieben wir sitzen, während sich die Priestertumsträger, zu denen wir ja nicht gehörten und auch nicht zugehörig fühlten, nach der Eröffnung hinausgingen.
Zum Glück.
So erlebte ich Schwester Rowohlt, Hamburg, deren Heim von allierten Bomben zerstört worden war, die lebhaft und überzeugend berichtete, welche Schicksalsschläge sie hätte hinnehmen müssen. Wie karg das Brot und wie knapp das Geld auch war, sie zahlte ihren Zehnten und konnte noch abgeben.
Was sie uns, insbesondere mir gab, war das sichere Gefühl, in dieser Kirche bist du zuhause.
Die Männer müssen bemerkt haben, dass wir im "falschen" Raum saßen und baten uns in ihre Klasse.
Schade.
Bei denen haben wir uns anschließend gelangweilt.
Für mich war es einfach zu viel, es war zu hoch gegriffen.
Für mich war es einfach zu viel, es war zu hoch gegriffen.
Später gehörte ich zu denen die manchmal zu tief oder zu hoch griffen, bis mich der Patriarch Percy K. Fetzer, der mich gar nicht kannte, nach der Erteilung des Segens, bat daran zu denken, "dass das Evangelium notwendigerweise einfach erklärt werden muss". Ich neige dazu, es zu komplizieren.
Das war vor mehr als 40 Jahren. Seitdem bemühte ich mich klare Worte zu finden, um so verständlich wie möglich zu formulieren, ob ich sprach oder schrieb - und so lernte ich besser zu schreiben, genauer und überzeugender.
Es scheint so zu sein, dass Frauen mehr und intensiver ihr Herz befragen und es sprechen lassen.
Ist es nicht wahr, dass Abinadi in einem Extremfall, den Priestern Noas geradezu, einen Vorwurf daraus machte, dass sie zu "verkopft" seien:
"Ihr habt euer Herz nicht dazu gebracht, es zu verstehen, darum seid ihr nicht weise gewesen." Mosia 12: 27
Alle Jahre hindurch, vor allem während der langen Heimfahrt, ebenfalls wieder mit mehrstündigen Verspätungen, stand mir dieses flächige, ruhige Gesicht einer Frau vor Augen die durch bitterste Prüfungen gehen musste, aber nie jenen Geist verlor, der aus Menschen Heilige machen kann.
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