Mittwoch, 17. März 2021

Meine Zeugnisse (1) by Gerd

 

 

Ich lebte unter Hitlerjungen im KLV-Lager Groß-Mölln. Das war pure Vorbereitung auf die Umsetzung des Siegeswillen, für den Führer zu sterben: Stramm stehen, splitternackt im Strandsand stundenlang im Stechschritt marschieren usw. Schulungen durch SA Führer: "Hier wird gehorcht!"

Hirnverbrannt wie wir waren, hielten wir das für normal, auch das "Robben" mit entblößten Ellenbogen auf dem rauen "Sportplatz" Das war 1944.

1945, im Februar wäre ich noch dem Gestellungsbefehl zum Volkssturm gefolgt, hätte meine kleine Mutter nicht ihr geballte Recht auf den Eßtisch geknallt...

Aus der Höhe des Rathausturmes meiner Heimatstadt Wolgast mussten mein Freund Richard und ich Strafdienst leisten, weil wir nur wenige Stunden vor der Eroberung  unseres Ortes, im Bewusstsein seiner Ohnmacht bösartig einen Polizisten geärgert hatten. Wir sollten während der hereinbrechenden Nacht auf Mündungsfeuer achten usw. Mutter hat uns da herausgehauen. Sie kannte den Wachhabenden, der ein gläubiger Polizist war, namens Wallies, wie ich nie vergessen kann.



 Als die Sowjetarmee andern Tages Einzug bei uns hielt und wochenlang marodierte, öffnte ich die Geheimbox meines Vaters. Gefüllt mit Antimormonenliteratur hatte sie mein Vater wohl ein Jahr vor seiner Taufe erworben um sein Urteil abzurunden. Nun lockte sie mich.

Hinzuzufügen wäre: Ich wachte auf, am 30 April 1945 als ich aus drei Metern Entfernung in den Lauf eines russischen Armeerevolvers blickte und dann in die braunen Augen eines etwa dreißigjährigen Mannes der kein Mörder war, ein Tschkesse vermutlich, mit seiner hohen Schaffell-kopfbedeckung... ich schaute ihm minutenlang nach. Er ging furchtlos aufrecht, wohlwissend, dass aus jedem Kellerfenster oder jeder Nische die tödliche Salve auf ihn wartete.

Vor allem die buchlangen Hetzschriften der Pastoren Zimmer und Rößles haben mich überzeugt, dass Joseph Smith ein wahrer Prophet war...

Autor Zimmer, der um 1900 zwei Jahre in Utah wirkte um Mitglieder unserer Kirche wieder in den Schoß der Lutherischen Heimat zurückzuführen. Er fand, dass die Mitglieder unserer Kirche Verbrecher seien.

Das war der erste Mosaikstein, wahrscheinlich schon der zweite. Dieser Mann hatte ihn unbewusst gelegt, ich wusste: Er log unverschämt.

Denn sogleich erinnerte ich mich wieder, nach Jahren der Gleichgültigkeit, meiner Taufe, 1939, im Peenestrom. Neunjährig wusste ich bereits etwas, (auch wenn ich es bis 1945 vergaß.) Diese Freude hatte ich nie zuvor empfunden, die mich während des langen Heimweges beglückte.

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