Plötzlich, nach vielen trüben Monaten der Gebundenheit unter einem roten Stern, schien mir der Kommunismus heller zu leuchten.
Noch war ich ein Nichts, aber das konnte sich schnell ändern.
Ich begann auf beiden Seiten zu hinken.
Gewohnt mit Menschen und Ideen zu arbeiten wurde ich im Mai zum Kreisberufsschulaktivleiter gewählt, (zum Sprecher von 600 Jugendlichen) das heißt, ich wurde politisches Haupt der beruflichen Schule Prenzlaus, obwohl ich nie ein Hehl aus meiner religiösen Gesinnung machte.
In diesen Tagen traf ich, am Ufer des Uckersees, unerwartet meinen Klassenkameraden Dieter Kavelmann.
Er ging in der blauen Offiziersuniform, der kasernierten Volkspolizei, die praktisch eine Berufsarmee war. An seinem Arm hing ein sehr gut anzusehendes Mädchen.
Über uns brauste einer der ersten sowjetischen Düsenjäger hinweg. Sie sollten das Kennzeichen der neuen Zeit werden.
Ich schaute auf Dieters geflochtene, silbernen Litzen seiner Achselstücke. Trotz seiner erst einundzwanzig Lebensjahre war er schon zum Polizeirat befördert worden.
Dieter durchschaute mich.
Er sprach mich sofort auf meine Zwangsjacke an, in der ich noch, als Baumschulistenlehrling steckte. Ich wünschte tatsächlich immer noch nichts sehnlicher als sie mir vom Leib zu reißen. Er war ein anerkannter Mann und ich das Schlusslicht eines Unternehmen, das ich mehr als meine eigenen Schwächen hasste. Er erkannte sofort, dass ich mir nur aus eingebildeter Moral nicht zutraute, die Bindung zu meinem Lehrherrn zu zerreißen. Der kluge Dieter lachte. Er sah nicht nur glücklich aus, er war es.
Er wusste um meine religiöse Einstellung, die er allerdings geringschätzig für eine Illusion hielt. “Komm zu uns", sagte er, “Du hast doch, genau wie ich, die vormilitärische Ausbildung hinter dich gebracht. Wir suchen neue Kader.”
Es klang mir wie Musik in den Ohren: junge, klare Köpfe für eine junge, klare Ideologie.
Er malte mir sein Bild in leuchtenden Farben. Jetzt erhielte ich dürftige fünfzig Mark, aber wenn ich zu ihm käme, dann würde ich bald zum Offizier befördert werden und wäre der Willkür meines Ausbeuters entronnen! Dabei schaute er auf die schlanke Blondine herunter
“In sechs Wochen hast Du monatlich achthundert Mark auf der Hand und bist wer. Reden kannst Du, gute Figur machst Du auch.” Sein Mädchen strahlte.
Ich spürte, wie ich rot vor Scham und Verlangen wurde.
Nur ein kleiner Handgriff zum Füllfederhalter und der irdische Himmel wäre erobert.
Es hielt mich jedoch eine Frage zurück: Ob ich nicht wüsste wer dann mein neuer Herr sein würde?
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